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ONE COUNTRY
MAGAZIN DER Bahá’í INTERNATIONAL COMMUNITY »Die Erde ist nur ein Land, and alle Menschen sind seine Bargem - Bahdu'fla’h 1/9 9
Debatte:
Neue Werte fUr Entscheidungstréger in globalisierter Zeit
New York: NGOs planen im September 2000 ein „Jahrtausend-Forum“
\ 9/12
Oslo/Frankfurt: Initiativen fijr eine neue Qualität des interreligiösen Dialogs
Guyana: „Auf den FlUgeln des Wissens" 1.000 neue Lehrer fflr Alphabetisierung
Deutschand {Pmmr THEMEN SCHWERPUNKT (r nente protestleren
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Rezension: Fauziya ENTSCH EIDU KassindjazNiemand ' ZE‘ITALTER DER
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DM 4,- / fiFr 4,- / ATS 28,- / LUF 8o.- 7 Postvertriebsstficknummer D13365F
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eute von „ethischen
Fijhrungsqualitéten“
zu sprechen scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Fastjeden Tag erreichen uns Nachrichten vorn Sturz, der Inhaftierung oder der erzwungenen Amtsniederlegung eines politischen, industriellen, religiösen oder staatlichen Fijhrers irgendwo aufderWelt.
Die Korruption in den FUhrungsetagen von Wirtschafl, Politik oder Religion kennt viele Gesichter. Da gibt es Leute, die ihre Machtpositionen dazu mißbrauchen, Reichtum anzuhéufen, Rivalen zu schwéchen oder sexuelle Gefélligkeiten zu erzwingen. Dann gibt es solche, die ihre Autoritét dazu verwenden, ein bestimmtes Ziel auf Kosten der Gerechtigkeit voranzutreiben. Es gibtjene,denen der Vorteil fljr die Partei wichtiger ist als die Wahrheit und schliefSlich solche, die [über den wahren Zweck ihrer privilegierten Stellung einfach noch nie richtig nachgedacht haben.
Ethik in Leitungspositionen ist jedoch entscheidend. In manchen Léndern kann der Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft auf verschiedene Formen staatlicher oder industrieller Bestechlichkeit zurUckgerhrt werden. Manche Politiker haben Kriege angezettelt, um ihre politische Macht zu halten, ihr Ego zu befriedigen oder einem bestimmten Stamm oder einer bestimmten Klasse ihre Privilegien zu sichern. Auf lokaler
IM
Ebene haben skrupellose Entscheidungstr'éger ihre Gemeinden urn Entwicklungsgelder gebracht oder ethnischen oder religiösen Haß geschUrt.
Angesichts der vielen von der Geschichte Überlieferten bestechlichen, bésartigen und selbstsUchtigen Entscheider in allen Teilen der Welt kann man kaum behaupten,daI3 deren Verderbtheit zunimmt. Man könntejedoch annehmen, daIS schlechte FUhrungsqualitéten offensichtlicher geworden sind - ein Effekt, der vielleicht auf die Fortschritte in der Informationstechnologie, den steigenden EianuB der bUrgerlichen Gesellschafi und das gestiegene allgemeine Bildungsniveau zurUckzufUhren ist.
Das fUhrt uns auf eine wichtige Tatsache:Wir leben in einem neuen Zeitalter, einem Zeitalter des Wandels von einer aIten zu einer neuen Weltordnung.JederTag bringt neue Beispiele fUr den Verfall der alten und fUr ein Aufbthen von neuen Ideen und Institutionen.
Als Reaktion auf die verstérkt wahrnehmbare Korruption aufallen Entscheidungsebenen haben zahlreiche Gruppen und Organisationen Kampagnen fUr größere Transparenz bei Entscheidungsprozessen, bessere Einhaltung der Gesetze, Unabhéngigkeit der Rechtsprechung und andere demokratische Reformen gestartet.
Solche VorstéBe werden dringend gebraucht. Sie sind meistensjedoch symptombezogen und verséiumen es, die grundlegende Frage zu beantworten: Wie sieht ethische FUhrung im Zeitalter der Globalitait aus?
ZEIII'ALTER
FUr eine Antwort mUssen wir die Grundlage der Ethik selbst untersuchen. Die Bahá'I unterscheiden zwei verschiedene Aspekte der Natur des Menschen, Die eine ist materiell. Sie ist, einfach ausgedrUckt, verantwortlich fUr die physischen Bedflrfnisse: Überleben, Nahrung, Behausung und kijrperliche Behaglichkeit. Die andere Seite ist geistig. Diese Seite der menschlichen Seele bringt Liebe, Mitleid und Selbstlosigkeit hervor.
Ohne dieses grundlegende Versténdnis mißlingen viele Bemflhungen,die Ethik zu f6rdern,wei| sie sich in zeitgenössischen Vorstellungen Über die Relativitét von Werten verstricken,von materialistischem Eigennutz erstickt oder in Parteiquerelen auseinandergenommen werden. Ein entsprechendes Versténdnis der geistigen Natur des Menschen, das zunehmend durch wissenschaftliche Entdeckungen bestétigt wird, weist einen deutlichen Weg hin zu wirklich ethischen FUhrungsqualitéten.
In vergangenen Zeiten drijckte sich unsere geistige Natur im Aufrufzu Néchstenliebe oder in der Unterwerfung unter den Willen Gottes aus. In der heutigen Welt findet sie ihren reifen Ausdruck auEerdem im Konzept der Einheit der Menschheit, dem wesentlichen Prinzip in unserem Zeitalter der globalen Integration und der gegenseitigen globalen Abhéngigkeit.
Er geht also darum,die Idee der Néchstenliebe auf den Masztab des globalen Dorfes zu Übertragen. Dies verlangt eine neue Art von Entscheidungstrégern, deren Denken und Handeln wesentlich auch
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DERfiLOBALISIERUNG
von ethischen Erwégungen geprégt ist.
Wieder mUssen wir dem Alten das Neue gegenijberstellen. Zu lange wurde unter Fijhrerschaft Macht und Kontrolle Über andere Menschen verstanden - sowohl von den Entscheidungstraigern als auch von ihren Anhängern. Entscheidungstréger dieser Art neigten dazu, diejenigen zu schwéchen, denen sie eigentlich dienen sollten. Urn Kontrolle auszuflben haben solche Entscheider héufig versucht, den EntscheidungsprozefS extrem zu zentralisieren oder die Zustimmung der anderen zu erzwingen.Während sie den Anschein geben, interessiert zuzuhdren, versuchen sie in Wahrheit,vorgefafSte Ideen voranzubringen und andere zu dominieren. Zu den verschiedenen Spielarten der FUhrerschaft aus dieser Kategorie gehören Autokratie, Patriarchat, Totalitarismus und alljene, die die Massenmedien manipulieren sowie verschiedene Formen des allwissenden Expertentums.
Das neue Paradigma einer ethischen FUhrung bedeutet, daE Entscheidungstréger in der heutigen Zeit sich hauptsächlich darum kUmmern mUssen,der Gemeinschaft zu dienen, anstelle ihre eigenen Ideen, ihre Karriere oder Privilegien zu fördern. Anders ausgedrijckt muß ein ethisch motivierter Entscheidungstrégervor allem jemand sein, „der der Gemeinschaft am besten dient". Dessen Hauptverantwortung liegt darin, im Interesse der Gesamtheit zu handeln, nicht im Interesse einer bestimmten Partei, ldeologie, eines Stammes oder einer Firma.
Zu weiteren Charakteristiken ethischer FUhrung gehbren
der Wille, ernsthaft die bestmögliche Lösung zu suchen anstatt von vorgefa Bten Ansichten auszugehen, kooperative Methoden der Entscheidungsfindung zu verwenden, die Féhigkeit, zu inspirieren und konstruktive Taten bei der Basis zu fördern, und die Gabe, schon am Anfang das Ende zu sehen — in anderen Worten, die Féhigkeit zur Vision.
Allgemein ausgedrflckt mijssen ethisch motivierte Entscheidungstréger die fortschrittlichen sozialen Gedanken in sich aufnehmen,die mit dem Prinzip der Einheit der Menschheit einhergehen: Sie mUssen sich zu den Menschenrechten bekennen, die Werkzeuge und Methoden zur Férderung sozialen Zusammenhalts und Wohlergehens kennen, unzweideutig die Gleichberechtigung von Mann und Frau anerkennen und sich vollständig von jegv lichen Vorurteilen bezijglich Rasse,ethnischer Zugehérigkeit, Religion oder nationaler Herkunft befreien.
Das Konzept der Einheit der Menschheit wird unweigerlich dazu fUhren, die Rolle politischer Parteien in Frage zu stellen. Obwohl politische Parteien in der Geschichte die wichtige Rolle hatten, die Interessen lange ignorierter Wéhlergruppen zu fdrdern und neue Gedanken voranzubringen,wurden sie durch die neuen Realitéten unseres Zeitalters sowie durch die Fortschritte in der Informationstechnologie und in der Organisationswissenschaft zunehmend ÜberflUssig. Außerdem treten die schlechten Seiten der Parteipolitik wie die Tendenz, partikulére Interessen vor die Interessen der Allgemeinheit zu stellen, die Gefahrder Bestechung,
sowie die Neigung, sich auf den politischen Machtkampf anstatt die Suche nach Wahrheit zu konzentrieren - zunehmend hervor.
Dann wird letztendlich erkannt, daß Parteipolitik heute im wesentlichen die Uneinigkeit fördert. In unserem Zeitalter der globa|en Integration, 6ko|ogischen Interdependenz und der Présenz von einstmals unvorstellbaren Massenvernichtungswaffen, muß das Hauptziel die Einheit sein.
Die vielleicht wichtigste Eigenschaft fUr die Definition ethischer FUhrungsqualitéten ist Wahrhaftigkeit UWahrhaftigkeit ist die Grundlage aller Tugenden in der menschlichen Welt“,sagt Abdu'l-Bahá. „Ohne Wahrhaftigkeit ist fUr eine Seele weder Fortschritt noch Erfolg in den Welten Gottes möglich.Wenn diese göttliche Eigenschaft in der Menschheit etabliert ist, werden alle göttlichen Qualitéten auch erreicht."
Das Problem heute ist festzustellen,wann Entscheidungstraiger in ihrem Engagement ehrlich sind, und wann nicht denn alle zeitgenbssischen Entscheider zollen dem Idea! ihren Tribut. Wieder ist ein richtiges Verständnis der geistigen Natur hiifreich. Wie Abdu'l-Bahá oben zitiert wurde, ist Wahrhaftigkeit die Grundlage aller anderen Tugenden. Andernorts in den Bahá’í-Schriften heifSt es „die rechtschaffenen Taten eines Menschen bestätigen die Wahrheit seiner Worte„.
Je mehr sich die Individuen geistig weiterentwickeln, um so stérker wird ihre Féhigkeit, zwischen ethisch motivierten Taten und falscher Rhetorik zu unterscheiden. El
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WELT-MAGAZIN
IMPRESSUM
0n: Couumv wird herausgegeben von derBahá'i International Community, die als Nicht~Regierungs-Organisation bei den Vereinten Nationen die weltweite Bahá’í-Gemeinde représentiert. On: Couumv,0ffice of Public Information,Bahá’í InternationalCommunity, Suite 120,866 United Nations Plaza, NewYork,NewYork10017, USA,Emai|: 1country@bic.org.
Chefredakteur: Brad Pokorny.Chefvom Dienst:Ann Boyles.Auslandsredaktionen: Nancy Ackerman (Moskau),Christine Samandari-Hakim (Paris), Kong Siew Huar (Macau),Gui|daWa|ker (London).
Deutschsprachige Redaktion: Peter Amsler,Stefan Mutschler,Jens-Uwe Rahe.Freie KorrespondentenzHilde Fanta (Osterreich),$ilvia Fréhlich (Schweiz),Jutta Bayani(Luxemburg)1 Geschäftsfuhrung: Hartmut Nowotny, Arezu Braun. Übersetzerpool: Gijnter Maltz.Anschrift:Ou: Coumnv, Eppsteiner Str. 89, D-65719 Hofheim Langenhain,Germany.Te|._49-619299290.F3X_49‘6192'992999Herausgeberderdeutschsprachigen Ausgabe: Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in Deutschland eM
Einzelheft: DM4,-/SFr4,-/OS 28,-/LUF 80,-.Jahresabonnement:DM15,—/SFr 15,-/OS1oo,-/LUF 300,~ (incl.MWSt u. Portokosten). Die Zeitschrift kann direkt bei der Redaktion bestellt werden. Copyright 1998 by Bahá’í International Community. ISSN 0945-7062. Gedruckt auf1oo% Recyclingpapier.
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KUNSTLER AUS KAISERSLAUTERN UBERGIBT MANDELA FRIEDENSSKULPTUR
JOHANNESBURG. - Fürden KUnstler GUnter Sprengart aus Kaiserslautern hat sich am1o.DezemberletztenJahres ein IangjahrigerTraum erfUIlt: Zum 50.Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Übergab er in Johannesburg eine Skulptur,die er fflr SUdafrikas Présidenten Nelson Mandela geschaffen hatte. Sie ist von den Bahá’í-Schriften inspiriert und heifSt„Ge
ringerer Friede“. Als
sein Anliegen stellte
GUnter Sprengart
vor rund 500 Gésten
besonders die Gerechtigkeit heraus.
Bei der Feier zum
sojährigen Bestehen der
Menschenrechtserklärung
nahm Sfldafrikas stellvertretende Justizministerin
Tschabalala die Skulptur entgegen und enthUllte sie. In
ihrerWUrdigung des Kunstwerkes erinnerte sie daran,
dafS weder SUdafrika noch
Deutschland vor 50 Jahren zu
den Unterzeichnerstaaten der
Allgemeinen Erklärung gehörten. Deshalb komme der
Skulptur Sprengarts besonde
LEHRSTUHL FUR Bahá’í-STUDIEN AN DER
UNIVERSITKT VON JERUSALEM EINGERICHTET
JERUSALEM. - Am 29. März richtete die Hebraiische Universität von Jerusalem formell einen Lehrstuhl fUr Bahá'iStudien ein.
Vor drei Jahren begann das lnstitut flir asiatische und afrikanische Studien mit regelméBigen Vorlesungen von Prof. Moshe Sharon Über die Geschichte und die Heiligen Schriften der Bahá’í—Religion. Bei den Einweihungsfeierlichkeiten betonte der Rektor der Universitét, daß durch die Arbeit von Prof. Sharon die
Notwendigkeit ausgedehnter Studien Über die Bahá’í-Religion und somit die Einrichtung eines eigenen Bahá'iLehrstuhls immer deutlicher
wurde.
UN-GENERALVERSAMMLUNG FORDERT ERNEUT GLEICHBERECHTIGUNG FUR DIE Bahá’í IM IRAN
VEREINTE NATIONEN.— Am 9. Dezember1998 hat die UNGeneralversammlung einmal mehr ihre Sorge Überdie„andauernden Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran" zum Ausdruck gebracht. Dabei erwéhnte sie insbesondere das „unverminderte Muster von Verfolgung" gegen die Bahá’í im Iran.
Mit 64 zu 41 Stimmen nahm die Versammlung eine Resolution an, die den Iran aufruft, sich an seine freiwillig
eingegangenen Verpflichtungen unter verschiedenen internationalen Menschenrechtsvertrégen zu halten. Der Iran solle „sicherstellen, dafS alle Individuen auf seinem Territorium und unter seiner Gerichtsbarkeit, einschließlich der Angehdrigen religiöser Minderheiten, alle Rechte wahrnehmen können,die in diesen Vertrégen festgeschrieben sind.“
Mit dieser Resolution hat die Generalversammlung zum 13. Mal in 14Jahren ihre Sorge
re symbolische Bedeutung zu. Das Bildnis sell in der Hauptstadt Pretoria in den Union Buildings aufgestellt werden, die das siidafrikanische Présidialamt und das Außenministerium beherbergen.
PREIs DES ROTEN HALBMONDES AN DIE Bahá’í-GEMEINDE VON RAWALPINDI
RAWALPINDI.- Der pakistanische Président Rafique Tarar (ganz rechts im Bild) Überreichte am17.Juni1998 den Nationalen Preis fUr besondere soziale Verdienste an den Lokalen Geistigen Rat der Bahá’í von Rawalpindi. Der Preis wird gestiftet vom Internationalen Roten Halbmond, der Partnerorganisation des Internationalen Roten Kreuzes. Die Preisverleihung ist insofern bemerkenswert,a|s erstmals eine islamische Organisation einen Preis an eine Bahá’í-Organisation verlieh.
Über die Situation der Bahá’í im Iran ausgesprochen.1998, wie auch im Jahr davor,forderte sie die volle Gleichberechtigung der Bahá’í-Gemeinde im Iran, in Übereinstimmung mit der EmpfehIung des UN-Sonderberichterstatters Über religiöse Intoleranz.1996 hatte der Sonderberichterstatter, derTunesier Abdelfattah Amor,festgestellt, daß die Verfolgung der Bahá’í im Iran religiös motiviert ist - und nicht politisch, wie es die Regierung behauptet. Der iranischen Baha'iGemeinde milsse „die volle AusUbung ihrer religiösen Aktivitaten" erlaubt werden.
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PREMIER BLAIR
UNTERSTUTZT BAHA’iINITIATIVE ZUM INTERKULTURELLEN DIALOG
LONDON.-Anléf$|ich des Neujahrfestes der Bahá’í am 21. März gratulierte PremierministerTony Blair der britischen Bahá’í—Gemeinde zu ihrem1oojährigen Bestehen. In einer Grußbotschaft teilte er den Bahá’í mit,ertei|e ihr Glaubensprinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen. Der Premier unterstfltze deshalb den ermutigenden Dialog der Bahá’í mit den unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Kulturen. Er wUnsche den Feierlichkeiten einen großen Erfolg.
Bahá’í-LEHRPLAN VOM KULTUSMINISTER BESTATIGT
HELSINKI. — Finnlands Kultusminister hat den Bahá'iLehrplan fUr den Religionsunterricht in Grund— und Sekundarschule genehmigt und dem Nationalen Geistigen Rat erlaubt, ihn sofort einzusetzen. Der Lehrplan beinhaltet eine Beschreibung der pédagogischen Hauptziele sowie eine Auflistung weiterer pédagogischer Ziele und lnhalte. Hauptziel in der Grundschule ist dabei, den SchUlern zu helfen,g|oba|e Werte anzunehmen,Wissen ganzheitlich aufzunehmen und ihr religiöses Verständnis zu vertiefen. Außerdem sollen die Schüler in die Lage versetzt werden, eine Vision fUr die Zukunft zu entwickeln und sich die notwendigen mensch|ichen Fertigkeiten anzueignen, um in einer sich entfaltenden globalen Gesellschaft zu leben.
Hauptziel des Unterrichts in der Sekundarstufe ist es, den SchUlern zu helfen, sich Über ihre Rolle als F6rderer der Interessen und der gemeinsamen Zukunft einer sich entfaltenden globalen Gesellschaft zunehmend bewußt zu werden.
WIEDERZULASSUNG DES NATIONALEN GEISTIGEN RATES DER Bahá’í IN RUSSLAND
MOSKAU.—Am19.Januar 1999 erhielt der Nationale Geistige Rat RuBIands seine Wiederzulassung aufgrund des neuen Gesetzes fUr religidse Organisationen des russischen Parlaments vom Herbst1997.
Die offizielle Anerkennung als „Zentrale religidse Organisation“ gibt der Bahá’í—Gemeinde die gleichen Rechte wie den anderen großen Religionsgemeinschaften.
Wenige Wochen zuvor kamen Regierungsvertreter,
WUrdentréger und andere Persdnlichkeiten des 6ffentlichen Lebens in Moskau zusammen, um der feierlichen Übergabe des Heiligsten Buv ches der Bahá’í, dem Kitab—iAqdas, durch den Nationalen Geistigen Rat an den Direktor der Bibliothek der Duma,dem Vorsitzenden der Menschenrechtskommission und dem ParlamentsausschufoUr religidse AngeIegenheiten beizuwohnen.
FUR EIN „MUNTER-VIELFALTIGES“ SENDERPROFIL
FRANKFURT/M. - Eine stérkere Présenz nicht-christlicher Religionsgemeinschaften in den bfientlich-rechtlichen Medien hat Sebastian Engelbrecht gefordert. In einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau vertrat der Referent fUr H6rfunk und Fernsehen im Gemeinschafiswerk der Evangelischen Publizistik die Ansicht,die Weltanschauungen von einem Drittel der
Bundesbflrger sei in Radio und Fernsehen bis auf marginale Ausnahmen nicht repraisentiert.
So dUrften zwar in einigen tiffentlich-rechtlichen Radioprogrammen auch Bahá’í, Buddhisten und andere Gruppen senden, doch entspréchen diese Ausnahmen nicht „den Realitéten des Einwanderungslandes Deutsch|and“,so Engelbrecht.
„HAPPY HIPPO SEMINAR“ IN ALBANIEN ZUM THEMA TRAGEN UND EINSATZ VON WAFFEN
TIRANA.— Mehra|s1oo geladene Géste folgten im Rahmen der in mehreren osteuropäischen Fernsehsendern erfolgreich Iaufenden wertevermittelnden „Happy Hippo Show„ einer Présentation zu einem in Albanien virulenten Thema:„DasTragen und der Einsatz von Waffen“.
Vertreter der Regierungsministerien besuchten das parallel laufende Seminar und sprachen zu den Teilnehmern. Auch der griechische Botschafter in Albanien folgte der Einladung. Fernsehen und Radio berichteten ausfijhrlich Überdie„Happy Hippo Show“.
Die anwesenden hochrangigen albanischen Beamten waren von derVorfUhrung so beeindruckt, daß noch während des Seminars mehrere Bahá’í zu einem privaten Abendessen des Außenmini sters in Tirana eingeladen wurden. Neben albanischen Beamten und einigen Botschaftern waren dort auch Fernseh- und Radiojourna|isten,Vertreter diverser NGOs und Fachleute aus dem Bildungswesen anwesend.
Viele von ihnen haben bereits Ideen fUr die DurchfUhrung des Programms in Bildungseinrichtungen, in Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen entwickelt.
Das albanische Seminar war das letzte in einer Reihe zum Auftakt der Happy Hippo Show in Albanien, Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Ruménien und Slowenien im Rahmen eines Bahá’í—Programms fUr Stabilitét und gute Nachbarschaft in SUdosteuropa. Drei weitere Seminare werden in Bosnien, Mazedonien und Serbien1999 stattfinden.
EUROPA-MAGAZIN
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EIN LIED FUR DIE AGENDA 21 „W0MEN OF THE WORLD“
DUISBURG.- DerSong „Women of the World“ der beiden Bahá’í-Musiker Petra Held und Judy Rafat wurde Ende des vergangenen Jahres vom Umweltministerium des Landes Nordrhein—Westfalen mit dem „Preis fUr das beste Agenda-21-Projekt„ ausgezeichnet. Ergénzt um weitere Jazz-, Pop-, Blues und FolkKompositionen der beiden Musikerinnen rund um die Themen der Rio-Umweltkonferenz 1992 erschien jetzt ein gleichnamiges CD—Album.
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Die UN-Kommissionfl'jr eine Reform der UNO beriet auf mehreren ihrer Trejffen Über die Abhaltung eines Jahrtausend-Forums der Nichtregierungsorganisationen. Das Foto zeigt das Trefien der Kommission am 15. Juli 1998 am Sitz der Vereinten Nationen in New York.
Parallel zum „Jahrtau send-Gipfel„ der UNO
planen die Nichtregierungsorgani TITE LSTO RY sationen ein
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„Jahrtausend—Forum“, um ein gemeinsames Lobbying gegenüber den Regierungen der Welt voranzutreiben.
“V„ TEREINTE NATIOR4 NEN — Es ist cin fas zinicrcndcs lmjckt, das NiChtregicrungsorgani Ti M
E GEBEN
WELTWEITEN
- LGESELLSCHAFT
Nichtregierungsorganisationen planer) Im September 2000 ein „Jahrtausend-F0rum “
sationen (NGOS) aux allerWelt in Angriff genommcn haben:
,Jahrtauscnd—Gipfel“ der Vereintcn Nationcn abhalten. Imjahr 2000w011cn sie ein
,Jahrtausend—NGO-Forum“ abhalten. Dcssen Ziel ist es, dic Bcdeutung einer Welt—Zivil „JahrtausendwForum“ dear NGOs parallel zum „Jahrtaufiendr-Gipfel“
gesellschaft bei der Lösung glo— dev Natiaimen baler Probleme im 21.]ahrhundert ins Rampenlicht zu rijk ken. Konkretz D215 Forum 5011
Das Forum kblmtc Tausendc von Nichtrcgierungsdie ldecn und Visionen V01] organisatimwn zusammcnfihren. Es sol] parallel zum UNjahrtauscnd—Gipr stattfinden,
der für September 2000 am
Nichtregierungsorganisationen btindeln und sie den Staaten der Welt vorlegen, wenn diese
im September 2000 einen Hauptsitz derVercintcn Natio
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men in New York geplant ist.
Den Organisatoren geht es darum, die Arbeit der NGOForen bei früheren UN—Konferenzen aufzugreifen und weitergehende Aktivitfiten sowie
cine Partnerschaft mit den UN
für die Zukunft vorzubereiten.
Die Idee des JahrtausendForums geht unter anderem zurück auf einen Appell von UN—Generalsekretiir Kofi Annan, als Begleitereignis zum geplanten Jahrtausend—Gipfel der UN—Mitgliedsstaaten auch eine ,Jahrtausend—Versammlung der Völker“ abzuhalten. Außerdem gab es bereits Vorschlaige für eine Versammlung der weltweiten Zivilgesellschaft zum Ende des Jahrtausends bei denVereinten Nationen.
Eine Herausforderung der Organisatoren besteht nun darin, verschiedene Initiativen zusammenzuführen und auf ein Ereignis hinzuführen.
Weltweit bilden sich derzeit Koalitionen der Nichtregierungsorganisationen
Zu den Unterstfitzern zéhlt zum Beispiel die „Kampagne für mehr Demokratie bei den Vereinten Nationen“ (CAMDUN). Seit Sommer 1997 hatte CAMDUN mit anderen Gruppen zusammengearbeitet, um eine „Erdaktionskoalition“ zu gründen. Sie gewann die Hilfe von rund 1.600 Nichtregierungsorganisationen aus 130 Lindern.
So entstand das sogenannte „Netzwerk für die Jahrtausend—Versammlung der Völker“. Es unterstfitzt nun das Jahrtausend—Forum.
Eine andere, in der Schweiz und in Kanada aktive Organisation plante für Ende 1999 eine „Konferenz für eine WeltZivilgesellschaft“ in Montreal Und eine Koalition koreanischer Organisationen bereitete für Oktober 1999 eine Konferenz über „Die Rolle der Nichtregierungsorganisationen im 21.]ahrhundert“ in Seoul
vor. Jetzt sollen beide Treffen als Vorbereitungskonferenzen für das übergreifende Jahrtausend—Forum dienen.
Etwa einhundert Vertreter interessierter Organisationen kamen im Juli 1998 zu ersten Planungen bei den Vereinten Nationen zusammen. Die K0ordination übernahm die Kommission für UN—Reform, ein Gremium der Konferenz von Nichtregierungsorganisationen (CONGO). Diese war 1948 gegründet worden und besteht aus 300 von den UN anerkannten NGOs, die an den Beratungen des Wirtschafts— und Sozialrates (ECOSOC) derVereinten Nationen teilnehmen dürfen.
Die Struktur der Vorbereitungen auf das lahrtausend-Forum
Ein Ergebnis des Planungstreffens war die Bildung eines
Folgende Website wurde eingerichtet zur kontinuierlichen Information über das
gep/ante Jahrtausend~Forum der Nichtregierungsorganisationen:
http://www.ngo.org/ millenniumhtm
Auch aufder Website von
„One C0untry“finden sich
zu diesem Themafort/aufend aktuel/e Berichte:
vorléiufigen Vorbereitungskomitees. Dessen Aufgabe 5011te es vor allem sein, angesehene NGO—Aktivisten aus Nord und Sfid in die Planungen miteinzubeziehen. Dafür sieht das Komitee die Gründung von drei Ausschfissen vor.
Ein sogenannter „P1anungsrat“ 3011 Strategic und Inhalte des Jahrtausend—Forums festlegen. Zusammensetzen soll er sich aus mindestens 100 Mitgliedern, die einerseits den globalen Charakter des Forums widerspiegeln und andererseits seine Themen.
Aufder zweiten Ebene 5011 ein 30k6pfiger „Lenkungsrat“
gebildet werden als wichtigstes Planungs— und Entscheidungsgremium des Forums. Ein Exekutivrat schließlich 501] die konkreten Aktivitiiten des F0rums steuern und die Arbeit eines Geschiiftsffihrers und seiner Mitarbeiter beaufsichtigen.
Die Lobbyarbeit der NGOs auf eine neue Basis stellen
Neben der organisatorischen Struktur galt es inhaltliChe Strategien zu entwickeln. So ist geplant, daß die beteiligten Organisationen in Abstiinden von zwei oder drei Monaten grfiBere Treffen abhalten, um einen „gemeinsamen Bericht“ über den Zustand der Welt und Positionen der Zivilgesellschaft flir den jahrtausend—Gipfel vorzubereiten.
Ein solchesVerfahren Wire neu. Bei früheren NGO—Foren zu UN—Weltkonferenzen trafen sich die NGOS parallel zu den Regierungen.
„Nach dem neuen Vorschlag können Probleme vorab ausdiskutiert werden, so daß der UN—Generalsekretair bereits unsere Informationen hat, wenn er seine Stellungnahme zu einem Regierungsbericht abgibt“, so Techeste Ahderom, Vorsitzender der Kommission für UN—Reform und Reprisentant der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei denVereinten Nationen.
„Wenn sich die Staats— und Regierungschefs im September 2000 treffen, wollen wir ihnen eine reprisentative Stellungnahme über NGO—Belange aus aller Welt vorlegen.“
Weiter kommt es daraufan, neben großen, internationalen Akteuren auch regionale und lokale Organisationen einzubinden. Hierzu haben die Planer eine Reihe regionaler und lokaler NGO—Trefien bis zum Jahr 2000 vorgeschlagen. Die Ergebnisse dieser Beratungen sollten über die nationale Ebene an (135 internationale Jahr
In Verbindung
mit dem „Jahrtausend-Forum
der NGOs“ sol!
letztlich ein
„Weltrat der
Zivilgesellschafl“ bei den
Vereinten Nationen etabliert
warden. Den
Auftakt soll ein
umfassender
„Bericht über
den Zustand der
Welt“ bilden.
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Der Sitz der Vereinten Nationen in New York wird im September 2000 der Konferenzorthr den geplanten„Jahrtausend—Gipfel„ der Nationen wierr das„Jahrtausend-Forum “ ' der NGOs sein.
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tausend—Forum weitergcgcbcn wcrden.
Eine schwierige Geburt
Wegen der Interessen— und Mcinungsuntcrschiede der bctciligten Organisational und wcgen des Fchlcns eines cingcspielten Mechanismus zur
Zusammcnarbcit brauchtc es
viel Zeit, dds jahrtausend—Forum zu konzipieren.
Obwohl Gruppen und Persönlichkeiten weitreichendc Vorschlfigc cingcreicht hatten, gelang es zuniichst nicht, cincn Konsens zu orziclen — spezicll imlerhalb der Kerngruppc aktivcr NGOS bci den UN. In diesc Bresche sprang CONGO. Durch ihre Kmnmission für UN—Reform kniipfte sie K011takte zu zmdercn Organisatiomen.
„l)er eingeschlagcnc Wag, bei dem eine Vielzahl von Gruppcn Vcrsuchen, ihrc Ziele zu verbinden und in dasjzlhrtausend—Forum zu integricrcn, ist richtig“, so William Pace, Direktor der WeltfcjderalistenBewegung. „Es ist meines Erachtens gclungen, verschicdc11c Initiativcn zusmmncnzuführcn, die sonst mitcinander konkurrieren.“
Die niichste Hiirde bestcht darin, sichcrzustellen, daß cinc umfassende Auswahl von Vcrtretern aufgcnommen wird auch von auBcrhalb des Kreises UN—oricntierter Organisationen, konkrct 311$ Siidlichen Ldndern; sowic von Gruppen, dic aufThemcn Wie Frauen Oder Umwelt spczialisiert sind.
„Ir1 derVergangenheit warcn cinige Komitces für NGOForcn nicht efi‘ektiv“,sagt Anita Nayar, beigeordnete Direktorin der Frauen—,Umwe1t— und Entwicklungsorgnnisation (WEDO), einer sehr aktiven Organisation bci dcn UNWeltkonferenzcn.
„I)ie Komitccs schufen kcincn wirklich flexible!) und offcncn Prozeß für Beteiligung aus dem Süden.“ Bei demjahrtausend—Forum soll sich dies éindern. „Bisher ist der Süden angemtsscn vertrctcn“. meint Esmeralda Brown vom vorla'ufigen Vorbcreitungskomitee. „Allcrdings brauchen wir finanziellc Mittel, um Repriisentanten der iirmeren Länder dauerhaft einzubeziehen.„
Und lloch cin Hindernis ist zu bcwiiltigcn. „Es gibt einigc Regierungcn, die legen keinen Wert auf das Forum. Sic halten 65 flir bedrohlich“, so Gillian Sorenson, Beigeordnct6 UN—Generalsekretiirin für Externe Zusammenarbeit.
Dabei spiclt sie an auf den Einfluß V01) NGOs in globalen Fragcn. „Deshalb sollten sich die Teilnehmer dcs Forums bestmiig wachsenden
lich organisieren und denVcreinten Nationcn einen priig; nanten, bestechenden Bericht vorlctgen.“ CI
GAMLE LGGEN,
NGOs UND
Die Hoch-Kommissarinfur Menschenrechte Mary Robinson spricht zu den Tei/nehmem der Osloer Konferenz.
REGIERUNGEN
„ERGREIFEN INITIATIVE fine
FUR
RELIGIOSE
Etwa 200 Vertreter verschiedener Regierungen, nichtstaatlicher Organisationen (N605) und religiöser Gemeinschaften rufen aufzu grb'fieren Bemijhungen, um Religions- und Claubensfreiheit zufbrdern; sie drcingen besonders zur Stdrkung der UN-Abteilung, die damit betraut ist, Liber religidse Intoleranz zu wachen.
SLO, Norwegen 0 Das Recht auf Religionsfreiheit ist si cherlich eines der heikelsten Angelegenheiten in internationalen Beziehungen, da es die tiefsten Überzeugungen von Völkern und Kulturen berijhrt
und allzu oft Empfindlichkeiten trifft, die durch langanhaltende regionale und religiöse Konflikte aufgebaut wurden.
Bisher wenig Neigung zur überwindung von religiiiser Intoleranz
So ist es Vielleicht verstiindlich, daß internationale Bemijhungen, über religiöse Intoleranz zu wachen,manchma1 von Regierungen mißachtet wurden, trotz gewichtiger internationaler Erkl'érungen, welche unijverstiindlich das Recht auf Religions— Oder Glaubensfreiheit festschreiben — und trotz der zwingenden Lehren aller Religionen, die Nachdruck legen aufToleranz, Frieden und guten Willem.
Die Osloer Konferenz über Religions— Oder Glaubensfrei ° TOL
heit, gefördert vom “Council for Religious and Lifestance Communities„ in Norwegen, bei dem auch die n o r w e g i s c h e Bahá’í—Gemeinde Mitglied ist, brachte vom 12.—15.August 1998 eine sehr unterschiedliche und prominente Gruppe aus Regierungsvertretern, Menschenrechtsexperten, religiösen Führern und NGO—Vertretern zusammen.
Globale Berichterstattung über religiiise Intoleran:
In ihrer Abschlußerklzirung dréngte die Gruppe die Weltgemeinschaft zu verstiirkter finanzieller und personeller Unterstiitzung der Arbeit des Berichterstatters der UN für religiöse Intoleranz, damit dieser
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ungewbhnliche Koalition
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“Überall wo der Anspruch der Allgemeingültigkeit van fundamentalen Menschenrechten verleugnet wird, müssen wir dagegen ankämpfen - nicht mit Wafien, die tiiten, sandern mit Worten, die
heilen.„
Gunnarstélsett, Luth. Bischofvon Oslo
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noch effektiver über Menschenrechtsverletzungen und Angelegenheiten im Bereich der Religions— Oder Glaubensfreiheit wachen kann. In dicsenl Zusammenhang verkündete die norwegische Regierung die Geweihrung von etwa 1,5 Millionen US—Doller zur Unterstfitzung des Amtes des Sonderberichterstatters.
Die Konferenz schlug ferner vor, einen ZusammenscthB von “Regierungen, Religions— Oder Glaubensgemeinschaften, akademischen Institutionen und NGOS„ zu bilden mit dem Ziel, dem Sonderberichterstatter und anderen internationalen Institutionen für Religions— Oder Glaubensfreiheit anhaltende Unterstfitzung zu gewzihrcn.
“Die Absicht ist, einen Zusammenschluß zu bilden, der so breit wie möglich ist„, sagt Stig Utnem, Vorsitzender des Gastgeberkomitees.
Kooperation von Regierungen and NGOs unverzichtbar
Die Konferenz wurde von allen Teilnehmern als ein weiteres Beispiel für eine anwachsende Partnerschafr zwischen Regierungen und NGOs angesehen, die internationalen Leitthemen gemeinsam anzugehen.
“Jeder, der Sonderberichterstatter miteingeschlossen, r'éumt ein, daß die NGOs einen neuen Platz in der Weltgesellschaft haben,„ sagt David Little, Mitglied des United States Institute of Peace, welches dieVertreter aus den USA bei der Konferenz anführte. “Die Regierungen können gerade Aufgaben wit: den Schutz der Menschenrechte und der religiösen Toleranz nicht alleine erfüllen. Sie brauChen dazu die betroffenen Religionsgerneinschafien wie un abhiingige NGOs.„
Dialog der Religionen - auch über Konflikte
In der Tat war die Konferenz auch bedeutsam durch die Mitwirkung von religiösen Oberhfiuptern verschiedener Gemeinschaften — Gerncinschaften, die in einigen Teilen der Welt in Konflikt und Disharmonie stehen.
Die Teilnehmer aus den Religionen bestanden ausVertretern von Gemeinschaften der Bahá’í, Buddhisten, Christen, Hi11dus,]uden, Muslimen und Sikhs. Und Viele Vortrzige und Podiumsdiskussionen auf der Konferenz konzentrierten sich ganz spezifisch auf regionale religiöse Konflikte, was dazu beitrug, einen neuen Dialog über dieses Problem zwischen Glaubensgemeinschaften zu schaffen.
“Die besonderen Schwierigkeiten, die für lange Zeit den interreligiösen Dialog behindert haben, haben Ohne Zweifel nlit sehr tiefsitzenden Haltungen zu tun, die religiöser Glaube mit sich bringt,„ sagt Mary Robinson, eine HauptbevolImiichtigte der UN für Menschenrechte, die eine der Hauptrcdner war.
Osloer Erklirung über die Religions- und Glaubensfreiheit
Hauptzweck der Konferenz war es, einen internationalen Zusammenschlufi zu bilden, um insbesondere praktische Unterstfitzung fijr Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die Erklärung der UN von 1981 über die Beseitigung von allen Arten der Intoleranz und Diskriminierung zu erhalten.
Für diesen Zweck verdffentlichten die Teilnehmer die Osloer Erklirung über die Religions— und Glaubensfreiheit, ein zwei Seiten langer Aufruf, welcher das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheir bekräftigt und feststellt, daß alle Religionen und
Glaubensrichtungen Frieden und gutenWillen Iehren. „Regierungen, religiöse Körperschaften und interreligiöse Vereinigungen, humanistische Gemeinschaften, NGOs und akademische Institutionen„ sind herausgefordert, „Erziehungsprogramme zu schaffen, die die Erklärung von 1981 ads allgemeingfiltige Norm heranziehen, um eine Kultur der Toleranz, des Verstaindnisses und Respekts zwischen Menschen Glaubensrichtungen zu errichten.„
verschiedcner
“Es wird immer klarer, daß die Verkfindung und Verteidigung der Religionsfreiheit zu den dringlichsten Punkten auf der internationalen Tagesordnung gehören,„ sagt Hilde Frafiord johnson, Norwegens Ministerin für internationals Entwicklung und Menschenrechte, die die Konferenz erbffnete. “Dies verdient eine höhere Priorität. Die Aufgabe, Respekt für die Menschenrechte zu verkünden, wurzelt in dem fundamentalen Glauben an menschliche Würde. Der Respekt für die Menschenrechte ist die Grundlage für ein Leben in Würde. Das sind erhabene Worte, aber sie sind wahr und sollten uns herausfordern, zu handeln.„
Religiiise Vorurteile werden Für politische Ziele mißbraucht
Hilde Frafjordjohnson und andere hoben hervor, daß das Ende des Kalten Krieges in vielen Regionen alte ethnische und religiöse Vorurteile wiederaufcrstehen ließen, wobei diese meist von politischen Führern für ihre Zwecke mißbraucht wurden.
In seiner Rede betonte Abdulfattah Amor, der derzeitige Sonderberichterstatter der UN für religiöse Intoleranz, daß diese neuen Realititen zu einem dringenden Handlungsbedarf fiihrten.
“Unz'éhlige Lander haben Probleme, sich die Instrumen
te zum Schutz der Menschenrechte einzuverleiben. Religidse Verfolgungen dauern daher an, von verbaler Einschiichterung bis Gewalt und Terrorismus„ sagt Prof.All10r, Professor für internationalcs Recht an der Universitfit Tunis. “Der Mange] an Erzichung zur T0leranz ist speziell für die jfingeren Generationen ein Hauptproblem.„
Amor meint, daß mehr Ressourcen vonnéten seicn, um Extremismus cntgegenzuwirken. Das Problem von Terroristen, die im Namen Gottes téten, sei eine der gréBtcn Herausforderungen für die Weltgésellschaft.
“Stillschweigen und Gleichgültigkeit gegenijber diescn Handlungen wird das Phiinomen nur vergrößern. Toleranz gegenijber Extremismus ist Toleranz Für das Intolerable. Extremismus $011te in jeder erdenklichen Weiss entgegengewirkt werden.„
Wihrend der gesamten Konferenz hoben alle Redncr hervor, daß echtt Hoffilung für Fortschritt in einer alle BereiChe umfassendcn Anniiherung der Religionsgemeinschaften liege.
Konferenzteilnehmer riefen auch zu neuen Forschungen über die Fragc der Religions— und Glaubensfi‘eiheit auf, insbesondere zu vergleichenden Lénderstudien. Organisatoren der Konferenz äußerten ihre Hoflhung, zum Beispiel eine umfassende Site imWorldWideWeb zu errichten, welche IIelfen würde, Entschcidungstragern in Sachem Intoleranz rechtzeitig Informationen zu liefern.
“Es gibt eine wachsendc Zahl an religidsen, philosophischen und wissenschaftlichen Forschungen, die die Hauptursachen von religiöser Intoleranz und Diskrimienierung bloßlegen,„ sagt Michael Roan, Vorsitzender von “The Tandem Project„, einer NCO nus den USA, die auf die Frage der
Religions— und Glaubensfrei heit spezialisiert ist und neben dem “Diacona College Centre„ aus Norwegen einer der Mitorganisatoren der Oslo—Konferenz war.“jcdoch nur ein kleiner Tei] dieser Forschungen wurde bisher Für die Analyse durch die UN zugijnglich gemacht.„
Eine gute Gelegenheit Für konkrete Gesprache über schwierige Themen
Die Konferenz selbst war cine besondere Gelcgenheit des Dialogs und der Bcgegnung zwischen Gruppierungen, die im Konflikt miteinander stehcn. So nahm eine hochrangig6 Delegation chinesischer Experten an der Konferenz teil Wie auch aine tibetische ExilgruppaAuch aus dem Nahen Osten trafen mehr Oder minder verfeindete Gruppierungen aus Israel, Agyptcn, Jordanien und dem Iran aufisinander.
Der Hauptreprfisentant der Bahá’í auf der Konferenz, chhesteAhder01n,sprach Libcr die Situation der Bahá’í 1111 Iran und stellte heraus, daß es kein besseres Beispiel für religiöse Intoleranz gibt,insofer11 211$ die fundamentalcn Lchren dc‘s Bahá’í—Glaubens zur Nichteinmischung in die Politik aufrufen und die Bahá’í im Iran delugemiifi jedwede politische Ideologie meiden.
Techeste Ahderom sagtc, daß Bahá’í im Iran trotzdem verfolgt werdcn. \X/‘éhrend der Rede waren Mitglieder eincr akademischen Delegation aus dem Iran anwcsend. Auf die Frage nach der Situation der Bahá’í hin sagte einer der Dclegierten schlicht:“Wir können die Minderheiten nicht zuviel beschijtzen.„
Im ganzcn bot die Konferenz sin Forum, um Toleranz und guten Willem auszudrfikken — ein weiteres Beispiel für ein wachscndes Model] eines konstruktiven, über die Kulturen hinausgehcnden Diskurses
zwischen den B'Lirgern dieser Welt.
Religibse F'Lihrcr aller Glaubensbckcnntnisse brachten 0ftmals zum Ausdruck, daß Religionen und Claubensrichtungen fi'iedliche Beliehungen mit anderen lehrcn und als religiösc Instanzen in ihren Gemeinden ihr Außerstes tun solltcn, um zu vermeiden, daß Religion zur Ursachc fiir Intoleranz, Diskriminierung und Vorurteile gelnacht wird.
“chrall, wo der Anspruch der Allgellleillgültigkeit von fundmncntulcn Menschenrechtcn verlcugnet, abgewicsen Oder herabgesetzt wird, müssen wir als Individuen, religiöse Gemeindcn und Nationen dagegen ankimpfcn — nicht mit \X/affen, die téten, sondern mit Worten, die heilen -\X/0rte mit geistiger Weisheit, politischem Scharfsinn und moralischer Überzeugung," sagt Gunnar Stélsett, der Lutheranischc Bischof V011 Oslo und stellvertretcnde I’réisident der Konfe I‘C‘IlZ . D
Lisbeth A4att50njo/zarmemm
ProfessorAbde/fattah Amor ist Sonderberichterstatter
der Vereinten Nationen zum Themenkomplex religiöse Intoleranz.
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Vorstellung eines„Briefes der Religionen " der Weltkonferenz der Religionenfür den Frieden (WCRP) an die „Religionen in Deutschland" am 8. Januar 1999 in Frankfurt/M. Von links nach rechts: BischofHermann JosefSpital, Vorsitzender der Kommissionfürpublizistische Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Pfarrer Franz Brend/e, Prdsident von WCRP Deutschland, und Ignatz Bubis, Prasident des Zentralrates derjuden in Deutschland.
FRANKFURT/M.
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„Nur im Dialog laflt sich entdecken, wo wir in Crundaufiassungen miteinander übereinstimmen und verbunden sind„, heißt es in dem Briefder Religionen an die Religionen in Deutschland, der unlangst der Offent/ichkeit vorgestel/t wurde. Mit diesem Offenen Brief reagieren die Religionsgemein
schaften in DeutschIand aufgemeinsame
Fragen und Aufgaben,
vor die sie eine sciku/arisierte und geistig
orientierungs/ose Gesellschaft ste/It.
5 : "Irankfurt am Main — Mit ‘§}:~Edem „Briefder Religio I. men an die Religionen in Deutschl;1nd„wollen die Religionsgemeinschaften in Deutschland ihr gegenseitiges
Verstlindnis vcrbessern. Auf
Einladung der deutschen Ab 7 „Briefder Reli ionen an die Religionen in Deu schland“
4% m: ~’_„
teilung der Wcltkonferenz der Religionen für dcn Frieden (WCRP) versammclten sich seit Ends Mfirz 1998 in Mainz mehrfach Reprisentantcn der Religionsgemcinscha{ten in Deutschland — darunter der Vorsitzende des Nationalen Gcistigen Rates der Bahá’í um eineuTisch.
In cincr im januar diescn Jahrcs verbfircntlichten gcmcinsamcn Ircsscmitteilung dcs Arbcitskreiscs heißt es: „Die rcligibse Vielfnlt, die sich in Deutschland hernusgcbildet hat, macht eine Zusammenar Foto: KNA.
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bcit, die über den zwischenkirchlichen Rahmen hinausgeht, erforderlichl„ Das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland verpflichte zu einem konstruktiven Zusammcnwirken, „niCht nur zu eincr ZiuISCrlichen Toleranz.„ Die
Fragen nach einem solchen
Zusammenwirken kbnntcn
nicht liingcr hinausgeschoben
werdcn, mnhnen die Autoren.
VertaBt und prasentiert
wurde das Papier von Vertretern aller großen Religionen in
Deutschland. „Uns eint der Bezug aufeine letzte, unbedingte
Wirklichkeit, die juden, Christen, Muslime, Bahá’í und
Menschen in anderen Religionen Gott nennen und die uns
in die Verantwortung stellt.„
Fundamentalismus als Hindernis des Dialogs
Es sei deshalb Zeit, aufeinander zuzugehen. Der Dialog der Religionen stehe in Deutschland immer noch am Anfang und sei bisher „keine Sacha der breiten Bevblkerung„. Dort gebe es teilweisc Angste vor „kuItureller chrfremdung„ und „fundamentalistischer Bedrohung der Freiheit„.
Alle Religionsgemeinschaften seicn mit diesel) Angstcn in dt‘l Bevölkerung konfrontiert, weswegen auch alle die gleichen Fragcn zu beamworten haben, vor allem diejcnige nach der Rollc der Religion in einer seikularen Welt: ..Wic können wir uns mit unsercn religiöstn Anliegen und unseren ethischen Wertmaßstében in einer Gescllschaft Gehör verschzlffen, die weitgehend diesseitig—sékularisiert orienticrt und von {Skonomjschen Gesetzen geprégt ist?„
Die Verpflichtung zu gcgenseitiger Wertschaitzung und zur Iiebevollen Zuwendung gerade zum Fremden und Anderen seijedoch in 311611 Religionen verankert, so (1218 sis auch den falschen Vorurteilen und der Geringschzitzung des
Fremden und Anderen gemeinsam entgegenwirken müßten.
DerTrierer kathoIische BischofHermannjosefSpital sagte dazu wahrend der gemeinsamen Pressekonferenz in Frankfurt am Main, angesichts eines „sich immer weiter ausbreitenden Atheismus sind wir zu dem gemeinsamen Zeugnis verpflichtet, daß es diese Ietzte Wirklichkeit gibt, die wir Gott nennen„.
Der Liibecker evangelische Bischof Karl Ludwig Kohlwage erklärte, am Ende des Dialoges solle aber „kcine Rehgionsvermischung„stehen und rdumte ein, daß es ein Spannungsverhifilmis zwischen dem christlichen Missionsauftrag und dem Dialog der Religionen gebe. In dem Brief werde aber vor allem der Respekt vor anderen Glaubcnsgemeinschaften betont.Auch der Prfisident des beteiligten Zentralrats der juden in Deutschland, Ignatz Bubis, sagte, daß es nicht die Aufgabc sci, „cinander V0111 eigcncn Glaubcn zu fibcrzeugen.„
In eincr Erklärung des Nationalcn Geistiges Rates der Bahá’í zum interrcligibscn Dialog hciBt es,d2113 die mystischc Einheit der Religionen sin zentraler Glaubenssatz der Bahá’í sei. Er sei ein Grundstcin der „wcltweiten Ausséhmung„, die wiederum Voraussetzung für einen dauerhaften Weltfrieden sei. Der Stifter der Bahá’í—Religion, Bahá’u’lláh, rufe dazu auf, mit den Glaubigen aller Religionen in „herzlicherVerbundenheit und Eintracht„ und „im Geist des WolflonIens und der Brüderlichkeit„ zu verkehren.
Aktive Teilnahme am interreligiiisen Dialog
In diesem Sinne ist die Beteiligung der Bahá’í an dem “Brief der Religionen an die Religionen in Deutschland„ nur eine Facette unter anderen im internationalen inter religiösen Dialog. So beteiligten sich Bahá’í zudem maßgeblich am Weltparlament der Religionen in Chicago imjahr 1993 und unterstijtzten die dort verabschiedete WeltethosErklärung der Religionen. Ein deutscher Bahá’í ist Berater beim International Intcgfait/z Centre in Oxford, und der Generalsekretér des britischen Nationalen Geistigcn Rates der Bahá’í wurde unliingst zum Vorsitzcnden des World Couqrcss QfFaif/Is gewiihlt.
In Deutschland referiertc auf Einladung der Universitiit Erlangen—Niimberg ein Vertretcr der Bahá’í—Gemeinde 1994 und 1997 auf dem V. und VI. N'Lirnbcrger Forum, einem im Dreijahresrhythmus vcranstaltctcn internationnlcn Religionskongrcfi.
Im Februar 1998 bcrieten in London Vcrtreter v01) acht Religionsgemeinschaften mit Repriiscntantcn der Weltbank unter Vorsitz von WeltbankIriisidcnt James Wolfensohn und dem Erzbischof der Kirche von England, Dr. George Cary, über Möglichkeiten einer cngeren Zusammenarbeit zwischen der Wcltbank und den Weltreligionen bei der chrwindung von Armut und Unterentwicklung.
Arbeitskreis als feste Einrichtung
Anlzifilich der Vorstellung des „Briefes der Religionen„ erklärten mehrere der beteiligtenVertreter von Religionsgemeinschaften, sie würden sich freuen, wenn der bestehende Arbeitskreis der Vertreter der Religionsgemeinschafien eine feste Institution würde.
Vor dem Hintergrund ihres internationalen Einsatzes Für ein besseresVerstzindnis der Religionen untereinander und ihrer gemeinsamen Aufgabcn wijrde auch di€ deutsche Bahá’í—Gemeinde eine festere Etablierung des interrcligiésen
Dialoges in Deutschland begrijBen. D
„Die religiiise Vielfalt, die sich in Deutschland herausgebildet hat, macht eine Zusammenarbeit erforderlich... Uns eint der Bezug auf eine letzte Wirklichkeit, die an: in die Verantwortung stellt.„
Aus dem Brief der Religionen an die Religionen in Deutschland
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25o Repriisentanten von mehr als 30 NGOs, entwick/ungspolitischen Einrichtungen, Parteien, Universitdten und Unternehmen aus mehr als
1o Lcindem nahmen an der
1. Internationalen C hancenKonferenz teil, die von insgesamt zehn Organisationen mitveranstaltet wurde, darunter die Universitdt StuttgartHohenheim und das Wirtschaftsministerium BadenWUrttemberg. lm Vordergrund Teilnehmer aus Athiopien, die die Chancen-Konzepte zur Armutsuberwindung in Athiopien einsetzen möchten.
WIRTSCHAFTSWUNDER
ARMUTSU
Aufeiner 1. Internatio nalen Chancen-Konfe renz am 22. Februar in Stuttgart
STUTTGART wurdedie
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Initiative „Chancen“ der Ofi‘entlichkeit vorgeste/lt - ein Programm far einen globa/en Marsha/lp/an zur Überwindung der weltweiten Armut.
cstartct wurde die Initiative „Chancen“ durch die Stuttgarter
Nichtregierungsorganisation (NCO) Terra. Ihr Ziel ist es, ein laket v01) Maßnahmen zusammenzuschnfircn, durch das eine chrwindung der weltweiten Armut realistisch wird. Die Initiative wird V011 immer mehr NGOS sowie Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft und lolitik unterstfitzt. Die Referenten der 1. Internationalen Chancen—Konferenz hoben die besondere innovative Qualitiit
DURCH , BERWINDUNG.
NGOs kooperieren
far Chancen-Programmfiir
einen globalen (Sko—sozialen Marshallplan
der Vier Konzeptc hervor, die die Chancen—Initintivc zusammenfiihrte.
Innovationen Für eine neue wirtschaftlich-soziale Entwicklung
Im Eingangsrcfbrat nannte Peter Spicgcl, der Gründer von Terra, als dic Vicr Schliisselbcreichc für jcdcn Ansatz zur Armutsüberwindung: Information, Ausbildung, IIIVC‘Stition Lmd Finanzicrung. Injedem dieser Vier Bereiche haben sich in den letzten jahren ungewblmlich innovative Konzept6 cntwickclt, aus dencn sich cin globalcr sozialer Marshallplan mit großer Aussicht aut Erfolg zimmcrn ließe:
O Ausbildung durch Entwicklungshochschulen. In Siidamerika entstand ein
ncuer Ausbildungstypus in Form von Entwicklungshochschulen.An diescn werdcn Einheimische in 311611 moderA nen Ansfitzen der Entwicklungsarbeit und Gtmcindccntwicklung ausgcbildct Die Lehrbiichcr \Vurden komplctt neu geschriebcn und uufliindliche Problemstclhmgcn zugcschnitten. Eine cbenso authcnv tische wie tatsiichlich angtpan te Entwicklung crfuhr hier durch einen crheblichen
Schub.
o lnvestition in die Armen. Die Grameen Bank in Bangladesh zeigtc. daß eine direkte Investition in die Armen durch die Vergabc von Kleinkreditcn gm die Armcn sowohl die bcstc Form von Entwicklungsnrbcit darstcllt nls auch nach cincr Anlautzcit Wirtschaftlich sclbsttmgcnd ist.
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O Finanzierung durch
Einbeziehung der Wirtschaft.1’)urch eine minimale
Entwicklungsabgabe der Wirtschaft auflmportc aus den Lindern der Dritten Welt kann
cine ncue Finanzierungsquelle
zur Férderung von derart neuen Entwicklungsansétzen wie
Kleinkrcdite und Entwicklungshochschulcn erschlossen
warden.
0 Information durch Datenbank der Zukunftsprojekte. Via Internet ist ein weltwciter Austausch über innovative Entwicklungsansätze und konkretc Irojekte méjglich. Hierfiir muß eine weltweit nutzbare Datcnbank geschaflen wcrden.
Terra lcgte Berechnungen v01‘,wonach sich durch dieVerbindung dieser Vier Konzepte das Entwicklungstempo aus der Armutsfalle leicht vervielfaChen ließe.
"GtoBe Hofinungen Für die Menschheit“ - Bkologisch und sozial
Prof. Franz—Josef Kadermachcr, Leiter des Forschungsinstituts für anwendungsoricntierte Wissensvcrarbcitung (PAW) an der Univeristiit Ulm, bezeichnete in scincm Reform diese Konzepte 2115 die „groISen Hoffnungen fijr die Menschheit“ in den niichsten jahren. Nach seinen Wortcn sei es schon jetzt nicht mehr aufzuhalten, daß sich der globale Energieverbmuch in den nichsten zchn bis zwanzig jahren mindestens verzelmfachen wird. Ncben einer grOBen 6kologischen Wende sei das Herzstfick einer zukunftsfiihigen Antwort darauf ein globaler sozialcr Marshallplan. Denn nur dadurch könne die Bevölkerungsexplosion gestoppt und ein umweltvertrzigliches Wirtschaften weltweit etabliert werden.
Im selben Sinne torderte Hermann Scheer, Grinder und Vorsitzender von EuroSolar, die konzentrierte technologi sche Fortentwicklung V011 regenerativer Energienutzung und insbesondere die Fdrderung von deren Einsatz in den heutigen Armutsregionen der Welt. Nach seinen Worten kann dort aus zwei Gründen sinnvollerweise nur regenerative Energie zum Zuge kommen: Erstens dauert der Aufbau einer Infrastruktur fijr große Kraftwerke Vie] zu lungs und ist Viel zu teucr Lmd zweitens würde an einer wcitcren Verbreitung nicht—regenerativer Energiesystemc dns Okosystem Erdc zerbrcchtn.
Muhammad Yunus, Gründer der Grameen Bank, und die Term—Vorsitzendc Nancy Wimmer stellten dar, dali Gramccn Shakti — eincr der insgesamt bercits 14 GrameenUntemehmcn — speziell den Einsatz von rcgencrativcr Enrgie in den landlichen Regioncn Bangladeshs vorantreibt und dafür geeignere spezielle Finanzierungsinstrumcnte bereitstellt,
Nach dicscm Model] ließe sich, wie such Franz Alt hervorhob, ein (Skologischer und cin sozialer Marshallplan ideal mitcinander verbinden.
„Made in Bangladesh“ „Made in Colombia“
Lange Zeit galt es 315 unausgesprochene Selbstverstandlichkeit, daß Innovationen nur aus den technisch und wissenschaftlich hochgerijsteten Industrieléndern kommen k61mten.
Zwei der hier erwiihnten innovativen Konzeptc kamen jedoch aus sogenannten Entwicklungslaindern: die Ides der Kleinstkredite V011 den) Muslim und Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus aus Bangladesh und die Idee der Entwicklungshochschule von einer Gruppe von Bahá’í-meCSsoren inVale, Kolumbien.
Einige Konferenztcilnchmer meinten. dies sei kein Zufall, sondern Ausdruck eincs neuen SelbstbcwuBtseins mch
den viclen llcitcn. die die Entwicklungsliinder durch dic unkritischc Übermhmc westliCht‘l Entwicklungskonzcptc erlittcn.
Die Rolle der lndustrieliinder
Der Beitrag der Industrieliinder sollte sich nach den Chancel]—Initi;1toren im wesentlichen aufdie Fclder Finanzicrmlg und Infbrmation über tcchnischc Liisungen beschrfinken.
Der Stuttgarter Unternehmer Huschmand Sabet erinncrte die Wirtschaft und die Industrielénder 3n ihr existentielles Interesse, das sie an der Armutstiberwindung haben miiliten: „Gerade ein so ex portabhlingigcs Land wic Deutschland lcbt V011] Aufblühen andererVolkswirtschaften. W0 kcine Nachfl‘age entstchen kann, cntstehen much keine Miirktc. Oder positiv formulicrt: Der Weg nus der Armut fiir zwéilflumdert Millionen Menschen ist der wohl grdBtc und uttraktivstc allcr Zukunftsmiirkte.“ Mit eincr minimalen Entwicklungsabgabe Von wenigcr als eincm Prozcnt aufdie Importe lich sich ein solcher Marshallplan fast zum Nulltariffinanzieren.
AuBcrdcm kéjnnten die Industriellinder eine globale Datenbank zukunftsweisender Projekte und Konzepte organisieren. Unternehmensberater Peter Fcrnau berichtete von den aktuellen Bemühungen, cine solche zu errichten. El
„ Wo keine Nachfrage entstehen kann, entstehen ouch keine Mtirkte. Der Weg aus der Armut für 1,2 Mrd. Menschen ist der wohl graflte und attraktivste aller Zu kunftsmé'rkte. “
Huschmand Sabet Unternehmer
Die Referenten einer der Podiumsdiskussionen zur
Frage„ Welche globalen Rahmenbedingungen brauchen Weltwirtschaft und Weltgesel/schaft?" begruflen sich (v.I.n.r.): Prof. Franz-JosefRadermacher, Hermann Scheer (im Hintergrund), Prof. Muhammad Yunus und Nancy Wimmer.
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Das Trainingsprogramm „On the Wings of Words“ nutzt die Mitte/ der Kunst vom Tanz bis zu Songs — um neue Ideenfdr das Zusammen/eben zu vermitteln.
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DAS FLIE
„Aufden F/Ligeln des Wortes“ will das gleichnamige EntwickIungsférderprogramm in Guyana neue Erkenntnisse zu Themen von Alphabetisierung bis ethische Erziehung in die lokale Entwicklung einbringen.
laisuncc. Guyana —Als sic zurückkchrtc in ihrc cigcnc Wirtsclufisklasse
an der wcitcrfiihrcndcn Schu LfiGELN
DES
_ Wu“.me - w ‘ , ..V .
WORTES GEN LERNEN
Bereits mehr 0/5 1.000 Alphabetisierun slehrer in Guyana durch das roekt
„On the Wings of War 5“ ausgebildet
Ic ihrcr Cclncinde hier in dicscm Vorort von Georgetown, der Hauptstndt dcs Landes, stelltc die Lthrerin Audrie Campbell vor drei Jahren sehr sclmell fest, daß ihre Schiilcr cklatante Problems beim Lesen haben.
Audrie Campbell, heute 45 jnhrc alt hatte seit 14 jnhrcn nicht mehr unterrichtet Sic fiihrte einen kleinen Lebensmittelhandel und ein Hcrren beklcidungsgcschiifi. Die Wirtschattlichc Situation in dcn 8061‘ Jahrcn war hart Llnd cin eigenes Geschift zu fiihrcn, schien einc gutc M(Sglichkeit um mit den Einkiinficn auszukommen.
Abtr uls sie 1995 in dus
Klasscnzimmcr zurückkchrtc,
stclltc Audric Campbell sofmt
fest, dali sich viclc ihrer Schüler Vic] mehr bcmiihcn Lmd :111strengcn mußtcn, 111$ ihrc Schii
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lcr in den 70crjahren. „Sie 16sten nicht die Aufgaben, die ich
ihnen gab, und iCh wollte wissen, was das Problem war„, sagte sie. „Und ich stellte fest, daß
sie nicht lesen könnten.„
Da sie nicht die Art Mensch ist, die ein Problem mit einem Achselzucken ubtut und es der Verantwortung eines anderen LiberlziBt, sich darum zu kiim beschloß Audrie Campbell, ihren eigenen Lesc mern,
unterricht einzurichtcn, um Abhilfe zu schaffen. Sic wandte sich ratsuchend an eine anszissige Kirchengemeinde, die gerade als Antwort auf eine neue Alphabetisierungskampagne ein Lehrerausbildungsprogramm zur Alphabetisierung begonnen hatte. Dam] Iud sie ihre Schüler im Alter von 11 bis 16 jahren ein, in ihren Mittagspausen vorbeizukommen, um zusiitzlichen Leseunterricht zu erhalten
Am Anfang waren die Ergebnisse nicht besonders gut. Die Ausbildung, die Audrie Campbell erhalten hatte, konZentricrte sich auf die mechanischen Aspekte des Lesens mit Schwerpunkt auf der Lautbildung. „Aber ich dachte, die Schüler seien schon zu groß für Lautbildung.„
A15 sie dann ein Flugblatt über ein anderes [rogramm s:1h,das eine kostenlose Ausbildung anbot, um Lesen und Schreiben zu unterrichten, schrieb sie sich sofort ein.
Beschwingteres Lernen durch das Programm „On the Wings of Words“
Die Lehrmethoden, die sic von „On the Wings ofWords“ lernte, water) V6Hig anders. Die Methods hatte einen dynamischen, die Teilnehmer miteinbeziehenden Ansatz. 516 beinhaltete die Verwendung von Sketchen, Liedern und anderen kreativcn Lernhilfen. Die Methoden betonten auch die Wichtigkeit, moralische Werte zusammen mit Schreiben und Lesen zu unterrichten, 211s ein
Mittel, die Schiilcr zu motivicren und zu besthrken.
Diese Methoden, so sagte Audrie Campbell, waren sofort erfolgreich. Sic verlegte ihre [(121556 in ihre Garage und unterrichtcte tiiglich nach der Schule Sic begann mit zwéilf Schülern, hatte aber 56hr bald zwei Klassen, so groß war die Nachfrage. Sie stellte ihren Schülern kostenlos ihre Dienste zurVerfiigung und sah ihre Belohnung im Fortschritt der Schijler.
„Ich war glijcklich, wcil die Kinder meine Schule nicht nur erfolgreich abschlossen, sondern einige sogar auf höhere Bildungseinrichtungen ginger)“, sagte Audrie Campbell, die seitdem mit den) Entwicklungsprojekt „On theWings of Words“ arbeitet. „Und dies ist sehr wichtig. Denn V011 den meisten Schülern an den Schulen in unseren Gemeinden erwartet man nicht, daß sie weitermachen, da man diesen Schulen ein besonders niedriges Niveau nachsagt.“
89 Frozent Analphabeten statt nur z Frozent, wie In den Statistiken angeführt
Audrie Campbells Erfahrung spiegelt die in lctzter Zeit von Vielen Lehrern in Guyana gemachte Erfahrung wider. Bis in die Mitte der 9061' jahre waren die Menschen disses kleinen, tropischen Karibiklandes durch die anerkanntc Statistik getröstet, daß ihr Land eines der Lander in der Region sei, in dem die meisten Menschen lesen und schreiben könnten. Die „offizielle“ Alphabetisierungsrate lége bei mehr 2115 98 Prozent. In derTat erkennen immer noch viele internationals Nachschlagewerke die Zahl an. Zum Beispiel zitiert der sehr renommierte United Nations Development Report - der Entwicklungsbericht derVereinten Nationen — eine Alphabetisierungsrate Von 98,1 Prozent
1994 abcr ließ das Erziehungsministerium eine Erhebung durchführen, da es sehr darüber besorgt war, daß die jugendlichen nicht die erwarteten Leistungen erbrachten. Diese Erhebung wurde von Zellynne jennings durchgefijhrt, zujener Zeit Dozent für Erziehungswissenschafien an der Universitiit von Guyana. Er fand hcraus, daß von den Schulabgängern mehr 2115 89 Prozent„praktisch Almlphabeten“ sind.
„Wenn man sich bci der Bewertung der Schreib— und Lescfzihigkeit nur nach den Standardtests richtct, 0b die Leute ihren Namen schreiben können, dann ist der Prozentsatz weit höher“, sagt Professor Jennings, der jctzt als Alphabetisierungsberater in der ganzen Karibik arbeitet. „Aber
als wir die Menschen fragten, 0b sie wirklich verstanden, was sie lasen Oder wir sie baten, einfache Rechenaufgaben zu 16sen, da sah das schon ganz anders aus.“
„Dos Programm On the Wings of Words in eindeutig die am hasten organisierte Antwort, die wir im land auf das Alphabetisierungsproblem
bekommen
haben.“
Dale Bisnauth Kultusminister Guyanas
Audrie Campe/l Überreicht einer SchU/erin das Abschlufldokument.
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„Die Technik des lesens allein wird das Leben der Kinder nicht verändern. Man braucht auch eine ethische und geistige Erziehung. “
Pamela O'Toole Mitglied des Alphabetisierungsteams der Bahá’í-Gemeinde
Wachstum der Teilnehmer zahlen an den 5-taigigen Kursen von„0n the Wings of Words “ zur Ausbildung von Bargem zu A/phabetisierungslehrem. Bisher sind es insgesamt mehr als 1.000.
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Jennings glaubt, (138 die Alphabetisierungsrate durch die schwierigen wirtschaftlichen Zeiten in den 8()er jahren so stark fiel.Viele Schulen hatten keine guten Lehrer, und die wirtschaftliche Not zwang Viele junge Leute, die Schule zu verlassen und nach Arbeit zu suchen.
„A15 die Ergebnissc dieser Studie 1996 veroffentlicht wurden, hattc das einige schr ernste nationale Untersuchungen und Analysen zur Folge. Es wurde zum Beispiel eine von der Regierung unterstiitzte Projektgruppe zur Alphabetisierung gegründet, und zahlreiche NGOs riefen Projekte ins Leben, um die Alphabetisierung zu Fordern.“
Nach allem, was bekannt ist, gehort das Alphabetisierungsprogramm „On the Wings ofWords“ zu den erfolgreichsten.
Erschließung von Neuland
„D35 von der Bahá’í—Gemeinde ins Leben gerufene Programm On the Wings of Words — ist nicht eines der Besten — es ist eindeutig die am besten organisierte Antwort, die wir im Land auf das Alphabetisierungsproblem bekommen haben“, sagte Dale Bisnauth, der Kultusminister von Guyana. „Im wahrsten Sinne erschliefit On theWings of Words hier Neuland. Wir haben nie zuvor so etwas ge habt.“
Ahnliches Lob hat das Projekt, das jetzt mehr als 1.000 Alphabetisierungsleher ausgebildet und zu Unterrichtsklassen für mehr als 3,000junge Menschen gefijhrt hat, aus fast allen Richtungen bekommen. Die nationalen Medien haben gute Berichte und Leitartikel über das Projekt veroffentlicht, die Unterrichtsverwaltung hat es eine beispielhafte Arbeit gemnnt, und die Lehrer und Schüler, die teilgenommcn haben, berichten von
zahlreichen Auszcichnungen und viel Anerkennung.
Das Projekt wirbt ehrenamtliche Freiwillige, die Alphabetisierungslehrer werden wollen, durch die Massenmedien und andere Mittel an. Die Freiwilligen bekommen eine einwochige. kostenlose Einweisung im Sommer und verwaltungstechnjsche Unterstiitzung über ein ganzes jahr hindurch. Das 5011 ihnen bei ihrer Arbeit helfen, in ihren Heimatgemeinden kleine Alphabetisierungsklassen zu oganisieren.
Ein Vogel mit zwei Flügeln - praktischer Nutzen und ethische Orientierung
Ebenso wie andere Alphabetisierungs— und Erziehungsprojekte der Bahá’í in vielen Teilen der Erde ist „On the Wings of Words“ ein Vielschichtiges Projekt, das Arbeiten und Bemühungen aufverschiedenen Themengebieten in sich vereint, um so ein größeres Zusammenwirken fijr einen besseren Erfolg zu erzielen. Insbesondere vereint „On the Wings of Words“ die Ausbildung freiwilliger Alphabetisierungslehrer mit der Forderung geistiger und ethischer Werte.
Bearbeitung von Grundfragen
„In Einfiihrungsveranstaltungen 5Wochen vor derAusbildung machen wir deutlich, daß das Programm eine geistig6 Grundlage hat“, sagt Pamela O’Toole, ein Mitglied der Bahá’í—Alphabetisierungsgruppe, die das Proj ekt betreut. „Wir sprechen über einenVogel mit zwei Flügeln. Der eine ist dieTechnik des Lesens. Aber das allein wird das Leben der Kinder nicht veréndern, weil site so viele andere Probleme in ihrem Leben haben. Deshalb erkliiren wir, daß man auf den anderen Flfigel schauen muß, von dem wir glauben, daß er die ethische und geistige Erziehung ist.“
Laut Pamela O’Toole und anderen aus der Projektgruppe betonen sowohl die Kurse fiir die Lehrer wie auch der Unterricht, den sie schließlich fiir Kinder und jugendliche halten, drei ethische Grundthemen, die abgeleitet werden aus den Bahá’í-Schriften. Diese Themen sind: „Der Mensch ist ein edles Geschopf“, „Unser Tun hat Auswirkungen aufzmdere“ und „Wir haben die Kontrolle über unser eigenes Tun“
„Die Themen durchdringen alles in Thc Wings of Words“, sagt Pamela O’Toole, Cine gebiirtige Schottin, die mit ihrem englischen Ehemann Brian 1978 nach Guyana ausgewandert ist. „Wir benutzen Paulo Freires Technik der interaktiven Bearbeitung von Grundfragen des Lebens. Man diskutiert Dinge mit Hilfe dieser dreiThemen. Und dies bestirkt diejugendlichen sehr. In der Schule werden solche Grundfragen fast nie gestellt, geschweige denn gemeinsam erarbeitet. Also beginnt eine Stunde mit derartigen Grundfragen wie Wie wissen wir, was richtig ist und was falsch?’,Wie bekommen wir die Kraft, uns
fiir das richtige Tun zu entscheideHP’.“
Schüler haben vor allem Selbstvertrauen getankt
Außenstehende bestatigen, daß sich die Einbeziehung ethischer Grundfragen bewiihrt hat. „Es ist ein gutes Projekt, weil es eine große Anzahl von Kindern angezogen hat, die nicht gut in der Schule waren und auch einige, die sogar die Schule abgebrochen haben“, sagt Samuel Small, Leiter des Instituts Für Distance and Contining Education an der Universitiit von Guyana, das allen Lehrern, die den Kurs erfolgreich abgeschlossen und ein jahr lang unterrichtet haben, ein besonderes Zeugnis für die Alphabetisierung anbietet.
„Und ich kann sagen, daß bei den Abschlquriifungen, die Wir abgehalten haben, die Kinder Geschichten, Gedichte und Sketche erarbeitet haben, die zeigten, daß sie sehr Viel Sclbstvertrauen entwickelt haben, abgesehen V01) ihrer verbesserten literarischen Bildung.“
Die gleiche Aufinerksamkeit, die der Entwicklung der Lcsetechnik geschenkt wird, gilt auch den Büchern und Arbeitsheften, die von der Bahá’í—Alphabetisierungs—Projektgruppe entwickelt wurden, Das Material von „On the Wings OWOrds“ ist daraufangelegt, Lehrer durch einen Kurs mit Schülern zu leiten, auch wenn sie vorhcr sehr wenig Unterrichtsausbildung batten. Auch wcnn die meisten Kursleiter Lchrer sind, kommen Freiwillige aus einer großen Bandbreite V01] Berufssparten wie Bankangestellte, Krankenpfleger und sogar Tierarzte.
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Biirger werden
Alphabetisierungslehrer
Eileen Grant zum Beispiel ist eine ()0 Jahre alte Biirosekretiirin, die 1996 einen Alphabetisierungskurs bei „On the Wings Of Words“ mitgemacht und seitdem etwa 80 Kinder in ihrer Nachbarschaft unterrichtet hat. „Ich hatte das große Glück, schon sehr frijh lesen zu können, und ich fand es beangstigend, daß so Viele junge Menschen in Guyana nicht lesen könnten“, sagte sie. „Daher wollte ich helfen.“
Eileen Grant ist ebenso wie Audrie Campbell keine Bahá’í. Aber sie sieht die Einbeziehung von spirituell ausgerichteten Themen völlig im Einklang mit ihrem Glauben als Christin. „Ich stimme vol] und ganz mit ihnen überein,“ sagte sic. „Man muß andere Dinge im Lebcn kennen, so daß das Lesen einem niitzt. Und wenn man die Fiihigkeit verbessert,
richtig von falsch zu unterscheiden, dann hat man eine ziemlich gute Chance, den richtigen Weg zu finden.“
Die meiste Anerkennung gilt natürlich denjungen Menschen, die am Unterricht vor Ort teilnehmenJonelle Sealey ist ein 10 Jahre altes Mzidchen, cine von Audrie Campbells Schülern in Plaisance. V01: der Teilnahme am Unterricht konnte sie nicht sehr gut lesen und hatte auch keinen SpaB daran. Sie sagte, der „On the Wings 0fW0rds“—Unterricht, den Audria Campbell abhielt, sei sehr viel hilfreicher als der traditionelle Schulunterricht, weil die Lehrerin „dich Schritt fiir Schritt begleitet, und wenn du 65 nicht gelernt hast, geht sie mit dir zurijck und bringt dir andere Wérter bei.“
Das Ergebnis ist, daß sie das Lesenjetzt liebt. „Ich habe die ganze Zeit nur gespielt Oder Musik gehbrt“, sagte Jonelle. „Aber wenn ichjetzt Zeit habe, lese ich.“ D
Unter den Teilnehmem der
Trainingskursefl'jr
Alphabetisierungs/ehrer
war auch eine Gruppe von
Voluntdren des USFriedenscorps. In den vergangenen dreijahren gehbrte der Kurs„On the
Wings of Words“jeweils
zum Standardausbildungsprogramm der Friedenscorps—Absolventen in
Guyana.
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lm Stuttgarter Neuen Schlofl taten sich zum Tag derMenschenrechte am 10. Dezember rund 10 6rtliche Nichtregierungsorganisationen zu einer gemeinsamen Veranstaltung zusammen. Eines der zentralen Themen war die aktuelle Verfolgungswelle gegen die Bahá’í im Iran. lm Bild eine Formation des Theodorakis-Chores.
DEUTSCHE OFFENTLICHKEIT
PROTESTIERT GEGEN DIE USCHLIESSUNR DER BAHA’ | UNIVERSITAT IM
In der vorletzten Ausgabe von One Country berichteten
FRAN KFU RT wirvon der
„...der Generalsekrettir derzeit eine Reihe geeigneter Schritte unternimmt, um das Recht auf Zugang zur Hochschulbildung sicherzu stellen. “
Aus einem Brief der UNESCO-Zentrale in Paris
“5 ONE COUNTRY
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Schliefiung der ofienen BahciiHochschule im Iran. Dieser eklatante Verstoji gegen die Menschenrechte lbste eine breite Welle des Protestes aus. Unter anderem unterschrieben zahlreiche Persönlichkeiten des bfi’entlichen Lebens einen Offenen Briefgegen die Verfolgungen der Bahá’í im Iran.
RANKFURT — Dem F Aufruf, sich an dem
Offcnen Brief zu beteiligen, folgtcn bereits (iber 1.000 Persönlichkeiten des éfientli Chen Lebens: Mitglieder des Deutschen Bundestages, füh AN Bereits Über
1.000 Unterschri en far den Ofi’enen Brief
rende Politiker aller Fraktionen, Rektoren, Présidenten, Dekane und Irofessoren zahlreichcr deutscher Universitéten, Theologen, fijhrende Reprisentanten von anderen Religionsgemeinschaften, Leiter von renommierten Nichtregierungsorganisationen, Oberbürgermeister, Kulturdezernenten, Schriftsteller, Kiinstler, Publizisten und Spitzenmanager großer Unternehmen. Der Offene Briefmit den Namen einiger Erstunterzeichner wurde am 30.Januar 199‘) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veréflentlicht (siehe rechte Seite).
Folgende Aufierungen waren den Begleitschreiben zu entnehmen: „Ich bin erschüttert über die Behandlung der Bahá’í im Iran, und selbstverstandlich habe ich den Offenen Brief sofort unterschrieben...„; „Wir mdchten unsere Stimme gegen die unmensch licheVerfolgLIng der friedlichen Gemeinde der Bahá’í erheben„; „Ich unterstfitze nachdrücklich den mir übersandten Offenen Brief und hoffe, daß ihn die Weltöffentlichkeit zur
.ich bin beeindruckt über die Leistungen
Kenntnis nimmt! ..
Ihrer Universitfit im Iran.„ Über den „Offenen Brief„ hinaus richteten sich einige Universitfitsprofessoren und Persönlichkeiten des (Sflentlichen Lebens mit Schreiben bzw. Petitionen an die Iranische Regierung und die UNESCO. Letztere antwortcte, daß „der Generalsekreta’r derzeit eine Reihe geeigneter Schritte unternimmt, um das Recht auf Zugang zur Hochschulbildung die UNESCO nimmt ihreVerantwortung
sicherzustellen
in dieser Angelegenheit sehr Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland steht ferner mit der I-Iochschulrektorenkonferenz
ernst...„
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ERSTUNTERZEICHNER
Dr. Franz Alt, Fernseh-Journalist 0 Prof Dr. Ulrich Altrup 0 Prof Dr. Dr. Peter Antes, Reli ionswissenschafter ‘ Dr. Hans Arno d, UNO-Botschafter a. D.
0 Bernhard Bartmann, Biiro Für Bil7
dungsfreiheit ¢ Marieluise Beck, MdB. Beaufiraete der Bundesre- e en ie IS rim III ieru Hg gierung Für Auslénderfragen ‘
Wolfgang Beck,Ver|eger C.H.Beck
O l“ 0 Norbert Beer,5uperintendent der Baha I'm Iran i.R. 0 Dr. Heiner Bielefeldt 0 Prof. Dr. Marcus Bierich, Aufsichts ratsvors. Robert Bosch GmbH 0 Norbert Bliim, Bundesminister
a_ D., MdB . Elmar Brok, MdEp Wir, die UII'IIEI‘ZEICIIIIEI‘, protestieren mit Nachdruck gegen diejiingste Welle systematio Wolf-Michael Catenhusen, scher Verfolgung der Baha I Im Iran Wir appellieren an die Verantwortlichen Im Iran, die bestehenMdBI StalatSSEkr- im Ministe- den, zum Teil erst vor kurzem verhangten Todesurteile gegen Baha I aufzuheben und die Übergriffe L'LI‘Dm f Bld“.ng 9' ForSChung auf Bildungseinrichtungen der Baha I- -Gemeinde einzustellen.
rof. Dr. FrIedrIch Dencker, . . .. .. I I . . . Dekan d. Rechtswissfakultét WIr smd emport uber den Ausschluß der Baha I vom Recht auf Bildung und verurteilen dIe Zerd. Uni Monster o Prof. Dr. Eu- schlagung der Bahá’í-Hochschule. Dies ist eine Verletzung der Allgemeinen Erklärung der Menschengngeli)r:q€LY¥eDVTV3€nrll/I\lgifig§f3 rechte (Art: 26) sowie des Internationalen Pakts über wirtschaftliche,soziale und kulturelle Rechte auftragter der éSZE, Wien . (Art..13).WIr rufen dIe Bundgsreglerung auf, alleszu turI, urII tiIeIVollstreckung derTodesurtelle zu Bernd Elsner, président deg verhIndern, das Los der Baha’l zu verbessern und Ihre DIskrImInIerung dauerhaft zu beenden. Bundes Freireligiöser Ge- Nach Erkenntnissen und Berichten der UN-Menschenrechtskommission und von Menschenmemden DEUtSChandS ’ rechtsorganisationen wie amnesty international und der Gesellschaft Für bedrohte V6|ker werden £23.83: Laaunty FlEe‘fi‘sTcfleoot. rund 300.000 Mitglieder der Bahá’í-Religion im Iran, dort die griSBte religiöse Minderheit, von der Stiftung WeItbevélkerfing iranischen Regierung und der islamischen Geistlichkeit allein aufgrund ihres Glaubens systema. Eckehard Fricke, EIRENE o tisch diskriminiert und verfolgt.Seit 1978/79 wurden über 200 Bahá’í hingerichtet.Tausende wurPFOf. Di- MOHika GEN“?- den willkiirlich verhaftet,gefoltert, ihre Wohnungen gepliindert, ihre heiligen Stätten und Friedggiiiéiii/sdge.ngrréijsfl<trréct2r h6fe geschöndet. Die gewiahlten Institutionen der Bahá’í-Gemeinde wurden offiziell verboten. In UNICEF beutschland . letzter Zeit gab es Hoffnungen, dais die Lage der Bahá’í sich gebessert habe. Denn seit 1992 kam es Fred Gebhardt, MdB . Prof. zumindest nicht mehr zu Hinrichtungen. Doch jetzt spitzen sich die Ereignisse dramatisch in. Dr- Dr; Pater GeritZ: Reigi lm Juli1998 wurde Ruhollah Rohani im Gefingnis von Maschhad hingerichtet, nur weil er Wmksasgiégahffilei/IQB . Bahá’í war. Im September wurde die Todesstrafe Für zwei weitere Bahá’í-Héiftlinge bestätigt. Die Lissy Gréner MdE’p . prof. Urteilsverkiindung erfolgte nur miindlich; es liegen keine schriftlichen Urteile oder sonstige ProzeßDr. K.E. Grézinger, Religi- unterlagen vor.Weitere Todesurteile bestehen schon seit längerem gegen vier Bahá’í im Teheraner OHSWiSSEHSChafi'er ‘ Geféngnis. Es ist zu befürchten, daß diese Todesurteile von Teheran und Maschhad vollstreckt wer Gerd GrUnewaldt, Stadtrat, . . . . . . .,._ Darmstadt . Prof. Dr, mp den. Man hat den Verurteilten dIe FreIheIt angeboten, unter der Bedingung, dais 5Ie dem Baha I
gen Habermas . Otto V. Glauben abschwären. Habsburg, MdER . WoIf-D. Anfang Oktober 1998 nahmen Beamte der iranischen Republik In 14 Stadten 36 Dozenten Hasendfler: Grundungs einer privaten Baha I- -Ho¢hschule fest. Einrichtu°ngsgegenst§nde und Lehrmittel wie Computer,
mitglied d.Grünen 0 Walter . Hierche, MdB . Prof. Dr. Vit- Laborgerate, Literatureth die sich landesweit In über 500 Privatwohnungen befanden, wurden beI
torio Hésle . prof Dr. H0h7 dieser Aktion beschlagnahmt. eisel, Religionswiss. ~ Dr. Diese private Hochschule wurde 1987 von den Bahá’í intern gegründet, nachdem der iranische Remhart Humme. EVang Staat ab 1980 den Bahá’ijeglichen Zugang zu hijherer Bildung verwehrte. Die Bahá’í-Jugendlichen
Theologe 0 Barbara John, ~ - - . . . .. _ Auslanderbeauflragte des durften dIe Schule nicht abschIIeBen und wurden nIcht mehr an den UniverSItaten des Landes auf
Berliner Senats . Dr.Thomas genommen, nur weil sie Bahá’í waren. Daher griindeten die Bahá’í Für ihre Jugendlichen eine eigene Jung, MdL Bayern o prI Wolf— Hochschule,die Studiengéinge in Chemie, Biologie,Zahnmedizin, Pharmazie, Bauingenieurwesen, gang Kessler, Journal St ’ lnformatik, Psychologie, Rechts- und Literaturwissenschaft anbot. Selbst diese private Einrichtung
Freya K|ier,Regisseurin u.BUr7 gerrechtlerin 0 Prof. Dr, Jo- wurde nun zerschlagen.
hannes Löhnemann . prof DL Diejiingste Verfolgungswelle ist Teil eines Iangfristigen Planes der iranischen Regierung, wie Fritz Leonhardt . _Dr.I§oIf Link7 er bereits im Februar 1991 in einem Geheimdokument des Obersten Revolutionfiren Kulturrats 0hr: MdEP ‘ Mam“ LUttgev festgelegt wurde. Dieses von Ayatollah Khamenei unterzeichnete und von der UN-Menschen 3%"?Baggijeggoirgtlg:dgagfirg rechtskommission im Jahr 1993 als authentisch verifizierte und veröffentlichte Dekret weist alle
Zubm Mehta, Dirigent, Baye,_ iranischen Behiirden an„,den Fortschritt und die Entwicklung der Bahá’í :u blockieren“, ihre Staatsoper 0 Dr. Heinz MUrmeI, „kulturellen Wurzeln im Ausland zu zerstören“, sie“aus den Universitfiten zu entfernen„ und ih REIigiOY‘SWiSS- ‘ Dr- Chris„ V‘U' nen "einfluBreiche Positionen, z.B. im Bildungsbereich, zu verweigern„.
|ack,Theo|ogin 0 Winfried Nacht- - . . . . .. _ we], MdB . Ruth Pauli ,MdL, Im Iran Ist der Islam StaatsrelIgIon. Art.13 der IranIschen Landesverfassung zahlt als sogenann
Fraktionsvorsitzende firmer, te„schutzwürdige religiifise Minderheiten“ nur die Christen,Juden und Zoroastrier auf. Damit sind BayerI Landtag . Prof. M Peter die Bahá’í von einer ganzen Reihe von Biirgerrechten ausgenommen und werden zum Opfer Pawelka RUPreChT POIEHZI MdB ’ von Willkiir und Verfolgung. Die Bahá’í sind eine friedfertige Gemeinschaft. Sie sind auf Grund Prof. DrI Dr. Franz7Joseph Raderma— .. . . . Cher, FAW Ulm . Prof, Dr. Fanny-M, lage Ihres Glaubens loyale Staatsburger und enthalten SICI‘I Jeglicher Gewaltanwendung.
Reisin Présidentin mtemat Liga f Die Verfolung der Bahá’í mus beendet werden. Den Bahá’í sind die bürgerlichen Rechte Menschenrechte o Steffen Rink, Re- einschließlich des Rechtes auf freie Religionsausijbung zu gewähren. Ein Staat muß sich daran I'E'OV‘SW'SS- ’ C'3Uda ROW MdB ‘ messen lassen, wie er mit seinen Minderheiten verféihrt. Es geht um Taten, nicht um Worte. Prof. Dr. Winfried Scharlau 0 Dr Susan ne Schaup, Publizistin 0 Dr. Konrad Schi ly Président Uni Witten/Herdecke 0 Dr Gijnther Schiwy,Theo|o e u. Publizist 0 Stephan Schlensog, Stiftung Weltethos, Tubingen 0 Prof. Dr J Schmid Institut fur Politikwissenschaft Tubingen 0 Christian Sc midt MdB 0 Re ina Schmidt- Zadel MdB ‘ Prof DrI Dr Wilfried Schliiter ‘ Dr Christian Schwarz7 Schilling Bundesminister a. D. MdB ‘ Dr. Georg Schwikart Pu Iizist 0 Rolf Seelmann- Eggebert Fernseh7 Journalist ' Prof. DrI Camilo Seifert, Religionswiss ‘ Hans7 Georg Specht, Oberbürgermeister der Stadt MUIheim an der Ruhr ‘ Prof. Dr. Hans- Ullrich von 5 piegel 9 DrI Joachim Steinbart, Dt GesI f. d Vereinten Nationen Landesverband BW ¢ Christine Steinert Bezirksamtsleiterin, Hamburg ' Prof Dr. p.Dr Christian Streffer 0 Prof. Dr. Fritz Sturm ' Prof. Dr. Monika Tbbbe7 Schukalla 0 Dr Hans- Hermann Tiemann Pastor 0 Gerhard Constantin Treutlein Président Peutinger- Collegium, Munchen O Marion Tiins, Oberburgermeisterin der Stadt Manster ‘ Dr Alfred Weil Vorsitzender Deutsche Buddhistische Union 0 Prof Dr. Carl- Friedrich von Weizsacker Stamberg ‘ Prof Dr. Ernst Ulrich von Weizsacker MdB ‘ Prof. Dr Stefan Wild Orientalisches Semi7 nar Uni Bonn 0 Wolfgang Winckler, Stadtrat, Hofheim 0 Veronika Winterstein Vizeprasidentin Hessischer Landtag ' Prof Dr Michael Wolffsohn 0 Prof. Dr,-|ngI E.h. Rudolf Quack 0 Prof DrI Wolfgang von Zwehl und zahlreiche weitere Professoren deutscher Hochschulen und viele andere.
NatI GeistI Rat d.Bahá’í in Deutschland, Eppsteiner StrI 89, 65719 Hofheim, Fax 9929799, eMail: nsagermany®bahai.de. Homepage:wwwaahai.de
Angesichts des Krieges in Jugoslawien und des unvorstellbaren Elends im Kosovo und der benachbarten Gebieten féllt es schwer, die Aufmerksamkeit auf die Verletzungvon Menschenrechten in anderen Léndern der Welt zu Ienken. Doch auch im Iran wirddie Lebensfähigkeit einer großen Religionsgemeinschaft noch immer in Frage gestellt: rund 300.000 Angehérige der Bahá’í—Religion leben in einem Zustand,den die UN-Menschenrechtskom und in Dokumenten gegeiBelt hat.
Die Bahá’í im Iran sind Menschen ohne BUrgerrechte, weil ihr Glaube nicht zu den in Artikel 13 der Revolutions „lch appelliere an alle an der 1 Verfolgung der Bahá’í beteiligten Stellen, den Angehbrigen dieser Religionsgemeinschaft die bürgerlichen Rechte zu ge U. wahren.“ Aus einem Brief von Marion Tijns
Oberbflrgermeisterin der Stadt MUnster
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mission mehrfach tiffentlich
verfassung aufgezéhlten „schutzwijrdigen religiösen Minderheiten„ gerechnet wird. Ihnen ist daher die Wahrnehmungdes Erbrechts, des Familienrechts, des Rechtes auf Eheschließung, des Rechtes auf zivilen Schadensersatz, des Rechtes auf einen fairen ProzefS,des Rechtes auf Rente, des Rechtes auf Bildung,des Rechtesaquufnahme in den ("iffentlichen Dienst und vieles andere verwehrt. So sehr Praisident Khatami’s Versuch einer vorsichtigen Offnung zu begrUBen ist, so sehr mul S als Priifstein die zentrale Frage gelten,wie der Iran mit den Bahá’í umgeht. Aufdas Ganze betrachtet, geht es den Bahá’í unter Khatami sogar schlechter als
in Verbindung, dic noch MABnalnnen zur Unterstiitzung der Bahá’í—I-Iochschulc inl Iran iibcrlcgt.
In der Deutschen Universitiitszeitschrift (DUZ) erschien 1111 Februar cin uusfiihrlicher Bcricht V011 Fond Kuzemzadeh iibcr die Zcrschlagung der lehzii—Hochschulc im Iran. In den Medien war die Resonanz insgesalnt sehr crfreuIich.
Aktionen in zahlreichen Städten Deutschlands
Einigc Bcispiele der zahl1‘cichen Aktivitziten, die Iokalc Bahá’í—Gcnlcinden in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Cescllschaft für bedrohtc V(filkcr, amnesty inter national und der Lokalen Agenda 21 durchfijhrtcn:
Die K&Slner Hochschulgruppc crregte durch eine Performance—Aktion Vie] Auf1nerksamkeit: Ein Student saB 2m einen Stuhl Festgebundcn auf einer Biihne — ohne Zugang zu dem vor ihm stchenden Biichcrregal; um den H2115 trug er ein Schild 111it derAufschrift „Ich dzlrfflnicht studie1‘cn, fi‘agt mich warum?„; da NEUE VERHAFTUNGEN IM IRAN Verfolgungen reijSen nicht ab
je zuvor. Ihm abgeneigte Kréf te wollen mit einer VerschérfungderBahá'i-Verfolgung offenbar die von ihnen gewollte Unfähigkeit Khatami’s demonstrieren, im eigenen Land dem „Recht" und dem „Dia|og der Religionen" Geltung zu verschaffen.
Erstmal seit sechs Jahren kam esimJu|i1998 wiederzur Hinrichtung eines Bahá’í. In sechs anderen Féillen stehen noch immer Todesurteile im Raum,diejederzeit vollstreckt werden könnten.
Immerwiederschwéirmen die Héischer im ganzen Land aus, um die Bahá’í willkUrlich zu inhaftieren und sie nach einigen Tagen oder Wochen wiederfreizulassen.Meistens soIlen sie dann in der Haft ihrem GIauben abschwbren und in den „hei|igen Schoß des |s|am„zurUckkehren.
neben befand sich der Infor nmtionsstand.
Die Duisburgcr Oberbfirgcrmeisttrin setztc cin eigcsnes S01idaritlitsschrciben auf, das sie der Bahá’í—Gemeindc zur Verwcndung für ihrc Offenp lichkeitsarbeit zur Verfiigung stelltc.I')211‘in heißt 05 11.21.: „Ich appcllierc an allc an deerrrblgung der Bahá’í bctciligtcn stantlichen und nichtstaatlichen Stcllen, den Angehörigen dicscr Religionsgmneinschaft die bürgerlichen Rechtc einschließlich des Rechtes auf freic Ausiibung der Religion zu gewlihren undjegliche Diskriminierung zu unterlasscn.„
Die Bahá’í—Hochschul gruppe Frankfurt organisierte ‘
unter der Schirmhcrrschaft des Allgemeinen Studentcnausschusses Cine Unterschriftcnaktion, die Cine hervorragcndc Resonanz bci Dozenten und Professoren crfuhr; die Listen wurden S€itens dc's AStA
wcitergeleitet. Die Bahá’í—Gemeinde
Miinstcr arbeitete bei ihrcr Hochschulaktion eng mit der Gcscllschafi für bcdrohte V61kcr zusammen. Diese VcrfaBtc das Anschreiben, dem di€
17 Bahá’í bleiben seit Monaten und Jahren in Haft, wohl um die gesamte Gemeinde nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Unter ihnen sind vierLehrereinerprivaten Bahá’í-Hochschule, die im Herbst 1998 inhaftiert worden wareh; die Hochschule wurde von den Behbrden geschlossen und zerstört. Die Lehrer wurden im März 1999 zu langen Haftstrafen verurteilt. Ihr einziges „Verbrechen"war es, in privaten Réumen Bahá’í—Studenten unterrichtet zu haben — nachdem die iranischen Behérden diesenjungen Menschendielmmatrikulation in den Universit'éten des Landes untersagten, nurweil sie Bahá’í sind.
In allen dokumentierten Féllen bezieht sich die Anklage auf Zugehérigkeit und/ oder Aktivitéa't fUr die Bahá’í.
schriftliche Empfchlung tines
fiir Miinster zustiindigen Mitglicds des Bundcstngs sowic der
Offend Brief„Gcgen die Diskrinnnicrung der Bahá’í im
Iran" bcigelcgt \vurdcn. Auf
diesc \X/cise wurden 11.21. 650
Irofcssorcn der Universitiit sowic 350 Irofessoren der Fuchhochschulc crrcicht. Der
Riicklauf dicscr Aktion in
Miinstcr war crstuunIich 110d].
Ahnliche Aktionen fandcn
- 11ch] in Hznnburg, Kiel, Mimchen, Stuttgart und Uhn stzltt.
In Hamburg wolltc eine Bahá’í die Mitglicder ihrcr Schülervertreulng zuniichst nur informieren. Daraus entstand cine U11terschritlex1aktion, dic vom gesmntcn Schfilcrrat und der Schulleitnng befiirwortct wurde. E111 Cigtllt‘l InfO—Abcnd wurde für Schüler, Lehrer und Eltern angesetzt, unl sie über das Vorhnben und die Baha’iReligion aufzukliiren. Vicle Fragcn wurdcn gcsteIIt. Nun hat die Schülervcrtretung diescs Gymnasiums mit dem Gcsanlt—Schülerrat Hamburgs Kontakt aufgenonnncn, um die Unterschriftcnaktion nlbgliChcrwcise aufallc Schulen der Stadt auszudehnen. E]
[Seite 23]
„ ZWEI FRAUEN
KAMPFEN GEGEN
EINE SCHRECKLICHE
TRADITION
Das Schicksal von Fauziya Kassindja, die wegen einer drohenden Genitalbeschneidung aus ihrem Heimatlandfluchtete, war nicht vergebens. Durch die Mithi/fe derjungen Anwdltin Miller-Bashir wurde ihr Fluchtgrund erstmals a/s Menschenrechtsverletzung anerkannt.
ufden ersten Blick erschcint „Nicmnnd sieht dich, wcnn du
weinst“ vor allem wic eine abschreckcnde Geschichtt: Eine At}ikaneri11 flieht in die USA, um einer Genitalverstfimmelung zu cntgchcm wic sie in traditional] gcsinntcn Familicn in Togo iiblich ist. In den USA dam) muß sie als illegale Immigrantin über cinjahr lung ins Gefiingnis.
Doch im Mittelpunkt des Buchcs stcht mchr als das, niimlich eine Geschichtc wahrcr Verschwistcrung zwischen Fauziya Kassindjzl und der jurnstudcntin Layli Millcr—Bashir. Letztcrc wird zur wichtigsten Anwiiltin Kassindjas und spiclt cine Schliissclmllc bci ihrcr Bcfi‘ciung und Rehabilitation.
Dariibcr hinaus verstcht Kassindja ihrc Gcschichtc als cine iibcr fcstcn Glauben. Als crgcbmlc Muslimin, die ihr Hcimatland im Alter von nur 17j21hrcn vcrlassen hat, Wiederholt sie immer wieder, daß es ihr Starker Gottesglaube war, der ihr half, den Kulturschock Lmd die erniedrigenden Bedingungcn bei ihrer Ankunft in
den USA zu überlebcn.
Auch habe Gott sie zu Layli Miller Bashir gcfiihrt, dic Bahá’í ist und sich ihrcr Sachc annahm. Dieser Aspckt macht die Geschichtc zusiitzlich intercssant, zeigt sie doch, wic sich zwci Frauen ans vcrschicdcncn Kulturcn und Religioncn im Geist V011 Licbc und (1131le zusammenschliclicn kéinncn.
So inspiricrt das Buch zluf mehrfilchc Wcixc. Es licst sich wie ein Ercignisromzm und cnthlilt viclc lcbhaftc Erinncrungcn :11) Kussindjas Heimatland, ihrc Familie Lmd zmderc gcfliichtetc Frauen. Es sagt aber auch vie] über die Art von Bezichungcn zwischtn Frauen über ihlt Fiihigkeit, Ungleichhcitcn bciscitezulegen, die zwiSCht I] Miinncrn Vielleicht zum Konflikt führen W'Lirden.
Die Geschichte beginnt an dcm Punkt, an dem Kassindja mach 1() Monaten im Gefzingnis spiirt, daß sie ihre Inhaftierung und gerade den Umstand, mit Kriminellen eingesperrt zu sein, nicht länger ertragen kann. Sic erwiigt, der US—Einwanderungsbchérde nachzugebcn und nach Togo zurtickzukehrcn.
Dort aber wäre sie noch immer vom Branch der Bcschneidung bedroht, der Entfernung der äußeren Genitalien. In anderen Teilen der Welt ist diese Praxis als Verst Limmclung der weiblichen Gcschlechtsorgane bekannt.
Nachdem Kassindja diesel] Rahmen gesetzt hat, crinncrt sic- sich zunfichst an ihre Kindheit. Geboren in eine rclativ wohlhabende Familic, war sic die jfingste von vicr Schwe Wie das Thema
Genitalbeschneidung zu einem weltweiten Thema
stern und crfieutc sich der Liebc cincs sie vergbtternden Vators.
Obwohl es für die jungen Frauen ihrc‘s Stammes tiblich war, sich v01~ der Ehc der Beschneidung zu unterziehen, verurteilte ihrVater diese Sitte. Er beschijtzte seine filtercn Töchter vor und wfihrcnd deren Ehe V0r dieser Qual. Doch im Januar 1993 Kassindja befand sich aufeincr Sprachschulc in Ghana — starb ihr Vater.
Sie wurde hcimgcrufcn und unter die Obhut des iiltcsten Bruders ihrc‘s Vatcrs gcstcllt, der traditionsorienticrtcr war. Ihr Onkel und ihre Tantc trafcn bald Vorbcrcitungen für cine Ehe mit einem iiltcrcn Mann, der zu Kassindjas Bcstiirzung schon drci Frauen hattt.
Eines Tagcs brachtc 1111„ dic Tame plötzlich eine FUHL‘ v01) Kleidern, Schmuck und andercn Geschenkcn: „l);1s zlllcs gchört Dir. Es ist von Deinem EhClll Jllll. Sorgc Dich nicht um die Bcsclmcidung. Wir warren noch cin pnarTage damit.“ Dicjungc Frau geriet in lunik. lhrc Tame war an den Folgcn cincr Bcsclmcidung gcstorbcn — wie vielc andere Frauen nus ihrcm Bekanntenkrcis.
Flucht vor der drohenden Beschneidung
Die weibliche Beschneidung in Togo bedeutet, daß das Optbr aufden Boden gedrückt wird, wiihrcnd eine Stammesfrau mit einem Messer oder
wurde
REZENSION
„Wenn der Richter an: abIehnt, warden wir weiterké'mpfen bis
wir gewinnen.“ Layli Miller-Bashir Anwéiltin, Bahá’í und Grijnderin des „Tahirih Justice Center“
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1“? Fauziya Kassindja
i Niemand sieht did],
- weinst
Fauziya Kassindja Niemand sieht dich, wenn du weinst
Unter Mitwirkung von Layli Miller-Bashir. 1998. 507 Seiten. Karl BlessingVerlag, Mflnchen
Die Anwéltin und Mitautorin von Fauziya Kassindja, Layli Miller-Bashir, grUndete aufgrund des Falls von Fauziya Kassindja die NGO „Tahirih Justice Center". Dieses BUro
setzt sich, inspiriert durch die Bahá’í-Frauenrechtlerin des 19.]ahrhunderts,Tahirih,fUr
die Rechte der Frauen ein, insbesondere ftjr Frauen, die von Beschneidungen bedroht sind. Das „Tahirih Justice Center“ erlangte in nur wenigen Monaten in den USA eine landesweite Bekanntheit.
Tahirih Justice Center
108 N.Virginia Ave. Suite 100 Falls Church,VA 22046 Telefon 001-703-2374554
Fax 001-7034374574 eMaiI:justice@tahirih.org
Website: www.tahirih.org
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einer Klinge die aiuBcren Teile der weiblichen Geschlechtsorgane entfernt Die Frau wird dann V01) den Hiiften bis zu den Knien zugebunden und mufi 40Tage aufHeilung warten. Das Infektionsrisiko ist hochWcnn die Frau überlebt, wird sie :Ils „bereit für den Ehemann“ crerklärt.
Mit der Hilfe eincr Schwester floh Kassindja aus dem Haus ihrer Tame, überquerte die Grenze nach Ghana und nahm ein Flugzeug nach Deutschland. Hier fiihlte sic sich isoliert, weil sie kein Deutsch sprach. Nach zwci Monaten beschloß sic, in die Vereinigten Staaten zu gehen, wo sie Verwandte hatte. Ein afrikanischer Freund erzählte ihr, sie könne mit einem fremden PaB nach Amerika fliegcn und dort gleich nach der Landung Asyl beantragen.
In Ketten gelegt
In ihrer Naivitiit folgtc sie dem Rat. A15 sie am 17. Dezember 1994 aufdem internationalen Flughafcn Newark, New jersey, ankam und ihren I’aB vorzeigte, wurdc sie sofort verhafiet, in Ket ten gelegt und in ein spezielles
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Geféngnis für illegale Einwanderer gebracht. Als eine solche hatter sie in den USA nur begrenzte Rechte.
Kassindjas Gefangenschaft war gekcnnzeichnet durch schlechtes Essen, mangelhafte medizinische Versorgung (untcr anderem litt sie unter schwerem Asthma), Einzelhaft und zahllose Transporte von einer Institution zur anderen. Dadurch wurde sie immer wieder VOIl neu gewonnenen Freunden getrennt, aufkommende Sicherheit wieder zerstört.
Auch Kassindjas Erfahrungen mit dem speziellen Rechtssystem fijr Einwanderer waren crschreckend: unzureichender Zugang zu Rechtsberatung; ein scheinbar willkijrliches System zur Festlegung
von Gerichtstcrminen; ein Richter, der bci ihrer Hamptanhérung mehr an einem Schwiitzchen mit den Anwlilten interessiert war 315 an den Fakten ihres Falls.
Beistand fand Fauziya Kassindja schließlich bei einer Gruppe von Amerikanern, die von ihrer mißlichen Luge gehéirt batten. Ihre Hauptzlllwiiltin wurdc Layli MillerBashir, die gerade ein Praktikum in dem Anwaltsbfiro 21bsolviertc, das Kassindj as Vertretung übernommen hatte. Seit Beginn ihresjura—Studiums an der American University in Washington DC. hattc sie sich mit der Genitalverstfimmclung von Frauen auseinandergesetzt, insbesondere im Zusammenhang mit den Menschenrechten. Deshalb wurde ihr der Fall übergebcn.
„Wir schlossen uns zusammen“
Die beiden entwickelten cine tiefe Freundschaft. Nur wenige Stunden vor der entscheidenden Asylanhérung versprach Bashir ihrer Mandantin weiterzukzimpfen, egal wie die Entscheidung des Gerichts ausfallen W'Lirde. „Wenn der Richter uns ablehnt, dam) warden wir weiterkdmpfen bis wir gewinnen“, zitiert Kassindja ihre Anwaltin und Freundin. „Das war einer der bewegendsten Momente in meinem Leben“, erinnert sie sich. „Wir schlossen uns in diesem M0ment zusammen. Wir waren jetzt Schwestcrn. Sie wußte es. Ich wußte es. Ich war nicht mehr allein, würde es nie mehr 56in.“
Die Anhérung verliefnicht zum Besten. Bashir vertrat die Position, daß die Beschneidung von Frauen eine Art von F01ter sei, der Kassindja — als Frau und wegen ihrer Zugehérigkeit zu einem bestimmten Stamm — in ihrem Heimatland ausgesetzt sci. Deshalb sei sie
berechtigt,Asyl zu bekommen. Doch der Richter lehnte ab.
Nicdergeschlagen kehrte Kassindja ins Gefdngnis zurück und begann dar Liber nachzudenken, nach Togo zurückzukehren und sich ihrem Schicksal zu stellen. In der Zwischenzeit reiste Bashir zur Welt frauenkonferenz nach Peking (1995).
Wende bei der Weltfrauenkonferenz und Anerkennung als
Asylgrund
Dort tauschte sie sich mit anderen Frauen aus Nichtregierungsorganisationen nus, die Erfahrung mit Flijchtlingsfragen und Menschenrechten hatter].
Das Ergebnis: Eine grimerc Zahl von Frauen, Miinnern und Organisationen begann sich fijr Fauziya Kassindja einzusetzen. Der Fall kam vor ein höheres Gericht.
Durch die Organisation „Equality Now“ gelang es den Verteidigem, breite Unterstiitzung auch aus der Offentlichkeit zu finden.
Eine Kombination aus juristischcr Arbeit, richtigenVerbindungen und Medieninteresse fiihrte schließlich am 24. April 1996 zu einer Strafunterbrechung für Fauziya Kassindja und am 13.]uni 1996 zur Anerkennung ihres Asylanspruchs. Damit {iffnete das höhere Gcricht die Tür fijr weitere Frauen auf der Flucht vor Genitalverstiimmelung, Asyl in den USA zu beantragen und zu erhalten.
Die USA stehen nun an der Spitze jener Lander, die die Genitnlverstfimmelung von Frauen als Menschenrechtsverletzung ansehen,
„Meine Stammesmitglieder sind gute Menschen“, sagt Kassindja trotz allem. „Aber auch gute Menschen können Böses tun. Sic müssen darüber nachdenken, was sie tun und warum sie es tun — und es nicht linger tun, bloß weil es immer so war. Die Tradition macht Böses nicht zu Gutem.“ El