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ONE “‘3 COUNTRY
Heft 3/ 1997 Magazin der Bahá’í International Community
>>D1'v Erdv m um um Land, und allc JIva/wn mid Xtillt Bliljgvlzw — Ba/uiu'lld/I
Ruflland: ‘. . U Neue Freihelt Mm- - Suche nach
Biirgerbewegungen weltweit
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RiofolgeprozeB Weltcharta für „Ri0 _ 5“
RuBIand —Glaubensgemeinschaft bliiht wieder auf
Neues Denken: Ausgezeichnet
Vision einer globalen Perestroika
DM 4,— / SFr 4.- / OS 28.— / LUF 80;. Iostvertricbsstiicknummer [)13365F
ONE COUNTRY wird herausgegeben von der >>Internationalen Bahá’S-Gemeinde« (BIC — Bahá’í International Community), die als Nicht-Regierungs—Organisation bei den Vereincen Nationen die weltweite Bahá’í-Gemeinde reprisentiert. Fur Informationen zu den Beitrégen dieser Zeitschrift oder zurArbeit der lnternationalen Bahá’I-Gemeinde wenden Sie Sich bitte an die deutsche Redaktion oder an: ONE COUNTRY, Eppsteiner Str. 89, D-657I9 Hoflweim-unéenhain. Germany. Teiefon _496 I 92-99290, ax _49~6 |92—992999. Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe: Nationaler Geistiger Rat der Bahá i in Deutschland e.V. ONE COUNTRY, Office of Pubiic information — Bahá’í International Community — Suite I20, 866 United Nations Plaza, NewYork, New York [0017, USA. E-mail: I councr ?bicorg ChefredakteurtBrad Pokorn . hef vom Dienst: Ann Boyles. Auslandsre aktionen: Nancy Ackerman Masking), Christine SamandariHakim (Paris , Kong iew Huar (Macau),Guilda Walker (Londcn). Deutschsprachige Redaktion: Steghan Pernau, Stefan Mutschler, Raff Dietmar. reie Korres ondenten: HiIde Fanta (Osterreich), Silvia réhiich (Schweiz),jutta Baiani (Luxemburg). Freie Redakteure: BifiitTilgnerfiona Misszghian, Geschfiftsfflhrun : artmut Nowotny. Arezu Braun, Hans-joac im Tilgner. Übersetzerpool: Gamer Mala. Layout: Iris No_ack. Einzelheft DM 4,-lSFr 4.405 28,-ILUF 80,-. Jahresabonnement DM |5,-/SFr |S,—/OS [00,-] LUF 300.~ (inklusive MwSt und Porcokosten). Auslandabonnement: DM 25,-. Die Zeitschrift ONE COUNTRY kann direkt bei der Redaktion haste": warden. Copyrifi'nt 1996 by Bahá’í International Community, SSN 0945-7062. Gedruckt auf [00% Recyclingpapier.
ONE COUNTRY Q 3/1997
Biirgerbeweg ngen weltweit im Aufstieg
as nachhaltige Hervortreten von
unzahligen Organisationcn und
Gruppen als Trziger gesellschaftlicher Veriinderungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene ist vielleicht das bedeutendste, gesellschaftliche Phénomen unserer Zeit.
Das Aufbluhen der Bijrgerbcwegung, wie es bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs),1okalen Gruppen, akademischen und anderen Einrichtungen zu beobachten ist, fiihrt zu einem bedeutsamen Wandel der internationalen Tagesordnung. Die Ausbreitung und die AktiVitiiten dieser Gruppen haben die Art verändert,wie globalcThemen verstanden,betrachtct und behandelt werden. Sie haben damit dazu beigctragcn, daß die R0116 von Regierungen sich findert und zuweilen in Frags gestellt wird.
ONE COUNTRY verfolgt das Anliegen, über die zunehmende internationale Bedeutung der Arbeit der NGOS zu infor111ieren.So zeigte der Bericht über den Mikrokredit—Gipfel in der letzten Ausgabe, wic NGOS einTreffen organisierten, (138 in einigen Punkten einem großen Gipfel derVereinten Nationen iihnelte.Dieser Gipfel brachte Repriisentanten von 311611 Ebenen der Weltgesellschaft zusammen, um ein wichtigcs, globalesThema zu diskutieren.
Unser Artikcl in dicscr Ausgabc berichtet iibcr das "Rio_5"—Treffen. Die 50g. „WeltCharm“ zeigt,wie die Btirgerbewegung immer bcsser in der Lagc ist, sich selbst global zu organisieren und neueWerte undVerhaltensweisen nach außen zu vertreten.
MEINUNG
Zunehmende Bedeutung mit Beginn der neunziger jahre
Bis zum crsten Weltgipfel, 1992 in Rio de janeiro, kann man zurtickverfolgen, wie sich der Einfluß der Biirgerbewegung 2111f internationaler Ebene ausweitete. Dort traten die NGOs aus der Verborgenheit hervor und nahmen Positionen in Regierungsdelegationen ein.Außerdem spielten sie eine Schlfisselrolle, indem sic dieVerhandlungen über die Agenda 21 vorantrieben. Die Agenda 21 ist cin globaler Aktionsplan zum Thema Umwelt und Entwicklung, der von den Regierungen angenommen wurde. Die NGOS haben außerdem großcTeile der Struktur der Agenda 21 vergeschlagen und setzen sich seitdem weltweit für die Unterstiitzung disses Aktionsplancs cin.
Der Einfluß der Bfirgcrbewegung ist in diesem jahrzehnt von einem Trcffen derVereinten Nationen zum anderen stiindig gcwachsen — V011 Wien über Kairo, Kopenhagen, Peking nach Istanbul. Die NGOs haben auf diesen Treffen in grOBem M386 zu den Diskussionen und schließlich auch zu den Beschlfissen beigetragen, egal ob es sich um die Themen Menschenrechte, Bevölkerungspolitik, soziale Entwicklung, Frauenrechte Oder Siedlungspolitik handelte.
Die Gründe Fur den Aufstieg der Biirgerbewegung sind zahlreich und sehr unterschiedhch, Das Ende des Kalten Krieges, der die internationale Tagesordnung mit Fragen der unlitfirischen Sicherheit dominiert hatte, erlaubte eine Verschiebung des Augenmerks aufsozialeThemen und hat ein Klima geschaf Ibrrsrtzung atngein 4
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Magazin
"Happy Hippo Show" für moralische Erziehung in Russland
Wachsender Popularitiit erfreut sich eine von Bahá’í produzierte Talkshow inTatarstan, Russland. Die "Happy Hippo Show", in der moralische Themen mit dem jugendlichen Publikum und mit Experten diskutiert werden, erreicht etwa vier Millionen Zuschauer. Produzent ist der Bahá’í Sahmil Fattakhovfiir den die Férderung der moralischen Erziehung von Jugendlichen die zentrale Zielstellung der Sendung darstellt.
Jade 40—minötige Show, die seit über drei Jahren vom Staatsfernsehen in der Region Tatarstan und in einigen Städten ausgestrahlt wird, beginnt mit einem kurzen Theater stiick. Danach wird gemeinsam mit den Jugendlichen über Lösungsansiitze zu moralischen Problemen diskutiert und beraten.
Mehrere Versionen der Show wurden bereits für unterschiedliche Alters— und Berufsgruppen sowie andere soziale Zielgruppen produziert und dafür an verschiedenen Orten wie Schulen,]ugendcamps Oder bei Zeitungen aufgezeichnet.
Die Fernsehshow ist in ganz Russland bekannt und wurde inzwischen auch in Indien, China, Schweden, Lettland und in der Ukraine als eine Methode zur Vermittlung von Erziehungsidealen vorgestellt.
One Country "geht ins Netz"
Das Bfiro für Offentlichkeitsarbeit der Bahá’í International Community (BIC) teilte mit: ab sofort ist die Vierteljaihrlich in englischer Sprache erscheinende Ausgabe der Zeitschrift "One Country" auch im WorldWideWeb mit einer Site vertreten.
Unter der Adresse <www.0necountry. org> finder man alle Ausgaben der Zeitschrift seit April 1995. Das Ziel ist, möglichst bald
Religionen In Genf
Zusammen mit anderen religiösen Gruppen organisierte der Geistige Rat der Bahá’í in Genf den Religiösen Dialog zum Thema "Frauen und Religion".Zwischen 40 und 100 Personen nahmen an den verschiedenen Veranstaltungen im Konferenzraum der Saint Boniface Kirche in Genf vom 16. bis 18. November 1996 teil. Gesprochen wurde überThemen wie "Frauen und der interreligiöse Dialog", "Tragen Religionen zur Unterdrückung oder Befreiung der Frauen bei?", "Die Frauen in der sozio—reljgiésen Realitdt". Begleitet wurde die Veranstaltungen von tighchen einstiindigen Andachten.
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auch die Ausgaben, die in den Sprachen Franzésisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch und Deutsch erscheinen, verfiigbar zu machen. Damit gibt es nun zwei offizielle Web—Sites der BIC. Sie betreibt neben "One Country" auch die bereits seit über einem Jahr erfolgreich existierende Web—Site "The Bahá’í World" unter der Adresse <www.bahai.org>.
im Dialog
In Luxemburg
Am 18. Mfirz nahmen Bahá’í
am sechsten interreligiösenTreffen in Limpertsberg, Luxemburg, teil. Das Treffen fand Weihrend des "Festivals der Einwanderung" start und dasThema lautete "Gott in jedem von uns treffen — verschieden und doch gleich". In seiner BegrfiBung sagte Paul Thome,Vertreter von Pax Christi, es sei notwendig, die zentrale Botschaft in allen Religionen zu finden. Das Program setzte sich ausVortriigen, Andachten und Musik zusammen, aufdie kleine Diskussionsgruppen folgten.
Abitur der Townshend International School auch in Deutschland anerkannt
Der Schulabschluß der Townshend International School (T.I.S.) in der Tschechischen Republik ist mittlerweile auch in einigcn Bundesl'éndem anerkannt. Nordrhein—Westfalen war das crste, das den Abiturienten eine Zugangsberechtigung zu deutschen Hochschulen attestierte, inzwischen hat auch Hessen nachgczogen.
Das Non—Profit—Unternehmen T.I.S. ist eine englischsprachige weiterführende Schule ab der 8. Klasse, die 1992 gegründet wurde. Inzwischen wurde auch eine Grundschule angegliedert.Vergangenen Sommer hat der zweite Jahrgang die Townshend International School mit dem tschechisches Abitur verlassen. DieT.I.S ist somjt eine in Tschechien, aber auch in Europa und den USA anerkannte Privatschule, die zum Hochschulstudium befihigt.
Die Philosophje der Townshend International School besteht darin, eine moralische und ethische Umgebung zu schaffen, in der Schüler lernen, die Menschen verschiedener Kulturen und Hintergrfinde zu respektieren und zu schätzen. Dieser Respekt 5011 sich dann in der Kommunikation und Beratung miteinander zeigen.
Neuer Lehrstuhl in Indien
Ein neuer Lehrstuhl für Bahá’í— Studien ist am Institut für westliche Geschichte der renommierten Lucknow Universit'ét in Uttar Pradesh eingerichtet worden. Dies ist bereits der zweite Lehrstuhl für Bahá’í—Studien in Indien. Der erste befindet sich an der sozialwissenschaftlichen Fakultit der Universitiit Indore in Mandhya Pradesh. Bcide Lehrstfihle haben einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht und erhalten volle Unterstiitzung von den Universitiiten und Regierungsbehérden.
Die Lehrstiihle bieten die Möglichkeit des Erwerbs eines Diplomes (MA) oder einer Promotion, aber auch vcrschiedene andere Programme und planen, demniichst Diplomkurse in verschiedenen Bereichen der "Community Development Services" (Projekte zur Entwicklung lindlicher Gemeinden) anzubieten, an denen in Indien großer Bedarfbesteht.
Wenn die NGOs eine entscheidende Rolle am Verhandlungstisch spielen wollen, dann sollten ihre Taten mit den hohen Grundsiitzen, die sie vertre ten, übereinstimmen.
‘ ‘ gewahlte V6 tefi Nationen, die insihrer Struktur der V011 ONE COUNTRY Q 3/1996
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fen, in dem die Menschen durch ihre Organisationen Viel direkter an internationalen Bemtihungen teilnehmen können.
Nicht zu vergessen ist der Fortschritt auf dem Gebiet der Computer— und Kommunikationstechnologie, der das Informationsmonopol der Regierungen und der grOBen Organisationen beendete und den Weg zu neuen Formen der Organisation und des Ausdrucks in allen Bereichen bereitete.
DegUrsprung dieser Entwicklungen liegt in der Anderung der Art und Weiss wie Viele Menschen sich selber sehen — eine Verdnderung, die ziemlich plötzlich in der Geschichte der Zivilisation aufgetreten ist. Das Kernstfick dieser Veranderung ist unset Verstiindnis von GemeinschaftDie Menschen erkcnnen immer mehr, daß es nur eine Rasse gibt — die menschliche Rasse. Das hat unseren Horizont nachhaltig elweitert:Wir habcn ein neuesVerstzind1115 von unseren Nachbarn und davon,welche Verpflichtungen wir ihnen gegenüber haben. Und diese neue Weltanschauung bringt eine Erkenntnis 111it sich:]eder von uns hat gewaltige Fähigkeiten, die entwickelt werden k611nen, besonders wenn wir zusammenarbeiten.
chtzutage übernehmen die NGOs Aufgaben, die zuvor in der Macht V011 Regicrungen lagen. Sie bieten soziale Dienste an. Sie führen rechtliche, wissenschaftliche, technische und politische Analysen durch. Sie regen internationals Verpflichtungen an, überwaChen sie und treiben sie voran. Sie bringen neue ldcen hervor.Außerdem sind sie 0ft effizienter als Regierungen bei der Durchfiihrung dieser Aufgaben. D215 hat einen Hauptgrund: Sic sind in der Lage, sich die Fähigkeiten von Menschen unterschiedlichster Hintergrfinde und Herkiinfte zunutze zu machen.
Mehr Einfluß bedeutet auch mehr Verantwortung
Diese Erfolge haben dazu gefiihrt, daß nun einige NGO—Reprfisentanten einen noch größeren Teil der "Macht" beanspruchen, die zur Zeit in den Händen der Nationalstaaten liegt. Einige dieser NGO—Reprfisentanten schlagen beispielsweise vor, daß die NGOS cine “größere R0116 bei Verhandlungen der Vereinten Nationen spielen sollen. Andere setzerigsich flit die Sphafiung eines Forums der Bfirgérbewegungfan ein Oder für eine direkt 1keW(firsammluneg bei den Verein Versammlung ihneln „$011.
Einige dieser Ideen verdienen eine aufmerksame Analyse. Da weltweit die gegenseitigen globalen Abhéngigkeiten von immer mehr Menschen erkannt warden, muß die gesamte Vielfalt unterschiedlicher Ansichten der Biirgerbewegungeg.herücksichtigt werden, wenn Entscheidflfigen von globaler Bedfiutung getroffen werden sollen.
Gleichzeitig verlangt aber auch jeder Schritt, der der Biirgerbewegung mehr "Macht" gibt, eine höhereVerantwortlichkeit von deren Führern und Repriisentanten.
Beispielsweise haben sich NGOS dafijr eingesetzt, daß innerhalb und zwischen den Regierungen mehr Demokratie hcrrschen 5011.Bisher aber gelingt es selbst einigen N GOs nicht, den V011 ihncn geforderten demokratischen Standards gerecht zu werden, 0b es nun um denWeg geht,wie ihre Führungspersonen ausgew'éhlt werden, wie ihre Leitlinien festgelegt warden Oder bis zu welchem Grad die Geber finanzieller Zuwendungen nachvollziehen können,wie Ihr Geld ausgegeben wird.
Diese Aspekte erlangen besondere Bedeutung,wenn die NGOS in Koalitionen undVereinigungen zusannnenarbeiten, wie sie dies in erhdhtem M386 tun.Wenn die NGOs einc entscheidende R0116 a111Verhand1ungstisch spielen wollen, dann sollten ihreTaten mit den hohen Grundsatzen, die sie vertretcn, übereinstimmen und sie sollten bereit sein, zu zeigen, daß sie tatsächlich die bevollmiichtigten Reprisentanten verschiedcner Gruppen sind und ihre Interessen das Wohlergehen der ganzen Menschheit berücksichtigen.
Vorhandene Potentiale besser nutzen
Bahziu’lléh schrieb vor einem jahrhundert: "BefaBt euch nicht rastlos mit euren eigenen Belangen! Laßt eure Gedankm fest aufdas gerichtet sein, was das Glück der Menschheit Wiederherstellen und der Menschen Herzen und Seelen heiligen wird."
A13 eine der wichtigsten Gruppierungen innerhalb der Biirgerbewegung spielen religiöse Organisationen eine besondere R0116 eine R0116, die bisher 110ch nicht richtig erkannt und genutzt wurde. Bis zu dem Grad, wie sie ihren Prinzipien treu sind, reprisentieren religiöse Gruppen die Hoffilungen und moralischenWerte einer großen Mehrzahl der Bewohner der Erde — die im großen und ganzen keinen Zweifel an der geistigen N atur des Menschen und deren Wichtigkeit fijr den Alltag hat.
Zusammenfassend léifit sich sagen, daß der wahre Antrieb hinter dem Aufstieg der Biirgerbewegung eine neue Sichtweise ist, die immer mehr Menschenpntwickeln, indem sie sich selbst alsTeil eiricr einzigen menschlichen Rasse sehen. Es ist eihe Sichtweise, die umfassenderkintegrativer und kraftvoller ist, als nationals, rassische oder sonstige Einteilungen, die .unsere Identität bisher bestimmt haben. Im Kern ist diese Sichtweise geistiger Natur und die Erkenntnis dieser Tatsache ist der Schliissel zur vélhgen Freisetzung der Potentiale des Einzelnen — Potentials, die die Bürgerbewegung gerade erst beginnt, zu mobilisieren. I
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RIOFOLGEPROZESS
Weltcharta für „Rio _ 5“
Nichtregierungsorganisationen fUr Betonung ethischerWerte bei Erdgipfe1 II in NewYork.
Rio dejamiro. Mitre M(irthnd 111 R10 {1'0 jarwiro eine Irzmlmrimmlc 7253ng 1mm dvm Mat10 „Rio _ 5“ 1/011 500 Nit]!rrggierungamgmzixa11011611 (NGOS) sowie Dcquzerrm der Vereinren Natiunen start, azgfder em ncucr Ennmqfder 50g. „ Weltrlzarm“ vorgcxtcllr umrde, wc/(ller die Ein11011 (161* Mmsdmz 12010111 mzd die W61 :11 cincm fimdammta/cn Kurswcdtsel in Ridztzmg dauerlugfl rm WhC/zsmms ufld Erszirklng mgfmff.
Die Charta 5011 einen wichtigen, kritischen und vor allem moralischen Beitrag zum Autbau einer nachhaltigenWe1t1<ultur leisten und war als Vorlage für den „Erdgipfel 11“, cincr Sitzung der UN—Generalversammlung V0111 23. bis zum 27.]uni 1997 111 NewYork, konzipiert.
Die Vorstcllungsinhaltc dicscs Papiers, wflche schrittweise in den vergangenen sechs jahren durch Beratungen mit zahllosen Gruppen und Einzelpersonen aus allerWelt in einem allmdhlichen Prozeß entwickelt wurden, konstaticren, „daß die Menschhcit in 311 ihrchcrschicdcnnrtigkeit eine Einhcit und eine Mcnschhcitsfilmflic darstcllt mit cincm gemcinsamcn Schicksa1“ und (1315 „die bcvorstchendm Hcrausfbrderungcn gcmcinsamc ethischc Grundsiitzc und Visioncn crfbrdern.“
Dds 1)okumcntent1fiilt 18 Grundsiitzc, durch wclche ein industrieller und tcclmologischcr Ncuautbzlu 1116glich und \X/cgc aufgczcigt warden, cin auf Gcrcchtigkeit bcruhendcs ausgcglichencs Verhii1tnis zwischen den] Einzclnen und der Cemeinschafh zwischen Habcn und Sein,Vcrschicdemrtigkeit und Einhcit, K011511111 und Bcwahrung kurzfristig, sowic auflange Sicht zu erreichen.
Vor 111111‘13111‘611 wurde in Rio die „Erdgipfk?‘ genannte Konferenz derVer einten Nationen Für Umwelt und Ent wicklung (UNCED) abgehalten. Das T1‘611E11 „Rio _ 5“ V0111 13. bis 19. Mfirz
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3r§1mimqgwm ’. v:
1997 zic1tc auf eine Wicderbclebung und Bewcrtung des mit der Rio—Konfcrcnz bereits eingdeitcten Prozesses für eine nachhaltige Entwicklung.
An dem „Erdgipfel 11“ 111 NewYork nahmen Liber 65 Staats— und Regierungschefs und Fachexperten aus über 180 Staaten tei1 und ste11tcn fest, daß Viele der in Rio 1111 jahr 1992 in der Agenda 21 formulierten Z1616 bei weitem noch nicht erreicht sind.Viele NGOS ?iuBerten ihre Enttziuschung über die Ergebnisse der Konferenz, die sehr stark von unterschiedlichen nationalen Interessen gcpriigt war. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Neuorientierung in den Zielstellungen der einzelnen K011ferenzteilnehmer, um die globalcn Problems, die unabhiingig von Staatsgrenzcn jedcn cinzc1nen bctrcffcn, zuktinftig konstruktiv bcwifltigen zu kbnncn.
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Unter den Teilnehmern der Tagung Für die „Weltcharta“: v.|.n.r.: Eileen Gannon und Carol Zinn von „Global Education Associates“; Richard Clugston vom „Center for Respect of Life and the Environment“, Bawra jain vom „Temple of Understanding“; Steven Rockefeller von der „Earth Charter Commission“; Peter Adriance von der „Bahá’í International Community“; Vittorio Falsina von der „Rockefe||er Foundation“; Mary Evelyn Tucker von der „Bucknell University“; Brian Swimme vom „California Institute of Integral Studies“.
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RUSSLAND
Gruppenfoto mit einigen Mitgliedern der heutigen russischen Bahá’í—Gemeinde, aufgenommen bei einem Seminar in Moskau. In der Gruppe: Zakir Buttaev (vierter von rechts, hintere Reihe), Larissa Tsutskova (vierte von rechts, mittlere Reihe) und Sergei Poselski, Sekretir der Gemeinde (erster von rechts, erste Reihe), früher Physiklehrer, wurde vor fiinf jahren Bahá’l.
Glaubensgemeinschaft blflht wieder auf
Was suchen und finden Russen im Bahá’í—Glauben?
Neue Frciheiten in derAusiibtmg V011 Religion habm der individuellen Smhe narlz Geistig/eeit die Tare" geéflnct. Viele haben den Bahá’í-Glauben wiederentdeckt, der sich darcmf konzentriert, Elenmz 14nd Ethik zufbrdem.
PERM. Russische Republik.Wie so Viele aus ihrer Generation ist LarissaTsutskova ohne religiöse Erziehung aufgewachsen und hätte sich als Atheistin bezeichnet, wenn sie jemand danach gefragt hätte, bevor die Kommunistische Partei in RuBland ihre Macht verlor.
Ebenso wie Viele aus ihrer Generation, fuhltesie,daßihren1 Leben in der alten Sowjetunion etwas fehlte. Etwas Geistiges.
„Mein Leben unterschied sich nicht von dem der meisten anderen in der ehemaligen Sowjetunion“, erzählt die 42—jiihrige Bauingenieurin in einer mittelgroßen Industriestadt etwa 900 km éstlich von Moskau. „Ich war in einer „R0ter Oktober“ genannten Kindergruppe, dann wurde ich eine junge „Pionierin“, dann sogar Sekretiirin einer kommunistischen Jugendgruppe. Spdter wurde ich Mitglied in der Kommunistischen Partei. Ich lebte wie ein ganz normaler Bürger meines Landes.“
„Ich kann Wirklich nicht sagen, daß mein
Leben in der ehemaligen UdSSR so schlecht gewesen W'ére“, fiihrt sie fort. „Ich fiihle mich
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unwohl, wenn jeder auf die Vergangenheit schin1pft.Aber es ist wahr, daß ich stfindig nach einer versteckten spirituellen Bedeutung gesucht habe, daß ich versucht habe, meine Identitiit zu finden.“
Von einer technologischen zu einer kulturellen Entwicklung
Und so kam es, daß sich Frau Tsutskova kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 aufeine persénliche Suche nach Geistigkeit machte. 1986 wurden sie und ihre Tochter in der Russisch-Orthodoxen Kirche getauft. Das war Wiihrend der Perestroika—Reformen unter Michail Gorbatschow, die diesen Schritt einfacher und annehmbarer machten.“ Aber ich wurde nie wirklich Teil der christlichen Gemeinschaft“, sagt sie, und erklärt, daß sie Schwierigkeiten mit den Ritualen und dem Dogma der Kirche gehabt hat. „Es war einVersuch, über geistige Dinge nachzudenken.“
Dann begann sie, Fremdsprachen zu lernen und schrieb sich 1987 an der Universität in Nizhny Novgorod in Geisteswissenschaft ein. „Die Kenntnis zuseitzlicher Sprachen neben Russisch machte das Leben etwas ausgefiillter“, meint sie, „aber wenn ich genauer darüber nachdenke, sagt es wohl mehr etwas über meinen geistigen Zustand zu dieser Zeit aus, über mein Gefühl der Nutzlosigkeit und Leere.“Anfang 1990 versuchte sie es mitYoga. Aber auch das befriedigte ihre geistigen Sehnsfichte nicht.
Anfang 1991 135 FrauTsutskova einen Zeitungsbericht über den Bahá’í—Glauben. Das Fehlen von Klerus und Ritualen im Glauben paßte sehr gut zu LarissasVorstellung von Religion. Sie fragte nach zusiitzlichen Informationen und besuchte, neugierig geworden, noch im Sommer eine Bahá’í—Konferenz in Estland. Dort bekannte sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter Olesya offiziell zum Glauben.
Die Entscheidung beendete ihre Suche. „Es gab mir eine tiefe Freude, eine Art Glück, das ich nur mit den Momenten vergleichen kann, in denen man an einer geliebten Person mehr und mehr wunderbare Qualitziten entdeckt“, erinnert sich Frau Tsutskova an die Zeit, 315 516 zum ersten mal DieVerborgenen Worte von Bahá’u’lláh las, eines von mehre ren Heiligen Bijchern, die sie in diesem jahr erhalten hat.
I Neue Atmosphfire der Freiheit
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit seiner offiziellen Staatsideologie,
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die Gott und Religion gemieden hat, haben viele Russen eine ähnlicheuSuche nach Geistigkeit unternommen. Offentliche Meinungsumfragen deuten auf einen Anstieg des Anteils glziubiger Menschen in der Bevölkerung. Die Mitgliederzahl der RussischOrthodoxen Kirche, früher streng kontrolliert, ist stark gewachsen. Die Anzahl der Kirchengemeinden hat sich nach Statistiken des Moskauer Patriarchats 5611: 1988 mehr als verdoppelt. Und nach Angaben des Analysezentrums des Russischen Prfisidenten waren bis Januar 1996 mehr 315 13.000 religiöse Organisationen offiziell beim justizministerium registriert.
Vielleicht noch Wichtiger ist aber, daß die neue Atmosphaire religiöser Freiheit den Russen erlaubt, eine breite Vielfalt religiöser Bewegungen nziher kennenzulernen - darunter einige, die erst kürzlich in das Land getragen wurden, und andere, die bereits V0r der Russischen Revolution bekannt waren. Beispielsweise brachten nach 1991 Dutzende von Evangelisten und Missionaren eine Unmenge ungewöhnlicher Begriffe und Ideen ins Land, die alle Bereiche, angefangen von sozialen, religiösen, esoterischen, bis hin zu hedonistischen und 6k010gischen Belangen abdeckten. Viele dieser Bewegungen, dazu diejenigen aus Zeiten vor der Revolution, haben sich entfaltet und haben heute einen festen Platz in der pluralistischen Gesellschaft, die RuBland aufzubauen versucht.
Unter den blühenden religiösen Organisationen im neuen RuBland sticht der Bahá’iGlaube hervor. Zun'échst einmal, weil er gut in der russischen Geschichte verankert ist: eine robuste Bahá’í—Gemeinschaft existierte im russischen Turkistan bereits zur Jahrhundertwende (siehe Seite 18) .Außerdem hat die wiederbelebte Bahá’í—Gemeinschaft eine breite
Larissa Tsutskova wih rend eines Besuchs in Moskau mit dem Kreml im Hintergrund
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit ihrer offizieHen Staatsideologie, die Gott und Religion gemieden hat, suchen viele Russen nach Geistigkeit.
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Das erste Bahá’í-Haus der
Andacht wurde im heutigen Turkmenistan im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts errichtet und war ein Zeichen für das Aufstreben der Bahá’í-Gemeinde vor der Russischen Revolution im Jahre [9 | 8. Es wurde von der kommunistischen Regierung beschlagtnahmt, spacer durch ein Erdbeben beschfidigt und danach zerstört.
Akzeptanz nicht nur unter der Bevölkerung sondern auch unter Regierungsbeamten und Akademikern gefunden. Sie meinen, daß die hohen moralischen Prinzipien der Religion einer Gesellschaft, die in den letzten jahren so Viele Umwiilzungen mitgemacht hat, Viel zu bieten hat.
I Geist der Zeit
„Die Prinzipien der Bahá’í—Religion passen zum Geist der Zeit,“ meint N. F. Suvorov, Leiter der Abteilung für religiöse Angelegenheiten der Regionalregierung von Perm. „Es gibt einen großen Bedarf an friedlicher Koexistenz und Toleranz unter den verschiedenen religiösen Konfessionen, und es ist so wichtig, daß die Menschen gemeinsam versuchen, die sozialen Probleme zu Ibsen. Bahá’ís sollten im Bereich der geistigen Erziehung aktiver sein — sie sollten im Leben der Region Viel spfirbarer werden.“
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Diese Kommentare stehen neben einer entstehenden Abneigung gegen manche der neuen Bewegungen, die in RuBland aufgekommen sind, im wesentlichen als auslzindische Missionare aggressiv Mitglieder geworben haben. 1993 hat die Regierung über Rechte zur Einschrinkung missionarischer Aktivitiiten nachgedacht. Und kürzlich hat ein Bundesprogramm zur Bekémpfung des organisierten Verbrechens einige der neu importierten ausleindischen „Religionen“ als sozial geféhrlich klassifiziert.
Gut informierte Beamte grenzen die Bahá’í jedoch klar von dieser Kategorie ab. „Bahá’í sind gesetzestreu und friedlich, bekannt flit ihre humanitéiren Ansichten und ihre Ehrlichkeit“, sagt Aleksandr I. Kudrayavtsev, Leiter der Registratur für Religionen in Russlandsjustizministerium. „Das ist die offizielle Ansicht desjustizministeriums, und entspricht nicht nur meiner Meinung, sondern auch der aller meiner Kollegen. Die Bahá’ís haben tiefe Wurzcln in diesem Land, und sic bauen jetzt ihre Gemeinschaft wieder auf.“
Als die Gesetze, die religiöse Freiheit garantieren, 1990 verabschiedet wurden, gab es keine funktionierenden Geistigen Rite, die lokale Verwaltungseinheit, die das Herz des Bahá’í—Gemeindelebens ist. Ende 1996 gab cs 46 Rite in Rufiland und über 160 weitere in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion. Insgesamt leben heute schétzungsweise 9.000 Bahá’í in RuBland und den ehemaligen Sowjetrepubliken.
„Der universale Charakter des Glaubens, die Tatsache, daß er verschiedene religiöse Offenbarungen als wahr anerkennt — das ist neu Für die Russen, und den Menschen gefallt die Idee“, meint Sergei Poselski, Sekretiir des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í der Russischen Republik. „Die Menschen haben die Instabilitiit satt, ebenso wie die ethnischen Konflikte und die Konflikte zwischen den religiösen Gruppierungen. Deshalb ist diese Lehre für Russen sehr ansprechend. Ein anderer Reiz ist der zeitgemliBe Charakter. Der Glaube paßt zum modernen Leben. Er hat keine Rituale, keinen Klerus, und er ist sehr wissenschaftlich.“
Tatsaichlich begann der Wiederaufbau des Glaubens als Menschen wie Frau Tsutskova den Glauben angenommen haben — und die Veränderungen gefiihlt haben, die er in ihrem Leben bewirkt. „DasWichtigste fijr die heutige Gesellschaft wire, eine neue Moralität und eine neue Ethik zu entwickeln“,sagt Frau Tsutskova, „weil wir bisher eine kommunistische Moral hatten, und all das verloren ist und wir heute kein Fundament mehr haben. Und ohne Fundament kann man nicht leben.“
„Kurz nachdem LarissaTsutskova und ihre Tochter Bahá’í wurden, hat sich auch ihr Mann, Vitaly, erkliirt. Er arbeitete in der Sowjetunion als Bauingenieur in Perms zen
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tralem Heizwerk. Heute ist er jedoch Prisident seiner eigenen erfolgreichen Versicherungsgesellschaft, mit einem Biiro mjt 12 Mitarbeiten und mehr als 30 Außendienstmitarbeitern. Einer der Gründe für seinen Erfolg ist seine Betonung der Ethik fijr sein Geschift. Geschfiftsentscheidungen werden auf der Basis von Beratungen und gegenseitigem Respekt geféllt, seine Firma beeilt sich auch immcr, ihreVerpflichtungen zu erfiillén, wenn Anspriiche geltend gemacht werden.
Herr Tsutskov ist Gründungsmitglied der russischen Bahá’í Business Partnership, einer gemeinnfitzigen Organisation, die versucht, Geschfiftsleuten zu helfen, die geistige Seitc der Wirtschaft zu entdecken und ethische Prinzipien in die tigliche Praxis umzusetzen. „Es ist etwas, was das halsabschneiderische Geschiftsunfiéld des heutigen RuBlands dringcnd braucht“,1neint HerrTsutskov.“Ich habe im sclben Jahr, in d6n1ich Bahá’í wurde, angefimgcn,1nic11 um mein Geschiift zu kiimmern, glcich nachdem ich meinen Regierungsposten gektindigt hatte“, erzlihlt cr. „So bin ich nuf zwei Arten gleichzeitig gewachsen, als Bahá’í und als Geschäftsmann. Das Vertrauen meincr Kollegen wzichst, wenn ich ihnen gleich zu Beginn etwas Literatur über die Partnership gebe, und sie über unsere Gescheiftsethik lesen. Irgendwie scheint die Spannung aus unserer Gescheiftsbeziehung zu weichen. Natiirlich fiihle ich einc großeVerantwortung, niejemanden zu enttiiuschen, und ich glaube auch nicht, daß mir das bisher passiert ist.“
Leonid Osokin und die Apfelsinen-Show
Auch Leonid Osokin findet, (138 ct zu einer neuen Sicht von Ethik und Moral gelangt ist, seitdem er sich zum Bahá’í—Glauben bekennt. In Sibirien geboren,wurde Osokin — heute 23 Jahre alt — als Atheist erzogen. Religion war so ziemlich das letzte,was er sich vorstellen konnte, denn er und seine Altergenossen hielten Religion für engstirnig und konservativ.
1990 kam eine Musikgruppe aus Kalifornien nach Ulan—Ude, wo er wohnte. Osokin erfuhr, daß alle Bahá’í waren und er wurde von diesem Clauben angezogen. Bald fand er heraus, daß es in Ulan—Ude schon eine festgefiigte Bahá’í—Gemeinschaft gab und er schloß sich ihr an.
„Die Bahá’í—Gemeinschaft schien mir wie cine einzige große Familie“, sagte er. ,Je mehr ich ein T611 dieser Familie wurde, desto tiefer dachte ich über diesen Glauben nach. Ich wurde geistig reifer und hatte ein ausgefiillteres Leben. Der Glaube halfmir, eineVision nicht nur meiner selbst, sondern der ganzen Welt zu entwickeln.]etzt habe ich meinen Platz im Leben gefunden.“
1995 fing Osokin an, ein Fernsehpro gramm fürjunge Leute zu gestalten. Es war die Apfelsinen—Show Das Vorbild war die Show „ZIPOPO“ eines anderen Fernsehjournalisten, des Bahá’í Sahmil Fattakhov in KasanAus dem Russischen übersetzt bedeutet „ZIPOPO“ „Institut für positivesVerhalten“.
In der Apfelsinen Show spielen junge Künstler eine kurze Szene zu einem ethischen Problem: 8011 ich Drogen nehmen? Soll ich meinenVater anliigen? $011 ich meiner Freundin untreu sein? Die Handlung hört kurz vor dem Moment der Entscheidung auf und die Zuschauer haben Gelegenheit, ihre Meinung zu sagen undVorschldge für die Entscheidung zu Inachen. Nach der Diskussion beenden die Schauspieler die Handlung und zeigen Cine positive moralische Entscheidung.W§hrend ihrer zweijiihrigen Laufzeit war die 14—tzigige Apfelsinen Show rccht erfolgreich. Sie hatte in der Region über eine Million Zuschauer, denn sie fiillte eine L'Licke fürjunge Leute, die sich einer moralischenVerwirrung gegenübersehen, wie sie sich 0ft im heutigen RuBland finder.
Letzten Herbst gab Osokin die Show auf und willjetzt an der Universitit von St. Petersburg promovieren. Als Facher hat er Moral und Ethik gewiihlt. „Fast alle Philosophen und großen Denker der Vergangenheit haben die Bedeutung von Werten anerkannt,“ sagtc Osoki11.„Heute fehlt uns ein ethisches System, das allgemein akzeptiert wird, das die Wahrheit aus allen ethischen Systemen einschliefit. Ich glaube, daß dieses Ziel jetzt mit dem Bahá’itum erreicht werden kann, denn es bietet uns einen Rahmen, innerhalb dessen alle ethischen Systems zu neuem Leben erwachen und in bester Weiss der Menschheit dienen können “
Ebenso wie
Poselski ist Osokin Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Russischen Féderation, in den er 1996 gewaihlt wurde. Diese Arbeit ist freiwillig und ehrenamtlich, nimmt abcr sehr vie] von Osokins Zeit in Anspruch. Dafiir hat er jedoch Gelegenheit, die ethischen Prinzipien in Aktion zu erleben. „Die Bahá’í-VemaltungsordFortsctzung alngeitc I I
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Titelstory
Der 23 Jahre alte Leonid Osokin stammt gebflrtig aus Sibirien, wuchs dort auf und wurde als Atheist erzogen. Das letzte woran er früher dachte war Religion, die er als etwas Konservatives ansah. Das Foto zeigt ihn bei einem Vortrag über Ethik und moralische Entwicklung im Dezember 1996 in Kazan auf einer Konferenz der Gesellschaft fflr Bahá’í-Studien.
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Bahá’í—Gemeinde in Runland tief verwurzelt
Tiefe Wurzeln dqs Bahá’í—Glaubens in RuBland sicherten Überleben wzihrend der langen Zeit kommunistischerVerfolgung.
Die Beziehung RuBlands zur Bahá’í-Religion ist vor mehr als einem Jahrhundert entstanden. Mitte des |9.Jahrhunderts intervenierten russische Diplomaten auf bedeutendeWeise fijr den Glauben als er mit der ersten Phase derVerfolgungen im Iran konfrontiert wurde. Russische Intellektuelle studierten den Glauben und schrieben um die jahrhundertwende ausfuhrlich daruber; sie waren von seinen fortschrittlichen Prinzipien angetan. Fruhe Gléubige gründeten vor der Revolution eine florierende Gemeinde im russischen Turkistan und bauten dort das weltwiet erste Bahá’í-Haus der Andacht.
Die Religion wurde im Iran von Bahá’u’lláh gestiftet, der den Anspruch erhob,Offenbarer Gottes zu sein,auf gleicher Ebene mit Muhammad, Jesus und den anderen großen Propheten derWelt. Er Iehrte außerdem die Einheit allerWeltreIigionenAls Ketzer gebranntmarkt,wurde er |852 in Teheran inhaftiert. Prinz Dolgoruki, damaliger russischer Botschafter im Iran, ersuchte den Schah um dessen Freilassung,wobei erAsyI in RuBland zurVerngung stellte. Bahá’u’lláh zog es vor, Prinz Dolgorukis Angebot nicht anzunehmen. Er wurde letztlich dennoch aus der Haft entlassen und ins Exil geschickt.
Spiter im |9.Jahrhundert begannen anerkannte russische Orientalisten und Gelehrte die Bahá’í-Bewegung zu erforschen, ihre Prinzipien zu beschreiben, ihre frijhe Geschichte aufzuzeichnen, ihre Literatur zu Übersetzen und eine wichtige Rolle allgemein bei der 6ffent|ichen Verbreitung der neuen Religion im Ubrigen Europa zu spielen. Einige darunter waren M. Gamazov,V.F‘. Rosen, Mirsa Kasem-Beg, Alesander Tumanski, Bernard Dorn undV.Zhukovski.
| 904 war der journalist S. Umaneto unter den ersten, den Glauben als selbsténdige Religion anzuerkennen. Ivan Turgenev sowie Leo Tolstoi untersuchten die Lehren der Bahá’í-Religion und äußerten sich wiederholt darÜber. In den splateren Jahren seines Lebens erwihnte Tolstoi die Religion hfiufig in seinem Briefwechsel, gab Bflcher und Informationen an seine Kollegen und Freunde und nannte sie an einer Stelle „die höchste und reinste Form von Religion."
KUnstler wurden ebenfalls
durch dramatische Ereignisse aus der fr L'Ihen Geschichte des Glaubens beruhrt. Isabella Grinevskaya, Dichterin aus St. Petersburg schriebTheaterstUcke über die Geburt der Religion, die in den Theatern von St. Petersburg aufgefuhrt wurden, aber auch in Paris, London und Berlin und das his in die frijhen 20er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hinein.
Die Bahá’í-Gemeinde im russischen Turkistan erreichte eine hohe Entwicklungsstufe in den fruhen jahren dieses jahrhunderts. Mehr als 4000 Gliubige Iebten gerade vor Ausbruch der russischen Revolution |9|8 in lshqébéd, wo sie ein Bahá’í-Haus der Andacht, eine Grundschule, zwei Kindergarten und eine Klinik errichtet, sowie ein bthendes Gemeindeleben hervorgebracht hatten, gest L'Itzt auf mehrere Bibliotheken, gesellschaftlicheVereine, diverse Gesellschaften zur Pflege des Theaters, der Gymnastik und anderer Aktivitéiten.
Wie auch andere religiöse Gemeinschaften unter dem Kommunismus, wurden die Bahá’í in RuBland gezwungen, 6ffent|iche Aktivitéiten nach der Revolution drastisch einzuschrénken. Die aktiv gebliebenen erlebten systematische Verfolgung und Geféngnishaft. Das Haus der Andacht wurde 1928 von der Regierung beschlagnahmt, sein Bau durch ein Erdbeben 1948 geschwficht und 1963 dem Erdboden gleichgemacht. In den 30erjahren wurden beinahe alle erwachsenen minnlichen Gläubigen ins Gefangenenlager verbannt, we die meisten umkamen. Einige Anhénger könnten jedoch ihren Kindern den Glauben und seine Prinzipien beibringen und, zu Zeiten amtlicher Milde, bluhte das Gemeindeleben sporadisch wieder auf. Zum größten Teil jedoch waren Bahá’í-Aktivititen während der kommunistischen Herrschaft so gut wie nicht vorhanden.
Turkmenistan, die das weltweit erste Bahá’í-Haus der Andacht bauten.
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Fortxcmnre won Svitv I7
nung besteht nicht nur aus abstrakten Ideen und Philosophien, sie funktioniert auch praktisch,“ sagt er. „Sie entwickelt sich wie ein lebender Organismus.“
I Zakir Buttajef, Graphiker
Der Moskauer Graphiker Zakir Buttajef (47) hat schon immer 3n Gott geglaubt, sogar unter dem Kommunismus. „Ich bin in eine tief religiöse Familie hineingeboren,“ sagt Buttajef, der ursprünglich aus Makhatschkala am Kaspischen Meer kommt. „MeinVater war in einem islamischen Seminar erzogen worden, was ihn übrigens davor bewahrt hat, Mitglied der kommunistischen Partei zu werden. Wie viele V011 uns, mußte er ein Doppelleben führen. Dogmen waren unserer Familie fremd. Ich wurde nie zum Beten gczwungen. Sognr als Kind hat mich die autoritrire Art der Geistlicben gestfirt und ich konnte nicht verstehen, warum fast alle Religionen durch Gewalt verbreitet worden waren.“
Wie Frau Tsutskowa hat auch Buttajef zuerst in einer Zeitung vom Glauben gelesen. „Micb hat es sehr gepackt, daß das Bahiitum die Einheit aller Religionen anerkennt.“ 1994 hat er sich offiziell zum Bahá’í—Glauben bekannt, nachdem er in Moskau rcgelmdBig an den Zusammenkfinften teilgenonnnen hatte. Dort hat ihn die Vielfalt der Menschen beeindruckt, die aus wenigstens zwfilf verschiedenen Ländern OderVölkern kamen und die 21116 ohne Vorurteile zu sein scbienen, was in RuBland sehr 116tig ist, wie er meint.
jevgeny Balaguschkin, Professor mit einem Forsclmngsaufirag am Zentrum für die Philosophie von Kultur Lmd Religion an der Russischen Akademie der Wissenschaften, meint, daß neue Religionen eine Art Sündenbock für die sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geworden sind, denen sich das nach—sowjetische RuBland gegenübersieht. „Dadurch ist die Religion politisiert worden,“ sagt er. „Die Menschen sehen die Religion nicht als eine Quelle der kulturellen Bereicherung, der Erleuchtung, die die Menschen zusammentfihrt. Sie sehen sie als ein Werkzeug der P01itik.Was die Bahá’í anbetritTt, so ist ihre Einstellung sehr konstruktiv, sie sind gesetzestreu, helfen bei der Entwicklung der Gesellschaft, unterstützen die Ausweitung der bfirgerlichen Rechte, der Kreativitiit und des Woblstzmdes. Die Haltung der Bahá’í ist außerordentlich positiv, sie befiirworten eine Friedliche Einstellung gegenüber allen Russel] und allen Menschen in den Nachbarliindern. Es gibt keinerlei rituelle Abgrenzungen und kein Sektierertum.“
„1)iese Art von religiöser Bewegung könnte sehr wohl als Angelpunkt dienen, um den sicb Harmonie unter den Religionen sch;1tTenließe.Die Bahá’í haben die Rolle der Friedensstifter, sie pflegen den Dialog zwi
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g„ 1 "Wm
schen 2111 denen, die noch nicht eine gemeinsame Sprache gefunden haben.“
Buttajefist fest davon überzeugt, daß es in dchelt mehr Frieden und Harmonie geben muß. Er spricht sehr erregt find sorgenvoll über die schrecklichen Ereignisse im ehemaligen jugoslawien, über den Krieg in Tschetschenien und die Verfolgung der Bahá’í im Iran. Auch ist er beunrubigt über religiöse Keimpfe und fragt, warum Christen find Moslem sich untereinander nicht einigen können, obgleich sie doch an den gleichen Gott glaubenTrost finder er in den Bahá’í—Lehren über die Notwendigkeit von Einheit im Denken und Handeln. „Ein einzelner Mensch kann hier nichts erreichen.\X/ir müssen zusammenarbeiten,“ meint er.
Er glaubt, daß der Prozeß, eine gesellschaftliche Einheit zu errichten, im Wesen geistig ist. „Wir können nicht nur an Brot denken — das ist leer find sinnlos.Alles hingt davon ab, wie wir nls Menschen geistig entwickelt sind. Ich finde, duB ein Gebet eine vertikaleVerbindung zu Gott ist.\X/enn man betet, bekommt man aufdas eineAnwort, was einem am eigenen Verhalten die meisten Sorgen bereitet.“
Buttajef glaubt, daß cr Viel optimistischer geworden ist, seit er Bahá’í ist. „Meine ganze Lebensanschauung hat sich verändert.jetzt glaube ich, daß wir Probleme überwinden k61men.jetzt dreht man sich nicht mehr 1111 Kreise, weil man meint es gibt keinen Auswcg aus den Schwierigkeiten. Durch den Clauben bekommt man eine weisere Lebenssicht, man kann mit Problemen besser umgehen.Wenn ich michjetzt tiiglich durch Gebet und Lesen Gott zuwende, bin ich bei den taglichen Lebenskrisen objektiver — in der Familie, bei der Arbeit, in der Gemeinschaft. Es hat mir dabei geholfen, an mir selbst zu arbeiten. Ich legs mirjetzt Rechenschaft ab. ch weiß wohl, daß ich vom Ziel noch weir entfernt bin, aber das Bemfihen zeihlt. Ich sehe mir nun ehrliCher in die Augen.“
Zakir Buttajef, 47, Grafikkünstler aus Moskau, hat immer an Gott geglaubt, auch unter kommunistischer Herrschaft. So wie Frau Tsutskova hat er zum ersten Mal in der Zeitung von der Bahá’iReligion gelesen: „Mich hat die Tatsache begeistert, daß der Bahá’í-Glauben die Einheit aller Religionen anerkennt.“
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\gk:
Michail Gorbatschow fesselte und begeisterte sein Publikum mit seinen Gedanken
für eine globale Perestroika.
Preistréiger mit Prisident v.|.n.r.: M.Yunus, H. Sabet, M. Gorbatschow, E. Laszlo (Pri sident des Club of Budapest).
Neues Denken: Ausgezeichnet
Preise fUr Perestroika, Mikrokredite und Terra-Prinzip
Fraukjfilrr am Main. Ibr mvhr a/x [000 pmmmmren Anwcsmdm uwdm .\11'('/mil Corinnsrlmw, Prqf. Mohammad Yimm mid Husrlzmand
Saber am 25.]1mi 1997111 dvr anlgfilrrcr Pauls
leinlu mm (3/11!) quudaptstfi'ir 1']er innozariml
Lmmmgm [H Ioltrik und II'fi'rrsrlzqfrg(mlzlr.
Michail (lorbatschows historischc Leistungcn lmbcn nicht nur qucriinderungcn im chen der Menschen in der chcmaligcn Sochtunion gc‘fiihrt, wie dies anhand cinigcr Bcispiclc in dieser Ausgabc von ONE COUNRTY gcschildert wird (S. 6 H), sondern wcltweite Ilozcssc desWandcls cingclcirct. die (?orbatschow seit 1991 111itdcmAut1 bau V01] Netzwerken und bcdcutcndm Stiftungcn \Vciterhin Rjrdert. Scinc ncucn Initiativen Zielcn aufdic F(Srderung dcs Dialogs der Kulturen und die: Sclmfihng von Rahmcnbcdingungen für dic globalisicrtc Wirtschatt. l);1rf1ber hinaus ist cr aktiv bctciligt am Aufbnu eines demokratischen globalen Regierungswcscns (Global (?ovmnancc) sowie der Entwicklung cincr wcltumspanncndcn Sicherheitsstruktur. Für scichcrdicnste um die erste Pcrcstmiku wic die unumgiinglich vor uns licgcndc zwcitc globale
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lerestmika crhiclt Michai] Gorbatschow den dicsjiihrigen undoticrtcn lrcis für Planetarisches BcwuBtscin dcs Club of Budapest.
Gorbatschow forderte i1] seiner anschlielicndcn Dankesrcdc nach dcherleihung des "Planetary Consciousness World Leadership lrizc" cndlich don Mut zur Schaffimg einer UbCl'filmgCn Rahmcnordnung für die globalisiertc Wirtschaft. Olmc diese würde die Wirtschafi fast allc Errungenscluftcn der bisherigen Mcnschhcitsgcschichte aufzehren. Mir gcordnctcn sozialcn und (Skologischen Ra} mcnbcdingungml kiilmte das 21.];1hrhundert cinc Phase unmrstellbarcn Wohlergehens für dic gcsnmtc Mcnschheit \Verden.
"Man kann nur hotfen. daß seine Vorschlligc für cinc Aufivertung und umthssende Rctorm der UNO weite Wirkung zeigcn...l)ie Problems V(m heute sind nicht mit unlitlirischen Mitteln zu Ibsen, sondem mit \virtschaftlichen, sozialen und 6kologischen Ma1311;111111c‘11,fiir die uns in der UNO hcutc noch hnndlungsfähige Organe fehlen." sagtc Bundespriisidcnt 3D. Richard V011Wcizsiickcr in seiner Laudatio auf Gorbatschow,
Große Beachtung fimd die Rode von Lotlmr Spfith, der darlcgte, daß dem Machtverlust staatlichcr Entwicklungspolitik zunchmend ein Machtzuwachs neucr Aktcursgruppen gegenübersteht. Zum cincn sind dies Nichtregieruugsorganisationcn, deren Finanzkraftjedoch zu gering dimensionicrt ist. Zum anderen gibt es eine international agit Vigdis Finnbogadottir, ehemalige Prisidentin Islands bei der Preisverleihung an Huschmand Sabet.
Viel Prominenz verfolgte ein dreistflndiges anregendes Programm: v.|.n.r.:
Peter Ustinov, Ervin Laszlo, Petra Roth, Michail und Raissa Gorbatschow, Richard von Weizséicker
rcnchirtschafi mit Unternehmen, die finanzicll bctrachtet kleinen Volkswirtschnften glcichkommen und gleichzcitig in Industriewie Entwicklungsliindem verankert sind,wornus ihr Potential zur Problemlbsung resultiert.
"Gleichzeitig fiihrt die Globalisierung zu ticfgrcifltnden Umbriichen in den Gesellschaften der unterentwickelten Lander, dic weite Tcile der Bevölkerung marginalisiert und der nur wenig realistische sozialpolitischc Lösungsansétze entgegengehalten werden", sagte Spiith, der sowohl in der Grameen—Bank zur Vergabe von Mikrokrediten als auch im Terra—Prinzip, einer wettbewerbsneutralen Sozialabgabe zugunsten humanitfircr Projekte in den Entwicklungsländern geeignete Strate gien sieht, um den Teufelskrcis der Armut zu durchbrechen.
Im Wortlaut zitiert:
Dankesrede von H. Sabet:
"Die falschen Götter wie Rassismus, Nationalismus und fanatischer Fundamentalismus, um einige zu nennen, haben Entfremdung in den Köpfen und Herzen der Menschen bewirkt und zur Spaltung der Menscheit beigetragen.“
"Bis heute wird Entwicklungshilfe im wesentlichen als staatliche Aufgabe und als Aufgabe von wohlteitigen Organisationen angesehen. Die Wirtschaft, die im Zeitalter der Globalisierung die bedeutendste R0116 spielt, wurde in diese wichtige Aufgabe bisher nicht einbezogen."
Dankesrede von M. Yunus:
"Wohltaitigkeit lést das Problem von Armut nicht.Vielmehr erhiilt Wohlt'étigkeit die Armut aufrecht, da sie den Armen die Eigeninitiative raubt."
"Hatten wir daran geglaubt, daß Armut für uns inakzeptabel ist, daß sie nicht in eine zivilisierte Gesellschaft gehören sollte, bitten wir angemessene Institutionen und politischeVorgehensweisen entwickelt, um eine Welt frei von Armut zu schaffen."
Scite 13
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Vordenker und Mitstreiter
auf dem Weg zu einer globalen Perestroika: v.|.n.r.: Michail und Raissa Gorbatschow, Richard von Weizsficker
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Einem der Viter der Mikrokredite, dem Wirtschaftsprofcssor Muhannnad Yunus, der in Bangladesch die Gunncen—Bank nn jahr 1983 gegrfindct hat, wurdc der "Planetary
Consciousness Business Innovation Prizc" durch Riane Eislcr nus dcn USA überreicht.
In der letzenAusgabc von ONE COUNTRY (2/1997) wurde ausfiihrlich dariibcr berichtet. daß Mikrokrcdite Millionen von Men und vor nllcnl würdiges Leben zu fiilnen. Die Gramccn—Bank vergibt ausschließlich an Mittellose Kreditc und hat in mehr als der Hiilt-te aller D&Srfcr in Bangladesch Filialen. Der von Yunus 198‘) gcgriindetc Gramccn Trust sol] Erfahrnngcn ans Bangladesch auch anderen Ländern zugiinglich machen.Mittlcrweile gibt es in über 50 Ländern Mikrokrcditprojekte. Am Randc dcheranstaltung wurde bekannt, daß Priisidcnt Clinton V01" kurzcm MohammadYnnus éficntlich für den Friedensnobclpreis vorgcschlagcn hat.
Vigdis Finnbogadottier, die chemalige isllindischc lrdsidentin übergab dem Bahá’í I-Insclnnand Sabct, einen "Ilanctzny Consciousness Business Innovation Prize" für seine Vcrdicnste um die Einfiilnung einer branchenbezogenen und wcttbcwcrbsneutralen Sozialabgabe auf Importprodnkte. Er entwickelte das sogenanntc Tcrra—Prinzip, wonach cin komplettcr Wirtschaftszweig cincn prozentualen Antcil dcs Inlportwertes der Warcn ans Entwicklungsländern in einen Fonds einzahlt. Mit dicscn Mittcln wcrden dann Schul— und Ausbildungsprojckte finanzicrt, um die Lebensbedingnngen in den Herstcllcrländern zu vcrbcsscrn (Weiterfiihrcndc Literatur: Das Terra—lrinzip, Peter Spiegel, Horizonte Verlag Glan, ISBN 3-8948}()45—X).
schen dazu vcrholfcn lmben,ei11 selbstiindigcs
LEXIKON: CLUB OF BUDAPEST
Der Club of Budapest wurde offiziell im November 1993 gegrijndet und geht zurflck auf eine Idee von Aurelio Peccei, dem Grijnder und ersten Prisidenten des Club of Rome und Ervin Laszlo, Mitglied des Club of Rome und heutiger Prisident des Club of Budapest. Beide hielten die Schaffung einer Schwesterorganisation zum Club of Rome, in dem vorwiegend herausragende Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft Mitglied waren, fflr notwendig. Diese Vereinigung der "Kilnstler und Schriftsteller" sollte mit kUnstlerischem Einfflhlungsvermögen und Kreativitit ein Gegengewicht zu den vorwiegend von Rationalitfit gepréigten Diskussionen und Zielvorstellungen bilden.
Hauptanliegen des internationalen gemeinnfitzigen Vereines ist es, breite Bevölkerungsschichten durch gelebte Beispiele, Ziel- und Wertvorstellungen für eine menschlichere Welt, eine umwelt— und sozialvertrfigliche Lebensform sowie nachhaltiges Wirtschaften zu sensibilisieren.
DerVerein wird getragen von renommierten Ehrenmitgliedern aus Kunst, Kultur und Geistesleben wie z.B. Sir Peter Ustinov, Lord Yehudi Menuhin, S.H. der Dalai Lama,Tschingis Aitmatow, Elie Wiesel sowie durch "creative members", die sich durch innovative Projekte zur Lösung globaler Probleme hervorgetan haben. Heutiger Prisident des Clubs of Budapest ist Ervin Laszlo.
Adresse: The Club of Budapest Szenth-roms-g tEr 6 H-I0l4 Budapest, Ungarn Tel.: (36- l) | 75- | 885
E-mail: H290LAS@ELLA2.SZTAKI.HU
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Forrsetzmlg mm Scire I 6
gen betreffen, nicht für alle Staaten als bindend betrachtet werden müßtenAuch ein "Rat der Weisen", der die Generalversammlung beraten soll, findet sich im Forderungskatalog des Autors. Das klingt von der Terminologie her esoterisch, entspricht aber einem durchaus ohne Revision der UN—Charta realisierbaren Reformansatz zur Demokratisierung der Weltorganisation. So {ordert etwa die internationale World Federalist Movement, die derzeit wohl größte UN—Reformbewegung unter der Führung des Schauspielers und UNICEF—Botschafters Sir Peter Ustinov, schon seit langem die Einrichtung einer parlamentarischen Kammer derVereinten Nationen mit der Aufgabe, globale Problems unabhängig von der Perspektive nationaler
Interessenpolitik zu durchleuchtem
Wet in dem Buch "Das Neue Denken" nach originallen theoretischen Ansaltzen Oder neuen Konzepten sucht, wird allerdings enttiiuscht sein. Die Schrift présentiert in diesem Sinnne wenig Neues. Doch dies diirfte auch nicht in derAbsicht des Autors gelegen haben, der davon ausgeht, daß das entscheidende Welt—Problem das Problem der Umsetzung ist. Insofern sind seine meist behutsam alsVorschlaige formulierten Gedanken wohl am ehcsten als Wegmarken bei der als unabdingbar gesehenen Suche nach einer neuen Menschheitszivilisation zu beschreiben.
Dr. qua Brauer, Srcllvertretendr Vorxirzcnde des World Federalist Movement Germany e. V.
Neu: Tempura
Zeit für Veranderungen — so lautet das Motto des jetzt erstmals erschienenen Nachfolgers der „Bahá’í Briefe", einer vom Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland herausgegebenen Zeitschrift, die elementare lnhalte der Lehre Baha'u'llahs mit den konkreten Problemen und Néten unserer Zeit in Beziehung bringt. Ziel ist es, die Denkweisen und Perspektiven des Lesers hinsichtlich nléglicher Lösungen um einige weitere Ans'étze zu bereichern. Im Editorial der vorliegenden Ausgabe nimmt die Redaktion von vorne herein Abstand davon, ihreThemen vollständig und allumfassend diskutieren zu wollen. Auch vesteht sie sich nicht als Lieferant fertiger LösungsmodellcVielmehr möchte sie einfach neue Impulse einbringenuund den freien FluB von Gedanken Fdrdern. Über allem steht die Intention, einen Beitrag zur positiven Entwicklung der Menschheit zu leisten.
Um ihr Ziel möglichst konzentriert zu verfolgen, wählte das Redaktionsteam die Form einesThemenhefts — jede Ausgabe steht also von der ersten bis zur letzten Seite unter einem ganz bestimmten Motto. In der vorliegenden Ausgabe wird beispielsweise das Thema Rassismus aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, darunter wissenschaftlichen, global—politischen, sozial—wirtschaftlichen, ethisch—religiösen und ethnisch—kulturellen Perspektiven. In iihnlich geballter Form plant dasTeam auch ihre kfinftigenThemen zu bearbeiten — etwa „G10balisierung" und „Frauen". Der im aktuellen Heft zum Ausdruck kommende Facettenreichtum in der komprimierten Form einer 32—seitigen Zeitschrifi spricht jeden an, der sich mit wesentlichen Fragen unserer Zeit auseinandersetzen will.Tempora
file Vision von der
Einheit der Rassen Fin .S‘Inlmlml r1" „(Illa '1 r/Ir USA
Persönliche Entfaltun
und kultureller Forts: ritt Hzrmim Mu -n»Brrd]ix H15" die Willdrkudtfir Irultmtllr [intmdlng
Rasse — ein belasteter Begriff in neuem Licht
Craig Lathlt: zimmxzhufllzr/Ir wm rr/igiim Erlmrlmmgtn
erscheint zweimal jiihrlich und kostet DM 9,80 im Einzelbezug, beziehungsweise DM 35,— für ein Zweijahres—Abonnement (Vier Ausgaben).
Bezug: Bahá’í—Verlag Hofheim, Tel.: 06192/22921, Fax: 06192/992999.
Stcjfan Mumltlcr
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EMPFEHLUNG
Vision einer globalen Perestroika
Die immer intensiver gefijhrte Globalisierungsdebatte hat das Bewußtsein fijr die zunehmende Ohnmacht nationaler Politik geschzirft. Wurden bislang Konzeptionen für politische Integration auf globaler Ebene meist schlicht als abgehobeneWeltstaatentriiu MICHAIL
GORBATSCHOW
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Das Neue
Denken
Politik im Zeitalter der Globalisierung
Das Neue Denken Der Goldmann Verlag
ISBN 3-44212154-8
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merei vereinzelter Idealisten gebrandmarkt, mehren sich inzwischen immer unüberhérbarer auch in den Reihen der politischen Prominenz die Stimmen derer, die aufzuzeigen versuchen, daß das selbstverstzindliche Sich Einrichten 1m souverinen Nationalstaat im Zeitalter des globalen Dorfes ein ebenso naives wie lebensgeféhrliches Wunschdenken sci. Mit seinem Buch "Das Neue Denken" legt nun auch Michail Gorbatschow zusammen mit seinen BeraternVadim Sagladin und AnatoliTschernjajeonrscMiige Für eine "Politik 1m Zeitalter der Globalisierung" vor.
Mit Perestroika zerriB Gorbatschow Mitte der 8061 Jahre den eisernen Vorhang.]etzt ist es eine globale Perestroika, der er sich verschrieben hat — das "Neue Denken" 5011 helfen, die zersplitterte Menschheit zu einer zukunftsfiihigen Weltgemeinschaft zu leiten. Mit dem Buch wird nun auch ein theoretisches Fundament hierfiir entwickelt. "Die Menschheit muß globales Denken entwickeln — diese Forderung steht heute unabweisbar auf der Tagesordnung.", so die Grundüberzeugung des Autors, die das ganze Buch durchwirkt.
Gorbatschow will sich dabei nicht mit einer eingchenden Analyse der neuen globalen Herausforderungen aufhalten — er begniigt sich mit einem AbriB des Altbekannten. Die rasch voranschreitende Globalisierung habe eine "fortschreitende Internationalisierung" der Problems 111it sich gebracht, wie etwa die sich zunehmend der Kontrolle entziehenden Operationen auf den Finanzmzirkten, die schleichendeVerbreitung von Massenvernichtungsmitteln in einer Welt V011 verstreuter Konfljkte und sich ausbreitende 6kologische Katastrophen.
Da Cine Weltregierung bislang noch nicht realisierbar 561, so Gorbatschow, müsse man sich dem Ziel einer verliiBlichen Steuerung der weltweiten Prozesse eben Schritt fijr Schritt neihern. Hicrbei werden vor allem die Vereinten Nationen als ein geeigneter Rahmen angesehenAusgehend von der Préimisse, daß Sicherheit vielféltige Aspekte hat, schlägt Gorbatschow die Schaffung von mit wirklichen Befugnissen ausgestatteten UN— Organen unter anderem auch 1n den Bereichen Krisenpriivention Wirtschaft, Okologie und Terrorismusbekélmpfung V0r. Dabei sei auch zu überlegen, meint er, 0b Beschlfisse derVollversammlung, die lebenswichtige globale Fra Forrserzung mgt Scitc 15