\ ONE COUNTRY
MAGAZIN DER BAHA | INTERNATIONAL COMMUNITY
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„Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bijrger.“ — Bahdu’lla’h 3 / 9 9
INHAU
.4 RAUEN IN KENIA
BEFREIEN SICH SELBST AUS DER
RM u TS FA I. L E wéhrung kann viele Probleme der Weltwirt schaft Ibsen 2 ~ q,
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Kenia: Frauen entdecken Beratung als Erfolgsfaktor fUr nachhaltige Entwicklung
1 2 Portréit:
Geraldine Robarts Mit Kunst Entwicklung fördern
Sijdafrika: Dialog zwischen Weltbank und Weltreligionen zur Armutsflberwindung
g. ‘31,“ 1 8 A, H L~ V L ‘ 2, , S; w
USA: Marktplatz der 1.001 Entwicklungsprojekte
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von Bushrui/Jenkins Über Kahlil Gibran
DM 4,— / SFr-4,- / ATS 28,- / LUF 8o,— Postvertriebsstijlckn-ummer D13365F
IMPRESSUM 1 ONE Couumv wird herausgegeben von der Bahá’í International Community, die als Nicht-Regierungs-Organisation bei den Vereinten Nationen die weltweite Bahá’í-Gemeinde représentiert. On: Couumv, Office of Public Information,Bahá’í International Community, Suite 120,866 United Nations Plaza, New York, New York 10017, USA, E»Mail:1country@bic.org. Chefredakteur: Brad Pokorny. Chef vom Dienst:Ann Boyles.Aus|andsredaktionen: Nancy Ackerman (Moskau),Chriv stine Samandari»Hakim (Paris),Kong Siew Huar(Macau),Gui|da Walker (London).Deutschsprachige Redaktion: Peter Amsler,Stefan Mutschler,JensUwe Rahe.Freie Korrespondenten: Hilde Fanta (Osterreich),Silvia Frbhlich (Schweiz),lutta Bayani (Luxemburg). Geschäftsfuhrunngartmut Nowotny, Arezu Braun, Übersetzerpool: Lisa Hiemer. Beitrage aus ONE Couumv können kostenfrei nachgedruckt werden unter Angabe der Quelle.
‘ Anschrift:0us (ouumv,Eppsteiner i Str.89,D-65719 Hofheim-Langenhain, 1 Germany.Tel._49~6192-99290, ‘ Fax _49-6192-992999. Herausgeber derdeutschsprachigen Ausgabe:
Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in
Deutschland e.V.
Einzelheft: DM 4,-/SFr4,-/OS 28,-/
LUF 80,~.Jahresabonnement:DM15,-/ SFr15,—/OS100,»/LUF 300,- (incl. MWSt
u. Porto), Die Zeitschrift kann beim Bahá’í-Verlag,Eppsteiner Str.89,65719 HofheimiLangenhain,bestellt werden. Copyright1999 by Bahá’í International Community. ISSN 094570621
Gedruckt auf100% Recyclingpapier.
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JERUSALEM. — Prof. Moshe
Sharon (5. Bild rechts), der
erste Inhaber eines Lehrstuhls
fUr Bahá’í-Studien in Israel,
begrijndete die Einrichtung
dieses Lehrsuhls damit, dass
die Hebréische
Universitét von
Jerusalem
etwas dazu
beitragen wi||,dass die
„immense Ignoranz“ gegenÜber der Bahá’í—Religion in
der wissenschaftlichen Welt
endlich gebrochen wird.
„Die Menschen glauben, Bahá’í sei eine muslimische Sekte. Die Wahrheit ist, dass es sich um eine Weltreligion handelt", sagte Sharon und ngte hinzu, dass die letzte
LEHRSTUHL FUR Bahá’í-STUDIEN AN DER UNIVERSITAT IN JERUSALEM EINGERICHTET
wissenschaftliche Arbeit Über die Bahá’í-Religion, bervor er seine Studien begann,vor 80 Jahren veröffentlicht wurde, obwohl es Über1oo.ooo Dokumente zu sichten gibt „genug fUr die naichsten 100 Jahre“.
Prof. Sharon beschreibt die Bahá’í—Religion, die sich rasch über die ganze Welt ausgebreitet hat,wegen ihres Insistierens auf die vbllige Gleichwertigkeit aller Rassen und beider Geschlechter als die perfekte Religion fUr den modernen Menschen.
Heute befindet sich das Weltzentrum der Bahá’í in Haifa. Die wichtigsten heiligen Stétten liegen in
Prof. Moshe Scharon ist der erste Inhaber des neu eingerichteten Lehrstuhlsfdr BahdiStudien der UniJerusalem
Haifa und Akka. Es gibt weltweit mindestens sechs Millionen Anhénger des Bahá’í-Glaubens. (nachgedruckt mitfreundl. Genehmigung dJerusa/em Post)
MIT DEM INTERNET GEGEN ARMUT UND HUNGER IN DER WELT
WASHINGTON/FRANKFURT AM MAIN. — Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und ein amerikanischer Computerhersteller beabsichtigen,gemeinsam mit Hilfe des Internets gegen Hunger und Armut in der Welt vorzugehen. Ziel sei es nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Überall in den Entwicklungsléndern,"selbst in den kleinsten Dbrfern„,
t
Zugénge zum Internet zu schaffen.
Die Zeitung zitiert dabei den neuen UNDP—Direktor Mark Mulloch Brown, der der Ansicht sei, dass mit dieser Vernetzung selbst kleinsten Kaufleuten, Handwerkern und Bauern die Möglichkeit gegeben werden könne, Mérkte fUr ihre Produkte zu finden. Außerdem sei ein Austausch Über Gesundheitsprobleme oder landwirtschaftliche Tech
Aufden Solomon Islands Überreichte Betty Oit (links) von der
Bahá’í—Gemeinde dem Premierminister Bartholomew Ulufaalu
(in der Mitte) eine Tafel zu dem Buch„ Virtues Guide“, einem
Trainingsprogrammfdrgrund/egende menschliche Werte. Anlass
war die Verleihung des Community Service Awards, derjedes Jahr
von der Bahá’í—Gemeinde der Solomon Islands vergeben wird.
niken m6g|ich,der nicht allein den Menschen in den Entwicklungsléndern neue Perspektiven gébe,sondern auch den hilfsbereiten Menschen in den Industrielandern die Möglichkeit einréume, sich zu engagieren und an der Überwindung von Armut und Hunger mitzuarbeiten.
EINE MILLION MENSCHEN BETEN FUR DEN WELTFRIEDEN
AMENIA.- Hunderttausende Menschen weltweit haben am 21.August 1999 in einer gemeinsamen Andacht fUr den Weltfrieden gebetet. Während rund 10.000 Teilnehmer des Weltfriedens-Festivals im nordamerikanischen Amenia, New York,zusammen kamen, hatte auch jeder Nutzer des Internets die Gelegenheit, mittels Übertragung von Bild und Ton zwischen 20 und 22 Uhr MEZ zu Hause dabei zu sein. Der Veranstalter, die World Peace Prayer Society mit Sitz in New York, hatte zuvor die Bahá’í ausdrUcklich dazu eingeladen, an dieser ékumenischen Andacht teilzunehmen.
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ERFOLGREICHE KONFERENZ DER NGOs ZUR FORTFUHRUNG DES
ROYAUMONT-PROZESSES - ZIEL: DEMOKRATISIERUNG SUDOSTEUROPAS
BUDAPEST. - Die zweite Royaumont-Konferenz der NGOs wurde am 26. und 27. Juni unter dem Titel „F6rderung von Demokratisierung und die Rolle der Zivilgesellschaft“ in Budapest abgehalten.
Der Royaumont-Prozess wurde von der Européischen Union ins Leben gerufen mit derAbsicht,ein Element struktureller Konfliktprévention flir SUdosteuropa zu schaffen. Er geht davon aus,
dass nachhaltige Konfliktregelungen nur möglich sind, wenn bestehende autoritére politische Strukturen abgebaut werden.
Die Konferenz stellte dabei die Bedeutung des Aufbaus eines Netzwerks von NGOs fUr ganz SUdosteuropa in den Vordergrund. Gerade die NGOs werden, 50 die Teilnehmer, eine „treibende Kraft im Aufbau und in der Stérkung gesunder ziviler Strukturen„ durch die Errichtung von
NGO-INITIATIVE „FRAUEN FC")RDERN FRIEDEN“ WILL EINBERUFUNG EINER WELTVERSAMMLUNG
BERLIN.—An|§f§|ich des 54. Jahrestages der GrUndung der Vereinten Nationen finden vom 16. bis 23. Oktober 1999 in ganz Europa Aktionen unter dem Titel “Frauen fördern Frieden" statt. Höhepunkt ist der Aufrufan alle Frauen Europas, dem Generalsekretér derVereinten Nationen, Kofi Arman einen Briefzu schreiben. Darin sol|en die Frauen Annan bitten,"eine Weltversammlung aller Staatsoberhéuptereinzuberufen, um die Grundlage fflr einen dauerhaften Frieden aufunserem Planeten zu schaffen."
KONFERENZ „PERSPEKTIVEN MENSCHLICHER GEMEINSCHAFT“
SCHWAZ,Osterreich.—Auf Einladung der Stadtgemeinde Schwaz und initiiert durch die anséssige Bahá’í-Gemeinde findet die diesjéhrige öffentliche Jahrestagung der Gesellschaft fUr Bahá’í-Studien (GBS) vom 15. bis 17. Oktober 1999 in Schwaz/Tirol statt. Anlass istdas1oojahrigelubiléium der Stadterhebung von Schwaz, wobei der Gemeindev rat auch die lokale Bahá’iGemeinde zur Ideenfindung anfragte. Die Jahrestagung ist Teil der ganzjährigen Feierlichkeiten der Stadt.
Während derAktionswoche sollen in möglichst vielen Städten und Gemeinden Seminare und Workshops von Frauen fUr Frauen durchgefflhrt werden,wobei Erziehungsfragen, Friedensaktivitéten an Schulen, die Rolle der Medien oder das Konzept des Weltbflrgertums angesprochen werden. Zum AbschlufS sind jeweils 6ffentliche Kundgebungen geplant, bei denen Worte zum Frieden, Worte und Passagen von berUhmten Autoren und Persönlichkeiten zum Thema Frieden gelesen werden.
„effektiven Kanailen der Kommunikation über nationale Grenzen" seinl
Ein Représentant des Bahá’í-Bflros fUr Offentlichkeitsarbeit in Paris sowie zwei nationale Vertreter aus Ungarn von „Promoting Positive Messages Through the Media:The Happy Hippo Show“ traten dabei als Représentanten der Bahá’í neben Über achtzig anderen Vertretern anderer NGOs auf. Die Bahá'iwurden eingeladen, um ihr Projekt „Promoting Positive Messages“ vorzustellen. (vgl. One Country 2/99) Nach der Vorfiihrung eines zehnminUtigen Videos wurde viel Interesse gezeigt.
50 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: JUBILKUMSAUSSTELLUNG IN BERLIN
BERLIN.—Am 23.Mai (iffnete im Berliner MartinGropius-Bau die große Jubiléumsausstellung zur sojährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ihre Pforten. Auf 50.000 Quadratmetern geben die Veranstalter, das Deutsche Historische Museum, das Haus derGeschichte und die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, noch bis zum Herbst ein gro{Ses Panorama der Zeit von 1949 his 1999. In filnfzehn “Kapiteln„werden Personen und Ereignisse, Politik und Wirtschaftvor allem aber die
Lebenswirklichkeit der Menschen in Ost und West dargestellt.
Unter dem Thema “Glaubensdinge„ ist neben den christlichen Kirchen und anderen Religionen auch die Bahá’í-Religion présent. In einer zentral plazierten Vitrine befindet sich unter anderem eine aufgeschlagene Schmuckausgabe der “Verborgenen Worte"von Bahá’u’lláh, dem Stifier der Bahá’LReligion, sowie ein etwa 60 cm hohes, maßstabsgetreues Modell des Bahá’í-Hauses der Andacht in Hofheim-Langenhain.
EUROPA-MAGAZIN
Das Bahá’í—Haus derAn dacht in Hofheim-Langenhain: 1963 wurde es eingeweiht, 4o Jahre, nachdem sich in Deutschland der erste Nationale Geistige Rat der Bahá’í konstituiert hatte. Heute ist die BahdiGemeinde als anerkannte Religionsgemeinschaftfest in der deutschen Wirklichkeit integriert.
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DEBATTE
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n den letzten Jahren haben
die Finanzkrisen in Mexiko,
Brasilien, Russland und Sijdostasien - um nur einige der Lénder und Regionen zu nennen,deren Wirtschaft besonders hart betroffen waren - die Zerbrechlichkeit des internationalen Finanzsystems gezeigt.
Wenn sich auch einige Volkswirtschaften von den Néten und Erschfltterungen,die von diesen Krisen hervorgerufen wurden, bislang abschirmen könnten, haben doch internationale Finanzfachleute immerwieder vor einem möglichen Dominoeffekt gewarnt. Diese Warnung begründet sich aus derTatsache, dass die Weltwirtschaft heute mehr dennje miteinander vernetzt ist. Während die Globalisierung der Finanzmérkte aufder einen Seite eine grbflere Flexibilitét erzeugte und einen schnelleren Transfervon Wissen und Wohlstand ermöglichte, wurde gleichzeitig das Gesamtsystem instabiler und fordert heute ein ungleich höheres M38 an Zusammenarbeit, um auch nur ein grundlegendes Funktionieren der Wirtschaft sicherzustellen.
"Weltwfihrung erleichtert Umgang und Versténdnis zwischen den Völkern"
Regierungschefs,Volkswirtschaftler und WirtschaftsfUhrer haben folglich die Forderung nach einer Reform des weltweiten Finanzsystems erhoben.Wenn also die Politi EINE WELT flINEWEnwm-IRUWKANN PROBLEME DER WELT ABER zu EINER GE
ker Über die verschiedenen Möglichkeiten nachdenken, so verdient auch die Iange aufSer Acht gelassene Idee der Einrichtung eines Weltwéhrungssystems eine grUndlichere Untersuchung als bisher. ln einem Zeitalter, da internationale Abhéngigkeit und Integration an allen Fronten zunimmt, ist ein "einheitliches und universales Waihrungssystem„eine von mehreren, sich ergénzenden Maßnahmen,die mithelfen, "Umgang und Versténdnis zwischen den Völkern und Rassen der Menschheit zu erleichtern und zu vereinfaChen", wie Shoghi Effendi, der die Bahá’í-Weltgemeinde zwischen 1921 und 1957 mmte, bereits 1936 schrieb.
Eine einzige Wéhrung wire in mancher Hinsicht wie eine Welthilfssprache, die die Kommunikation weltweit verbessern wUrde. Sie wUrde die derzeitigen Probleme der Spekulation, Instabilitét und Unsicherheit beseitigen und eine starke Grundlage fijr das Wachstum der Weltwirtschaft bereitstellen. Sie wUrde die Kosten und Risiken der Internationalisierung von Geschäften merklich vermindern.
Eine globale Wéhrung wäre auch ein wichtiger Schritt zur F6rderung von Wirtschaftlicher Gerechtigkeit in der Welt. Sie wijrde einigen wenigen begUnstigten Léndern, deren Wéhrung als stérker und sicherer angesehen wird, ihren Vorteil nehmen. Die érmeren Volkswirtschaften wären davor geschUtzt, durch größere Wéhrungsschwan WELTWIRTSCHAFT FUHREN
kungen nachhaltig geschédigt zu werden.Auf|ange Sicht wUrde ein solcher Schritt sehr dazu beitragen, den negativen Auswirkungen der Globalisierung entgegenzuwirken, indem siejedem Überall einen Platz aufeinem eher“ausgeg|ichenen„wirtschaftlichen Spielfeld gibt.
“Economist„: Eine Weltwéihrung ist “des Nachdenkens„ wert
Die Idee einerWeltwéihrung ist nicht neu. Der Volkswirt John Maynard Keynes schlug in den 4oerJahren dieses Jahrhunderts eine “Internationale Wéihrungsunion"vor. Seine Idee wurde auf der Konferenz von Bretton Woods von Diplomaten verwéssert, die diesen drastischen Schritt mieden und stattdessen den Internationalen Wéhrungsfonds und die Weltbank aus derTaufe hoben. lnjUngerer Zeit hat der "Economist", eines der orthodoxesten Finanzblé’tter, den Ruf nach einer erneuten Prflfung der Idee erhoben und in einem Artikel vom 26. September 1998 nahegelegt,dass "Eine Welt, ein Zahlungsmittel„ “einen Moment des Nachdenkens„wert sein kbnnte.
Im derzeitigen System wechseln täglich Über eine Billion Dollar den Besitzer,wenn Investoren nach gréBtmöglichem Ertrag bei minimalem Risiko suchen. Diese Wéihrungsbewegungen werden von Profis durchgefiihrt, die nachteilige Veränderungen von Wechselkursen vorherahnen oder sich davor
[Seite 5]
EINE WA HR UNG?
main ALLE LOSEN RECHTEREN
schUtzen müssen,was oft zu Spekulationen auf oder gegen bestimmte W'éhrungen fUhrt. Auch intervenieren héufig Regierungen, um den Stand ihrerWéhrung abzusichern oder um Handelsvorteile zu suchen. Das System ist grundsétzlich ungerecht,da Lénder, deren Zahlungsmittel als Reservewéhrung gehalten werden, gegenÜber weniger begUnstigten Léndern unangebrachte wirtschafiliche Vorteile erhalten.
Weltwéihrung würde Problem der regionalen Wéhrungskrisen lösen
Die Instabilit’ét der Wechselkurse zwischen den Wéhrungen verursacht Probleme fUr den internationalen Handel und internationale Investitionen,Für geschéftliche Planungen und fUrVolkswirtschaften, mit Auswirkungen auf Preise und Inflation. Beijeder Bewegung gibt es nicht nur Gewinner und Verlierer,sondern auch allgemeine wirtschaftliche Nachteile.Wenn ein Land fUr einen festen Wechselkurs optiert, muss seine Wéhrungspolitik diesen Wechselkurs verteidigen; wenn es einen kontrollierten freien Wechselkurs (managed float) wéhlt, setzt es sich spekulativen Angriffen aus. Die Zentralbanken können zur StUtzung ihrer Waihrung intervenieren,aber eine große Wéhrungskrise kann heute schnell nationale Reserven Überlasten und eine internationale Soforthilfe erfordem eine Hilfe,die sich in den letzten Jahren auf hohe Milliardenbetrége belaufen hat.
Die psychologische Dimension ist bei Wéhrungskrisen
wichtig, da viel von dem Vertrauen abhéngt, das Investoren in eine bestimmte Wéhrung haben.Vertrauen kann aber Ieicht erschUttert werden und ist schwer wieder herzustellen. Eine Weltwéihrung wUrde nicht nur die Möglichkeit der Spekulation beseitigen, sondern auch fijr allgemeines Vertrauen sorgen.
In derVergangenheit wurden verschiedene Einwénde gegen eine Weltwéhrung vorgebracht, im rationalen wie im emotionalen Bereich. Eine einheitliche Wéhrung wUrde allen Léndern eine fijr alle gleiche wirtschaftliche Strenge auferlegen und sie dazu zwingen, unbequemen Tatsachen ins Auge zu sehen. Die Regierungen könnten nicht lénger nach Gutdijnken Geld drucken oder die Tatsache ignorieren, dass sie nicht andauernd Über ihre Verhältnis5e leben können. Dies wären allerdings alles sehr positive Entwicklungen.
Manche fflhren an, dass der beste Schutz gegen internationale Schwankungen darin besteht, noch viel mehr lokale Wéihrungen einzufflhren, die die Leute selbst verwalten und so ihre Wirtschaft nach auEen abschirmen können. Wenn dies auch in einer Welt mit schwankenden Wéhrungen noch zutreffen mag,wijrde eine Weltwéhrung eine Hauptquelle fUr starken Druck von außen tatsächlich beseitigen.
Eine andere Berrchtung ist, dass der Verzicht auf nationaIe Wéhrungen und den Markt fUr Fremdwéhrungen in einigen Regionen die Arbeitslosigkeit erhöhen wUrde, erstens, weil einige Beschaftigungen Überflflssig wurden, und zweitens aufgrund der Wahrscheinlichkeit, dass sich durch eine offenere und ausgeglichenere wirtschaftliche „Spie|wiese“ einige Arbeits plétze in andere Regionen verlagern wflrden. Solche Übergénge gibt es allerdings auchjetzt schon - und zwar ohne irgendeine zugrunde liegende Gerechtigkeit, wie sie eine Weltw'éhrung durch ihre ausgleichende Kraft mit sich bringt.
Euro zeigt: Auf nationale Symbole kann verzichtet werden
Es gibt auch noch diejenigen, die befijrchten, dass solche Schritte in Richtung Welteinheit einen weiteren Kontrollverlust Über machtige Interessen und weit entfemte BUrokratien bewirken wurden. In gleichem Sinne ist eine nationale Wéhrung ein Symbol nationaler Souverénitét, und solche Symbole werden nicht gem aufgegeben.
Die EinfUhrung des Euro in Europa,einer einheitlichen Wéhrungflir elf Lénder,die bis zum Jahr 2002 den französischen Franc, die deutsche Mark,die italienische Lira und andere seit Iangem etablierte Wéhrungen vollständig ersetzen wird, zeigt aber, dass auf solche Symbole verzichtet werden kann,wenn der in Aussicht gestellte Gewinn groß ist.
Eine einheitliche Wéhrung muss von vielen anderen Maßnahmen zur Integration und Harmonisierung begleitet werden. Sie wUrde ein starkes und effektives Weltwéhrungsinstitut oder eine Zentralbank erfordem, die fUr das gemeinsame Interesse arbeitet und von politischer Manipulation befreit ist, um die Weltwéhrung zu verwalten,die Geldversorgung zu regeln und eine angemessene Liquiditét ohne Inflation sicherzustellen. Die Schaffung einer solchen Institution wUrde Hand in Hand mit der Entwicklung anderer Mechanismen zur globalen Entscheidungsfindunggehen,die
daraufabzielen,Vertrauen und Übereinstimmung zwischen den Regierungen der Welt aufzubauen.
Geld muss auf seinen Platz als Mittel zum Austausch zurflckgesetzt werden
Die Annahme einerWeltwéahrung allein wird nicht alle Probleme derWelt Ibsen. Sie ist abereines der Elemente, um ein gerechteres und effektiveres Weltwirtschaftssystem zu unterstfltzen. Daneben sind viele weitere Facetten eines féderalistischen Weltsystems nötig, um die Globalisierung zu begleiten und Einheit und Frieden in der Welt zustande zu bringen. Technische Lösungen fijr wirtschaftliche Probleme werden letzten Endes nur dann wirksam werden,wenn ein neuer Geist das wirtschaftliche Leben durchdringt und ein neues Wirtschaftssystem auf der Grundlage der Anwendung geistiger Prinzipien entwickelt wird. Das Geld selbst muss aufseinen Platz als Mittel zum Austausch zurUckgesetzt werden, anstatt MaEstab fUr Wirtschaftliche Leistung oder EntwickIung zu sein. Okonomische Werte mljssen durch soziale und geistige Werte ausbalanciert werden.
Eine einheitliche Weltwéhrung mag wie ein Fernziel wirken, aber dass die dahinter stehende Logik eine Lösung fiir einige der kritischen Probleme bietet, die unser derzeitiges wirtschaftliches Wohlergehen bedrohen, ist unbestreitbar. Angesichts der Trends globaler wechselseitiger Abhangigkeit und Integration legen ihre Vorteile und ihre letztendliche Unvermeidbarkeit - nahe, dass die Idee von den FUhrern der Welt lieber frUher als spéter grand|ich untersucht werden sollte.
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ENTDECKE
ERATUNG ALS ENTSCHEIDENDE
RFQLGSFAKTOR FUR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Bild oben: Mitglieder der Kalimani—Frauengruppe transportieren Sandfl'ir ein Wasserprojekt
TITELSTORY
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Die Frauengruppen vom Kalimani und Matinyani Iemten durch die Anwendung der Gruppenbemtung, ihre Bediirfnisse und Zie/e selbst zu bestimmen. Sie bauten in Eigenregie Dcimme und Gesundheitszentren und verbesserten ihre Lebenssituation durch solare Trocknungsanlagenfur
Mangos, die Verwendung heimischer Ressourcen sowie die Entfaltung ihrer Kreativitdt bei der Entwicklung kanstlerischer Designs. Sie wurden zu einem beispie/haften Mode/l far die ganze Welt.
ALIMANI und MAB TINYANI, Kitui Distrikt, Kenia — Unter
der hcchn Sonne tragen die Frauen ihre schwere Last lang
."
MATINYANI-FRAUEN
N Matinyani Frauen pI’0je/(t in Kenia
als „ Weltweites
Expo2000Projekt“ auszgezelchnet
sam und bedaichtig den steilen Pfad vom Fluss hoch. Einige stützen das Gewicht aufihrem Rücken etwas ab durch ein Band, das sich bis über ihre Stirn zieht. Andere benutzen Stécke, um die V011 doppcltcr Last gebeugten Esel zum Laufen zu überreden.
Fast jeden Tag schlcppen die Frauen des Dorfes Kalimani das bcnötigte Wasser vom Mutendea—Fluss in Plastik—Kanistern nach Hause.An diesem Tag im Mai jedoch transportieren sie Sand aus dem Fluss. lhre Hoffnung ist2Wenn sie geniigend Sand bewegt haben, brauchen sie nicht mehr das Wasscr zu transportieren.
[Seite 7]
„Es nimmt sehr vie] Zcit in
Anspruch, wenn wir zum Wasscr gchen, und es ermiidet uns
schr, cs nach Hausc zu schlcppen.chn das Wasscr niiher bei
uns wlirc, hiitten wir mehr Zcit,
anderc Dingc zu Huusc zu erlcdigcn“, erklhrt Lydia Kitheka.
Sic ist 28jal1rc alt und Mitglied
der Frauengruppc V011 K111imuni. Dicse quengruppe organisierte den Bau eincr ncucn Wasserpipeline und eines
Pumpensystems, mit dem das
Wasser vom Fluss zum Dorf
hoch gebrncht Werden 5011.
Lydia Kitheka trug sclbst sehr
Viele Sacke voll Sand entlang
der Baustelle, wo dieser fijr die
Verlegung der Pipelines und
der Vorratstanks gebraucht
wird. „Wenn dies fertig ist,
werden Wir mchr Zeit für unsere Kinder, mehr Zeit für den
Anbau in unseren Gzirten und
mehr Zeit fijr andere Arbeiten
haben, um unser Einkommen
zu erhbhen.“
Frauen iibemehmen das DorfentwicklungsManagement
Es gibt sehr vicle Wasserprojekte in den Diirfern der Welt.Was das Projckt der Frauen von Kalimani so ungewöhnlich macht, ist das Aus1111115, in dem die Dorfbewohner — und hier insbesondere die Frauen — ihre Bediirfhissc selbst crkannt habcn und es in die Hand nalmlcn, die VelwirkliChung ihrcr lrojckte mit Fathlcutcn von LILIBCI) zu plnnc11,cs dann sclbst zu bauen Lmd dzls gesamtc installicrte System zu pflegen.
„Sehr 0ft sprcchen wir in der Entwicklungarbeit über die Beteiligung der Dorfgemcinschaft an der Projektarbeit, aber in der lraxis sehen wir nur wenig davon“, sugt Dr. Eliab Some, Lcitcr der strategischen Planung und Überwachung bei der Afrikanischen Stiftung fiir Medizin und Wissenschaft (AMREF). Dr. Some gibt dcm Wasserprojekt in Kalimani die erforderliche tcchnische Un tcrstiitzung. „l)ies hier ist aktive Dorfbctciligung, Dcrcn Biirger sitzcn nicht da und schauen bei der Arbeit der andercn zu. Die Dorfgemcinschaft Libernahm die Verantwortung Fur die Identifikntion des dringlichsten Problems, sic suchte nach einer Lösung und stellt nun die Ilétigen Arbeitskriifte bereit, Dies ist das Ide31.“
Das Wasserprojckt der Frauen von Kalimani sowic cine große Anzahl weiterer Projekte V011 Frauengruppen in dieser Gegend 150 Kilometer éstlich von Nairobi geben ein leuchtendes Beispiel für das Zusammenwirken V011 Frauengruppen, selbstbestimmter Dortentwicklung und Entwicklungsorganisationen.
Frauen überredeten ihre Männer zur Mitarbeit
Die Geschichte, wie die Frauengruppe von Kalimani dazu kam, ein Wasserprojekt zu bautn, von dem sie sich sauberes Trinkwasser {fir 6.0m) Menschen in zwei D6rtern versprach, ist sehr komplex und erforderte Partner auf unterschiedlichem Nivcau. Nicht nur dic tcchnischen Antbrderungcn wuren komplex.
Zum einen habcn die Frauen nicht nur selbst einen großcn Tcil der Arbeit absolviert, sondern haben nuch die Miinncr davon iibcrzeugt. mit anzupacken.Wiihrcnd sich die Frauen letzten Mai abmiihtcn. die Sandsiickc den H'Ligel hinauf-zu schlcppcn, schlugcn ihrc Ehcmiinner und $611116 mit Hacken und Pickcl grOBc L6cher für die Vorratstanks.
Die Tradition verbietet es den Miinnern, Wasser zu tragen, und es kommt [iberhaupt schr selten vor, dass Miinner für Frauen arbeitcn, Doch hier arbeiteten Frauen und Miinner zusammen — für einen gleichhohen Lohn von zwei Kilo Mais am Tag, den die deutsche Entwicklungsorganisation
GTZ bcrcit stelltc. „I)ie Kbpfe diescs lrojckts waren die Frauen, die Miinncr stellten nur ihrc Muskeln zurVerfiigung“, stellt Eliab Some fest.
Projekt findet internationale Aufmerksamkeit und wird :um „Weltweiten
Expo-zooo-Projekt“
erklärt
Dieses Projekt und eine Fülle ahnlichcr von Frauen initiierter lrojekte in diesem Distrikt fanden für ihre Innovationen und ihren Erfolg internationale Aufmerksamkeit. Das Kalimani Frauenprojekt wurde gcmeinsam mit dem Matinyani Frauenprojekt von ciner internationalen jury zu einem „Weltweiten ExpoZOUO-Projekt“ derWeltausstellung Expo 2000 in Hannover erkliirtl N eben Hannover wird es auch im Epcot Center der Disney World in Florida, USA, bei einer großen MillenniumAusstcllung als vorbildlich présentiert werden.
Elizabeth Dowdcswcll besuchtc vor zweijahren als Exckutiv—Direktorin des UNUmwcltprogramms (UNDP) das Irogmmm und meintc. es repriiscntierc „die Ides der nachhaltigen Entwicklung nicht in einem nkademischen, sondern in ihrem rcalcn Sinn. Was mich beriihrtc, war die Genialitlit und der ungcwähnliche Entlmsiasmus sowie dic Energic der Frauen. Dies ist CS, was das Projckt zum Ertolg voruntreibt und dns realisiert, was die Gemeinde kurzfristikgy und lungfristig braucht.“
Und Elizabeth Dowdeswell fuhr fort: „Sie verbinden die Bedtirfilisse der Umwelt, der Wirtschaft und des sozialen Zusammenlebcns und suchen Antworten, die alle drei Anthrderungen integrieren. IhrVorgehen legt Zeugnis ab für ihrcn umweltgerechten Umgang mit den \X/asserressourcen, ihre Aufinerksamkeit für die Anliegen der Gesundheit und Erziehung und die Vision ihrer Su
Matinyani
„Dies hier in uktive Dorfbetelligung. Die Dorfgemeinsdmft übernahm die Verantwortung für die Identifikation des dringlichsten Problems, sie suchte nach einer Lösung and stall! nun die natigen Arbeitskräfte bereft. Dies
ist das Idea . “
Dr. Eliab Some, Leiter der strategischen Planung derAfrikan. Stiftung flir Medizin und Wissenschaft
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Dr. Eliab Some von AMREF (Bildmitte, mit der Mappe in der linken Hand) begutachtet die Projektplanungenfiir den Bau eines Dammes am Mutendea-Fluss in der Ndhe von Kalimani und Matinyani. Rechts hinter Eliab Some ist Geraldine Robarts zu sehen, eine der beiden Leiterirmen der Bahá’í—inspirierten N60„Rehema", in der Mitte links Josephine Mailu, die Leiterin des Gesundheitszentrums in Kalimani.
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Cht nach Aktivitiiten, die ihrc
Gemeinde auch zu Wirtschaftlicher Nachhaltigkeit führt.“
Beratung in der Gruppe als Weg zur Identifizierung der Bediirfnisse und Ziele der Gemeinde
Das Wasserprojekt ist es wert, in einigen Details nliher untcrsucht zu werden, denn es ist eines der neuesten und aktivsten Projekte hier, und cs konzentriert sich mehr auf Aspekte der Gemeindeentwicklung als nur aufjene einer blofien Einkommenssteigerung. Echte Gruppenberatung spielte sine zentrale R0116 und half den Frauen, ihre Bedürfnisse und Ziele zu identifizieren.
Die Frauengruppe V011 Kalimani bildete Ende der 80w, Anfang der 90€r Jahre kleine Beratungsgruppen, die durch den Erfolg ähnlicher Beratungsgruppcn im 10 KiOrt Matinyani inspiriert waren. josephine Mailu, ein Mitglied der Matinyani—Frauengruppe, die aber in Kalimani lebt, half beim Aufbau der Beratungs lometer entferntcn
gruppen Von Kalimani, die ihrerseits inzwischen über 600 Mitglieder haben.
„Die Zusammenarbeit in Gruppen ist hier eine natürli
Che Sache“, erklzirt Josephine
Mailu,wei1 die harten Lebensbedingungen seit jeher die
Menscben dazu antrieb, in den
Dérfern zusammenzuarbeiten.
„Wir müssen uns gegenseitig
helfen zu überleben.“
In den frühen 9061' jahren begann die Gruppe ihre Zusammcnarbeit mit Rehema, einer kenianischen NGO, die V01] den Bahá’í—Lehren inspiricrt ist und auch mit dem Matinyani—Projekt kooperiert. Geraldine Robarts, eine der Gründerinnen von Rehema, weiß von dem Wunsch der Kalimani—Frauen nach Hilfe.
Ideen miteinander teilen und Entscheidungen treffen durch gemeinsame
Beratung
Rehema botWorkshops an zu Gesundheits— und Hygienefragen, aber insbesondere auch über Gruppenberatung, ein teamorientierter Entscheidungsfindungsprozcss, der von den Bahá’í—Gemeinden weltweit praktiziert wird. Die Prinzipien dieser Beratungsform erwiesen sich für die Frauengruppen als entscheidcnd auf ihrem Wege, Prioritfiten und Ziele festzulegen.
„Es ist leichter, ldecn miteinander zu teilen“, erkannte Patricia Munanie, Cine 42j'2ih rige Frau aus Kalimzmi, die stellvertretendeVorsitzende des Komitees für das Wasserproj ekt ist. Mir Bezug auf die Bahá’iBeratungsprinzipien meint sie: „Diese helfen uns zuzuhören und die guten Ideen anzunehmen, gleichgfiltig, von wem diese in die Gemcinde Bingebracht wurden.“
Von der Vision his turn Bau eines Gesundheitszentrums
In dieser Zeit hatte ein Gruppenmitglied einen visionziren Traum, in den] sie ein Hospital in ihrem Dorfsah mit Medizinern und Medikamenten in ausreichender Zahl, Inspiriert durch die Lektionen über Beratung und Visionen, beschlossen die Frauen, als niichstes ein Gesundheitszentrum zu bauen.
Rehema half ihnen, Kontakte zu Entwicklungsagenturen herzustellen und das erforderliche Geld für die Baumaterialien zu beschaffen. Die Frauen ihrerseits beschéftigten sich mit den Konstruktionsarbeiten und fertigten selbst die Bauziegel. Das Gesundheitszentrum nahm Stein für Stein Gestalt an. Zuerst wurde 1995 das Geburtszentrum fertig, das aus zwei Raumen besteht. chi weitere Réume und eine Veranda wurden bis 1997 fertiggestellt. Und bis 1998 {01gten ein Lagerraum und ein Labor. Das Zentrum kostete 31165 in allem weniger 315 18.000 Mark.
josephine Mailu, die eine Ausbildung als Krankenschwester, Ernzihrungsberaterin und Gemeindeentwicklerin hat, leitet die Klinik, die tiiglich 50 bis 80 Patienten behandeln kann. Aber die Fertigstellung disses Zentrums gab den Frauen mehr als eine gute medizinischeVersorgung. Das Gebziude wurde aucb zum zentralen Treffpunkt undVeranstaltungsort der Gruppe, der allein durch seine Existenz auf die Gruppenmitglieder eine neue
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Qualitiit :11) Sclbstbewufitscin
zurückstrahlt.
Dammbau mit angepasster Technologie
Vielcn im Ort wurde schncll klur, dnss viele der frühcren Gesundheitsproblcme mit dem Mange] 2m sauberem Wasser zu tun h;1tten.l)crjiihrliche Nicderschlag liegt bci 600 bis 1.000 Millimetern, der sich jcdoch fast nur auf zwci Regenzeitcn zwischen Oktober und Dezember und Mfirz bis M211 verteilt. In den restlichen Monaten sind es insgesamt nur 200 Millimeter, davon vonjuni bis September ganze 25 Millimeter.
Wfihrend der Trockenzeit trocknet der Mutendea—Fluss praktisch vollstzindig aus, was die Dorfbewohner dazu fiihrt, bis zu zwei Meter tief nach Wasser zu graben.
Dutch gemeinsame Beratungen mit Rehema lernte die Gruppe einiges über angepasste Technologie. So bauten sie einen Damm V011 besonderer Dicke und Festigkeit, der auch den Sand fcsthielt. Nach tinigcr Zeit fiihrt der zusiitzlichc Sand untcrirdischcs Wasser nach oben und macht es in der Trockenzeit für eine längerc Zeit vcrfiigbar. DchVzll] wlichst jedesjahr und weitct den Wasscrvorrat dadurch immer ein Stück weiter nus.
Eincn derartigcn Damn) zu konzipieren und zu bnucn. überstieg nntiirlich die finanzicllcn M&Sglichkeiten und das technischc Wissen der Dorfl fraucn, ubcr Kehema halt diesen bei der Suchc mach gcciglleten lartncm wie dem Internationalen Zentrum {fir Entwicklungsforschung (IDRC) in Kanada, dem Gemeindecntwicklungsfbnds der Europiiischen Union, der GTZ (Gcsellschaft für technische Zusammelmrbcit) in Deuschland und dem AMREE das beim Bau des Gesundheitszentrums half und nun bei der Weitercntwicklung des Wasser systcms mitwirkt, Ferncr trugcn die Weltgcsundheitsorganisation, das kenianische Gesundheitsministcrium, der [ntcrnatimmle Frauenclub von Nairobi, der Spanische Frauenclub und andere NGOS zu den Projektcn bci.
Einkommenssteigerungen dank dem MatinyaniFrauenprojekt
Wenn sie nicht diese Ausbildung über die Teilnahmc an der Matinyani Frauengruppe bekommen hzitte, so glaubt Tabitha Muthui, Ware sie heute vermutlich ein Barmfidchen — wenn sie überhaupt noch am Leben wire. „Ich kenne so Vielt Menschen, die von ihren E1tern verlassen worden sind und dann schmutzige Arbeiten verrichten mussten, zum Beispiel in einem der Clubs arbeiten„. sagt Tabitha Muthui. „Sie bekommen AIDS, warden krank und sterben..“
Abcr dank der Fertigkeiten, die sis in Webkurscn des Cemeindezentrums der Frauengruppe erworbcn hat. fiihrt Tabitha Muthui einen relativ wohlhabcnden Hnushalt. Sic verdient sogar mehr als 1hr Mann, der als Bauarbeiter 21rbeitet. Sic arbeitct zu Hause, wo sie farbenrrohc Wandbehiinge webt, dic sie für umgercchnct 110 Mark vcrkzlufcn kann. „Ich habc für uns und unscrc Kinder 0111 Hans gebuut„, crkliirt dic 28—jiihrigc Mutter. ,.l)as chen hat dies möglich genmcht."
Start mit einem Gemeindezentrum
Die Geschichte von Tabitha Muthui ist hicr nichts Ungewöhnliches. In Kenia gehéirt die Matinyani Frauengruppe zu den anerkanntesten Entwicklungsprojckten. Ihr Ertblg liegt darin, (1218 sis ihre Mitglicder unterstützen, die Fertigkeiten zu erwerben, die sic benötigen. um ein kleines Projekt zu starter). mit dem sie ih rcn chensuntcrhalt vcrdicnen kiinncn.
Die Gruppc wurdc in den spiitcn 80cr jahrcn mit eincr einfilchen Idce gcgriindet: Laßt uns ein Gemcindezentrum für uns selbst bauen. Nachdem sie dies crrcicht hatten, zogen sic die Aufinerksamkeit weiterer Fraucn—Gruppen sowie Entwick]ungshilfe—Organisationen und Stiftungen auf sich. Dies fiihrte zu einer ganzen Reihe von Projekten. wie das Weben, dachrtreiben von Sisalkbrben und kunstvollen Wandbehiingen, eine einfache, aber hochprofitable Trocknungstechnik fiir Manges, verschiedene kleine Biickereien, ein GetreideMahlwerk, eine Ziegelproduktion und ein TépferZentrum.
,.Wiihrend meiner gesamten beruflichen Lautbahn, und ich arbeite seit fast 31:)Jahren in der internationalen Entwicklungshilfc, sind diese Projekte insgesamt die beispielhaftestcn und außergewöhnlichstem aufdem Gebiet nachhaltiger Gemeinde—Entwicklung, die ich bishcr gesehen babe“, sagte Alfred K. Neumann, ein hochrangiger Bcratcr an der Universitiit von Kalifbrnien in Los Angeles (UCLA) im Zentrum für Gesundheitswissenschafien.
„I)ie Projcktc zielten nicht nur darnuf ab, mit nicht-fragwürdigcn Titigkeiten Einkommen zu gcnerieren", meinte Alfred Ncunmnn, „sondern auch dnrauf, das Einkommen 1(1ngy einzusetzen.„ „Das ErgebHis ist, dzlss jetzt mchr Kinder gcimpft wcrden, mehr Kinder zur Schulc gehen, vor allem Miidchen. AuBtrdem fiihrte dies zu einer verbesserten Ernfihrung, besserer Gesundheit und schöneren Hausern."
Alfred Neumann schfitzt, daß die Projekte mehr als 1.000 Frauen unmittelbar geholfen haben sowie mittelbar 10.000 weiteren Familienangehéjrigcn. „Wahrscheinlich strahlt die Wirkung dieser Projckte noch auf V1616 andere positiv aus,
„ Wclhrend meiner gesamten Laufbahn sind diese Projekte insgesamt die beispielhafl'esten und auflergewiihnlichsten auf dem Gebiet nachhaltiger Gemelnde-Entwicklung, die ich bisher gase hen habe. “
Alfred K. Neumann, Berater an der Universitét von Kalifornien in Los Angeles
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Die Mcinner von Kalimani
helfen, ein tiefes Lochfijr das neue Wassersystem auszuheben. Im Hintergrund ist das Gesundheitszentrum von Kalimani zu sehen.
„lch kenne so viele Menschen, die van ihren Eltern verlassen warden sind and damn schmutzige Arbeiten verrichten mussten... Ich habe Für um and unsere Kinder ein Halls gebaut. Dds Weben hat dies möglich ge mach t. “
Tabitha Muthui, Matinyani-Frau
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dcshalb sind dies nur konservativ gcschatzte Daten„, meint Alfred Ncumann.
Die Geschichte vonTabitha Muthui dcutet an, dass das Einkommen Vieler Projektteilnehmer betnichtlich gestiegen ist. Der Erfolg diescr Frauengruppc hat auch andere in der Region dazu inspiriert, weitere Projektc zu starten, wie das Kalimani Gesundheitszentrum.
Das Matinyani—Gcsamtprojekt wurdc für seine „wichtigen Selbsthilfc—Attribute„ neben der Priisentation bei der Weltausstellung in Hannover kürzlich auch mit dem “We the peoples...„—Preis dcs Internationalen Instituts 5.31“ Nachhaltige Entwicklung bedacht.
Das besondere Engagement :weier Frauen: Susan Mwendwa und Geraldine Robarts
Der Erfolg disses Projckts grijndet sich auf verschiedene Faktoren — dazu gehören auch besondere Traditionsformen der Akamba, die ihren Frauen ein hohes Maß an Autonomic einriiumen und den Respekt untereinander in Gruppen tbrdern. Aber hauptsiichlich ist es den Bemühungen zweier Fraueiner eingeborene Akamba und ei en zu verdanken ner Europlierin, aufgewachsen in Siidafrika, die dem Projekt Perspcktive und Führung verliehen und damit erst richtig zum Erfolg verhalfen.
Susan Mwendwa wurde im nahe gelegcnen Machakos Distrikt geboren und nutzte ihre Führungsposition als Ehefrau eines Mitglied dcs Iarlamenres in den spiten 806r jahren, umherzureisen und die Akamba—Frauen in großen und gut strukturierten Gruppcn zu organisieren, die in der Lage waren, sich selbst zu mobilisieren und die vielen lrojekm in der Region zu starten.AlsVorsitzende der Matinyani Frauengruppe fiihrte sie die Aufsicht über den Bau des Matinyani Mehrzweck—Zentrums — das erste große Projekt der Gruppe. Das Zentrum wiederum war Veranstaltunsort für das Training, das den Teilnehmern in kleinem Rahmen Einkommensquellen aufzeigen sollte.
Geraldine Robarts wurde in London geboren und arbei[ct als Kiinstlerin in Nairobi. Sic stieg in das Projekt kurz nach Fertigstellung des Mehrzweck—Zentrums als Vertreterin von Rc-hema, einer Bahaiinspirierten Nichtregierungsorganisation (NGO) ein. Sie brachte neue Gedanken ein und half der Gruppe, ihre Be mijhungen neu zu fokussieren, und zwar weg von der einfachen Produktion V011 minderwertigen Kérben hin zur Fertigung von qualitativ höherwertigen Wandbeheingen. Geraldine Robarts stellte die Trocknungstechnik für Mangos vor, und Rehema sponserteWorkshops, die sich mitThemcn wie Hygiene und Beratung beschäftigten, was die Funktionsfihigkeit der Gruppe und das Bewusstsein für gesundheitliche Aspekte erhéhte. Geraldine Robarts war auch ein wichtiges Bindeglied, wenn es darum ging, Hilfe von außen zu organisieren.
Wihrend ihres Engagements vermittelten Susan Mwendwa und Geraldine Robarts einige Schliisselprinzipien, die die chfihungen der Gruppe bei der Einkommensgenerierung am Laufen hielt. Dies vermicd das Entstehen solcher Problems, die typisch sind für das Versagen anderer Proj ekte der Landbevélkerung. Dazu gehbren teure Beratungsdienstleistungen von aufien Oder Entwicklungshilfegelder, die das Projekt kijnstlich durch Zahlungen anTeilnehmer des Ausbildungsprogramms etc. unterstützen.
Nutzung heimischer Rohstoffe und Steigerung des künstlerischen vaeaus der Produkte
1m Falle der MatinyaniProjekte chndwa und Geraldine Robarts den Schwerpunkt darauf, dass die handwerklichen Arbeiten und zu verkaufenden Artikcl fast ausschließlich aus heimischen Ressourcen wie
setzten Susan
Sisal produziert werden und dabei entsprechende Fertigkeiten zum Einsatz kommen, die sich mm in geringem M386 auf technische Hilfsmittel verlassen.
Die Sisal—Wandbehzinge
und Kbrbe zum Beispiel werden von den Frauen fast aus
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schließlich zu Hause unterVerwendung heimischer Materialien angefcrtigt. Dabei warden
die Sisalfasern V01] den stacheligen Bléttem der Sisalpflanzc
getrennt und zu Cam gcspon11611 Oder, wcnn möglich, die
Fasern mit giinstigen hcimischen Firbemitteln eingefzirbt.
,Jedc Frau in Matinyani fertigt jetzt Kérbe„, sagt Sally Nduku Kilonzo, die Managerin des Mwendwn Kitui Zentrums, einer gerade gegrfindcten Bijcherei, die auch cin Ergebnis der Proj ektc ist, die von der Matinyzmi Frauengruppe hervorgebracht wurden. Bei der Fertigung von Kbrben und Wandbehfingen kreieren div: Frauen ihr eigrsnes Design, was den Produkten eine besondere Frische und einen eigencn Reiz verlciht.
„Ich habe Kunst an vielen Schulen in der ganzen Welt unterrichtet und ich habe noch nie ein solchesTalent vorgefunden„, sagt Geral— _ dine Robarts, die der Gruppe die Idee gab, \X/andbchiinge anzufertigen. .,lch sage ihnen immer — wcbt, was ihr seht,„
Tabitha Muthui erkliirt, dass sie einen Wandbehang mittlcrcr GrdBe in fiintTagen fertigcn und für 1.200 Schilling, das sind umgcrcchnct 35 Mark, verkaufen kunn.
Solare Trockenanlage steigert die Wertschiipfung betrfichtlich "
Auch das Irojckt der Mango-Trocknung zcigt, dass die Gruppe die heimischen Ressourcen ausgczcichnet nutzte. Mangos wachscn in der Gegend wild Sic warden auf einmal innerhalb einiger Wochen 1111 Frühling reit. In der Vergangenheit habcn die Frauen die Manges eingesummelt und an Zwischenhiindler fijr knapp zwei Mark pro \X/zlgenladung verkauft. D215 entsprach einem Gewicht von ungeféhr 200 Kilogrannu
jctzt, (13 die Mangos in Stficke geschnjtten warden und in einer relativ giinstigen Solartrocknungsanlage getrocknet werden, können die Frauen das Produkt Für bis zu 35 Mark pro Kilogramm getrockneter Mangos verkaufen. Zehn Kilogramm reife Mangos ergeben ca. ein Kilogramm getrocknetcr Mango.Also bringen heute 200 Kilogramm an Mangos umgerechnet 750 Mark. Darüber hinaus sind die Frauen auch nicht gezwungen, 21116 reifen Manges während der Erntezeit zu verkaufexl, wenn die Preise 21m tiefstcn sind.
Erfolgsfaktor erneut: Beratung und Entscheidungsfindung in der Gruppe
Entschcidcnd für dCll Er folg dcs MangO—Imjcktcs war
wiederum der Beratungsprozess. Zuerst wollten die Frauen Mangomarmelade herstellen, abtr nachdem sie intensiV dartiber beraten batten, erkannten sic, dass dies ein größeres Investment in Glaser und Sterilisationsgeriite sowie gedruckte Etiketten crfordern würde. Geraldine Robarts trug zu dicser Bemtung bei, indem sie eine Akamba—Frau nus einem anderen Orr in Kitui mit brachte. Sic berichtete über den kompliziertenVorgang des Einkochens und machtc besonders aufdie hohe Menge an knappcm Feucrholz aufinerk53m, die notwendig gcwesen wäre. Dies Libcrzcugtc dic Matinyani—Frauen von der Undurchfijhrbarkeit dos Projektes. Geraldine Roberts schlug daraufhin den Einsutz V01) solarcn Trockmmgsanlagcn vor. Auf diesc Weise trug Rehema als NGO zu der Diskussion bei, aber diktierte nicht die Bedingungen des Irojektes. Somit konnte der Impuls fiir das Projekt direkt von den Frauen der Region ausgehen.
Alfred Neumann gibt wieder, was andere Spezialisten der Enwicklungshilfc duBcrtcn, 211$ sie sich diese Projekte angsahen und bestétigten, dass sie im besten Sinne nachhaltig sind.
„l)ic brtliche Bevölkerung hat das Wissen, die Fertigkeiten und den Willem waiterzumaChen„, sagt Alfred Neumann. „Und sie haben ein Gefühl dcs Eigentumsrcchts. Niemand wurde dafijr bezahlt, diese lrojekte durchzuführen. Dicsc Projekte waren ihre eigenen Ideen undWijnsche und erfüllten ein wirklichc‘s Bediirfnis.„
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"Id! babe Kunst an vielen Schulen in der gannn Welt unterrichtet, und ich babe noch nie eln solches Talent vorgefunden. lch sage ihnen immer webt, was ihr
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Geraldine Robarts, Mitgrfinderin der NGO Rehema und Beraterin der Frauen im Matinyani-Projekt
Im Gemeindezentrum von Matinyani hat eine solare Trockenanlagefar Mango: die Einkommenssituation der Frauen extrem verbessert.
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„ Was diese Kalimani-Frauen mir gegeben haben, ist Freude am leben. Sie ertmgen so vie! Elend und ertragen es mit einem Strahlen. Ich habe van ilmen gelernt, dass wir alle Staub auf dem Pfade Gotta:
sind.“ Geraldine Robarts
MIT KUNSJ'
ENTWICKLUNG FORDERN
Bild oben: Geraldine Robarts stel/te kilrz/ich ihre Gemdlde in den Raiumen der deutschen Entwick/ungsagentur GTZ in Nairobi aus.
PORTRAT
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I
Geraldine Robarts sponsert mit ihrer Kunst nicht nur
- sie
bildet Frauen in den Armutsregionen Kenias zu erfolgrelchen Kunstlerinnen aus
AIROBI — Es mag
ein Zufall scin. Oder
es mag etwas scin, das sich durch ihr Unterbcwusstscin arbcitete. Aber das Thema der mcisten der neuesten Bilder von Geraldine Robarts ist dus Wasscr.
“Ich liebe das Wlsscr,„s;1gt die in London geborcnc Malerin. “Also habe ich im letzten jahr das Meer und den Ozean gemalt.„ Gleichzcitig denkt sie viel über ein DorfWasser—Projekt in der Halbwiiste dcs Kjtui—Distrikts nach.
Aber Fur Geraldine R0barts. die seit über 28jahren in Kenia lebt, ettahrcn scheinbare Widersprfiche in ihrem iiuBCI‘SI aktiven Geist hsiufig eine organische Verbindung. In einem Moment spricht sie über den Gebrauch von fuBbetricbcncn Wasserpumpcn in ufrikanischen Dérfern, Lmd 1111 nlichsten diskutiert sie darüber,
wie ihre jiingsten Bilder — abstrakte Wirbel nus Farbc und Glitzer, die man sich leicht als schéumende See vorstellen kann — für sie eine Form dcs spirituellen Dienstes darstellen. Diese beiden Wclten, Mnlen und Entwicklungsarbeit, sind in ihrem Leben und in ihrcn Aktivitfitcn stark mitcinander verbunden Die Arbeiten von Frau Robarts wurden in zuhlrcichen Kunstzmsstellungen rund um die Welt gczeigt. und \vahrscheinlich könnte sie ihr Einkommen mit ein wcnig meherrmarktung lcicht verdoppcln Oder verdreifachen. Aber sie investiert viel Zeit, Encrgie Lmd ihrcn erheblichen Einfluss 211$ Kiinstlerin, um die Interessen der Frauen in den Diirfbrn des Kitui—Distrikts bei den humanitiiren Hilfsorganisationen hicr um Kenias Hauptstadt zu unterstützen. Dzls mach: sich auch in ih1‘cm cigcnen Geldbeutel be merkbar. 0ft benutzt sie ihre Bilder als Zahlungsmittcl, um damit entweder ihre eigcncn Rechnungen oder Rechmmgen des lrojektes in Kitui bezahlen zu k61men.“1ch bezah16 80 lrozent meiner Rechnungen 111itBildern„,sagt Geraldine Robarts.
1992 griindete Geraldine Robarts, zusammen mit zwei zmderen Frauen aus Kenia, Rchcma. dine in Nairobi beheimatete NGO,dic den Frauen in den Diirfern Kenias helFcn sol]. Allc drci Frauen sind Bahá’í und versuchen, die Bahá’í—Prinzipicn in ihre Arbeit mit cinzubringen. “Unser Themu ist die Vcreinigung des lraktischen mit dem Spirituellcn, um die mcnschliche Wiirde durch \NiltSChflinChC Unabhiingigkeit wiederherzustellen", stcht in cincr Broschiire von Rehema.
Geraldine Robarts versucht auch, die Bahá’í—lrinzipicn i1)
Projekte
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ihrcr Kunst auszudrückcn.“l)er
Zweck meiner Bilder ist es, den
Menschen Frcude, Lebcn und
Spiritualitiit zu bringcn„, sagt
Geraldine Robarts.
Wis man hdrt, war sie erfl)1grcich.“$ie wird als eine der bcstcn Kiinstlcrinnen Kenias eingestuft,„ sagt Morris Amboso, Direktor der \X/atatu—Galerie, der größten privaten Kunstgalcric in Ostafrika, die schon (Stier Arbeiten V011 Geraldine Robarts ausgestellt hat. “Die Leute mögen ihren Stil. Es 51nd fréhliche Bilden„
Geraldine Robarts hatte nicht nur in Nairobi, sondern auch in Uganda, Sfidafrika, Kunada, England und den USA Ausstellungen. Private Sammlcr in der ganzen Welt, von japan bis zur Schweiz, bcsitzen ihre Bilder.
“Sie ist eine hochbegabte We]tklassekijnstlerin„, sagt Remi Aruasa, Besitzerin der Halpen-Gochi—Kunstgalcrie in Nairobi. Remi Aruasa, eine Buddhistin, hat ihre Arbcitcn in einer neueren Ausstellung gezeigt und hat selbst um die 30 Bilder von 1111' in ihrcr privaten Samnflung.“5ic kunn das, was man allgemcin den spirituellen Pfad nennt, in abstrakter Form darstellen. Und ich habe bemcrkt, Class ihre Abstraktionen spiritual] tief verwurzelte Menschen allcr Religioncn ansprechen."
Sit wurde nls Geraldine Bannister im jahrc 1939 in London gcborcn und wiihrcnd des Krieges zu Vcrwzmdten nach S'Lidafrika gcbracht. Sic wuchs dort auf und studierte die schbncn Kfmstc an der Universitlit V01) Witwaterstrand Lmd bekum spiitcr ihrcn Magistcr für Erzichung von der Universitiit von Nairobi.
Sic erkliirte sich mit 19Jahram 315 Bahá’í. “lch bin nicht rcligiés autgcwachsen, aber ich suchtc und suchte und suchte„, sagt sic, 2115 sie beschreibt, wie sie alsjungc Frau praktisch alle Kirchen in johannesburg bcsuchtc. “Ich wusste, dass es einen Gott gibt.“
An der Universitét traf sic Patrick Robarts, einen jungen Architekturstudenten, den sic spiitcr heiratete. Patrick Robarts, ein Bahá’í, erziihlte ihr von den Prinzipien dieser Religion.“Als er sagtc,Es gibt nur einen Gott, eine Mcnschheit und eine Religion,‘ habe ich nur den Schweiß von meincr Stirn gewischt und gesagt,‘ 13215 ist aber eine Erleichtcrungm
Die Bahá’í—Prinzipicn spiegelten das wider, worrm sic immer geglaubt hatte.“ln meiner Privatschulbildung in Siidafrika war die erstc Lektion dc‘s Tages. V011] sechsten Lebensjahr an, dass Ihr kleinen weilien Kinder in dieser klcinen wciBen Klasse besser 111$ allc anderen Kinder scid. wcil ihr eine weiße Hautfnrbc habt.‘ Und ich wusste, dass c‘s nicht wahr w;11‘,\vcil — und dus war das erste Mal, dass mir klar wurde, dass es nur einen Gott gibt meine Mutter eine schwarze Familic illegalcrwcise in unserem kleinen Glistchaus beherbergt huttc. Und jede Nacht Gebete. Und manchmzll ging ich dort hin,
sangcn sic
um ihnen zuzuhören. Der Heiligc Gcist war in dem Raum in cinchcise gegenwärtig, die ich in keincr der Kitchen, die ich besucht llattqwahrnehmen konnte."
1962 heiratete sie Patrick Robarts und, weil 516 in der Apartheid Siidafrikas keine Kinder großziehen wolltcn, zogen sie nach London und 1964 dann nach Uganda. 1972 zogen sic, auf der Flucht vor dem Aufruhr durch Idi Amins repressives Regime, nach KC1113.
\X/zihrend sie vier Kinder heranzog, malts sie und gab Malunterricht.V0n 1964 bis 1970 war sie Dozentin für Kunsterziehung an der berühmten Makerere-Universitfit von Kampala.Von 1977 bis 1982 unterrichtete sie Malerei an der Kenyatta—Universitflt von Nairobi. wo sie and) zwei jahrc dic Abteilung für Malerei leitctc.
Als sie Kunstlchrerin war, beganncn liindliche Frauen ihr Lebcn zu krcuzcn. [hr crster Ausflug in die Entwicklungsarbcit war mit einer Gruppc von Kikuyu—Fraucn in Limuru, ungcfiihr 50 Kilomctcr außerhalb von Nairobi. Deren Versuchc, Handarbeiten hcrzustellen Lmd zu verkaufemschlugen fchl, und sie zeigte ihnen, wie man einfilche Dinge wie Kérbe und dekorativen Baobab aus ausreichend vorhandenen Bananenfllsern herstellt.
Susan Mwendwa,Vorsitzende der Matinyani Frauengruppe, hörte davon, wie Geraldine Robarts der Limurugruppc geholfen hatte, und bat sie um Hilfe bei derVerbesserung ihrer Webmuster und Vermarktungsstrategien.
Was mit einem Versuch in künstlerischer Unterweisung begann, wuchs schon bald zu einer umfangreichen Zusammenarbeit in liindlicher Entwicklung, indem Geraldine Robarts zunehmcnd ihre Kontakte in Nairobi nutzte, um Hilfe und Anerkennung für die Frauen V011 Kitui zu gcwimlcn. Zusammen mit den Kcnianerinnen Margaret Ogcmbo und Catherine Mboya, die and] an verschiedenen Formcn der liindlichen Entwicklungsurbcit beteiligt waren, grfindcte Gcraldine Roburts Rehcma, um ihrc Aktivitiiten 2L1 formalisieren.
Gcruldinc Robarts sagt, dass sie mchr V011 der Entwicklungsarbcit bckommt, als sie gibt. “Was diesc KalimaniFrauen mir gegeben haben, ist cin gutcs Gefühl hier drinnen„, sagt sic, wlihrend sie auf ihr Hcrz zcigt. “Und Freude am Leben. Sic ertragen so V161 Elend und ertragen es mit eincm Strahlen. Ich habe V011 ilmen gclernt, dass wir alle Staub auf dem Pfade Gottes 81nd.„
Und so schwankt sie zwischen zwei Welten, der Malerei und der Entwicklungsarbeit, die sie beide als Ubungsgelcinde fiir ihren Geist bctrachtet. D
„Sic ist eine hochbegabte Weltklassekünstlerln. Sie kann dds, was man ullgemein den spiritueIIen Pfad nennt, in abstrakter Form darstellen. Und Ich habe bemerkt, dam ihre Abstraktionen spiritual! tief verwurzelte Menschen aller Religionen
ansprechen.“
Remi Aruasa, Besitzerin der Halpen-Gochi-Kunstgalerie in Nairobi
‘ " ONE COUNT Y
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Vertreter des World Faiths
Development Dialogue
beim Trefi‘en mit der Welt
bank zum Weltentwicklungsberichtzooo/zom.
Unser Bi/d zeigt in der oberen Reihe von links nach
rechts:]avierlguinez,
SwamiAmaranandaJejjrey
Solomon, David Loy, and RD.
Premasiri. In der unteren
Reihe von links nach rechts:
Wendy Tyndale, Mauricio
Laborde, Matthew Weinberg, undAzim Lakhani.
(Photo: David Loy)
WELTBAN K UND
WELTRELIGIONEN FRAGEN SICH SELBSTKRITISCH: WIESO GIBT ES NOCH IMMER
ARMUT
SUDAFRIKA
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SO VIEI. IN DER
WELT?
Eine Einladung James Wolf ensohns an die Weltreligionen ldsst
Der 1998 begonnene Dialog zwichen der Weltbank und den We/tre/igionenfiihrte beim ersten Arbeitstrefl‘en Anfang des Jahres in Stidafrika zu wesent/ichen Annciherungen. Die Zusammenarbeit verspricht einen gronen Einf/uss aufdie extrem ungleichgewichtige weltweite Reichtumsvertei/ung zu nehmen.
den interrellilosen Dialog
OHANNESBURG. Sud? Jfi‘ika. 7 Das Treffcn mit dcm Titcl "Wcrtc Normcn und Armut: Eine Bcrutung iibcr don Wcltcntwicklungsrcpmt 21I1I()/1"w;1r def zwcitc cincr Rcihe v01) Workshops, bci dcncn Bcobachtcr der wcltwirtsclmfilichen Entwick1111115y um Bcitriigc für dic Ausgnbc 2()()()/2()( Entwicklungsbcrichts der \X/cltbgmk gcbctcn wurdcn. Erthlnungxgcmiili hat die Veréjtl
)l desjiihrlichen
ibntlichung dicscr Berichte einen grolficn Einflux‘s :ulfdic all onkret werden
gcmcinc E11nvicklumgsthcoric und —pl".lXi\'.
Dulwi wurcn die unwesenden Vcrtrctcr der Wcltrcligioncn ungcuiilmlichc Giistc der Woltbnnk, dic Diskuxsion deshulb lwrcichcmder und umfilsscnder nls ilblixhfchn injohanncslmrg cincs crrcicht wurdc, dam) war cs. d.1\\ \\ir die Fragc dchcrtc oflln und chrlich gulf dic Tagcsordnung gcv bracht hubcn" mgt chdy
Tyndale.
Koordilmtmin dcs
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Entwicklungsdialogs derWeltreligion (WFDD), das Sekretariat für die Weltreligionen im
Dialog mit derWeltbank.“Und
am Ende glaube ich sogar, dass
die Autoren des Weltentwicklungsberichts dieWerte 211$
ein 56hr wichtiges Thema ansehen werden,„ zeigt sie sich
zuversichtlich.
Weltreligionen arbeiten an gemeinsamem Kommentar zum Weltentwicklungsbericht 2000
Das Treffen in johannesburg und ein vorbereitendes Treffen 1111 letzten Dezember in Rom botcn den religiösen Gruppen eine Möglichkeit für intensive Gesprciche untereinunder über Armut und Entwicklung.Verschiedene Glaubensvertreter a'uBerten sich dahingehend, dass so etwas bisher selten stattgefunden habe und wenn doch, dann Sicherlich nicht in solcher Intensitzit. Das Ergebnis ist, nach Aussage von Teilnehmern, eine bessere interreligiöse Verstcindigung und Einigkeit, besonders in wirtschaftlichen Fragen.
Ergcbnis dieses Dialogs ist, dass die Religionen derzeit gemeinsam einen Kommentar über den vorléiufigcn Entwurf des Weltentwicklungsberichts 2000/1 verfassen, der die Ansichten der Weltreligionen in Fragen der Armut und der Entwicklung zu integrieren versucht. Obwohl noch damn gearbeitet Wird, kann def Kommentar schonjetzt als ein bcdeutendes Ergebnis der Gespriiche angesehen werden..
“Bei fastjedem Treffen, zu dcm ich gegangen bin, haben Leute anderer Religionen unsere Arbeit und unsere Werte kommentiert und gesagt: ,Sieh an, d3 scheinen eine Menge Gemeinsamkeiten zu sein", sagt Azim Lakhani, ein Vertreter des Aga—Khan—Entwicklungsnetzwerks, welches den lsmailitischeu chig des Islam beim WFDD reprisentiert “So ist die erstc Erkenntnis, dass es
Vieles gibt, was wir gcmeinsam haben. Das Zweite ist, dass ein echtes Interessc daran besteht, unserc verschiedenen Erfahrungen zu betrachten und davon zu lcrnen. Ich denke, dass hierbei eine Menge herauskommen wird, aber das wird seine Zeit brauchen„
Auch Swami Amarananda von der Ramakrishna Mission, der 2115 Vertreter des Hinduismus an dem Treffen teilnahm, sagt rijckblickend: “Disses ist ungewöhnlich — die Vorstellung, dass die Religionen zusammen ein Podium finder] und Gedanken zur Frags der Armut austauschen. Jede Religion ist theologisch ein bisschen anders, aber wir beginnen zu lernen, wie wir miteinander reden und zusammen arbeiten können.„
Nachhaltige Entwicklung muss ethische, soziale, Bkologische und 8konomische Aspekte integrieren
Der neue Dialog zwischen der Bank und den Religionen wurde im Februar 1998 bci einem historischen Treffen formal eréffnet, als james Wolfensohn, der Prisident der Weltbank,Vertreter von neun Weltrcligionen zum Lambeth Palace mach London einlud. Sie sollten darüber diskutieren, wie die Bank und die Religionen eine neue Bezichung aufbauen könnten, die bei der Lösung der Probleme weltweiter Armut hilfreich wiren.
Bei dem Treffen nahmen Vertreter der Bahá’í—Religion, des Buddhismus, des Christentums, des Hinduismus, des Is]alns, des Jainismus, dc‘s judentums, des Sikhismus, und des Taoismus teil, die gemeinsam die religiösen Traditionen V011 schiitzungsweise drei Milliarden Gläubigen vertraten._]a1nes Wolfensohn vertrat die Weltbank.
Das Ergebnis dicser ersten Einladung war eine gemeinsame Erklärung, die ein gemeinsames “tiefes moralisches Inter an der Zukunft des menschlichen Wohlergehens und der Menschenwürde„ be 6556
kennt, Cine “Überzeugung, dass die Praxis zukunftsfzihiger Entwicklung nebcn wirtschaftlichen auch spirituclle, ethische, 6kologische,ku1turelle und soziale Überlegungen in Betracht ziehen muss„ bekraiftigt und die Beteiligten verpflichtet, “diese Gespriiche fortzuführen, unsere Beziehungen untereinander zu vertiefen und mögliche neue Formen der Zusammenarbeit aufvielen verschiedenen Ebenen in der Zukunft mit Freude zu erwarten.„
Die Unterzeichner waren james Wolfensohn und — als weiterer Schirmherr der Veranstaltung und Vertreter der Religionen ~— der Erzbischof von Canterbury, George Carey.
Unter den besonderen [deen für solche fortgesetzten Gespriiche war eine Einladung der Weltbank, an den Studien und Gespréchen, die in die jeihrlichen Weltentwicklungsberichte d€r Bank aufgenommen werden, teilzunehmen.
In diescr Hinsicht stellt das Treflen in Johannesburg sich als das erste richtige Arbeitstrefién zwischen den Bankern und Religionsvertretern dar. Und nach Aussagcn von Teilnehmorn war das Treffen in Siidafrika — zumindest was die Beziehung zwischen der Bank und den Religionen betrifft auch Zeichen einer neuen Qualitét der Zusammenarbeit.
Wechselseitig lernen, sowohl mit Werten als auch mit Zahlen
umzugehen
“Eine der größten Heraus{orderungen bei dem Treffen war die Überbnickung der sehr unterschiedlichen Denk— und Begriffswelten der Okonomen, der Banker und Entwicklungsprofis und der Vertreter der Religionen„, sagt jeffrey Solomon, Przisident derAndrea and Charles Bronfman Philanthropies, der als Vertretcr des
„ Wenn in Johannesburg eines erreicht wurde, dann war es, dam wir die Frage der Werte offen und ehrlich auf die Tagesordnung gebracht
haben.“
Wendy Tyndale Koordinatorin des Entwicklungsdialogs der Weltreligionen
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„ Wiirde ist ein
Ma]! Für alle unterschiedlichen Dimensionen del
Armut. Bei der
Betrachtung van
Selbstachtung,
Selbstwertgeffihl
und der Fiihigkeit,
sich an Entscheidungsfindungsprolessen zu beteiligen, findet man
geniigend mess
bare binge“
Dr.Azim Lakhani, Leiter des Aga-KhanNetzwerks
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judentums teilnahm. “Aber wiihrcnd der Konferenz gab es Moments, in denen man beinahe Glfihlampen über den Köpfen der Leut€ aufgehcn sehcn konnte. Es gab eine Mcnge Aha—Erlebnisse.„
“Wenn man mit Lcuten der Wcltbank redet, muss man auch Zahlen und Fakten anfiihrcn„, meint auch Ronald Herring, Politik—Professor an der Cornell Universitfit in den USA. Das Personal der Bank wisse, dass es seine lositionen gegenüber den Regicrungen und den Finanzministerien der Regierungen rechtfertigen muss. “Und wenn man keine korrekten Zzlhlen hat, wird man V011 niemandem respektiert. Man kann nicht einfach sagen, die Leute sind g1iickliCher Oder firmer.„
Gleichzeitig waren dic Vertrctcr der Religionen darum bemtiht, das Gespriich über die Armut und ihre Überwindung in eine Richtung zu lenken, die explizit die Bedeutung spiritueller und nwralischer Werte in den Entwicklungskonzeptcn barricksichtigt.
“Eincr der Ausgangspunkte aller Religionen ist die Auffassung, dass man die Okonomic nicht vom iibrigen Leben trennen kann, und dass man deshalb bei der Entwicklung kulturelle, soziale, spiritualle und politische Aspckte der menschlichen Existenz beliicksichtigen muss„, so Frau Tyndale vom WFDDfBei der Entwicklung geht es um das Leben V011 Menschen und nicht nur um abstrakte (Skonomische Konzepte.W61m also zum Beispiel die Okonomcn cin Programm zur struktureL len Anpassung vorantreiben, müssen sie verstehen, welche Auswirkungen das auf die BeVölkerung haben wird.„
Von d€n Religionsreprdsentantcn wurde ferner betont,
. dass die Erziehung und die daraus resultierenden persönlichen Verhaltfinsinderungcn im Kampf gegen die Armut entscheidend sind;
O dass cthische Anforderungen an das Verhalten der Entscheidungstrfigcr :1qu 311611 Ebenen ebenso Wichtig sind, worunter auch die Bekémpfung der Korruption flillt,
C dass die Armut realistisch nicht bcscitigt werden kann, ohne die Armen selbst an der Bestimmung der besten Lösungen für ihre Problems zu betciligen.
Weltbank erkennt Bedeutung der Werte an
Die Weltbank schcint diesem Ansatz naiher zu kommen, denn Dr. Ravi Kanbur, Direktor desWeltbankteams, das den Weltentwicklungsbericht (WDR) für 2000/2001 schreiben wird, sagt:
“Vom Standpunkt der Armutsbekiimpfimg aus gcschen,stzirker1 die aus cincr religiösen Perspektive entstehenden Werte cindeutig die M0ral, die für die Beseitigung des permanenten Mangdzustands unbedingt erforderlich ist. Und sie stellen für diejenigen unter um, die nichts entbehren müssen, eine besondere Verpflichtung dar, dicses Ziel zu verfolgen.„ Dahcr mfisstenjetzt konkretc Fragen angepackt werden, wie zum Beispicl die mangelndc Gleichberechtigung der Geschlechter,10kale Konflikte, Landreform, Liberalisierung des Marktes Oder soziale Sicherheitsnetze, so der Banker.
Dr. Kanbur und sein Team frcucn sich bereits aufden weiteren Dialog mit den Religionen. “Ermutigt durch die ersten Sondicrungen in Johannesburg„, so Dr.K;1nbur,“wird der WDR den Methodcn der Religionen bei der Beurteilung der Armut große Bedeutung beimessen, und nach der bishcrigen Varanalyse erscheinen die Fragen derW'Lirdc und Machtlosigkeit als bedeutend sowie dieTatsache, dass die Armen keine Stimnle haben.„
Vertreter der Religioncn priismdtierten in johanncsburg mehrcre Fallstudien ihrer eige nen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsarbeit.
Weltreligionen prasentieren Fallbeispiele für positive Entwicklung auf der Basis von Werten
Damit wollten sie zcigcn, wie ein Ansatz eines spirituellcn Bewusstseins seine Wirkung zeigen kann und Class solChe Anslitze durchaus messbare Faktoren haben.“Wiirde ist ein zusammenfasscndes M38 Fm 3116 unterschicdlichen Dimensionen der Armut„, sagt Dr. Lakhani V0111 Aga~Khan-Netzwerk. “Bei der Betrachtung von Dingcn wic Selbstachtung, Selbstwertgefiihl und der Fijhigkeit, Entscheidungsfilldungspr0 sich an
zcssen zu betciligen, die £1116 Komponenten derWiirde sind, findet man genijgend Dinge, die man messen kann.„
Der Bahá’í—Vertretcr priisentierte ein Papicr mit dem Titel “Religibse Wcrtc und die Mcssung V01] Armut und Wohlsmnd„, welchc‘s unter anderem vorschlug, die Kommunikationsfiihigkeit eincs Menschen 313 crstes M38 zur Beurteilung eines Erfolges in der Entwicklung zu benutzen.“$0wohl der Prozess als auch die Ergebnisse lassen sich beobachten, und sind somit auch messbar„, war dem Papier zu entnehmen, welches von Matt Weinberg, dem Forschungsdirektor des Biiros der Bahá’í International Conmlunity, priscntiert wurde.
Einstieg in Beratungskultur erschließt bisher vernachlfissigte Bevalkerungsgruppen
“Dic- Anwendung von Beratungsmethoden zur Entscheidungsfindung kann zu neuen L'Osungen von Problemcn in Gemcinden fiihrcn; sie können eine größere Gerechtigkeit bei der Verteilung V011 Gemeindemitteln bewirken; und sis 113an die Tendenz, die
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jenigen einzubcziehen und
aufzuwerten, die historisch von
Entscheidungsfindungsprozesscn ausgeschlossen wurden,
wie zum Beispiel Frauen und
Minderheiten", so Matt Weinberg.
D16 Erfahrung habe gezeigt, dass die Bcratung den Gemcinden die Méglichkeit gibt, Entwicklungsinitiativen 111 Gang zu halten und zu modifizieren und somit zu Unab111111gigkeit und cincr h(ihcrcn Lebensqualitiit beizutragcn. „Die Fiihigkeit der Mcnschen, 1121611 diesem 11611011 und konstruktiven Konununikationsmodel] gtmeinsam zu 611tscheiden, ist 111 mancher Hinsicht 6111 bcdeutendercs Ergeb111$ — und deshalb wichtiger zu messen — 315 die messbaren Ziele, die traditionell n11t Entwicklungsprojckten 111 Verbindung gebracht werden .„
Die Bahá’í—lrfisentatio11 bctonte aulfierdmn die Wichtigkeit der FOrderung dCl geistigcn Fiihigkeitcn, besonders Cillc Ausbildung, die morali schc Erzichung beinhaltet.“l)ic
spirituallen Oder moralischen Dimensiunen auBcr Acht zu lassen, bedeutet die Grundbestandtcile des Aufbaus dtr Struktur des Gemeindelebens zu vergessc‘11„,sagt Matt Weinberg.
Werte als Grundbaufieine jeglicher Entwickiung
“W11 haben versucht, wciter zu gehen 2115 11111 die Bedeutung der religiéisen Werte 211$ solche zu erkc‘1111er1,sor1dem auch zu b6t0116n, dass die Integration 1110r21lisChechrtc 111 jede EntwiCklungsinitiativc entscheidend ist. Disses bcdeutet, dass Projekte entworfen wcrden sollten, die den Dienst an der Gemeinde und ihrcn Bedürfnissen betoncn, dass die Mcnschen lernen, W16 1111111 bei der Entwicklung V011 k011struktiven Problem]ésungen zusammenarbeiten kann Oder \vic die Gleichbcrechtigung der Geschlechter systenmtisch verwirklichbar ist.„
Seibsikritischer Biick auf eien Beitrag dew Weltmfigienen zur Ubew wfindung der Armut
Der Hindu Swami Amara112111da mcint rückblickend, class cinichcrtreter der Religionen unfingcn, ihrc cigenen Ansiitze und ihre eigene Geschichtc 111 der Frags der Armut und der Entwicklung zu hinterfiagen. “Der R6111ische Katholizismus ist eine der gréiBeren Religionen 111 Afiika und Siidameriv ka„. so Swami Anmrananda. “Dennoch 51nd diest Regioncn ar111.Warum ist es so? Die Buddhisten stellten dieselbcn Frageric kommt es, dass die buddhistischen Lander hinterher hinken? Und auch die Hindus stelltcn dicsclbe Frags.„ Kcin Zweifel: D35 Treffen 1n johannesburg hat nicht allein der Welt1‘cligionen zur Weltbzmk etwas
1111 Verhältnis
in Bcwcgung gcbracht, sondern auch bei den Religionen untereinander. U
Wenn sich religiös motivierte Entwick/ungsprojekte gegen die Armut engagieren, konzentrieren sie sich zumeist aufdie Themen Erziehung und Gemeindeentwick/ung. Aufdiesem Foto sind Absolventen eines Trainingsprogrammsfl'jr die Herstellung von handgeknapften Teppichen zu sehen, das von einer drtlichen Bahá’í—Gemeinde im DangDistrikt im indischen Bundesstaat Gujarat veranstaltet wume.
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MARKTPLATZ DER 1.001
Die Bahá’í—Konferenz zur sozialen und Wirtschaftlichen Entwicklungfdrdert das bargerschaft/iche Engagement in ganzAmerika. In Kleingruppen und im persönlichen Kontakt werden eigene Entwicklungsprojekte prcisentiert.
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ENTWICKLUN
In den Ietzten drei Jahren hat sich die interamerikanische Baha’iKonferenz zur sozialen und wirtschaft/ichen Entwicklung als ein groj3es Ereignis etab/iert, zu dem mehr als
1000 ehren U SA amtlich En gagierte aus Nord- und SUdamerika kamen. Sie lernten, was wirklich erforderlich ist, um kleine, aber efi‘iziente Entwicklungsprojekte nach dem Graswurze/prinzip zu starten und am Leben zu erha/ten.
RLANDO,Florid;1O“Dies ist keine Konferenz der Fachlcutc
und Expertcn„, sagt Pierre Btemans,Vizepriisident des in Kamda anséssigen Internationalen Wissenschaftlichen Entwicklungszentrums.“Viclc diescr Lcutc sind ganz gcwiihnliCht Amerikaner. Dennoch engagiercn sie sich in lnitiativen zur lokalen Stadtentwicklung, flir Schulen, Gesundheitsprogramme ()der lokale Tagespflegczcntren. Und dies ist
GSPROJEKTE
Jedes Jahr trejjen sich
Liber 1.000 in sozialen
Projekten engagierte Menschen
aus Nord- und SUdamerika
auch die Ebene, aufder soziale Veriinderungen stattfinden müssen!„
In den letzten drei jahren hat die Konferenz mehr als 1.000 Teilnehmer angezogen. Die meisten von ihnen waren Bahá’í und die Mehrheit kommt noch immer aus Kanada und den USA. Die Idee, Menschen aus allen Lebensbereichen zu ermutigen, sich an Entwicklungsprojekten auf drtlicher Ebenc zu beteiligen, ist das standige Hauptthema dieser Konferenzen.
Die Konferenz wird von der Rabbani—Stiftung, cincr privaten, gemcinnfitzigen und in Orlando anszissigcn Organisation, vorbcreitet. Sie wurde 1991 V011 Bahá’í gegrtindet.
Ziel ist es, die Menschen zu befiihigen, ihr eigenes Wisscn umVeriinderungcn zu férderll, so dass sie zurückgehen können und das Gelernte anwenden. “Damit versuchen wir. diese Trefikn zu eincm Lernprozess zu machen, bci dem jcder sin Lehrer undjeder ein Lernender ist", sagt Benjamin Levy, der Programmdirektor der Konferenz.
jedes jahr geht der Hauptkonferenz ein kleineres Seminar für hauptberufliche Entwicklungsfachleute voraus. Die Experten kommen zusammen, um sich über in die Tiefe gehende Fragen der Entwicklungspolitik in Theorie und Praxis zu beraten. Sie bleiben dann als Ansprechpartner für die Wochenendkonferenz. Insgcsamt dauern die beiden Abschnitte fiinfTage und bieten
die Gelegcnheit fi'jr einen fruchtbaren Ausmusch.
In diesemjahr gab es 1.229 rcgistrierte Teilnehmer. lnsgcsamt stammten die Teilnehmer aus 39 L'éndern und reprisentierten buchstziblich jede Nation des amerikanischen Kontinents. Es wurden mehr als 21 Projekte vorgestellt, die von ihrer Art und Größe her eine große Bandbreite umfassten: von einer 1()]ahre alten Universitfit mit 1.200 Studenten in Chile bis hin zu einem vor zwei Jahren in Torontos Vorort Markham von sechs Frauen gestarteten Projekt, das das Gespriich über die Gleichstellung der Frau Fdrdern will.
Was die Möglichkeiten der Vernetzung anbetrifft, ist die Konferenz sehr erfolgreich, sagt Duncan Hanks, ein kanadischer Entwicklungsfachnmnn, der gegenwzirtig in Bolivicn tétig 1517. Das Niveau der Gespriiche sei sehr hoch, so Hanks. jim Ferguson,Arzt aus Michigan, USA, kam zum Treffen in Florida, um mehr Einblick und Anregung zu gcwinnen. 1994 und 1995 arbcitetc er als Ehrenamtlichcr in cincm V01] den Bahá’í gefiirdertcn Gesundheitsprojekt in Guyana und verbmchte jeweils einen Monat pro Bcsuch dortf‘1ch bin kein Fachmann auf dem Gebiet der sozialen und Wirtschaftlichen Entwicklung„, meint Ferguson. “1);1 iCh aber im Bereich der Gcsundhcitsfürsorge tiitig bin, habe ich Intercsse damn, meine Fzihig keitcn cinzusetzen, um Menschen zu hclfen.“ 1:1
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KAHLIL GIBRAN
DER AUTOR DES MEISTGELESENEN
BUCHES ALS
Einefesselnde
Biographie Liber Kahlil Gibran schildet sein Verhciltnis zu Abdu I-Baha
as unterscheidet einen großen Kiinstler von der breiten
Masse der Menschen? Wie kann man das M38 an Inspiration und Einsicht gebfihrend berücksichtigen, das einen Menschen wie Kahlil Gibran beflihigt, eines der berühmtesten und anerkanntesten Stiikke derWeltliteratur diesesjahrhunderts zu schreiben? Die Antwort auf diese Fragen, soweit man hierauf überhaupt cine Antwort geben kann, findet man in der neuen fesselnden Biographie Suheil Bushruis undjoe jenkins über Gibran.
Mit dem Titel “Kahlil Gibran: Mensch und Dichter„ beschreibt dieses Buch tiefgehend das Leben, dieVorlieben, die Zeit und Werke Gibrans, dessen Buch “Der Prophet„ aus dem jahrc 1923 mit mehr 315 10 Millionen Exemplarcn verkauft und in mindestens 20 Sprachen übersetzt wurdc.
Kahlil Gibran, der im Libanon geborcn wurde, jedoch die mciste Zeit seines Lebens in den USA verbrachte, nimmt cine besondere Stellung unter den Schriftstellern der Moderne ein, nicht zuletzt, da er seine Werke sowohl auf Englisch als auch aqurabisch verfasste und somit in beiden Kulturkreisen sehr geachtet war.D;1durch, dass Gibran zwischen zwei Welten balancierte, hat er
seinen eigenen literarischen Stil geschaffen, der seitdem Bewunderer in allen Generationen gefunden hat.
Er war einer der wenigen Schriftsteller, die die Grenze zwischen Ost und West überwunden haben und sich selbst als Weltbürger bezeichnen konnte, und dies, Obwohl er selbst ein Libanese und Patriot war, schreiben Bushrui und Jenkins. SeineTexte verweilten nicht bei reinen Beschwérungen des geheimnisvollen Ostens, sondern Zielten darauf ab, die Notwendigkeit derVersdhnung von Islam und Christentum, von Geistigkeit und Materialismus, von Ost und West aufzuzcigen.
Über dieses Merkmal schaffien Bushrui und jcnkins das Leitmotiv ihres Buches: Gibran war trotz seiner persönlichen Fehler und Schwdchen ein genialer und visiondrer Kiinstler, dessen Werke von Themen der Einhcit und Eintracht durchzogen sind; Themen, die über unseren, dasjahrhundert prsigenden Weg in Richtung weltweite Integration nachsinnen und gleichzeitig die Herzensanliegen von Msinnern und Frauen einschließlich der Sehnsucht nach einem geistigen Leben,welches unserem Dasein in der materiellen Welt einen Sinn verleiht und es mit Wijrde versieht, ausdrücken.
Die Geschichte von Gibrans Leben selbst ist, ungeachtet seiner künstlerischen und literarischen Errungenschaften, ebenso fesselnd.Als Sohn eines alkoholabhzingigen
5,5 20. JAHRHUNDERTS RUCKENBAUER
ZWISCHEN OST UND WEST
REZENSION
Steuereintreibers
wurde er 1883 in der kleinen libanesischen Stadt Bisharri geboren und im Alter von zwélfjahren mit seinen zwei Schwestern von seiner Mutter in die USA gebracht. Obwohl er in schlechten Verhältnissen in einem Armenviertel von Boston lebte, 20g sein Zeichentalent die Aufmerksamkeit einiger Intellektueller der Stadt an, die ihn einem Kreis von namhaften Kiinstlern und Schriftstellem vorstellten, dem unter anderem die Malerin Lilla Cabot und die Dichterin Louise Guiney angehörten. Im Alter von 15 Jahrcn cntbrannte in ihm der Wunsch, seine Herkunft besser zu verstehen, und so kehrte Gibran in den Libanon zurück, wo er sich in das Maronite College von Madrasat—Al—Hikmah einschrieb, die zu damaliger Zeit wohl bekanntestc christliche Hochschule in der arabischen Welt.
Disses Land von mystischer Schönheit wurde sein Trost, seine Quelle der Vorstellungskraft und Jahre später das Ziel seiner Sehnsucht, so schreiben Bushrui und Jenkins über die Erfahrungen Gibrans im Libanon. Nach vier Jahren kehrte er nach Boston zurijck, wo er innerhalb kfirzester Zeit den Tod einer seiner Schwestern,
„Es ist offensichtlich, dass Gibmns Sichtweise van Religion mit den lehren der Baha’iReliglon oflmals in Einklang steht, sci dies nun dem direkten Einfluss der Treffen mit Abdu’lBaha zu verdanken ode: eine: innercn geistigne Vision
entsprlngend.“
Suheil Bushrui und JoeJenkins in der Biographie „Kah|i| Gibran - Man and Poet
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KAHLIL
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\UHI {I M \HRUI
Soheil Bushrui
Joe Jenkins
KAHLIL GIBRAN
Man and Poet. A New Biography
384 Seiten. Hardcover. Oneworld Publications. Oxford ISBN1—85168-177-9
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IHUURAI‘HY
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seines Halbbruders und seiner geliebten Mutter miterleben musste, die alle aufgrund von armutsbedingten Krankheiten gestorben waren. Um diese Schicksalsschléige zu überwinden, wendete Gibran sich erneut den intellektuellen und kijnstlerischen Kreisen in B0ston zu und fand schnell in Mary Elizabeth Haskell, der Hausmutter einer Miidchenschule, eine Férderin, die zu seiner finanziellen, intellektuellen und emotionalen Stütze fiir die meiste Zeit seines Lebens wurde.
Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1931 im Alter von 48 Jahren durch Leberzirrhose und beginnende Tuberkulose, war das Leben Gibrans überaus bewegt und unruhig. Er verbrachte einige Zeit in Paris, besuchte emeut den Liba non und ließ sich schließlich in New York nieder. Auch wenn er nie verheiratet war, ist es offensichtlich, dass er eine Reihe sehr intensiver Liebesbeziehungen pflegte; eine davon bestzmd nur auf schriftliCher Ebene. Nach Bushrui und
jenkins nahm er zeitweise fast nur starken Kaffee und Zigaretten zu sich und pflegte bis spit in die Nacht hinein an Texten Oder Kunstobjekten zu arbeiten. Fast Zeit seines Lebens war er von schwacher Gesundheit, und dennoch {01gte er dem Ruf seiner inneren Stimme nach geistigen Visionen.
Im Laufe seines Lebens begegnete Gibran einigen der größten Männer und Frauen seiner Zeit.Wie Bushrui und jenkins beschreiben, verbrachte Gibran Zeit mit dem Dichter William ButlerYeats, dem Bildhauer Auguste Rodin, dem Schriftstellerjohn Gulsworthy und dem Schweizer Psychiater Carl Gustavjung. Er las Vie] auf Englisch und Arabisch, wobei ihn insbesondere die Werke von Friedrich Nietzsche und William Blake beriihrt haben. Derartige Begegnungen, mögen sie tatsiichlich Oder auf schriftlichem Wege sich ereignet haben, haben Gibrans eigenes Denken und Wirken gepraigt. Diese Einflijsse haben gemeinsam mit seinen Lebenserfahrungen den Ton bestimmt, welcher seine Arbeiten auszeichnet, welche Hunderte von Aufszitzen, Gedichten, Zeichnungen und Gemzilden umfassen.
Unter den berühmten Persönlichkeiten, denen Gibran begegnete, war Abdu’l-Bahá, der Sohn Bahá’u’lláhs, des Stifters der Bahá’í—Religion. 1912, bei einem Aufenthalt in New York, 5313 Abdu’l-Bahá für Gibran Modell fiil ein Portrzit. Nach Bushrui undjenkins hinterließen die Sitzungen mit Abdu’l-Bahá einen unsusléschlichen Eindruck auf Gibran; spiiter schrieb er, dass er “in Abdu’l-Bahá das Unsichtbare gesehen„ habe und erfüllt wurde und dass er “ein großer Mann ist. Er ist perfekt. Es gibtWelten in seiner Seele.„ lndem Bushrui und jenkins verschiedene Quellen herau ziehen, kommen sie zu dem Schluss, dass Abdu’l-Bahá die
Inspiration und dasVorbild für sein einzigartiges Portrfit von jesus Christus wurde, welches er 1926 in seinem Buchjesus, Menschensohn„beschrieb und welches nach “Der Prophet„ sein zweitbedeutendstes Werk ist.
Sie zitieren Gibran, der über Abdu’l-Bahá folgendes sagte:“Zum ersten Mal erblikke ich eine Form, die würdig genug ist, ein GefriB für den Heiligen Geist zu sein.„ Es ist offensichtlich, dass Gibrans Sichtweise von Religion mit den Lehren der Bahá’í-Religi011 ofilllals in Einklang steht, sei dies nun dem direkten Einfluss derTreffen mit Abdu’l-Bahá zu verdanken Oder einer inneren geistigen Vision entspringend.
Das Bild von Gibran, mit dem Bushrui und jenkins enden, ist sowohl ehrlich als auch positiv. Indem sie sachliche Fakten über sein Leben mjt bedeutsamen Zitaten Gibrans eigener Schriften und Briefen vermischen, eindrucksvolle Beobachtungen von Zeitzeugen einflieBen lassen und damit ihre eigenen literaturkritischen Schlussfolgerungen überzeugend umlegen, haben Bushrui undJenkins ein héchst informatives und lesenswertes Buch geschrieben, das die Bilanz eines reichen Lebens zieht. “Sein familiiirer Hintergrund, wen er traf, was er gelesen hat und wie er lebte: all das verbindet sich in einer Person, die feihig war, literarische Werke Oder Kunst zu schaffen, die die Welt bewegen können. Gibran wurde der bekannteste und erfolgreichste arabische Schriftsteller in der Welt„, schreiben Bushrui undjenkjns.
“Die Botschaft Gibrans ist eine heilende Botschaft, und seine Suche war daraufgerichtet, das Spannungsfeld zwischen dem Geist und derVerbannung zu verstehen, da er die Bediirfnisse eines Zeitalters, welches fijr die geistige und intellektuelle Sackgasse der Moderne Zeuge ist, vorausahn te.„ El