One Country/1996 Nummer 2/Text

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Kommentar zu HABITAT 11: Die Probleme der Städte werden auf dem Lande gelöst


K01umbien:Lehrplanfur landliche Entwicklung überwindetArmut und Landflucht


FUNDAEC- Eine neue Generation von Hilfsorganisation


Grflndung eines >>Bahá’í’Frauen F0rums<<


Anteilscheine amAufbau eines Kleinkreditbanken—Systems


Kenia: Gesundheitshelferinnen vereindern soziales Klima

Rezension des Buches von Peter Spiegel >>DasTerraPrinzip<<



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Die Perspektive


Viele Probleme der Städte werdelg. auf


Lehren aus Habitat II in Instanbul: Funktionierende Gemeinwesen wurden zu keiner Zeit nur aus Ziegelsteinen, Mörtel und Patriotismus gebaut, sondern aus einer breiten Palette geistiger Qualitéten

rbanisierung wurde immer mit

Fortschritt assoziiert. Menschen,

die soziale, wirtschaftliche Oder kulturelle Entwicklung; vorantreiben wollten, strdmten zu allen Zeiten mit Vorliebe in die Städte. Bedeutende Institutionen der Religion, Politik und Wissenschaft finden sich daher in großstéidtischen Regionen. Kurz: Städte sind die „Brutk'2isten der Zivilisation“, wie die Agenda von Habitat II richtig vermerkte.

Gleichzeitig stecken heute menschliche SiedlungenjeglicherGröße in einer tiefen Krise. Insbesondere die größten unter ihnen sind inzwischen regelrecht Brutstéitten Für das Gegenteil von Zivilisation geworden, fürVerbrechen,Annut, Krankheit, soziale Entfremdung und Umweltverschmutzung.

Die Situation ist Vielerorts unertréiglich. Hinzu kommen Zuwanderungsprobleme, Verkehrsbelastung und der Verfall der Infrastrukturen. Alles dies addiert sich zu einem menschenunwürdigen Chaos in den Metropolen mit entsprechenden Begleiterscheinungen in den benachbarten wie in den entfernteren ländlichen Regionen.

Stadt und landliche Regionen In gleichem Mane in ganzheitliches Entwicklungskonzept einbezlehen

Die Hauptfrage, die die Konferenz derVereinten Nationen über menschliche Siedlungen (Habitat II) hätte beschiiftigen sol len, ist demzufolge: Wie schaffen wir zukunftsfélfigemenschlicheSiedlungssysteme?


Die einseitige Konzentration aufstczdtische Siedlungen verhinderte einen Ansatz, der weit und tief genug hiitte gehen können. Die Beitrfige dieser Ausgabe von One Country zeigen, daß die wesentlichsten Lösungen Für die Probleme der heutigen Megastéidte nicht in Stadtentwicklungsplinen zu finden sind, sondern in intelligenten Programmen zur ländlichen Entwicklung, und nicht in technologischen, sondern in ganzheitlichen kulturellen, wissenschaftlichen und ethischen Ansätzen.

Von einer technologischen zu einer kulturellen Entwicklung

Früher wurden Lösungen Für Urbanisierungsfragen vor allem unter technischen Gesichtspunkten betrachtet: effizientere Planung, neueste Transpontechnologien, Energieversorgung und die Bereitstellung übergreifender sozialer Einrichtungen. Immerhin: Die Habitat—II-Agenda verlagerte den Schwerpunkt auf sozio-kulturelle Lösungen und schlug vor, in „Partnerschaft“, an der alle gesellschaftlichen Ebenen beteiligt werden, menschliche Siedlungen zukunftsfähig zu gestalten. Und tatsiichlich wurde in Istanbul unübersehbar deutlich, daß die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und lokale Gemeindeverantwortliche diese Erfahrungsebenen inzwischen gewinnbringend einzubringen wissen. Doch bei a1lem Respekt: Das geniigt nicht.

Von der Entwicklungsgeschichte abgeleitet gelangen wir zu der These, daß die Grundlage zukunftsfähiger Gemeinwesen


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auf der Férderung von Einheit aufbaut. Einheit, was ist damit gemeint? Es geht um das Zusammenwirken sehr unterschiedlicher und spezialisierter Individuen für einen gemeinsamen Zweck. Dies setzt Wertschätzung von Vielfalt voraus, gekoppelt an einen gemeinsamen Sinn für Werte und Ziele.

Solcherart Einheit ermöglicht Zusammenarbeit und schafft damit die Voraussetzungen fijr menschliche Entwicklung. Mit einem Mehr an Einheit haben Stéimme, Städte und Nationen zu einer jeweils qualitativ höheren Form des Zusammenlebens gefunden. Die Geschichte hat jedoch auch gezeigt, daß die Zukunftsfähigkeit bedroht war, wenn der Schritt auf die nachste Entwicklungsstufe verfehlt wurde.

Diesem Paradigma zufolge ist die wirkliche Ursache urbaner Misere in den tieferliegenden Unstimmigkeiten der Gesellschaften zu suchen. KrasseArmut beispielsweise spiegelt das Unvermögen von uns Menschen wider, unseren gegenseitigen moralischen Verpflichtungen nachzukommen. Oder die Zerstbrung der natürlichen Umwelt: Hier ist es der Mangel an Verständnis Für die natürliche Einheit und gegenseitige Abhéingigkeit von Mensch und Natur. Die wirklich interessante Frage ist daher: Wie schaffen wir ein erweitertes Verständnis für wachsende Einheit innerhalb menschlicher Siedlungen? Wie überwinden wir die Verwerfungen zwischen Stadt und Land in Bezug auf die unteilbaren Kernfragen des Lebens von Umwelt über Wissenszugang bis sozialer Entwicklung?

Nun, der erste Schritt besteht darin zu verstehen, wohin die Evolution menschlicher Gemeinschaftsformen, wohin die Entwicklung zu immer höheren Formen V0n soziokultureller Einheit fijhren wird: zu einer globalen Gesellschaft. Diesen Prozeß muß der einzelne 2115 Vision zulassen und dann mit seinen regionalen wie globalen Nachbam kooperieren. Das Zusammenwachsen der Mérkte, der Kommunikationsnetze und sogar die globale Verbreitung kultureller Normen, etwa der allgemeinen Menschenrechte, sind ja léingst Realitfit! Die Regierungsdelegationen erzielten auf diesem Gebiet auch bei Habitat II wieder einen Fortschritt, indem sie das >>Recht aufWohnen<< zu einem Menschenrecht erklärten.

Ob es die Gesundheitssysteme,Arbeitsp1'2itze,Verfiigbarkeit von Nahrung Oder Um Das Ziel menschlicher Evolution erkennen: als Weltbfirger handeln


weltfragen betrifft: Alles hiingt inzwischen mindestens in gleichem Maße von Entscheidungen ab, die auf Méirkten und in Regierungszentren in Übersee getroffen werden, wie von den Maßnahmen bei uns zuhause. In der Welt von heute sind wir globale Nachbarn, und wir werden tragfähige Lösungen fijr unsere Probleme vor Ort nur noch finden können, wenn wir sie in ihrer globalen Vemetzung begreifen lernen.

' Gerechtigkeit ohne Einheit und Einheit ohne Gerechtigkeit ‘ sind nicht magllch

Ein weiteres Element, um der léingst vorhandenen Einheit der Menschheit bei unseren lokalen Handlungsstrategien gerecht zu werden, ist die Gerechtigkeit. Einheit und Gerechtigkeit sind wie zwei Seiten ein und derselben Medaille: Man kann keine wahre Einheit erreichen ohne Gerechtigkeit, und das grundlegende Verstfindnis von Gerechtigkeit basien auf dem Bewußtsein der Einheit. >>Der Zweck der Gerechtigkeit ist das Zustandekommen von Einheit unter den Menschen<<, schrieb Bahziu'lleih vor über einhundert Jahren.

In unseren Tagen bedeutet Gerechtigkeit, in größerem Maße Ressourcen, Wohlstand, Informationen und Technologien zu teilen, femer: alleAnstrengungen zu untemehmen, urn Bildung fur alle zu gewiihrleisten, die Menschenrechte zu realisieren, den Rassismus zu eliminieren und den Fortschritt der Frauen zu unterstützen.

In der Praxis liegt ein weiterer Schritt zum Erreichen echter Einheit darin, das Konzept des Weltbiirgenums zu férdem. Indem diese ethische Vision Eingang in die gesellschaftlichen Prozesse findet, können sich fortschrittliche und engagierte Biirger heranbilden, die sich Für das Wohlergehen ihrer Familien, ihrer Gemeinwesen unter Beachtun g des Wohls der gesamten Menschheit einsetzen.

Letztlich wird für die Schaffun g zukunftsfähiger menschlicher Siedlungssysterne auch ein größeres Eingehen auf die geistige Natur des Menschen vonnéten sein. In der Vergangenheit wurden Gemeinwesen nicht allein aus Ziegelsteinen und Mbrtel errichtet, sondern vor allem aus einer breiten Palette geistiger Qualitziten: der Bereitschaft, das Wohl der gesamten Gemeinschaft über egoistische Bediirfnisse zu setzen, ebenso wie Pflichtbewußtsein und moralische Disziplin.Nur wenn wir diese neichste Stufe menschlicher Einheit erreichen, werden wir die Probleme Ibsen. Dies gilt fur das kleinste Dorf wie Für die größte Metropole. CI


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C. A

Das Konferenz-Emblem der Habitat-lI-Konferenz, der Konferenz der Vereinten Nationen L'Iber menschliche Siedlungen

Die wesentlichsten Lösungen ftir die Probleme der heutigen Megasté'dte sind nicht in Stadtentwicklungsplé‘nen zu finden sind, sondern in intelligenten Programmen zur lé'nd lichen Entwicklung. _

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ywfi _/ _ a ,rh

Aufdem Campus der LandUniversitit in Puerto Tejada, einer kleinen Stadt in der Nihe von Cali, Kolumbien.

Lehrplan fiu Ifindliche Entwicklung überwindet Armut und stoppt Landflucht


Kolumbien

Ein neues Bildungssystem in Kolumbien namens SAT nimmt praktische Erfordernisse landlicher Entwicklung in Curricula auf und bildet Dorfbewohner zu Hilfs-Lehrern aus


iAMUNDI, Kolumbien — Der Schul" bezirk Nr. 034 beginnt etwas westlich der Pan-American-SchnellstraBe und 'éfstreckt sich bis zum Pazifik. Die Gegend hat reichlich Mineralvorkommen, guten Boden, Wasser im ÜberfluB und das ganze Jahr über ein geméBigtes Klima. Eigentlich könnte man meinen, hier wären alle Voraussetzungen fur Blüte und Wohlstand gegeben. Doch die Region ist nur spéirlich entwickelt und airmer als der Landes durchschnitt Kolumbiens.

Es handelt sich um einen von drei ländlichen Bezirken, die zum Verwaltungsbereich der Stadt Jamundi gehören. Er wird zum Teil von Nachkommen shemaliger Sklaven bewohnt, die mit ihren Farmen kaum genug zum Leben erwirtschaften und die sich als Gelegenheitsarbeiter bei der Kaffee- Oder Zuckerrohremte etwas dazuverdienen. Wie in vielen ländlichen Regionen Sfidamerikas hat - aufgrund besserer Lebenschancen in der Stadt — eine Landflucht eingesetzt.


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Das Problem hängt stark mit der Ausbildung zusammen. Zunachst einmal gibt es nicht genug weiterfljhrende Schulen in der Region, was eine gute Ausbildung filr viele unerreichbar macht - nur 50% der berechtigten Schuler besuchen tatsächlich eine weiterführende Schule. Schlimmer ist, daß selbst diejenigen, die die High School erfolgreich abschließen, kaum eine Chance auf einen passenden Arbeitsplatz haben und deswegen nach Jamundi, Oder nach Cali, der größten Stadt in der Region, abwandern. SchließliCh machen es die fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten schwierig, geniigend Lehrer zu finden und so zuséitzliche Plétze an weiterführenden Schulen anzubieten.

Doch die Einfiihrung eines neuen und innovativen Systems Für Schulbildung auf dem Land hat den Behérden neue Hoffnung gegeben, daß dieser Kreislauf durchbrochen werden kbnnte.

Das Programm wurde bekannt unter dem Begriff „System für tutorielles Lernen“ Oder „SAT“ (die spanischeAbkihzung für „Sistema deAprendizaje Tutorial“). „Tutorielles Lernen“ meint, daß in diesem System die Lernenden sehr frühzeitig schon als eine Art Hilfslehrer eingesetzt werden und ihr erworbenes Wissen wiederum weitergeben an andere Lemende in den Dijrfem.

Das „System Für tutorielles Lernen“ wurde vor Vier J ahren von DoraAliCia Otero in den Bezirk gebracht. Frau Otero ist eine tatkraftige junge Frau aus Cali, die erst kurz zuVor selber ein solches Programm absolviert hat. Der Lehrplan wurde vollstfindig auf die Anforderungen des Landlebens abgestimmt.

„Bis vor zwei Jahren war die Abbrecherquote nach der Grundschule sehr hoch“, berichtet Hortensia Elena Aguirre, Direktorin des Schulbezirks Nr. 034. „Die Gegend hier ist sehr arm, und die Schuler gehen ab, weil sie Arbeit finden mijssen.“

Doch in letzter Zeit sei die Abbrecherquote in Vlllacolombia, einer der kleinen Gemeinden des Bezirks, wo Dora Otero das SATProgramm anbietet, drastisch zurückgegangen. Von 25 Abgiingern der Grundschule hzitten sich letztes J ahr 20 für das Programm Dora Oteros gemeldet.

„Ohne SAT hätten sie die Gegend verlassen oder wijrden - wie die meisten anderen J ugendlichen - Kaffeebohnen emten,“ meint HortensiaAguirre. „Es ist die einzige Möglichkeit, weiterführende Schulen in diesen Gegenden zu betreiben.“ Der Stadtverwaltung geféillt das Programm so gut, daß


,. 5. z _,;’6\ M. sie Dora Otero dabei unterstfitzt, das Projekt auszuweiten, so daß SAT auch in den anderen lfindlichen Bezirken von J amundi angeboten werden kann.

Landesweiter Erfolg und Vorbild für andere Lander

Überall in Kolumbien zeigt das SATProjekt Vielversprechende Resultate. Entwickelt wurde es von der „Fundacion par laApplication y Ensenanza de las Ciencas“ (FUNDAEC), zu deutsch „Stiftung Für die Anwendung und Lehre der Wissenschaften“, einer privaten Stiftung aus Cali. Derzeit wird es in 13 der 30 Verwaltungsbezirke Kolumbiens angewandt und erreicht mehr als 15.000 Studenten. In Antioquia, dem größten Verwaltungsbezirk des Landes, hat die Regierung die Einführung des Programms in 60 Prozent der 124 ländlichen Stadtverwaltungen unterstfitzt. Sie wijnscht sich ein flaichendeckendes Angebot.

Das Programm hat sogar außerhalb des Landes Interesse geweckt. Ende Februar haben sieben Abgeordnete des Erziehungsministeriums von Honduras Kolumbien besucht, um mehr über das Projekt zu erfahren und festzustellen, 0b es auch in ihrem Land eingeführt werden kdnnte.

Neuer pédagogischer Ansatz: Lernen entlang

der Bediirfnisse des Landes

Was die Methode so erfolgreich macht, meinen Hortensia Aguirre und andere, ist nicht nur, daß der Lehrplan ganz speziell fiir Schüler aus landlichen Gebieten zugeschnitten ist. Es ist auch die Art der Wissensvermittlung. Speziell ausgebildete Lehrkräfte vermitteln den Stoff anhand interaktiver Arbeitsbiicher. Die Lehrkräfte kommen heiufig selbst aus landlichen


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Dora Alica Otero, lnitiatorin eines SAT-Programms fijr tutorielles Lernen in dem Ort Villacolombia, beim Überqueren

einer belebten Straße in jamundi.

Die Behérden seaen große Hoffnungen in das System des tutoriellen Lernens, das mit Hilfs-Lehrern arbeitet. Es soll verhindern, daß die Menschen aus der Region in die Stadt abwandern.

_

»Es ist ein wirklich revolutiona Tes Erziehungsprogramm, das an die Verhé'ltnis5e auf dem Lande angepaflt ist und das VVissen vermittelt, das die Leute dart brauchen - freilich ohne sich nur auf

' dieses VVissen zu

beschrzinken. james D. Mitchell, Direktor der Fundacién Communidad El Camino



[Seite 6]»Das traditione/Ie Schulsystem in Lateinamerika orientiert sich weitgehend an den Sté'dten. [ugendliche, die weiterftihrende Schulen abschließen, haben ganz einfach nicht die Fertigkeiten, um sich auf dem Lande zu rechtzufinden. Gusta vo Correa, Direktor van FUNDA EC

Eine typische SAT-Klasse trifft sich in Puerto Tejada.

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Gegenden und passen sich zeitlich den Bedürfnissen ihrer Schüler an.

Insgesamt stellt das Programm einen völlig neuenAnsatz fijr dieAusbildung auf dem Lande dar - und damit auch zur Lösung der Probleme im dérflichen Leben Kolumbiens.

„Wie bei den meisten FUNDAECProjekten war die zentrale Idee bei der Entwicklung des SAT—Programms, daß das traditionelle Schulsystem nicht Für Dorfkinder geeignet ist“, sagt Gustavo Correa, der Direktor von FUNDAEC und einer der maßgeblichen Autoren. „Das traditionelle Schulsystem in Lateinamerika orientiert sich weitgehend an den Städten. Jugendliche, die die weiterführende Schule abschließen, haben ganz einfach nicht die Fertigkeiten, um sich auf dem Lande zurechtzufinden.“

Anstatt einfach ein paar liindliche Fertigkeiten wie Tierhaltung oder Bodenchemie zum traditionellen stfidtischen Lehrplan hinzuzufügen - dieser befaßt sich meist sehr theoretisch mit Mathematik, Literatur und Wissenschaft -, hat FUNDAEC den SATLehrplan vollstfindig neu geschrieben.

Dabei wird versucht, verschiedene Fécher wie Biologie, Mathematik und Gemeinschaftskunde nicht getrennt, sondern kombiniert zu unterrichten. Beispielsweise wird mit der Fortpflanzung von Insekten (Biologic) auch das exponentielle Wachstum (Mathematik) der Population behandelt, und zwar unter den richtigen 6k0—sozialen Bedingungen (Gemeinschaftskunde und Okologie).

Zusatzlich enthält der Lehrplan eine starke moralische Komponente. Einige der Gründer von FUNDAEC sind Bahá’í, und

Bahá’í—Prinzipien sind Bestandteil von SAT. So beruht der Lehrplan auf dem wichtigen Prinzip des Dienstes an der Gemeinschaft. Auch die Bedeutung moralischer Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauenswijrdigkeit und Verantwortungsbewußtsein werden betont, außerdem grundlegende (Skologische Prinzipien.

Auswirkung des SAT-Programms auf die Entwicklung in der Region and im Lande



Das Ergebnis ist ein Lehrplan, der die Schüler zum Handeln anregen 3011.

„ES ist ein wirklich revolutionfires Erziehungsprogramm“, sagt James D. Mitchell, Direktor der Fundacién Communidad El Camino, einer énlichen gemeinmitzigen Organisation in der Néihe von Velez im Departement von Santander, die sich fur die Entwicklung léindlicher Gebiete einsetzt. „Ich habe in der Literatur nichts gefunden, was auch nur annéihemd mit dem SAT-Programm vergleichbar ware. Es ist einAusbildungsprogramm, das von Grund auf Für die Landbevblkerung entwickelt worden ist. Und es ist sicherlich ein Programm, das an die Verhältnisse auf dem Lande angepaßt ist und das Wissen vermittelt, das die Leute dort brauchen - freilich ohne sich nur auf dieses Wissen zu beschréinken.“

Die El-Camino Stiftung ist eine von mehr als 20 gemeinnfitzigen Organisationen in Kolumbien, die das SAT—Programm in Lizenz von FUNDAEC anbieten. Bruder Mitchell, ein katholischer Priester, hatte von dem SAT—Programm vor sechs Jah



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ren zum ersten Mal gehört. Inzwischen ist er verantwortlich fijr rund 620 Studenten in Santander, aufgeteilt in 32 Gruppen.

„Ich habe fast mein ganzes Leben mit jungen Menschen gearbeitet, und ich habe nie zuvor eine Gruppe junger Schüler vom Land so voller Energie gesehen“, erzählt er. „Das Programm macht sie so aktiv. Sie sind unternehmungslustig. Sie haben keine Angst davor, offen ihre Meinung zu sagen. Es ist nicht bloß ein Ausbildungsprogramm, isoliert vom Rest der Welt. Es ist Teil eines ganzen Entwicklungsprozesses.“

Absolventen des SAT—Programms haben in derTat ein umfassendes Wissen über Landwirtschaft, Tierzucht, Bodenchemie und anderes, iiblicherweise mit landlichen Berufen assoziiertes Wissen. Aber sie haben auch gelernt, wie man Kleinunternehmen gründet oder sich an der Entwicklung der Gemeinde beteiligt.

Schüler werden Lehrer I and unterrichten ihre Heimatdérfer

Die Entwicklung der Gemeinden wird nicht zuletzt durch die konzentrierte, aber organischeAusweitung des Programms gefbrdert. Da es sich bei dem Programm um ein Tutoriensystem handelt, basierend auf einer Reihe von Lehrbiichem anstelle eines offenen Lehrplanes, der durch den Lehrer ausgestaltet werden muß, kann bereits jemand mit einer Schulbildung, die unseremAbitur Oder Fachabitur entspricht, plus ein paar ergainzenden Kursen Tutor werden. Nicht selten sind esAbsolventen des SAT—Programms, die unmittelbar danach SAT—Tutoren werden.

So können alsoAbsolventen mit einigen zuséitzlichenAusbildungsprogrammen eigene SAT—Programme gründen, voaugsweise in ihren eigenen Gemeinden.Auf diese Weise erzeugt das Programm selbst Beschäftigungsmöglichkeiten, indem SAT—Absolventen ihre eigenen Bildungsinstitute gründen. Das Programm bietet damit die Chance, schnell viele Lehrer bereitzustellen, und es produziert Lehrkräfte, die von sich aus geneigt sind, in landlichen Gegenden zu bleiben.

Der positive Einfluß des Programms auf den EntwicklungsprozeB sei einer der Gründe dafür, daß der Bundesstaat Antioquia SAT in allen lfindlichen Verwaltungsbezirken einführen wolle, sagt Clare Monica Zapata J aramillo, die ehemalige Direktorin der Abteilung „Formale Ausbildung“ in Antioquia und jetzt in der Staat lichen Ausbildungsabteilung téing.

„Wenn die Studenten fertig sind, können sie kleine landwirtschaft]ich-industrielle Unternehmen fijhren. Durch die Ausbildung haben sie genügend technisches Wissen.“ ,

Zuséitzlich stärke das Pro- ' gramm, indem es die breite Beteiligung in den Gemeinden betone, „den Prozeß der Partizipation und der kulturellen Identitéit der Gemeinden, in denen es angeboten wird.“

Behérden, die das Programm im Schulbezirk Nr. 034 überwachen, sind ähnlich angetan.

„In Villacolombia besetzen viele Absolventen des SAT—Programms heute 6ffentliche Schlfisselpositionen in der Gemeinde“, berichtet Hortensia Aguirre. „Sie arbeiten jetzt in der Telekommunikation, den tiffentlichen Bibliotheken, der 6rtlichen Apotheke Oder dem Kinderkrippen-Programm.“ Für diese Art von Posi tionen mußte die Verwaltung in der Vergangenheit Leute von außerhalb der Gemeinde suchen — oft eine schwierige Aufgabe.

„AufdieseAI’t undWeise schafft SAT auch Abhilfe für das Problem der Landflucht ‘, fahlt Hortensia Aguirre fort. „Denn es gibt Studenten aus ländlichen Gebieten das Werkzeug an die Hand, ihre eigenen kleinen Betriebe in ihren eigenen Gemeinden zu grijnden. Sie kijnnen daher ihren Lebensunterhalt in ihrer Heimat verdienen.“

SchließIich komme man dahin, daß sich die Gemeinden selbst organisieren kbnnten. „Die Zeit wird kommen, in der die Stadtverwaltung von J amundi Für die Führungsaufgaben keine F achleute mehr von außerhalb suChen muß, sondern diese Positionen durch Gemeindemitglieder besetzt werden kijnnen.“

Diese neuen Einsichten breiten sich nach und nach im ganzen Bezirk aus, indem die Studenten ihre neuen Werte an andere weitergeben.

„SAT ist deshalb so sinnvoll, weil hier die Studenten lernen, bewußter in ihren eigenen Gemeinden zu leben“, weiß Héder Carabali, J amundis Stadtsekretéir für Erziehung. „Und dieses Gefijhl, daß es wichtig ist, in der Gemeinde zu bleiben, hat sich übertragen auf andere Gemeinden, auf Familienangehérige und auf Nachbarn, mit denen die Studenten in Kontakt stehen.“ CI


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Héder Carabali, der Bezirksstaatssekrethr für Erziehung, unterstützte die Einführung des SAT-Programms in den liandlichen Regionen Kolumbiens.

»$A T schafft Abhilfe fiir das Problem der Landflucht. Denn es gibt Studenten aus lindlichen Gebieten das Werkzeug an die Hand, ihre eigenen kleinen Betriebe in ihren eigenen Gemeinden zu grtinden. Sie können daher ihren Lebensunterhalt in ihrer Heimat

verdienen.Hortensia A guire _


[Seite 8]Fartsetzung zur TITELSTORY »Lehrp/an für léindliche Entwicklung überwindet Armut und stoppt Landflucht Eine Futtermittelproduktionsanlage im Rahmen der landwirtschaftlichen Ausbildungsbetriebe der FUNDAECStiftung.







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FUNDAEC - Innovgtives Konzept fiu angepaflte Entwicklung von unten

Eine »Universität fUr Iéndliches Wissen« steht im Zentrum eines umfassenden léndlichen Entwicklungskonzeptes

_ ali, Kolumbien. — Die besten Ein

' 74 faille haben 0ftmalsAußenstehende.

“ LI! Denn sie sind nicht betriebsblind

und fijhlen sich frei, neue Wege auszuprobieren.

Der Erfolg der SAT—Initiative scheint diese These zu bestatigen. Die Vater von SAT sind weder ausgebildete Erzieher noch Entwicklungshelfer, sondern eine kleine Gruppe von Professoren der UniversitfitValle: zwei Physiker, ein Mathematiker, ein Biologe und ein Arzt.

Im J ahr 1974 griindeten sie die Stiftung FUNDAEC. Die Gründer waren besorgt über dieAuswirkungen der Industrialisierung und Modemisierung auf die kolumbianische Landbevélkerung. Ihr Ziel war es, nach altemativen Wegen zu suchen,

um die Entwicklung der Region zu fördern.

„Der Wirtschaftstrend zeigte zwar einen Aufschwung an, aber Für die Lebensbedingungen der armeren Menschen zeichnete sich keine Verbesserung ab“, sagt Gustavo Correa, ehemaliger Mathematikprofessor und Gründungsmitglied von FUNDAEC.

Obwohl Stadtgebiete wie Cali tatsachlich aufblljhten, waren die Bauem gezwungen ihr Land an Zucker- und Kaffeefabriken zu verkaufen. Dadurch hatten sie zwar kurzfristig Geld, aber das Ergebnis war verheerend, berichtet Correa, der heutige Direktor von FUNDAEC: Aus unabhängigen Kleinbauern wurden abheingige Vertragsarbeiter, die den Schwankungen


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des internationalen Marktes unterworfen waren.

I Zugang zu Wissen als Schliissel

„FUNDAEC basiert auf dem Bedijrfnis nach einem neuartigen Konzept der Entwicklungshilfe. Es sol] durch die Bevölkerung selbst und ihre Erfahrungen im täglichen Leben getragen werden. Es kommt darauf an, wie die Bauem ihr Land tatsächlich bewirtschaften - man darf sich nicht an Saatgutversuchen in Treibhausem orientieren. Die Bediirfnisse der léndlichen Bevölkerung sind entscheidend“, meint Correa.

„Wir erkannten, daß wir den Menschen den Zugang zu Wissen ermöglichen müssen, um sie wirklich einbeziehen zu können. Ohne dieses Fachwissen kann man zwar Besprechungen abhalten, aber ohne effektive und aktive Teilnahme der Betroffenen. Die Menschen verstehen sonst nicht, um was es geht. Außerdem ist fachspezifisches Know-how die Voraussetzung, um neue Strategien entwickeln zu können, die f Lir die jeweiligen Situationen anwendbar sind. Konzepte eben, die sich innerhalb der kulturellen und technologischen Schranken bewähren, die es am Anfang jeder Fortentwicklung gibt“, sagt der FUNDAEC-Direktor.

Die Stiftung wandte sich zuniichst der


und derAusarbeitung neuer Ideen mit einbezogen werden. Gleichzeitig wollte man positive Werte vermitteln, um s0 ein Gegengewicht zur sozialen Desintegration der Landbevélkerung zu schaffen.

„Hier geht es um eine Einrichtung, in der die Menschen zusammenkommen, um Lösungsansätze fijr die Probleme des Landlebens auszutauschen“, so Correa. Al Unterrichtsmethode wéihlte man das SAT—Programm - eben die Art von Wissensvermittlung, die den Grundern von FUNDAEC fur ihre Universitfit vorschwebte.

Der entstandene Ausbildungsweg ist ortsunabhängig. So fand er im Laufe der Jahre und der Entwicklung der Land ( F ortsetzung auf S cite 12)

lm Rahmen des KleinkrediteProgramms erwarb diese stolze Dorfbewohnerin eine Kuh. Den Kredit konnte sie aus den Ertrigen des Milch verkaufs schnell zurückzahlen.

Weit wichtiger als das Geld war für sie jedoch das Vertrauen, das sie verspfirte. lhr Selbstwertgeflihl steigerte sich schlagartig, so daß sie nicht nur ihr kleines Geschfift, sondern auch ihre anderen Titigkeiten mit viel mehr Mut und Freude erledigt.

ORGANISA TIONSSTRUKTUR VON »SAT((

regionale oder |oka|e INSTITUTION

KOORDINATIONSTEAM

(interdiszipiinér)

FUNDAEC

- bildet Tutoren aus

- betreut das Koordinationsteam

- koordiniert den EvaluierungsprozeB

— systematisiert den globalen Prozeß und fördert seine soziale Integration

- erstellt und aktualisiert die Schulungsbficher

- begleitet den LernprozeB

Die regionale Oder lokale INSTITUTION

— finanziert das Programm in der Region

- verwaltet und koordiniert die organisatorischen und pédagogischen Aktivitéiten

- entwickelt Strategien fijr die offizielle Anerkennung des Programms

Grfindun g einer Landwinschaftshochschule zu. Gedacht war an einen neuen Bildungsweg, durch den wissenschaftliche Kenntnisse Für die besondere léindlische Situation Lateinamerikas erprobt und vermittelt würden.

Die Bauem sollten bei der Sammlung



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FUNDAEC - Fundacién para la Aplicaclén y Enseiianza de las

Cienclas

FUNDAEC ist eine Stiftung fur Anwendung und Lehre der Wissenschaften mit Sitz in Kolumbien. Sie wurde 1974 von einer Gruppe von Wissenschaftlem und Spezialisten gegrijndet. Sie versuchten, eine adéiquate Rolle von Wissenschaft,Techn010gie und Ausbildung in der Entwicklung der ländlichen Rfiume zu finden. Die Konzeptionen der Gründer yon FUNDAEC wurzeln in der Überzeugung, daß ein bedeutender Beitrag zur Gesellschaftsentwicklung die Existenz von Einrichtungen und Strukturen voraussetzt.Also muß man sie errichten. Diese Institutionen sollen die Bevölkerung, die auf der Suche nach und auf dem Weg zu ihrer eigenen Entwicklung ist, begleiten. FUNDAEC hatte sich deshalb die Aufgabe gestellt, eine Serie von Lernprozessen innerhalb der Bevölkerung einer Region in Gang zu setzen, in der Hoffnung, daß die sich herausbildenden Erkenntnisse die notwendigen Krafte erzeugen, um den entgegengesetzten Kreiften sozialer Desintegration zu widerstehen und schrittweise positive Veränderungen hervorzurufen. FUNDAEC, die héiufig alsLand-Universitiit oder Landwirtschaftshochschule bezeichnet Wird, hat eineAusbildungsstrategie entwikkelt, die das sogenannte „Sistema de Aprendizaje Tutorial - SAT“ verwendet. In diesem System werden Tutoren als Hilfs—Lehrer ausgebildet.

Aus der Arbeit der Gründer von FUNDAEC sind solide Projekte entstanden, die sich im Laufe der Zeit als selbstragende Organisationen entfaltet haben. Das gebildete Netzwerk von Organisationen ermöglicht eine konzertierte Zusammenarbeit, durch die eine höhere Effizienz bei derAusführung der Projekte erreicht wird (siehe Artikel S. 4 Imd S. 8). Dabei übernimmt jede Organitation die Aufgaben innerhalb ihres Kompetenzbereichs. Einige der wesentlichen Organisationen des Netzwerks werden im folgenden kurz beschrieben.

CUBR - Centre Universitario de Bienestar Rural

CUBR leitet das Universitfitsprogramm zur professionellenAusbildung von Lehrem fijr léindliche Gebiete. Durch den beschleunigten




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LEXIKON FUNDAEC

Konzeptionen und Aktionsfelder


VerbreitungsprozeB des SAT entstehen neue Anforderungen: um die Qualitfit zu erhalten und das System fortzuentwickeln, werden insbesondere SAT—Tutoren ausgebildet. Darüber hinaus werden die erforderlichen Mechanismen entwickelt, die den Universitätsabsolventen befähigen sollen, eigene Projekte - wie beispielweise im Rahmen der Arbeit mit einer Nicht-Regierungsorganisation - erfolgreich auszuführen und Kredite zu verwalten. Diese Erfahrungen können sie wzihrend ihres Arbeitslebens an Tausende ihrer Schüler weitergeben.

FIDAR - Fundacién para Investigacién y Desarrollo de la Agroindustria

Die Stiftung FIDAR ist das Ergebnis des wertvollen Wissens, das bei der Erforschung der technologisehen Prozesse entstanden ist, die mit dem Aufbau landwirtschaftlicher Betriebe verbunden sind. Diese Prozesse bilden die Grundlage für die Stérkung der Landwirtschaft. Daraus wurde ein liindliches agroindustrielles Produktionszentrum (CEPAIR) mit vier Nahrungsmittel- und Verarbeitungsunternehmen entwickelt, das als Demonstrations- und Trainingszentrum dient.

Fundacién RUHI

Fundacién RUHI ist eine Ausbildungsinstitution mit dem Ziel, die Entwicklung von Menschen zu férdem, die sich dem geistigen, sozialen und kulturellen Fortschritt der kolumbianischen Bevdlkerung Widmen. Ihre Hauptbereiche sind: Kindergarten und Grundschulen, integrale Ausbildung von Jugendlichen, ékologische Jugend-Camps und ein Internat für Studenten der Land-Universität.


Entwicklung eines formalen Ausbildungssystems '

Mehr als ein Jahrzehnt sorgfeiltig betreuter und ausgewerteter Ausbildung (nicht-traditionelle Untersu


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Chung von Ausbildungssystemen) der landlichen Jugend haben FUNDAEC ein neues Verständnis vonAusbildung entwickeln lassen. Diese Ausbildung erfüllt beide Anforderungen: DieAbsolventen beteiligen sich einerseits aktiv an denAngelegenheiten der Gemeinde und sie erfijllen andererseits die geforderten intellektuellen Leistungen. Das entsprechende Programm strebt an, einen aktiven Mitarbeiter fijr das léindliche Wohlergehen heranzubilden mit dem dafür konzipierten System: „Sistema de Aprendizaje Tutorial, SAT“.

Suche nach alternativen Produktlonssystemen für kleine Farmen

Der offensichtlichste Erfolg dieser Lemprozesse ist die Entwicklung geeigneter Produktions— und Technologiesysteme Für die nérdliche Region von Cauca geworden. Seine Bedeutung liegt ferner in der Entwicklung eines Konzepts und einer Arbeitsmethodik, die allmählich von anderen Regionen Übernommen werden.

Landwirtschaftllche Produktion in Kleinbetrieben fiu Gruppen und Familien, dle über wenig Land verfiigen, sowie Férderung and Organisation von Gruppenaktionen

Das Ziel dieses Lernprozesses ist, eine auf S olidaritizt basierende Produktion in kleinen Gruppen zu entwickeln. Auf dieser Grundlage können sie in technischen Aspekten und Management von Projekten und Krediten praktisch ausgebildet werden.Am Anfang der Projekte wird darauf abgezielt, die menschlichen Werte, die fijr das Funktionieren der Gruppe und der Projekte notwendig sind, zu stärken.

Errichtung and Stan von Kleinuntemehmen far Gemeindedienst und -unterstiitzung

Ein wichtiges Ergebnis dieses Prozesses ist die Errichtung eines Zentrums fijr lindliche Unternehmen mit Namen CEPAIR, das Kleinunternehmen bei ihrer Gründung und Entwicklung unterstijtzt.

Errichtung eines Dorfbankensystems fur Mikrokreditvergabe Es werden Strukturen eines Dorf bankensystems aufgebaut, durch das die Gemeindemitglieder einen eige


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nen Gemeindefonds schaffen und selbst verwalten, um damit die finanziellen Bedingungen zu verbessem.

Andere Lemprozesse Kanéile für den Informationsflufi; Entscheidungsfindungsprozesse, usw.

SAT- Sistema de _

SAT ist das Programm, das aus FUNDAECS Forschungsaktivitiiten zur Entwicklung von Inhalten und Methoden Für eine geeignete landliche Ausbildung hervorgegangen ist und unterschiedliche Stufen und Modalitfiten beinhaltet: von der Sekundarstufe bis zur Universitfit, sowohl formale als auch nicht-formale Ausbildung Für die Landbevfilkerung, für junge Frauen und Männer gleichermaßen. Folgende Ausbildungsstufen

werden von SAT unabhängig von festen Schulgebéuden angeboten:



Die Stufe des Promotors für landliches Wohlergehen schließt 27 Instruktionseinheiten ein, dauert zwischen 12 und 18 Monaten und ist staatlich anerkannt als gleichwertig zum dritten J ahr der weiterführenden Schule.

Die Stufe von Praktikern Für landliches Wohlergehen verschafft den landlichen J ugendlichen spezialisierte Produktionsfähigkeiten und vermittelt einige alternative Produktionsverfahren für kleine Farmer.

Ein F achabsolvent fijr landliches Wohlergehen bereitet die landliche J ugend darauf vor, die Einrichtung von lokalen Institutionen, die einen höheren Wissenstand erfordern, zu unterstützen und daran teilzunehmen. Man hofft, daß die graduierten Absolventen das soziale Umfeld schaffen können, das erforderlich ist, um Interaktion und Zusammenarbeit mit privaten und (iffentlichen Institutionen der Region zu verbessern. Die SAT-Tutoren werden auf einer weiteren Stufe so ausgebildet, daß sie andere Schülergruppen durch die drei


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LEXIKON

erwfihnten Ebenen fijhren können.

Bei SAT bedeutetAusbildung das Entfalten der Fähigkeiten, die es einem jungen Menschen ermöglichen, wirksam zum Haushalt der Fgmilie beizutragen wie auCh zu den Anderungsprozessen, die zur Entwicklung des Orts in Gang gebracht werden müssen.

Der Lehrplan ist weniger nach Disziplinen als nach Fähigkeiten gegliedert, die erworben werden sollen:

LEHRPLAN - FAHIGKEITEN


Das Lemsystem durch Tutorium - SAT kann wie auf Seite 9 dargestellt veranschaulicht werden.

SAT als System besteht dann aus ffinf Hauptelementen: die Schulergruppen (SAT-Gruppen genannt), die Tutoren, die Textbiicher (Studiumseinheiten), die Koordinationsteams und die SAT-Administration, die gemfiB einer Kooperationsvereinbarung zwischen FUNDAEC und der regionalen Oder lokalen Institution ausgeführt wird. Alle Elemente haben klar definierte Funktionen und Aufgaben. Der EvaluierungsprozeB begleitet das Programm als grundlegender Bestandteil, durch den alle praktisch gewonnenen Erfahrungen in die Fortentwicklung des Systems einfließen.

Zur Zeit gibt es etwa 450 ausgebildete Tutoren, die mit ca. 15000 Schülern arbeiten. Das bereits aufgebaute Netzwerk reicht auch in unzugéingliche indianische Regionen, in denen es bisher keine Schulen gab.


Viele der Anstrengungen von FUNDAEC sind verbunden mit dem Konzept der Integration - in der Entwicklung, in der Ausbildung und in der Lehrplangestaltung - ein Prozeß, in dem wesentliche Elemente des Wissens zuAusbildungsprogrammen mit einem klar bestimmten sozialen Ziel verschmolzen werden.

Die tatsächliche Herausfordemng






an den Prozeß der Lehrplanentwicklung ist nicht so sehr das Verschmelzen derWissensbereiche. Es ist Vielmehr die Integration von materiellen und geistigen Elementen in sin Wissenssystem, das es einzelnen und ganzen Bevölkerungen ermöglicht, zur Schaffung einer neuen Sozialordnung beizutragen. Die geistige Realitzit wird in diesem Zusammenhang als ein Befinden und innerer Zustand behandelt, der sich in Taten, in den täglichen Entscheidungen, im tiefen Verständnis der menschlichen Natur und im Beitrag zum Gemeindeleben ausdrückt.

Im Fall des Lehrplanes zurAusbildung von Mitarbeitern für landliches Wohlergehen hat das im Programm explizite soziale Ziel - den Dienst an der Gesellschaft —, auch dabei geholfen, eine andere Herausforderung der Integration zu Ibsen: Indem es die tibliche Trennung zwischen theoretischem und praktischem Wissen aufgehoben hat, war es erfolgreich, die speziellen Begabungen und Fiihigkeiten der Schüler zu entfalten, mit abstrakten Konzepten umzugehen.



























Eine besondere Leistung der Textbiicher von FUNDAEC ist ihre Fähigkeit, das Interesse der Schüler zu wecken und zu erhalten. So werden zum Beispiel konkrete und abstrakte Kenntnisse gleichzeitig erworben. Ein Beispiel: parallel zur Hijhneraufzucht wird die Physiologic der Tiere studiert.

Die Land-Universität verfolgt ihre Ziele in dem Bewußtsein, daß alle Prozesse lfindlichen Lebens - Produktion, einfache Konstruktion und Reparaturen, Velmarktung, die Entwicklung der menschlichen Ressourcen, Sozialisation, InformationsfluB,Anpassung und Verbesserung von Technologien, Gesundheitsvorsorge und Hygiene, und die Entscheidungsfindung - Strukturen benötigen, die mit den Stmkturen des politischen, sozialen, 6konomischen und kulturellen Lebens einer sich gleichzeitig entwickelnden globalvertraglichen neuen Weltordnung in Beziehung stehen.

Kontaktadrme

FUNDAEC c/o Salvador Rivas

Báblinger Str. 562, 70569 Stuttgart, Deutschland Tel.: _ 49-711-685 7559, -678 8289, Email: sr@iers1.energietechnik.uni—stuttgartde


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»Die Menschen haben die jahrelangen Lugen satt. Wenn man ihnen auch nur eine Lflge erzihlt, ist alles verloren - die Gemeinde wird nie wieder Vertrauen finden. Wenn man dagegen einhält, was man verspricht, dann unterstijtzen uns die

Leute. Dora Otero, eine SAT-Absolventin

Die Teilnehmer an den dfirflichen Entwicklungsprojekten schließen sich zu Solidaritfitsgemeinschaften zusammen, um zusammen zu beraten, welche Aufgaben sinnvollerweise gemeinschaftIich organisiert und durchgefijhrt werden.


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( F ()rtsetzung von Seite 9) winschaftshochschule in unterschiedlichen Unterrichtsgebäuden statt. Heute unterhält beispielsweise das „Zentrum fUr laindliches Wohlergehen“ (Centre Universitarion Bienestar Rural) einen kleinen Campus in Puerto Tejada, einer kleinen Stadt rund dreiBig Kilometer sijdlich von Cali. Außerdem gibt as an zwei weiteren Orten Kursprogramme mit über 460 Studenten.

Die Regierung hat FUNDAEC erméichtigt, einen Abschluß fijr „Agrar Erziehung“ zu verleihen. Das Abschlußprogramm an der Hochschule und das SATProgramm sind hierbei eng miteinander verknijpft: nur Absolventen des FUNDAEC—Programmes dürfen Studienleiter Für das SAT—Programm ausbilden.

Die Absolventin Dora Otero

Einen solchenAbschluß hat DoraAlicia Oter0.Als frischgebackeneAbsolventin der Universität konnte sie das SAT—Programm weitertragen: Sie führte es im 34. Distrikt von J amundi ein. Ihren Erfolg als berufstzitige Frau in dieser Umgebung schreibt sie den SAT—Lehrmethoden zu. Danach ist stets der Dienst an der Gemeinde vorrangig. Folglich sollen die Studenten in ihren eigenen Gemeinden mit gutem Beispiel vorangehen.

„Hier habe ich als Frau die Ausbildung erhalten, die mir viel Selbstvertrauen gibt“, sagt sie. Nun baut sie eine kleine NGO auf, das das SAT—Programm im Bezirk von J amundi unterstützen soll.

„Ein zentraler Aspekt meiner Ausbildung war der Kurs über moralische Fijh rung“, erzählt Dora Otero. Der Kurs betont die Bedeutung ethischer Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauenswijrdigkeit und Demut. All dies sind wesentliche Bestandteile der Entwicklungshilfearbeit.“

Der Lehrer auf dem Land 8011‘ ein moralisches Vorbild sein. Man müsse offen umgehen mit den Menschen, mit denen man zusammenarbeitet. Denn liindliche Gemeinden reagierten sehr sensibel auf die erfahrene Behandlung. „Dies ist ein Aspekt, den ich auf der Universitfit gelemt habe. Die Menschen haben die jahrelangen Lijgen satt. Wenn man ihnen auch nur eine Luge erzeihlt, ist alles verloren — die Gemeinde wird nie wieder Vertrauen finden. Wenn man dagegen einhzilt, was man verspricht, dann unterstützen uns die Leute.“

Neben dem SAT—Programm hat FUNDAEC zwei weitere Kurse entwickelt. Das „Produktionssystem mit Solidarität“ schließt Bauern zu kleinen Genossenschaften zusammen. Und ein kleines agrargewerbliches Schulungszentrum férden ebenfalls das FUNDAEC-Konzept: Erfahrungen zu sammeln und Wissen zu vermitteln fijr die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten.

Obwohl FUNDAEC keine religiöse Stiftung ist, basieren die meisten Projekte auf den Prinzipien der Bahá’í—Religion, erléiutert Correa, der wie einige andere der FUNDAEC-Gründer Bahá’í ist. „Wir lehren zwar nicht die Bahá’í-Religion an der Universitfit, aber wir Zitieren Bahá‘u‘lléh. Unsere Einstellung zu Erziehung und Entwicklung sowie unser Menschenbild werden von den Prinzipien unseres Glaubens gepréigt.“ D


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Der Frauen-Verein mit dem kleinen Unterschied

ofheim/Ts. - Frauenvereine gibt es 7"? wie Sand am Meer, Vorurteile gegen sie ebenso. Da reicht die Bandbreite von >>Handarbeitskréinzchen<< über >>Tratschcliquen<< zu >>Radikal(inn)enschmieden<<. Bei näherer Betrachtung lfiBt isch jedoch nicht leugnen, daß den Gruppen in den meisten Fallen Unrecht getan, daß Viel wichtige und erfolgreiche Arbeit geleistet wird. Wozu dann also >>noch so einen Verein<<?

Bei den Diskussionen der Gründungsveranstaltung des deutschen »BFF - Bahá'fFrauen-Forums« am 15. Juni in Hofheim/ Ts. kamen die Anwesenden immer wieder zu einem Zitat zurück, das die Besonderheit imAnsatz dieses Vereins besonders treffend Charukterisiert: >>Die Menschenwelt hat zwei Flfigel: Den einen bilden die Frauen, den anderen die Männer. Nur wenn beide Fl Ligel gleichméiBig entwickelt sind, kann der Vogel fliegen.« (Abdu'l—Bahá)

Auf dem Weg zum globalen Frieden mussen 21116 Kräfte mobilisiert werden. Das Bahá’í—Frauen—Forum steht nicht nur Bahá’í offen, sondem allen, die sich mit >>Zweck undAufgabe desVereins<<, so wie sie in der Satzung definiert sind, identifizieren kann:

O >>den Grundsatz der Einheit der Menschheit als grundlegende Voraussetzung

fijr die Neuordnung der Gesellschaft bekannt zu machen,

O den kardinalen Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter im Bewußtsein zu verankem und die Lehre Bahziu'lléhs undAbdu'l-Bahás über die herausragende Rolle der Frau in der Gesellschaft und Kultur bekannt zu machen,

O den Grundsatz der überragenden Bedeutung der Erziehungstätigkeit fijr das Individuum wie f Lir die Gemeinschaft zu fdrdern,

O das weibliche Element der Kultur zu férdem und auf gleiche Bildungschancen und Zugangsmöglichkeiten zu allen



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Über 70 Frauen, aber auch Männer nahmen an der Gründungskonferenz des deutschen Bahá’í-FrauenForums am IS. juni in Hofheim im Taunus teil.

Der erste Vorstand des Bahá'iFrauen-Forums (v.l.n.r.): Saba Khabirpour (l. Vorsitzende), Dr. Ingeborg Franken (2. Vorsitzende), Gisela Meier-Floeth (Schriftffihrerin) und Dr. Georg Mellinghoff (Rechner).

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Die frisch gewéihlte Vorsitzende des Bahá’í-Frauen-Forums ' Saba Khabirpour (rechts) in Diskussion mit Anneliese

Bopp, einer der Teilnehmerinnen der Gründungstagung.

ifiiie

Zukunft der

Schweiz

Eine Bahá’í-Perspgktive







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Bereichen privaten und öffentlichen Lebens der Frauen hinzuwirken,

0 Frauen zu ermutigen, bestehende Bildungschancen und Zugangsmöglichkeiten aktiv zu nutzen,

O Frauen zu ermutigen, mit den Méinnern als gleichberechtigte, ebenbfirtige Partner fijr die Einheit der Menschheit und den Weltfrieden zu wirken,

O Männer zu ermutigen, den Frauen gleiche Bildungs— und Berufschancen einzurfiumen und die Gleichstellung der Geschlechter imAlltag zu praktizieren. Das Bahá’í-Frauen-Forum will zur Férderung dieser Ziele mit anderen NGOs, die die Gleichberechtigung verfolgen, sowie mit dem Deutschen Frauenrat auf nationaler und intemationaler Ebene zusammenarbeiten. BFF will ferner aktiv an Kongressen und Seminaren teilzunehmen, die soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliChe und wissenschaftliche Prozesse zur Gleichberechtigungférdem, Begegnungszentren Für Frauen einrichten und Publi kationen zum Thema vorbereiten. - Elena Afscharian CI



Bahá’í reichen Vorschlag zur Revision der Bundesverfassung ein

ern.- Seit 1848 die Schweizer B Bundesverfassung in Kraft trat, wur de sie 140 Mal teilrevidiert. Schon 1874 war eine Totalrevision derVerfassung in einem der ersten Nationalstaaten nötig. 1987 beschloß das Parlament emeut eine Totalrevision, die bis zum lSOjfihrigen Jubiléium 1998 abgeschlossen sein 3011. Das demokratische Selbtsverständnis der Schweizer macht es dabei möglich, daß alle Bilrger ihre Stellungnahmen undAnregungen einreichen durften, was 11.000 Privatpersonen auch taten. Unter den 550 Organisationen, die ebenfalls um Stellungnahme gebeten waren und sich äußerten, zzihlte auch der Nationale Geistige Rat der Bahá’í der Schweiz.

Die Anregungen zur Revision der Bundesverfassung sind knapp gehalten und konzentrieren sich auf zwei Bereiche. Bereits 1991, zur 700-Jahrfeier der Schweiz hatte der Nationale Geistige Rat der Schweiz eine umfangreichere Dokumentation „Die Zukunft der Schweiz“ vorgelegt. In dem jetzt vorgelegten Papier wird auf das Papier von 1991 ausdrücklich verwiesen.

' Gemeinschaft der Nationen

Der Nationale Geistige Rat regt an, mehr als bislang im Verfassungstext zu betonen, daß die Menschheit eine Einheit und Ganzheit ist und die Schweiz ihre

Beziehungen zur Gemeinschaft der Nationen steirken sollte (die Schweiz ist nicht Mitglied der UNO). Schon 1991 hatte es dazu geheißen: „Je aktiver und zuversichtlicher sich die Schweiz Für das Entstehen einer neuen Weltordnung einsetzt, desto besser wird sie in der Lage sein, ihre Erfahrungen bei der Schaffung globaler f6deralistischer Strukturen einzubringen und in der Völkerfamilie den ihr gebfihrenden Platz einzunehmen.“

. Schutz der Famine

Darüber hinaus bemfingelt der Nationale Geistige Rat die mangelnde Verankerung der Familie in der Verfassung. W611lich heißt es: „Die kurzen Hinweise auf die Familie (z.B. Art. 7, 10 und 11) scheinen uns im Hinblick auf deren lebenswichtige Rolle als Kernstruktur der Gesellschaft ungenügend. Wir möchten deshalb vorschlagen, daß einArtikel hinzugefiigt wird, der auf die Verpflichtung der Eidgenossenschaft hinweist, indem durch die Férderung des Wohlergehens und der Solidariteit der Familie, der Schutz und die Stabilitzit der Gesellschaft gesichert werden.“

Die Schweizer Bahá’í—Gemeinde hat in den vergangenen Jahren bei Grundsatzfragen regelmfiBig Stellung bezogen, zuletzt bei der Abstimmung Liber die Einfiigung eines Anti-Rassismusartikels in das Strafgesetzbuch („Rassismus überwinden“). Cl


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," l4, „ ,'

Frankfurt/Wien. - Anltifilich V des Bahá’í—Weltkongresses 1992 in New York organisierte der amerikanische Konzert—Manager Tom Price einen 200kdpfigen Bahá’í—Gospel-Chor aus einer F'Lille von teilweise beruhmten Stimmen wie jene von Dash Crofts von dem legendéiren Duo Seals & Crofts. Im August geht nun ein 70-stimmiger Bahá’í-Chor auf EuropaTournee. In Deutschland gastiert der Chor nur am Samstag, den 3. August in der Stadthalle Frankfurt—Zeilsheim, Brechtenwaldstr. 17. In Osterreich tritt er am 6. August im Mozartsaal des Konzenhauses Wien auf.

Minsk. — >>Zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe<< warAnlaß fiir eine Interreligiöse Konferenz vom 2.—4. Mai in Minsk,WeiBruBland. Juden, Christen, Muslime und Bahá’í berieten gemeinsam über >>Ok010gische und geistige Werte<< zurAufarbeirung des seinerzeitigen Atomunfalls und seiner F01 gen.

Die Folgen wurden bei einem Krankenhausbesuch allzu augenfiillig. Nicht sichtbar, aber sp Lirbar ist dieAngst Vieler Menschen in den betroffenen Regionen, Kinder zu zeugen.

Die Aufarbeitung kann nur international erfolgen. Die Bahá’r schlugen vor, dies in einem Schulfach Weltbürgerkunde zu tun. das in WeiBruBland und Überall eingefiihrt werden $011te.

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Bei Konzerten einer 15kbpfigen Besetzung im Februar dieses Jahres in Bad Homburg und Stuttgart—Filderstadt meinte man bereits, die vervielfachte Stimmgewalt einer Whitney Houston zu vernehmen. Das Spektrum der Gruppe reicht von klassischen Gospels und Folklore verschiedenster Kulturen bis Jazz und Pop.



Bei :wei Vorauskonzcrfen in lS-kiipfigerBesetzungfiillre der Bahá’í’Gospel-Chor die Stadthalle van Bad Hamburg bzw. (lie F i/harmnnie in S mngarI-F ildersradt. Zum K 0112617 in F ranlgixrr kommen 60 Sdngcv:



Yehudi M enuhin, legenddm Violonisr and M itglied des C [Mb (2fBudapest, dirigie/T das K omen zur Eréjfi 11mg des ersten M iIg/iedern efi'ens

Budapest. — Vom 12,-15. Mai fand auf dem Burgberg der Landeshauptstadt das erste Mitgliedertreffen des Club of Budapest stalt - eines Pendants zum Club Of Rome, dem vor


Robert M 11/16}: ehem. UNO-VzreGene] ulsebeta)‘

rangig Persönlichkeiten aus dem Kultur- und Geistesleben angehbren. Das Eréjffnungskonzert dirigierte LordYehudi Menuhin.

1m Mittelpunkt stand derAustausch über innovative Ideen und Projekte, die ein planetarisches Bewußtsein in die Tat

umsetzen.

Nach einem Gespräch zwischen Robert Muller, dem ehemaligen Vize-Generalsekretéir der Vereinten Nationen, und zwei Repriisentanten der Intemationalen Bahá’í—Gemeinde faßte Robert Muller, der Mitglied einer UNKommission zur Vorbereitung von UN—Konferenzen ist, den Entschluß, der Generalversammlung der Vereinten Nationen dieAbhaltung eines >>W0r1d Summit on New Economics<< vorzuschlagen.

Bei dem Gesprach ging es um neue wirtschafts- und entwicklungspolitische Anszitze vom Terra—Prinzip über das Two Wings Network bis zum Minikreditbanken—Netzwerk. Man war sich einig darüber, daß eine echte 6ko—soziale Wende nur durch neue Wirtschaftskonzepte realisiert werden kann, die grundlegenden ethischen Werten wie Gerechtigkeit und globaleVerantwonung gerecht wird.


Stuttgart. — Dus Kulturforum Stuttgart — ein Veranstaltungszentrum unter derTrzigerschaft der énlichen Bahá’í-Gemeinde, das sich vor allem Zukunftsthemen verschrieben hat - führte mit seinem Juni/Juli—Programm erstmals einen >>W0r1d Citizen Passport<< ein. Mit diesem wird dieTeilnahme an Kursen und Seminaren bestätigt, die Teil eines breit angelegten Weltbfirgerkunde-Programms sind.

Der >>W0rld Citizen Passport<< ermöglicht seinen Besitzem ferner die Teilnahme an Angeboten anderer Nichtregierungsorganisationen zu vergiinstigten Konditionen. Das erste Medienecho war vielversprechend.


A _ I I Maria Morera dc K cilia: Sekretiirin des Narionalen Geisrigen Rates derBahdz in C ()sra Rica, sprach bei einer inrerreligiiisen F eier am »Tag der Toleranm am 16. November I 995 in San Jose fiber »Toleran: als den grundlcgenden S chrifl zum F riedem.

[Seite 16]Vorrangig Frauen erhalten Kredite im Rahmen der KleinstkreditProgramme von Grameen-Bank, FINCA und anderen Organisationen. Auf dem Foto hält eine junge Frau aus Nepal ihr erstes Sparbuch in der Hand. Das Erlernen eines sparsamen Umgangs auch mit wenig Geld gehört zu den Begleitprogrammen der Kleinstkredit-Projekte.

_ »Die Grameen Bank zeigt vorbildlich, welcher Erfolg erzielt warden kann, wenn die Armen am En twicklungsprozeb be teillyt warden und die MégIichkeit haben, ihre E(geninitia tiven zu

en tfalten.... (5konomisch hat sich gezellgt, da/J’ die Armen kreditwiirdgger sind als die Gruppen, die über Sicherheiten verfiigen, wie vergleichende Sta tistiken aus Bangladesh

zelzgen. Bundesministerium

fiir VVirtschaft/iche

Zusammenarbeit, Bonn

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Banken fur die Armsten




»Kleinstkredite versprechen nicht den Himmel,



M; Yunus, Grunder dew Gr

Arbeitstreffen über Minikredite findet einen Weg, die Bevölkerung der lndustrielfinder am Ausbau eines erfolgreichen Dorfbankensystems in den Armutsregionen der Welt zu beteiligen: durch Terra-Wertpapiere

aterstetten bei Miinchen. - Zw Olf Reprasentanten von sechs Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und von einem 6sterreichischen Bankhaus trafen sich am 16. Juni 1996 in Vaterstetten bei Miinchen zu einer Minikonferenz, die maximale Auswirkungen haben könnte. Sie beschlossen die Einfiihrung von Anteilscheinen an einem weltweien Dorfbankensystem nach dem Model] der Grameen Bank. 8611 mehr als 15 Jahren arbeitet die NGOResu/[ala die sich als weltweite Lobby Für die Armsten der Welt versteht, für

das Ziel, endlich die Schande der Armut von diesem Planeten zu bannen. [hr bisher grOBter Erf01g ist die Errichtung eines Bankensystems in inzwischen 44 Landem das ausschließlich Kleinstkredite an die Armsten der Armen vergibt — ohne jegliche Sicherheiten. Die einzige >>SiCh€I heit<< bestehtdarin,da13die Kreditnehmer - vorrangig Frauen - eine hohe Motivation besitzen, diese Chance, sich aus der Armut zu befreien, nicht zu verpassen. Diese >>Sicherheit<< erwies sich als absolut ausreichend: 98% - deutlich mehr als Kreditnehmer im reichen Norden — zahlen


$6116 16

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punktlich zurück und können sich selbst erfolgreich aus der Armutsspirale befreien.

Der Grunder disses entwicklungspolitisch uberaus erfolgreichen Netzwerkes von Dorfbanken, Professor Muhammad Yunus aus Bangladesh, ist gleichzeitig geistigerVater der Resultate-Bewegung. Seine Grameen Bank >>zeigt<< — nach einer Verlautbarung des Bundesministeriums f Lir wirftschaftliche Zusammenarbeit - »vorbildlich, welcher Erfolg erzielt werden kann, wenn die Armen am EntwicklungsprozeB beteiligt werden und die Möglichkeit haben, ihre Eigeninitiativen zu entfalten.<< Nach gut zehn Jahren Anlaufzeit ist die Bank, die bereits zwei Millionen Menschen mit Minikrediten erreichte, sogar selbsttragend geworden.


Resultate nahm sich nach diesem Erfolg nun ein zweites, noch weit ambitiéseres Ziel vor: Sie will die Entscheidungstrüger in Politik und Wirtschaft für ein Programm gewinnenzodas bis zum Jahr 2005 die 100 Millionen Armsten der Welt mit derartigen Kleinstkrediten erreicht. Ein derartiges Programm zurArmutsbekampfung sol] auf einem MICRO CREDIT SUMMIT verabschiedet werden, der zur Zeit von Results International in Zusam Seite 17

menarbeit mit der Weltbank Für Februar 1997 in Washington vorbereitet wird.

In einem Vorbereitungspapier zu diesem geplanten Weltgipfel heißt es, zur Realisierung des lOO—MillionenKleinstkredite—Plans mijssen noch insgesamt etwa 30 Milliarden Mark an Mitteln aufgebracht werden. Die größte Herausforderung und die einzige Chance, eine derartige Summe zu mobilisieren, liege darin, eine intelligente Verkniipfung zwischen dem normalen Geschäftsbankensystem der wohlhabenden Industrieleinder und dem lelig neuartigen und extrem dezentralen Entwicklungsbankensystem herzustellen.


Die von Nancy Wimmer und Peter Spiegel, die jeweiligen Vorsitzenden von Resulrare und Terra in Deutschland, vorbereitete Minikonferenz fuhrte zu einer Dreiecks-Vereinbarung beider NGOS mit der dsterreichischen Imperial-Bank, vertreten durch Dr. Faramarz Ettehadieh und Dr. Gerhard Schweter, zur Einführung von Anteilsscheinen an einem solchen globalen Kleinbankennetzwerk:


Inzwischen verteilen sich I70 Verbindungsbfiros der Grameen Bank über die ganze Welt. In den wohlhabenden Lindern wird über die Sinnhaftigkeit und die Ergebnisse der Projekte informiert, in den Lindern der Dritten Welt werden die Projekte vorbereitet und durchgefuhrt.

Die »Dorfbanken« der Grameen Bank und ihnlicher Projekte haben wenig gemein mit dem Flair unserer Bankpalfiste. Sie finden oft unter freiem Himmel statt. Vermittelt werden von der »Bankchefin« (rechts) nicht nur Prinzipien für den vorausplanenden Umgang mit den Krediten. Als weitaus wichtiger erwies sich ein »Credo« an Werten, das von den kreditnehmenden Frauen selbst formuliert wurde.


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Es liegt nicht an fehlenden Technologien, mangelnden Finanzmitteln Oder der vielbeschworenen Überbevélkerung, daß es unverändert >>absoluteArmut<< auf der Erde gibt.Was fehlt, ist der politische Wille, gegen die weltweiteArmut gezielt etwas zu unternehmen. Hier setzt die internationale Blirgerlobby Resultate an: Resultate will die Industrieléinder dazu verpflichten, g Armut nachhaltig zu be- ‘\ kémpfen.

Globale Veliinderungen Sind n16glich,wenn Bijrger und Blirgerinnen weltweit . auf >>ih1'e<< Entscheidungs— Q tréiger zugehen, sie informieren, ihre Unterstiipzung beim Kampf für die Überwindung derArmut einfordern und die Umsetzung der Forderungen dann auch kontrollieren. ‘

Dies ist die Vorgehensweise von Resultate, einer NGO, die im Jahre 1980 in den USA entstanden 1st und gegenwzirtig mehr als 200 Gruppen in den USA, Australian, Großbritannien, Japan, Kanada, Mexiko und Deutschland zahlt.

Wle die Einflußnahme der Bijrger funktioniert, zeigt das Beispiel der Weltbank—Initiative im Jahre 1995. 2161 dieser Aktion war es, die Weltbank sowie den IWF und die Regionalen Entwicklungsbanken dazu zu bewegen, mehr f Lir die Überwindung der Armut zu tun. In elnem Brief wurden die Prasidenten dieser Institutionen dazu aufgefordert, höhere Investitionen in eine grundlegende Bildung und Gesundheit vorzunehmen und Organisationen wie die Grameen Bank und FINCA (Foundation for International Community Assistance), die Kleinkredite an Arme — vorwiegend Frauen — vergeben, wirksam zu unterstijtzen.

Durch persönliche Gesprziche, Leserbriefe und Medienarbeit konnte Resultate weltweit etwa 1.100 Parlamentarier dazu bewegen, diesen Brief zu unterzeichnen.

Resultate-Mitarbeiter besuchen auf eigene Kosten jedes Jahr die Vertreter ihrer Lander bei der Weltbank (Exekutivdirektoren) und erlfiutern ihre Bewertung der Weltbank-Maßnahmen. Inzwischen wurde von der Weltbank im Juni 1995 ein Bijro zur Férderung von Kleinkrediten gegriin















ONE COUNTRY

LEXIKON Resultate

Eine weltweite Buiirgerlobby für die Armsten der Welt


Prof. Muhammad Yunus (Mitte), Grijnder der Grameen Bank, mit Mitarbeitern der Bijrgerinitiative Resultate nach einer Pressekonferenz im Malrz 1995 in Bonn

det. Damit finderte die Weltbank ihr bisheriges Vorgehen: gezielteArmutsbekéimpfung hat sich bei der Kreditvergabe derWeltbank etabliert.

Um arme Menschen und ihre Erfahrungen kennenzulernen sowie praktische Wege, wieArmut durch die Mobilisierung von Selbsthilfekraften Überwunden werden kann, reisenResultate—Mitarbeiter aufeigene Kosten in Entwicklungslénder. Sie nehmen dort an Studien- und Dialog—Programmen teil und sehen sich die Funktionsweise von Kleinkreditprojekten vor Ort an.

Das jfingste Projekt vonResultate nimmt sich zum Ziel,da13 bis zum Jahr 2005 insgesamt 100 Millionen der éirmsten Familien — vorzugsweise über die Frauen dieser Familien Kleinstkredite erhalten, um sich mit diesen Krediten als Starthilfe selbst aus derArmut herausarbeiten zu können.

Daß dies m OgliCh ist, hat die von Professor Muhammad Yunus 1983 in Bangladesh gegründete Grameen Bank eindrucksvoll bewiesen: In Bangladesh, einem der firmsten Entwicklungsliinder, haben bisher zwei Millionen Kreditnehmer, davon 94% Frauen, mit Hilfe von Krediten zwischen 50 und 100 Dollar eigenständig ihre wirtschaftliche und soziale Lage verbessert: Das Familieneinkom ONE COUNTRY 0 2/1996



men ist gestiegen, Eméihrung und Gesundheitszustand haben sich verbessert, die Kinder besuchen die Schule, die Geburtenrate ist gesunken. Ein Drittel der Kreditnehmer hat die Armutsgrenze bereits uberschritten, die anderen zwei Drittel stehen kurz davor.Ein grundlegendes Prinzip ist dabei, daß sich fflnf arme Frauen zu einer Gruppe zusammenschließen und so eine Art Solidargemeinschaft bilden, in der sie sich gegenseitig unterstiltzen. Die RUCkzahlungsquote dieser ' >>Investitionsgemeinschaften<< liegt bei 98%!

Die Frauen, die in Bangladesh an dem Kreditprogramm der Grameen Bank teilnehmen, milssen sich zur Einhaltung von 16 Regeln - einerArt >>Sozialverfassung<< - verpflichten (siehe Kasten auf der nachsten Seite).

Auch in anderen Lilndern Asiens und Afrikas arbeiten Kleinkreditprojekte nach dem Grameen—Modell erfolgreich — immer angepalfit an die sozio-kulturellen Bedingungen des jeweiligen Landes.

Frauen tragen die Hauptlast bei der Versorgung der Familie. Viele wurden zudem von lhren Méinnern verlassen und milssen ihre Kinder alleme großziehen. Frauen - so haben Untersuchungen eindeutig erwiesen - denken langfristiger als Männer, well ihnen die Zukunft ihrer Kinder am Herzen liegt. Frauen setzen die Kredite, die sie erhalten, gezielt ein, um ihre eigene Lage, die Lage ihrer Kinder und ihrer Familie insgesamt zu verbessern. Dies wird inzwlschen auch von Experten und Politikem anerkannt.

Resultate setzt sich dafür ein, dalfi ein politischerWllle entsteht, das 100Millionen-Kleinkredite—Programm tatsächlich zu realisieren. Dafllr will Resultate die Entscheidungstrfiger wie die Medien als Partner gewinnen. Ein erster SChritt auf diesem Wege ist der von Results International im Februar 1997 in Washington geplante Microcredit Summit, zu dem Vertreter von Kleinkreditorganisationen, der Weltbank und Entscheidungstréger eingeladen werden, um einen globalen Aktionsplan zu verabschieden.

Renate Schreiber-Haberlc

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Die Imperial-Bank wird ein Wertpapier anbieten, über das sich jeder Bürger in den wohlhabenderen Ländern am weiteren Ausbau des Dorfbankensystems direkt beteiligen kann. Wer derartige Anteilscheine (ab 200 Mark) erwirbt, erhält keine Zinsen, verliert aber im Unterschied zum Spenden sein Geld nicht (außer Inflationsverlust).

Er kann seinen Anteil an diesem Bankensystem für die Armen auf Dauer halten Oder nach einer relativ kurzen Frist wieder vollstzindig zurückerhalten. ResulIate, die in direkter Verbindung mit allen Projekten der Mikrokreditwelt steht, übernimmt die Koordination, daß die Gelder, die über die Wertpapiere eingehen, auf schnellstem Wege über das vorhandene Netzwerk sowie über den weiteren Ausbau des Minikreditbank—Netzwerkes an die Familien vor Ort gehen.

Die Bank im Norden, die diese Wertpapiere ausgibt, erhält dafür keinerlei Zinsen von den Dorfbanken, sondern finanziert ihre Kosten, über die sie jfihrlich Rechenschaft gibt, aus den Zinsgewinnen, die sich aus den so kurz wie möglich gehaltenen zeitlichen Verzfigerungen des Mitteltransfers von Nord nach Sfid ergeben. Die Dorfbanken im Sfiden finanzieren ihre Mitarbeiter — nach einer Anlaufzeit - aus den Zinsen ihrer eigenen Kredite.

Nancy Wimmer von Resultate meinte, mit dieser Anbindung des Nordens an die Kleinkredit-Projekte des Sfidens durch die Einrichtung vonAnteiIscheinen in den Industrielandern könne möglicherweise schon ein GroßIeil der erforderlichen Summe für die Durchführung des lOO-Millionen—Kleinkredite-Porgramms aufgebracht werden.

Eine Chance fi Ir eine schöpferische Verbindung von Geist und Geld

Die erstaunlichste Erfahrung des Grameen-Bank—Modells ist jedoch, so berichtete Barbara Rodey von der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei dem MfinChener Treffen, die Bedeutung, die die beteiligten Frauen selbst der Festsetzung und Einhaltung von Werten zumessen.

Die Frauen von Bangladesh, die als erstes in den GenuB der Minikredite kamen, erarbeiteten aus eigener Initiative ein >>Cred0<< an sehr praktischen Werten zur Verbesserung ihres Gemeindelebens. Sie machten die Unterschrift unter diese Selbstverpflichtung zur Bedingung für die Kreditvergabe. Einige NGOS, die die Kleinkreditidee ansonsten sehr beffirwor Credo der Kleinkredit-Frauen in Bangladesh

1. Wir werden den vier Prinzipien der Grameen Bank - Disziplin, Einigkeit, Mut und Arbeit — folgen und sie in all unseren Lebenslagen einhaiten.

2. Wir werden Wohlstand in unsere Familien bringen.

3. Wir werden nicht in vernachiéssigten Hausern wohnen. Wir werden unsere Hauser reparieren find so bald wie möglich neue Héiuser bauen.

4 Wir werden über das ganze Jahr hinweg Gemfise anbauen Wir werden viel davon essen und den Rest verkaufen.

5. Wahrend der Anpflanzungszeit wolien wir so viele Setziinge wie möglich pfianzen.

6. Wir werden pianen, unsere Familien klein zu halten. Wir werden unsere Ausgaben verringern und für unsere Gesundheit sorgen.

7. Wir werden unsere Kinder ausbilden und sicherstellen, daß sie das Geld für ihre eigene Ausbiidung verdienen können.

8. Wir werden unsere Kinder und auch unsere Umweit immer sauber halten.

9. Wir werden Latrinen in den Boden graben und sie auch benutzen.

10. Wir werden Wasser von der Pumpe des Dorfbrunnens trinken. Wenn kein Dorfbrunnen vorhanden ist, werden wir abgekochtes Wasser trinken.

11. Wir werden keine Mitgift annehmen bei der Hochzeit unserer Söhne und keine Mitgift geben für unsere Töchter. Wir werden die Gemeinschaft der Kleinkreditnehmer freihalten von der Plage der Mitgift. (Anm: Das Mitgift-Wesen ist in einer Reihe von Ländern der Dritten Welt vfiiiig entartet und führt oft zu lebensiangen Verschuldungen von Familien. Die strikte Absage an die Mitgift ist vor die“


keit dulden.

heres Einkommen zu erzielen.


sem Hintergrund zu sehen.) Wir werden keine Heirat unter Kindern zuiassen. 12. Wir werden niemandem Unrecht zuffigen, noch werden wir Ungerechtig 13. Wir werden größere lnvestitionen gemeinsam unternehmen, um ein h6 14. Wir werden immer dazu bereit sein, uns gegenseitig zu helfen. Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, sollen wir alle ihm he|fen.

15. Wenn wir von einem VerstoB gegen die Disziplin in der Gemeinschaft der Kleinkreditnehmer erfahren, solien wir alie dort hingehen und mithelfen, damit die Disziplin wieder hergestellt wird.

16. Wir werden Bewegungsfibungen in unseren Gemeinden einführen. Wir werden aile gemeinschaftiich an sozialen Aktivitéiten teilnehmen.



teten, fibten an dieser Selbstverpflichtungserklfirung teilweise scharfe Kritik. Die Erfahrungen zeigenjedoch, daß Projekte ohne klare Wertsetzungen weitaus weniger erfolgreich verlaufen.

Barbara Rodey will diese Erfahrungen beim bevorstehenden Microcredit Summit zur Sprache bringen.ihre Vision ist, daß man sich dort über alle Religions- Oder ideologische Grenzen hinweg auf eine gemeinsame Grundwerte-Verpflichtung einigen karm. Ein solches allgemeines Credo bedarf allerdings, wie Barbara Rodey betont, unbedingt der flexiblenAnpassung

an die unterschiedlichen kul—'

turellen Bedingungen in den verschiedenen Ländern. Cl



Hillary Clinton (links), die Frau des amerikanischen Prisidenten, setzt sich für die Ziele von Resultate ein. Rechts neben der First Lady: Nancy Wimmer, die Vorsitzende von Resultate Deutschland.


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[Seite 20]Am Menu Bahá’í-lnstitut läuft eine Fortbildung fijr Trainer] innen von GemeindeGesundheitshelfer/innen

Ein Projekt, das eigentlich nur den Auftrag hatte, in 200 Dbrfern für ausreichende Impfungen zu sorgen, ftihrte a/s »Neben wirkung« zu einer neuen Qualité't der Zusammenarbeit in der Region and insbesondere zwischen den Religionsgemeinschaften und sorgte ferner ftir eine breit angelegte Verbesserung der hygie nischen Verhé'ltnisse.


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»Werden meine Kinder


Gesundheitshelfer bewirken weitreichende Verénderungen

enu, Westliche Provinz, Kenia. Als Mutter von sieben Kindern

weiß J udith Soita nur allzu gut, was es heißt, sich Sorgen um ein krankes Kind zu machen. Den einen Tag spielt es fréhlich mit anderen Kindern auf der Straße, am nfichsten liegt es still im Haus, die Augen trijbe vor Schmerz. Und in einem abgelegenen Dorf wie diesem, fast eintausend Kilometer von Nairobi entfemt, hat man immer Zweifel, 0b sie noch einmal aufstehen wird, um noch einen Tag zu spielen.

„Als Mutter habe ich mir stets Sorgen gemacht: Werden meine Kinder überleben?“, sagte die 35-j'2ihrige Mutter und Kleinbziuerin in einem Interview. „Und was ist mit den Kindem meiner Nachbarn?“

Es gibt Viele Kinderkrankheiten, denen die Kinder hier zum Opfer fallen. Von einfacher Diarrhée, die so viele Kleinkinder in Afrika dahinrafft, bis hin zu Tuberkulose und Malaria, die jung und alt gleichermaßen bedrohen. Die täglichen Risiken sind hoch. GeméiB aktueller Statisti ken der Weltbank erreichen etwa zehn Prozent der Kinder in Kenia nicht einmal das funfte Lebensjahr.

Judith Soitas Biirde ist jedoch leichter geworden, seitdem sie eine sogenannte Gemeinde-Gesundheitshelferin geworden ist. Mit derAusbildung begann sie vor fast zehn Jahren, als sie an einem Seminar im nahegelegenen Bahá’í—Zentrum in Menu teilnahm.

„Als ich am ersten Lehrgang zur Gemeinde—Gesundheitshelferin teilnahm, wußte ich nicht, daß ich hier die Antwort auf meine Problems finden wijrde,“ sagt sie. „Aber seit diesem Ausbildungsprogramm bin ich in der Lage, meiner Familie, meinen Nachbarn, meinem ganzen Dorf und auch den umliegenden Dérfem zu helfen, die Grundlagen der GesundheitsVorsorge zu verstehen und ihnen zu zeigen, wie leicht sie ihre Gesundheit verbessem können.“

Judith Soita ist eine von 98 Gemeinde-Gesundheitshelferinnen, die in einem Projekt über die Grundlagen der Gesundheitsvorsorge ausgebildet worden sind. Fi Seite 20

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nanziert wird das Projekt von der nationalen Bahá’í—Gemeinde Kenias. Es lief 1986 an und erstreckt sich mittlerweile auf über 200 Dérfer in den westlichen Landesteilen Kenias.

Das Projekt wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um das ausgedehnte StaatliChe Impfprogramm Kenias zu unterstützen. Heute hat es zum Ziel, in den betroffenen Gebieten eine Impfquote von einhundert Prozent zu erreichen, da Kenia im Jahre 1991 mit 7,2 Prozent eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt hatte.

Zusammenarbeit über ethnische und religiöse Grenzen hinweg

Während das Projekt diesem Ziel ständig naher kommt, sagen viele, daß sein eigentlicher Erfolg darin besteht, in Vielen Gemeinden eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ortsteilen und Religionsgemeinschaften erreicht zu haben. Diese Zusammenarbeit hat sich bereits bezahlt gemacht. Sie hat zum Bau neuer Sanitéireinrichtungen angeregt und dazu beigetragen, eine bessere Wasserversorgung aufzubauen. Einige behaupten sogar, das Projekt habe geholfen, ethnische und religidse Vorurteile abzubauen, - Vorurteile, die eines der größten Hindemisse fijr diese Entwicklung darstellten.

„Das Projekt bedeutet eine unglaubliChe Verbesserung Für die Lebensweise der Menschen“, sagt Héiuptling Shadrack Wabomba Kibaba Namwela aus dem Bungoma-Bezirk in der westlichen ProVinz. „Durch die Gemeinde-Gesundheitshelfer bekommen wir regelméifiig Besuch von mobilen Kliniken. Die Kindersterblichkeitsrate und auch die Unterernahrung sind aufgrund des Gesundheitsprojektes der Bahá'l zurückgegangen. Mehr Heime haben nun eigene Toiletten und saniteire Einrichtungen.“

Das Projekt folgt einem Modell, das mit großem Erfolg von Bahá’í-Gemeinden in anderen afrikanischen Léndem angewandt wird, z.B. in Burkina Faso, dem Tschad, Uganda und Sambia. Zunéichst werden Freiwillige Für das Programm gesucht, wobei man auf eine starke Basis von Baha'iGemeinden in der Region zurückgreift. Die Freiwilligen werden über mehrere Wochen in einem Bahá’í-Zentrum in den grundlegenden Techniken der Gesundheitsvorsorge ausgebildet. Das Training, das zum Teil auf dem UNICEF/WHO/ UNESCO-Programm „Facts for Life“ aufbaut, zielt ab auf einfache Dinge wie z.B. die Férderung von Hygiene und Stillen,

das Verständnis elementarer Emahrungsregeln, die Bedeutung von Impfungen und

darauf, der Kinderdiarrhée Einhalt zu gebieten.

Nach dieser Ausbildung werden die Freiwilligen in ihre Gemeinden zurijckgeschickt. Man bittet sie, zehn Stunden pro Woche Für die Arbeit als GemeindeGesundheitshelfer zu verwenden. Projektleiter besuchen die Gemeinde-Gesundheitshelfer weiter regelmäßig, um sie aufzumuntem und zu unterstützen. Auch weiterführende Seminare werden angeboten.

Viele NGOs wie auch Institutionen der Regierung führen ähnliche Programme durch, um Gesundheitshelfer in den Gemeinden auszubilden und zu unterstijtzen. Dabei gelten die Bahá’í—Programme als besonders erfolgreich wegen der niedrigen Rate an Aussteigern, der Betonung der freiwilligen Hilfe für die Gemeinschaft und der offensichtlichen Freiwilligkeit der Mitarbeiter.

„Die Ausbildung von Gemeinde-Gesundheitshelfem ist die einzige Lösung fijr das allgemeine Gesundheitswesen“, sagt Harold Kodo, nationalerAusbildungsleiter des KEPl-Programms (Kenianisches Programm zur Stärkung der Immunkräfte). „Wenn wir von Verbesserungen in der grundlegenden Gesundheitsvorsorge in den Dérfern sprechen, meinen wir Aufklzirung und Veränderung des Verhaltens. Und da die Gemeinde—Gesundheitshelfer direkt aus der Bevölkerung stammen und deren Kultur kennen, können sie Verhaltensmuster Viel schneller und einfacher „andern. Soweit ich es beurteilen kann“, führt Kodo fon, „ verläuft das Gesundheitsprojekt der Bahá’í sehr unaufféillig. Es wird sorgféilti g organisien und durchgefijhrt. Vor allem waren die Teilnehmer ausnahmslos

»Die Kindersterb/ichkeitsrate und auch die Unterernfihrung sind aufgrrund des Gesundheitsproje/(tes der Baha I’ zurückgegangen. Mehr Heime haben nun elfene Tbiletten und saniti re Einrichtungen. Hauptling Shadrack VVabomba Kibaba Namwela aus dem Bungoma-Bezirk

Bei einem eintégigen Seminar in Vihiga, West-Kenia, erklirt eine Krankenschwester in Diensten des Gesundheitsministeriums den Gesundheitshelferlinnen, wie Impfstoffe aufbewahrt werden.




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Bounaventure Wafula, der Projektleiter des Gesundheitsprogramms (rechts), übergibt im Bahá’í-Institut von Menu eine lnformationsmappe an Harold Kodo, den Leiter des KEPI-Bfiros.

»In mancher Hinsicht sind diese Komitees zu einer Art 6kumenischem Rat geworden. Die Anhé'nger der verschiedenen Religionen kommen zusammen und beraten dariibet; wie Probleme in der Gemeinschaft gelöst

warden können. DI: Ethel Martens, Kanada

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Ortsanscissige, die lemen, den Gesundheitsstand in ihren Dörfern zu verbessem. DieserAnsatz hilft, das Projekt in Gang zu halten.

Überdies, so Kode, arbeiteten die von den Bahá’í ausgebildeten Mitarbeiter ehrenamtlich, ohne Bezahlung und hart noch dazu. Sie alle hätten einen starken Willen, was seiner Meinung nach von ihrer Religion herrfihre. DieAussteigerquote bei den Gemeinde—Gesundheitshelfer sei bei den Bahá’í, verglichen mit anderen, sehr viel niedriger. „Das liegt an ihrer Motivation, ihrem Glauben und ihren geistigen Qualitfiten.“

Laut Ethel Martens, einer kanadischen Spezialistin für Sozialprciventive Medizin, die geholfen hat, das Projekt in Kenia aufzubauen, liegt die Rate derjenigen, die die Ausbildung abbrechen bei durchschnittlich ffinf Prozent - gegenüber einer Rate von bis zu 70 Prozent bei einigen Regierungsprojekten. Das Bahá’í—Projekt versucht ferner, alle Schichten bei Entscheidungen und bei der Durchführung brtlicher Gesundheitsvorsorge—Programme einzubeziehen.

I Dorf-Gesundheitskomitees

Auf Initiative des Projektleiters hat man die brtlichen Bahá’í-Rfite in der Region gebeten, je drei Mitglieder zu ernennen, die helfen sollen, ein sogenanntes DorfGesundheitskomitee zu gründen. Indem sie bis zu einem Dutzend anderer Führer der Gemeinschaften einbeziehen, darunter auch Vertreter der Regierung aus den Ministerien für Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Erziehung sowie Reprfisentanten der Kirchen, haben diese Komitees eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bezirken und Religionen in viele Dbrfer gebracht.

„In mancher Hinsicht sind diese Komitees zu einerArt bkumenischem Rat geworden. Die Anhänger der verschiedenen Religionen kommen zusammen und beraten darüber, wie Probleme in der Gemeinschaft gelöst werden können.“ sagte Dr. Martens aus Kanada.

Aufgrund der gegenseitigen Unterstfitzung der verschiedenen Gruppen hat sich der Aufgabenbereich der Komitees über die einfache Gesundheitsvorsorge hinaus erweitert und beinhaltet inzwischen auch den Bau von Sanitfiranlagen, die Wasserversorgung und dieAbfallentsorgung.

Die Komitees fungieren überdies als zentraler Bezugspunkt für die Besuche der von der Regierung eingesetzten mobilen Kliniken. Diese Koordination ist notwendig, da die mobilen Kliniken manchmal

nicht am vereinbarten Tag auftauchen meist weil das Geld fehlt, um Benzin zu kaufen Oder die Krankenschwester zu bezahlen. Gelegentlich helfen dann die K0mitees dabei, zusfitzliche Finanzmittel aufzubringen.

DieTatsache, daß die Komitees sich aus Reprzisentanten der verschiedenen Religionen zusammensetzen, hat auch dazu beigetragen, ethnische Spannungen abzuschwiichen. Kenia ist eines jener Lainder mit der höchsten Diversifikation an ethnischen Minderheiten.

„Durch die Teamarbeit der einzelnen Ortsteile im Dorf-Gesundheitskomitee haben die Dorfbewohner kosmnlos Zugang zu Wissen über Mittel und Wege, die Gesundheit ihrer Kinder und Familien zu verbessern“, sagt Jepheneah Wanjala Wakhulumu, ein Mitglied des Gesundheitskomitees in Namwola, einem Dorf im Bungoma-Distrikt.

„Bis jetzt hat man 24 Gesundheitskomitees gebildet.“ sagt Bounaventure Wafula, der Projektleiter. „Die Einführung dieser Komitees bilden eine Quelle für die Einheit in den Dbrfern.“ Slammesffihrer und Regierungsvertreter hatten dies erkannt und unterstützten das Projekt daher.

„Die meisten Leute, die an diesem Projekt teilnehmen und von ihm profitieren, sind Frauen“, ffigt Wafula hinzu. „Sie lernen, sich für die Gesundheitsvorsorge der eigenen Familie zu interessieren und nehmen aktiv an Beratungen teil. Das gibt ihnen Selbstbewußtsein.“

Judith Soita, die 1986 mit der Ausbildung begann, gehbrt mittlerweile zum Betreuungspersonal des Projektes. Sie hat gesehen, wie der Nachdruck, den die Bahzi‘l auf die Einbeziehung aller gelegt haben, zum Erfolg des Projektes führte.

„Ich denke, einer der Grfinde, warum die Menschen in den Dbrfem uns respektieren und unterstützen liegt in der Art und Weise, wie die Bahá’í-Gesundheitshelfer ihnen zur Seite stehen“, sagt J udith Soita.

„Als ich 1986 bei diesem Projekt als Gesundheitshelferin anfing, kannten die meisten Menschen hier nicht die Ursachen von Krankheiten. Doch heute, nachdem sie Seminare besucht haben, können die meisten der Dorfbewohner vielen der Krankheiten vorbeugen. Ich selbst bin ein gutes Beispiel. Der Emiihrungsplan in unserer Familie hat sich gefindert. Ich habe vie] über Eméihrung und die Zusammensetzung von Nahrung gelemt, zum Beispiel über Kohlenhydrate, Proteins, Gemfise, Früchte und Getreide. In meiner Familie sorge ich dafür, daß wir von allem genug essen.“ Cl


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UNO-Report fordert vom Iran das Ende der Intoleoranz


enf. - Der Sonderbeauftragte der

Vereinten Nationen hat die Isla mische Republik Iran aufgefordert, das Verbot der Bahá’í-Institutionen aufzuheben und die Politik der Unterdrückung gegenuber der iranischen Bahá’í—Gemeinde zu beenden. Er sagte, die Behandlung der Bahá’í-Gemeinde durch die iranische Regierung müsse als VerstoB betrachtet werden gegen die Erklaruujgéder Vereinten Nationen u ‘ men V011 Into aufgrund der Rb 25 November



die Baha 1— Religion 5561 811161301 ganisation und unterliege dBShalb nicht der UN— Erklarung.

Hinsichtlich der Baha 1 im Iran hoffe er, daß klar unterschieden werde zwischen Fragen des Glaubens und Fragen politischer N atur, so Amor. V01 dem Hintergrund der religiösen Prinzipien der Bahá’í - sie lehnen die Einmischung in Parteipolitik ab — seien Kontrollmaßnahmen gegen sie nicht gerechtfertigt. Weder Verbot noch Behinderung diirften ihr Recht auf Glaubensfreiheit und -ausfibung in Frage stellen.

Der Sonderbeauftragte empfahl „daß das Bahá’í-Verbot aufgehoben wird, so daß sich die Bahá’í-Gemeinde in Form ihrer administrativen Institutionen frei organisieren kann. Angesichts der Tatsache, daß es bei den Bahá’í keinen Klerus gibt, sind diese Institutionen lebenswichtig. Sie ermöglichen erst die Ausübung der religiösen Aktivitéiten in diesem Glauben.“

Amor fiigte hinzu, daß alle Basitztiimer der Bahá’í—Gemeinde, die von der iranischen Regierung konfisziert worden seien, zurückgegeben Oder entschfidigt werden sollten. Den Bahá’í’ solle die volle Be Seite 23

I"

wegungsfreiheit zugesprochen werden, der freie Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen sowie das Recht, ihre Toten zu beerdigen und zu ehren.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde hat Amors Bericht begrfiBt. „Es ist wichtig, daß ein so hochgeachteter Jurist aus Nordafrika zu der Einschiitzung kommt, daß geméB des internationalen Rechtsrahmens das Verbot der Bahá’í-Aktivitfiten im Iran aufgehoben werden sollte“, sagte Techeste Ahderom, der Hauptreprasentant der Baha 1 International Cammumty gegenuber der UNO. 1:

„W11 konngn nur hof 111111 beten, daß die iranisChen Behorden uber kurz Oder 11mg den mcht patteipofitisahen Charakter der Bahá’x-Gememde anerkennen und unseren iranisehen Mtglaubigen das Recht zur freien Ausfibu11'g ihrer Religion zugestehen werden“, so Hen Ahderom

Seit 1979 hat die iranische Baha 1- -Ge—v meinde, - sie ist die g16l3te religiöse Minderheit im Iran — unter Einschiichterung, Diskriminierung, Gewalt und Tod zu leiden. Der Grand: Ihr Glaube weicht ab von der amtlichen Doktrin. Mehr als zweihundart Bahá’í wurden getötet oder hingerich-v tet und Tausende wurden inhaftiert, 0ft wurden ihreArbeitsverhfilmiSSe gekiindigt, Oder ihnen wurde def Zugang zu Bildlmg verweigert.


Erst kurzlich wurde Zabihullah Mah-r

rami, ein 49jähriger Baha 1, fur schuldig befunden, vom Islam abtrunnig zu sein. Das islamische Revolutionsgericht der Provinz Yazd verurteilte ihn im Januar zum Tode. Es erklärte Mahrami zum Apostaten, da 61 nach einem Bekennnis zum Islam im Jahre 1981 V01 kurzem sein Bekenntnis zum Bahá’í—Glauben wiederholt habe.

Nachdem die intemationalen Medien den Fall publik gemacht batten, annullierte Irans oberstes Gericht das Urteil. Es leitete den Fall an ein ziviles Gericht in Yazd weiter. Cl

Abdeufattah AmaI; der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen ftir religiöse Intoleranz, fordert die Islamische Republik Iran auf,' das Verbot der Baha iInstitutionen aufzuheben und die Politik der Unterdrückung gegenüber der Iraniscben Bahá’í-Gemein de luv beenden. ' [Seite 24]

Peter Spiegel

Das Terra-Prinzip

Das Ende der Ohnmacht in Sicht: Wirtschaftler werden Revolutionére. VonNort von Ervin Laszlo.

1996. 260 Seiten. Broschur DM 25, (Horizonte Verlag) ISBN 3-89483-045-X

Buchbesprechung


Da§ Terra-Prinzip als


as Terra-Prinzip ist eines jener selDtenen Bücher, das ein genuines

Verstfindnis der Probleme, denen sich die Menschen und Gesellschaften der Gegenwart gegenübersehen, mit konkreten Vorschléigen verknüpft, wie diese angepackt und bewfiltigt werden können. Es überwindet die tiefe Kluft, die 0ft die Analyse des Theoretikers vom Rat des Praktikers trennt. Dieses Buch sollte von jedem Mann und jeder Frau gelesen werden, die sich betroffen fijhlen von den Problemen, die einen langen Schatten auf unsere Gegenwart und Zukunft werfen, und die bereit sind, ihren Teil der Verantwortung zu Übernehmen, um etwas Konstruktives zu tun, das die Schatten aufllellt.

Es gibt eine Menge zu tun, und Vieles kann jetzt getar}. werden. Peter Spiegel zeigt, daß jene Überlegungen, die bisher ein positives Handeln blockierten - daß man entweder nicht die Macht hat, effek


tiv zu handeln, Oder, wenn man die Macht dazu hat, daß ein solches Handeln unrealistisch Oder nicht mehrheitsfähig sei - keine unbedingte Gfiltigkeit mehr besitzen. Das Terra-Prinzip hebt deranigeAusfliichte eindeutig auf, wie die leuchtenden Beispiele von Care & Fair, Two Wings Network und anderen in diesem Buch beschriebenen Projekten belegen.

SpiegelsAnalyse der gegenwéirtigen Situation des Menschen auf diesem Planeten basiert auf einer ebenso fundierten wie zutreffenden Einschfitzung der Probleme. Doch bedijrfen korrekte Wahrnehmungen nicht notwendigerweise komplexer Statistiken und raffinierter InteraktionsSchemata. Dieses Buch ist ein Beispiel dafür, daß und wie für jeden Menschen ein gutes Gesamtversténdnis vermittelbar und erreichbar ist: Die Verbesserung der eigenen Wahrnehmung verlangt nicht mehr, als Zeit darauf zu investieren, die Kapitel dieses Buches nachdenklich zu lesen.

Die Analyse trifft die Sache zu einhundert Prozent auf den Punkt, sie ist in jedem Aspekt stichhalti g und provoziert zum Nachdenken. Darüber hinaus markiert das Buch exakt das Schliisselthema, von dem letztlich unsere Ffihigkeit abhiingt, ob wir

, mit den Problemen dieser Zeitenwende

fertig werden Oder nicht: die Fahigkeit, den nachsten Evolutionsschritt in unserem Denken wie in unserem Fijhlen zu V011ziehen. Dies ist, was Spiegel als >>Weltbürgerbewußtsein<< bezeichnet und der Club of Budapest und ich als >>planetarisches Bewußtsein<<.

Wir können Peter Spiegel dankbar sein für die Fijhrung, die er uns gibt bei der Bewziltigung unserer Herausforderungen und Verantwortlichkeiten als Weltbürger. Wenn wir es zum rechtzeitigen und effektiven Handeln kommen lassen, ist die Richtung, die er anzeigt, klar und über zeugend. -Prof. Ervin Laszlo, Prczsident des C lub ofBudapest CI