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Heft 1/1996 Magazin der Bahá’í International Community
»Die E rde is! mu cin Land , und (1/ /e M elm ‘11ch xind sei 116 B iirger. « — Bahziu'l lzih
4_. Internationaler Dialog zum Übergang zurWeltgesellschaft fordertWeltethos
L» a ,1; 8 >>Club 0fBudapest<< stellt sich
in Miinchen vor - Ergiinzung zum >>Club 0f R0me<<
Wiederaufforstung einer Bergwiiste in BoliviensAnden
Interview mit Prof. F. Mayer: Entdeckung derTalente
H20
Erfolgreiche Flijchtlingsintegration in der Schweiz
Rezension:Weizséicker—Studie >>Zukunftsfiihiges Deutschland<<
Weitere Themen: Wissenschaft und Religion UN-Friedenstruppe
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ONE COUNTRY
wird vierteljéhrlich herausgegeben von cler »|ntemationalen Bahá’í-Gemeindeu (BIC - Bahá’í International Community), die als Nicht—Regierungs—Organisation bei den Vereinten Nationen die weltweite Baha'iGemeinde représentiert. Für Informationen zu den Beitrégen dieser Zeitschrift oder zur Arbeit der Internationalen Bahá‘iGemeinde wenden Sie sich bitte an die deutsche Redaktion oder an:
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Chefredakteur: Brad Pokorny. Chef vom Dienst: Ann Boyles. Auslandsredaktionen: Nancy Ackerman (Moskau). Christine Samandari-Hakim (Paris), Kong Siew Huar (Macau). Guilda Walker (London). Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe: Walter Fritzsche, Saba Khabirpour. Stephan Pernau. Jeng-Uwe Rahe, Ellen Skupin, Peter Spiegel. Übersetzer: Peter Hoerster, Heide Otto. Gflnter Maltz, Margit Mares, Gitta Schumann, Stephanie Thoms. Redaktionsanschrift: ONE COUNTRY - Deutsche Redaktion, Eppsteiner Str. 89, D—65719 Hofheim-Langenhain, Germany, Telefon _49-6192-99290, Fax _49-6192-992999. Herausgeber der de utschsprachigen Ausgabe: Der Nationale Geistige Rat der Bahá'l in Deutschiand e.v.
Einzelheft: DM 4,-ISFr 4.465 28,-. Jahresabonnement (4 Ausgaben): DM 15,-ISFr15,liiS 100; (inklusive MWSt und Portokosten). Die Zeitschrift ONE COUNTRY kann direkt bei der Redaktion bestellt werden. Copyright 1995 by Bahá’í International Community. ISSN 0945-7052.
Gedruckt auf chlorfreiem Papier.
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Perspektive
Wissenschaft, Religion and die Strategie für eine globale Entwicklung
ie durch die Entwicklung einer Weltgesellschaft entstehenden Aufgaben erfordern ein Niveau an F5higkeiten, das weit über das hinausgeht, was die Menschheit bishcr aufbieten konnte. Um dieses Niveau zu erreichen, bedarf es einer gewaltigen Erweiterung des Zugangs quissen — f Lir den einzelnen ebenso wie für gesellschaftliche Gruppierungen. Weltweite Erziehung wird für diesen Prozeß der Entfaltung von Fähigkeiten unverzichtbar sein. Dieses Bemühen wird aber nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die menschlichen Angelegenheiten so umstrukturiert werden, daIS einzelne wie Gruppen in jedem Bereich der Gesellschaft Wissen erwerben und zur Gestaltung der Gesellschaft einsetzen können. Während der gesamten Überlieferten Geschichte beruhte das menschliche Bewußtsein auf zwei grundlegenden Wissenssystemen, durch die sich seine Möglichkeiten fortschreitend entfaltet habcn: Wissenschaft und Religion. Durch diese beiden Bereiche wurden die Erfahrungen des Menschengeschlechts geleitet, seine Umwelt interpretiert, seine verborgenen Fcihigkeiten erforscht und sein sittliches und intellektuelles Leben geformt. Sie waren die eigentlichen Wegbereiter der Kultur. Angesichts der fast universellen Achtung, dic gegenwärtig der Wissenschaft enlgegengebracht wird, brauchen wir ihre Bedeutung nicht weiter auszufuhren.
Befriedigung von KonsumBedürfnissen verdient nichtv den Namen »Entwicklung In bezug auf eine Strategic der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung lautet jetzt vielmehr die Frage, wie wissenschaftliche und technischeAktiVitéten organisien werden sollen. Wenn diese Aufgabe in erster Linie als Domane etablierter Eliten in einer kleinen Zahl von Nationen angesehen wird, so ist klar, daß die dadurch entstandene ungeheuere
Kluft zwischen den Reichen und den Armen dieser Welt sich noch ausweiten wird — mit den bereits erwéhnten verheerendenAuswirkungen auf die Weltwirtschaft. Wenn weiterhin ein Großteil der Menschheit hauptsiichlich nur als Konsument von Produkten der Wissenschaft und Technik angesehen wird, die anderswo hergestellt wurden, darm verdienen Programme, die scheinbar zur Befriedigung ihrer Bediirfnisse entworfen wurden, nicht den Namen „Entwick1ung“.
Eine zentrale und gewaltige Herausforderung ist darum die Ausweitung der wissenschaftlichen und technischen Aktivitater]. Werkzeuge eines so machtvollen sozialen und wirtschaftlichen Wandels dijrfen nicht [finger das Vorrecht privilegierter Schichten der Gesellschaft bleiben. Sie müssen so eingesetzt warden, daß Menschen chrall entsprechend ihrer Fähigkeiten daran teilnehmen können. Außer der Entwicklung von Programmen, durch die die notwendige Bildung allen verfijgbar gemacht wird, die daraus N utzen ziehen können, erfordert eine solche Neugestaltung uberall in derWelt die Errichtung wirksamer Lernzentren, Institutionen, die die Befiihigung derVölker derWelt verbessem, an der Fbrderung und derAnwendung von Wissen teilzunehmen. Die Entwicklungsstrategie muß sich — unter Berijcksichligung der großen Unterschiede individueller Fahigkeiten — als wichtigstes Ziel dieAufgabe stellen, allen Bewohnern der Erde gleichberechtigt den Zugang zu den Prozessen von Wissenschaft und Technik zu erméjglichen, die ihr gemeinsames Geburtsrecht sind.
Warum standen geistige Fragen so Iange nicht im Mittelpunkt der Entwicklungsdebatter
Die Herausforderungen, vor denen die Menschheit in bezug auf ihr religiöses Leben steht, sind ebenso Überwéiltigend, wenngleich
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von andererAn. Für die Überwiegende Mehrheit derWeltbevtSlkerung ist der Gedanke, daß der Mensch eine geistige Dimension hat, ja, daß sein eigentliches Wesen geistig ist, eine Wahrheit, die keiner Darlegung bedarf. Es ist eine Wahrnehmung der Wirklichkeit, die in den fr Lihesten Kulturzeugnissen zu finden ist und über viele Jahrtausende hinweg von jeder einzelnen der großen religiösen Traditionen der Vergangenheit kultivien wurde. Ihre bleibenden Errungenschaften auf den Gebieten des Rechtswesens, der Künste und der Pflege zivilisierter Umgangsformen geben der Geschichte Gehalt und Bedeutung. In der einen Oder anderen Weise hat ihre Stimme tagtäglich Einfluß auf das Leben der meisten Menschen auf Erden und, wie die Ereignisse in der ganzen Welt heute dramatisch aufzeigen, sind die durch die Religionen geweckten Sehnsijchte unausléschlich und unermeBlich machtvoll.
Es sollte daher einleuchten, daß jedwedes Bemühen um menschlichen Fortschritt wirklich universelle und ungeheuer schöpferische Fähigkeiten verfiigbar machen muß. Wie kommt es, daß die vor der Menschheit liegenden geistigen Fragen nicht im Mittelpunkt der Entwicklungsdebatte stehen? Warum sind die meisten Prioritéiten — ja, die meisten ihnen zugrunde liegendenAnnahmen — auf der internationalenAgenda für Entwicklung bisher von einer materialistischen Weltsicht bestimmt gewesen, der nur kleine Minderheiten der Weltbevblkerung anhängen? Wieviel Bedeutung kann man der bekundeten Unterstijtzung des Prinzips universeIIer Beteiligung zumessen, wenn sie die Gultigkeit der fUr den Betroffenen maßgeblichen kulturellen Erfahrung leugnet?
Die Verantwortung der Religionen Für die Defizite im Dialog über geistige Fragen
Nun liiBt sich argumentieren, daß diese Themen außerhalb des Rahmens der Entwicklungsbelange der internationalen Gemeinschaft liegen, da geistige und moralische Fragen mit widerstreitenden theologischen Doktrinen historisch verbunden sind, die sich objektiver Prüfung entziehen. Wenn man ihnen eine bedeutsame Rolle gewiihrte, wijrde das gerade jenen dogmatischen Einflijssen Tijr und Tor bffnen, die soziale Konflikte geniihrt und den Fortschritt der Menschheit aufgehalten haben. In einem solchen Argument steckt sicher eine gewisse Wahrheit. Die mafigeblichen Vertreter der verschiedenen theologischen Systeme der Welt tragen eine schwere Verantwortung nicht nur Für denAnsehensverlust, den der Glaube als solcher bei vielen fortschrittlichen Den kern erlitten hat, sondern auch Für die Hemmnisse und Verzerrungen im fortwcihrenden Dialog der Menschheit über geistige Inhalte. Daraus jedoch zu schließen, die angemessene Reaktion liege darin, die Erforschung der geistigen Realität zu behindern und die tiefsten Wurzeln der menschlichen Motivation zu leugnen, ist offensichtlicher Irrtum. W0 sich in der jfingsten Geschichte eine solche Beschränkung durchsetzte, bewirkte dies lediglich, daß die Gestaltung der Zukunft der Menschheit in die Himde einer neuen Orthodoxie gelegt wurde, die behauptet, daß Wahrheit nichts mit Moral zu tun habe und Tatsachen wertfrei seien.
Haupteinfluflgréflen bei der Kultivierung des menschlichen Charakters
Soweit es die irdische Existenz betrifft, waren viele der grdBten Errungenschaften der Religion sittlicher Art. Durch ihre Lehren und durch das Beispiel von Menschen, deren Leben von diesen Lehren erleuchtet wurde, hat eine große Zahl von Menschen aller Zeiten und Regionen die Ffihigkeit zu lieben entwickelt. Sie haben gelemt, die animalische Seite ihres Wesens zu beherrschen, große Opfer Für dieAllgemeinheit zu erbringen, Vergebung, Großmut und Vertrauen zu "uben und Wohlstand und andere Ressourcen filr die Emwicklung der Kultur zu verwenden. Gesellschaftssysteme wurden ersonnen, um diese sittlichen Verbesserungen auf breiIer Ebene in Normen des Gesellschaftslebens umzusetzen. Auch wenn sie durch dogmatische Hinzufiigungen verdunkelt und durch sektiererischen Streit entstellt wurden, so waren doch die geistigen Impulse, die von solch herausragenden Gestalten wie Krischna, Moses, Buddha, Zarathustra, Jesus und Muhammad ausgingen, die HaupteinflußgréBen bei der Kultivierung des menschlichen Charaklers.
Da die Herausforderung also darin besteht, die Befähigung der Menschheit durch den Zugang zu Wissen gewaltig zu erweitern, muß eine Strategic, die dies möglich machen kann. enlwickelt werden. Eine solche Strategic ist gebunden an einen anhaltenden und sich intensivierenden Dialog zwischen Wissenschaft und Religion.
Es ist ein Gemeinplatz — Oder sollte es inzwischen sein -, daß sich injedem Bereich menschlichen Handelns und aufjeder Ebene die durch wissenschaftliche Errungenschaften gewonnenen Einsichten und Fertigkeiten auf die Krafte geistigerVerpflichtung und moralischer Prinzipien beziehen müssen, um deren angemessene Anwendung zu gewéihrleisten. Cl
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»Die Entwicklungsstra tegie mu/3 sich als wich tlgstes Z ie/ die Aufgabe ste/Ien, allen Be wohnem der Erde gleichberech tIJgt den
Z ugang zu den Prozessen von VVissenschaft und Technikzu ermöglichen, die ihrgemeinsames Geburts rechtsind. _
ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN FUR DIE MENSCHHEIT
EIN NEUES VERSTANDNIS VON GLOBALEM WOHLSTAND
Der nebenstehende Text ist ein Auszug aus dem Statement >>Entwicklungsperspektiven für die Menschheit<< der Internationalen Bahá’í—Gemeinde anléBIich des Weltsozialgipfels in Kopenhagen.
Frau Rabbéni im Gesprich mit Bertrand Schneider, Generalsekretir des Club of Rome.
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chstel‘l
den na
Evolutionssprung
4. Internationaler Dialog zum Übergang zur Weltgesellschaft - Maryland, USA: Vordenker und Entscheider diskutieren über Weltethos und globales Handeln
die Frage auf, wie der Übergang zur
Weltgesellschaft zu gestalten ist. Téiglich prallen globale Vernetzungsbemiihungen auf nationals Biirokratien, nationale Gesetzgebungen. Das Schreckgespenst von einem Planeten, der im Chaos versinkt, weil die Menschheit versagte, den nächsten Schritt in ihrer sozialen Weiterentwicklung zu beschrei Seit Ende des Kalten Krieggs dré'mgt sich
ten, scheint in den Medien allgegenwéirtig. Es wirkt fatal entmutigend.
Dabei kann der alte Menschheitstraum einer friedlichen Zeit inWohlstand erst mit den modemen Instrumentarien verwirklicht werden.
Uyter dem Titel „Internationaler Dialog zum Übergang zur Weltgesellschaft“ treffen sich — quasi als Gegenpol zu den Pessimisten
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— sell 1990 jfihrlich Politiker, Wissenschaftler und religiöse Repriisentanten aus allen Erdteilen zum Meinungsauslausch. Sie eint die Annahme, daß das Enlslehen einer Weltgescllschaft ein unvermeidliches und sehr bald eintretendes Ereignis ist, das jedoch einer sehr bewußten Gestaltung bedarf.
Der ersle Internationale Dialog fand unter der Schirmherrschaft der UNESCO auf der Schweizer Landegg Academy statt. Die Landegg Academy war ebenso für den zweiten und dritten Dialog der Gastgeber. Die vierte Konferenz im Oktober 1995 an der Universität Maryland, USA wurde organiSiert vom donigen Bahá’í-Lehrstuhl filrWeltfrieden (am Zentrum Für Internationale Entwicklung und Konfliktbewéltigung) gemeinsam mit dem Fachbereich Geschichte und in Kooperation mit der LandeggAcademy.
Auswirkungen auf die weltweite Diskussion über die Folgen der Globalisierung
Wie bei den früheren Veranstaltungen des Intemationalen Dialogs trafen sich auch diesmal wieder herausragende Wissenschaftler, Entscheidungstréiger und Meinungsffihrer. Doch es gibt viele Anzeichen, daß diesmal cine gänzlich neue Qualitiit des Austauschs und der Anerkennung erreicht wurde, die Auswirkungen haben wird aufdie weltweite Diskussion über die Folgen der Globalisierung.
So 20g der Internationale Dialog erstmals dieAufmerksamkeit regierender wie ehemaliger Regierungschefs auf sich. Prfisidenl Amata Kabua von den Marschall—Inseln und Libanons Ex-PrcisidenlAmine Gemayel waren bei der Konferenz anwesend. Der amerikanische Vize—PrésidentAl Gore wie der Prai Seite 5
sident der University of Maryland, Prof. William Kirwan, begrößten das Stattfinden des 4. Intemationalen Dialogs in Washington „mit großer Begeisterung“. Zu den Teilnehmern ziihlten auch herausragende Führungspersénlichkeiten derWeltreligionen wie der Hindu—Lehrer Dr. Karan Singh und Frau Rabbénl von der intemationalen Baha'iGemeinde.
Die Teflnehmer aus 22 Landem stellten in großer Übereinstimmung die moralische Perspektive in (169 Vordergrund. Um der Menschheit den Übergang zu einer Weltkultur zu ermöglichen, ist es unumgéinglich, so stellten sie fest, eine neue und umfassende Ethik zu fbrdem.
„Das Phéinomen einer schrumpfenden Welt farm unweigerlich zur Schlußfolgerung, daß wir als globale N achbam handeln müssen“, erkleirte Libanons Ex—Priisidem Gemayel. „Und diese gegenseitige Nachbarschaft bezieht sich auf alle Burger dieser Welt, 0b sie nebenan wohnen oder 1.000 Meilen entfemt sind.“
Internet and Weltethos
„Ein Erfolg jeglicher Bemühungen in dieser Richtung wird dann erreicht werden und Überzeugend sein, wenn wir von echten Werten, von einer universalen Ethik getragen werden, die unser Handeln bestimmt und den Geist unseres Regierens durchdringt“, fuhr Gemayel fort. „Die Werte, von denen ich spreche, sind zeitlos. Sie wurden Über Jahrhunderte von den grOBen Religionen vermittelt und ehedem von den hervorragendsten politischen Vordenkem wieAristoteles und Plato befürwortet. Dazu gehören die Achtung vor dem Leben, Freiheit und Gerechtigkeit.“
»Das Phénomen einer schrumpfenden Welt führt unweigerlich zur Schlußfolgerung, daß wir als globale Nachbarn handeln müssen. Und diese gegenseitige Nachbarschaft bezieht sich auf alle Bürger dieser Welt, ob sie nebenan wohnen oder |.000 Meilen entfernt. Amine Gemayel Ex-Prisident des Libanon
Eine der Plenarsitzungen beim
4. Internationalen Dialog zum Übergang zur Weltgesellschaft war ein »Dialog über Politik«. V.l.n.r.: Tahseen Basheer, Botschafter und Direktor des Nationalen Agyptischen Zentrums für Studien des Mittleren Ostens; Dr. Edy Kaufman, Mitarbeiter am Zentrum für Internationale Entwicklung und Konfliktbewfiltigung an der Universitfit von Maryland; Lily Boeykens, Beauftragte des UNAusschusses zum Status der Frauen; Paul-Marc Henry, Franlésischer Botschafter; Dr. Ernest Wilson, Mitarbeiter am Zentrum fflr Internationale Entwicklung und Konfliktbewfiltigung an der Universitfit von Maryland; Amine Gemayel, ehemaliger Prasident des Libanon.
»Dies ist eine Übergangszeit, und wie alle großen Übergéinge hat sie ihre eigene Logik... Bei jedem Evolutionssprung ist ein Erfolg möglich, aber auch ein Versagen. Der Schlfissel zum Erfolg befindet sich in unserem Geist und in den von uns vertretenen Werten. Ervin Laszlo
Dr. Miles Bradbury, links, und Dr. Suheil Bushrui, Mitte, waren die Hauptorganisatoren des diesjihrigen lnternationalen Dialogs. Dr. Ervin Laszlo, 2. v. links, ist Prisident des Club of Budapest und
einer der Gründer des Internationa len Dialogs. Dr. Bradbury ist Vorsitzender der Historischen Fakultit an der Universitit von Maryland. Dr. Bushrui hat an der Universitfit von Maryland den Bahá’í-Lehrstuhl fflr Weltfrieden inne.
Bertrand Schneider, Generalsekretair des Club of Rome, sprach über weltumfassende Herausforderungen durch die Informationsrevolution. „Selbst in den hdchstentwickelten und tolerantesten Gesellschaften dieser Erde werfen die neuen Technologien Fragen nach kulturellen Werten auf, die nicht leicht zu beantworten sind“, sagte er. „Die Technologien mögen in sich selbst wertfrei sein, die Schwierigkeiten erwachsen aus der Art und Weise, wie sie genutzt werden. Wenn das Satelliten-Femsehen und das Internet einzig zu Bildungszwecken eingesetzt würde, s0 gfibe es keine Probleme. Doch was sollen wir tun, wenn diese Medien zurVerbreitung von Kinder-Pornographie benutzt werden?“
Evolutionssprung durch den menschlichen Geist
Die Antwort liege in neuen Maßstüben des Zusammenlebens. „Da wir uns auf eine Weltgesellschaft zubewegen, haben wir außerordentliche Möglichkeiten, unsere intellektuellen und wirtschaftlichen Mittel gemeinsam einzusetzen, um Probleme in Angriff zu nehmen, anstatt entweder unsere einzelnen Bemühungen verdoppeln zu müssen Oder — was noch schlechter wire - sie gegeneinander einzusetzen. Jeder sieht ein, daß es sirmvoller ist, wenn russische, amerikanische und europiiische Wissenschaftler, wie neuerdings bei der Weltraumforschung, zusammenarbeiten statt zu konkurrieren. Wir bedijrfen einer vergleichbaren Zusammenarbeit und Solidarität auch hier auf der Erde.Wenr1 wir alle unsere Kräfte zusammentun, haben wir mehr Aussicht, unsere heiklen Probleme zu
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Ibsen. Damit das geschieht, brauchen wir nicht nur mehr Wissen sondem Weisheit.“
Dr. Ervin Laszlo, ein international anerkannter Experte in der Evolutions- und Systemtheorie, erinnerte an die Dramatik der Situation. „Dies_i_st eine Übergangszeit, und wie alle großen Übergzinge hat sie ihre eigene Logik... Bei jedem Evolutionssprung ist ein Erfolg möglich, aber auch ein Versagen. Der Schliissel zum Erfolg“, sagte Dr. Laszlo und deutete dabei an seinen Kopf, „befindet sich in unserem Geist und in den von uns vertretenen Werten.“
Die religiösen Reprisentanten konzentrienen sich auf die Bedeutung der Werte. Sie regten an, daß die Suche nach einer universalen Ethik, die die Menschheit bej. diesem Übergang leiten könne, mit einer Überprfifung der moralischen Wene beginnen sollte, die allen großen Weltreligionen zugrunde liegen.
Dr. Karan Singh erléiuterte, daß der Hinduismus wie faktisch alle großen Weltreligionen lehre, daß „das Gijttliche alles durchdringe“ und daß „der göttliche Funke allen Menschenwesen innewohnt“.Aus dem Verständnis dieser beiden Aspekte kommen wir zu dem Ergebnis, daß die ganze Menschheit eine große erweiterte Familie ist. Dies muß der Grundgedanke der Weltgesellschaft seln.
Frau Rébbani, Vertreterin des Baha'iGlaubens, regte an, die sogenannte „Goldene Regel“ (was du nicht willst, daß man dir tut, das fiig auch keinem andren zu), die sich in allen Religionen finde, als Grundlage einer weltumfassenden Ethik zu nutzen. Sie rief die führenden Politiker auf, enge, nationali
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stische Sichtweisen zu überwinden. „Die gegenwärtige politische Weltsicht und viele ihrer Befürworter werden viel zu héiufig von fanatischen und opportunistischen Grundsfitzen bestimmt, von dummen Vorurteilen und persénlichem Ehrgeiz. Ich ziehe einen Machtbegriff vor, der weiter gefaßt ist, liberaler und selbstloser. Macht sollte als eine heilige Verpflichtung definiert werden, um der denkbar größten Zahl der Menschen das denkbar Beste zu ermöglichen. Heute beinhaltet das die ganze Welt.“
Eln globalvertrfiglicher und selbstloserer Machtbegrifl
Frau Rabbénl fuhr fort: „Jene in einer Machtposition sind Treuhéinder des einen Schöpfers und müssen ihm gegenuber Rechenschaft ablegen. Daher sind sie verpflichtet, sich nicht als Reprisentanten kleiner 6nlicher Wahlbezirke zu betrachten, sondern als Treuhéinder Für alle Erdenbewohner. Sie müssen gerecht zwischen den Menschen urteilen und erkennen, daß Entscheidungen, die sie in dieser Geisteshaltung treffen, sicherlich auch ihren nationalen Interessen dienen werden, während sie die Wohlfahn aller schiitzen - mit anderen Worten die Wohlfahrt der Menschheit als ganzes. Ich meine, daß diese beiden Grundsätze der globalen und der geistigen Verantwortlichkeit jene Regierungsinstitutionen kennzeichnen werden, die sich unausweichlich in Zukunft in unserer Weltgesellschaft entwickeln werden.“
Dem Ruf nach einer Wiederbesinnung auf religidse Werte, wenn nach politischer Führung gesucht wird, wurde von mehreren
nicht-religiösen Führern dieser Konferenz zugestimmt.
Wissenschaft and Religion: beide können Segen wie Schaden hervorbringen
Prisident Kabua von den Marshall-Inseln beispielsweise gab zum Ausdruck, daß eine neue Weltkultur nur dann erfolgreich sein werde, wenn „durch einen Akt schöpferischenAustausches wissenschaftlicher und religiöser Systeme eine grundséitzliche Emeuerung unserer Gewohnheiten und Haltungen bewirkt wird. Sowohl die Wissenschaft als auch die Religion sind f Lir große Fortschritte verantwortlich, aber auch flir Viele Greuel. Die Wissenschaft brachte große Erfindungen und große Taten hervor, hat aber auch die Möglichkeiten der Menschheit zum T6ten perfektioniert. Ungeachtet des großen positiven Einflusses der Religion auf die Entwicklung der Weltkulturen liefert uns die Geschichte der Vergangenheit und der Gegenwart reichlich Beweise fijr barbarische Handlungen, die im Namen der Religion begangen wurden. “
Nur durch ein Konzept menschlicher und geistiger Brüderlichkeit und Einheit, so Préisident Kabua, können Wissenschaft und Religion eine Einheit bilden und ihre schönsten Fruchte hervorbringen. „In diesem Zusammenhang“, ffigte er hinzu, „wird eine Religion, deren Absicht es ist, die Menschheit zu vereinen, eine starke Kraft ausuben und unsere geistigen und materiellen Bedijrfnisse und den Fortschritt in Einklang bringen“. C]
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Neben zahlreichen akademischen gab es auch eine Ffille von künstlerischen Beitrfigen. Kevin Locke führt bei einer Abendveranstaltung den Reifentanz der Lakota vor.
»]ene in einer Machtposition sind Treuhéinder des einen Schöpfers und müssen ihm gegenüber Rechenschaft ablegen. Daher sind sie verpflichtet, sich nicht als Reprisentanten kleiner 6rtlicher Wahlbezirke zu betrachten, sondern als Treuhéinder für alle Erdenbewohner. Mary Rabbéni
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"1! CLUB OF BUDAPESY
»Ein Baum, der falllt, macht mehr Krach als ein Wald, der wichst. Wenn wir nur aufdie fallenden Béume starren, werden wir das Heranwachsen des Neuen vollstindig verpassen und all das Spannende und Faszinierende dieser Entwicklung würde an uns
gänzlich vorbeilaufen. Hans-Peter Dfirr
über die Notwendigkeit, sich ganz besonders auf die positiven Nachrichten zu konzentrieren
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Club of Budapest
»Das Wesentliche für die Zukunft ist die Orientierung... Der »Club of Rome« erhält mit dem »Club of Budapesteine Partnerorganisation mit renommierten Künstlern und spirituellen Führern der Weltreligionen
raucht der renommierte, vor allem B von rational denkenden Wirtschaftlern und Wissenschaftlem gepreigte »Club of Rome« eine Schwesterorganisation, die für dasselbe Ziel andere Kräfte, insbesondere kreative, künstlerische und geistige, wirken lfiBt? DieserAnsicht waren schon vor 15 Jahren der Gründer und erste Prfisident (168 Club of Rome, Aurelio Peccei, sowie Ervin Laszlo, ebenfalls einer der 100 Club—Mitglieder. Letzterer realisierte diese Idee nun und stellle am 22. Februar in Mfinchen denu»Club of Budapest« erstmals der deutschen Offentlichkeit vor.
Hans—Peter Dfirr, Physiker und selbst Mitglied des Club of Rome, begrfindele die Notwendigkeit dieses Partner—Clubs in MfinChen mit der für einen exakten Wissenschufller überraschenden These: »Das Wesentliche im Leben hat mit Exaktheit überhaupl nichls zu tun. Für das für die Gestaltung der Zukunft zu Entdeckende gilt: je exakter, desto irrelevanter für die Orientierung dorthin.<< Die exakten Wissenschaflen könnten vorhandenen Visionen und vorhandenen Willensentscheidungen wertvolle Diensle leisten bei deren Realisierung und sie könnten mit determinierendem Wissen Voraussagen machen über Risiken und Gefahren von vorhandenen Tendenzen.Aber sie seien vfillig untauglich für die Definition von Visionen und dem, wohin wir wollen.
Dfirr verglich die Funktionen der beiden Schwesterorganisationen Club of Rome und Club Of Budapest mit den menschlichen Organen Hiindc und Augen. Die Augen hatten die Ffihigkeit, weit über den Wirkungskreis der Hfinde hinauszuschauen, was es den Hainden erst ermöglicht, ihr Handeln in grb Bere
Wirkzusammenhänge sinnvoll und zukunftsvertriiglich einzuordnen. So wichtig und wertvoll die bisherige Leistung des Club of Rome als Mahner vor geffihrlichen Trends auch sein mag. die wichtigere Funktion liege in Orientierung und damit in der Aufgabe, die sich der Club of Budapest gestellt hat.
Ervin Laszlo, erster Préisident des Club of Budapest, hob als weiteren, komplementiiren Unterschied zum Club of Rome hervor, daß letzlerer versuchte, von oben und außen Einfluß auf die Entscheidungsprozesse in der Welt zu nehmen, wiihrend ersterer dies von innen und umen her angehe. Ziel sei die Fortentwicklung des globalen Bewußtseins in den Menschen und die Stfirkung von deren Engagement für globalvertrfigliches Handeln von der Basis her. ..
Damit verbunden sei auch der Übergang vom Informations- zu einem Kommunikationszeitalter: Nicht allein die Information über Schreckensszenarien kfinne die Menschheit zu einer neuen Orienticrungy bewegen, sondem erst eine neue Qualitiit der Kommunikation über die Informationen. Dcr Club Of Budapest versteht sein Hauptwirken daher nicht vorrangig in der Publikation von wissenschaftlichen Studien, sondern in der kulturellen und geistigen Erneuerung sowie der kreativen Ffirderung von beispiclhahen Projekten im Sinne eines planetarischen Bewußtseins.
Diese Zielsetzungen spiegeln sich wider in der Mitgliederstruktur des Club of Budapest, die man eher alsVorwirkcr dcnn als Vordenker bezeichnen kfinme.
Die ebenfalls, wie beim Club of Rome, exakt 100 Kernmitglieder leilen sich in jeweils 50 herausragcnde Persönlichkeiten aus
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Kunst, Kultur und Geistesleben und 50 ausgewiihlle junge Nachwuchskriifte, die sich mit ungewöhnlichen Ideen und Projekten hervorgetan haben. Zu den renommierten Mitgliedern ziihlen Kulturschaffende wie Tschingis Aitmatow, Yehudi Menuhin, Sir Peter Ustinov, Elie Wiesel, Georg Solti, Liv Ullmann Oder der Bildhauer Herbert O. Hajek, spirituelle Persönlichkeiten wie der Dalai Lama, Pir Vilayat Inayat Khan, Mary Rabbénf, die Gattin des Urenkels des Stifters der Bahá’í—Religion, sowie der Theologe Thomas Berry und schließlich eine Reihe von herausragenden globalenAktivisten wie die Frauenrechtlerin Riane Eisler, der UNOSchulgrimder Robert Muller, die Friedensaktivislin Betty Williams und der Zukunftsforscher Peter Russell.
Im Zentrum der Arbeit des Club of Budapest in diesem Jahr wird die Verabschiedung eines Manifestes über planetarisches Bewußtsein sein sowie die Verleihung eines >>Planetary ConsciousnessAward<<, eines Preises fur Planetarisches Bewußtsein ähnlich der jfihrlichen Oskar—Verleihungen. Das Manifest definjen das planetarische Bewußtsein als >>das Wissen und Fflhlen um die lebendige Interdependenz und die wesentliche Einheit der Menschheit sowie die bewußte Verinnerlichung des damit verbundenen Ethos<<. Die erste Preisverleihung, die von den Regierungen Ungams und Islands gesponsert wird,
findet im September im Rahmen der 1 100J ahrfeier der Donaumetropole Budapest Statt.
Ein weiterer Höhepunkt der diesjiihrigen Aktivitiiten wird eine Intemationa1_e Konferenz >>Internationaler Dialog zum Übergang zur Weltgesellschaft<< vom 25—27. Oktober 1996 in Budapest sein, die vom Club Of Budapest gemeinsam mit der Landegg Academy und der University of Maryland vorbereitet wird.
Die Mitglieder und Fbrderer des Club of Budapest sind dazu aufgerufen, an Vielen Orten praxisorientierte >>Zemren Für globales Bewußtsein<< ins Leben zu rufen.
Hans-Peter Dijrr meinte zum Abschluß der Veranstaltung, wir müßten dringendst unsere Wahmehmungsweise umstellen und uns aus dem Bann der Sirenentbne der heutigen Medienlandschaft emanzipieren. Die Medien arbeiteten nach dem Motto: >>Ein Baum, der féillt, macht mehr Krach als ein Wald, der wichsm Wenn wir nur auf die fallenden Baume stamen, wijrden wir das Heranwachsen des Neuen vollständig verpassen und all das Spannende und Faszinierende dieser Entwicklung wijrde an uns gänzlich vorbeilaufen. In der Welt gebe es bereits sehr viele solcher neuen Walden Wir sollten dem Vielstimmigen Konzert von deren Wachstum lauschen, als den Verstarkeranlagen namens Medien, die vorrangig auf fallende Bäume fixiert sind. Cl
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Ervin Laszlo, Prfisident des neu gegründeten Club of Budapest, stellte die Konzeption der Partnerorganisation zum Club of Rome vor. Der Physiker Hans-Peter Dfirr (rechts) - Prisident des »G|obal Challenges Network«, Triger des Alternativen Nobelpreises, und Mitglied des Club of Rome erliuterte die Chance zur wesentlichen gegenseitigen Erginzung der beiden Vordenker-Clubs.
Auf dem Altiplano, einer Hochebene der Anden in Bolivien, haben Mitglieder der Dorfgemeinschaft von Kullpafia eine kleine Baumschule errichtet, die l.000 Setzlingen ermöglicht, sich fortzupflanzen. Die Bäume werden hinter kleinen Dimmen gepflanzt, sobald genügend fruchtbarer Boden vorhanden ist. Die Dimme sammeln Regenwasser und stoppen die Erosion. Dies ist eines der wichtigsten Proiekte des Dorothy-BakerZentrums fijr Umweltstudien.
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Bolivien
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einer Bergwiiste
Nachhaltige Entwicklung in Boliviens Anden
ochabamba. - In den Anden, westC lich der zentral-bolivianischen Stadt
Cochabamba, erstreckt sich der Altiplano. Dieses 4000 -5500 Meter hohe, rauhe Plateau, bietet Bedingungen, auf dem nur die widerstandsfiihigsten Menschen Überleben können.
In isolierten Téilem, versuchen sich kleine Gemeinschaften von Indianern derAymara und Quechua den Lebensunterhalt mit Kartoffelpflanzen und Schafzucht zu erwinschaften. Sie zzihlen zu den éirmsten Menschen in diesem iirmsten der lateinamerikanischen Lander.
Zentrales Problem ist die Wasserknappheit. Die feuchte Jahreszeit dauert in der Regel nur drei Monate. Aber sporadische Trockenperioden f Lihren immer wieder zum Emteausfall. Jeder Baum, der geholfen hätte, den Regen zu halten, wurde vor langer Zeit als Brenn— Oder Baumaterial geschlagen.
„Dies hier ist eine richtige Gebirgswiiste,“ beschreibt William Baker, Direktor des Dorothy-Baker-Zentrums Für Umweltstudien, den Altiplano. Das Zentrum ist eine
durch die Bahá’l geförderte Initiative, die Optimierungsforschung betreibt. Dies betrifft die eingesetzten Technologien, aber auch die Erziehung. Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung und die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und Umwelt— Bedingungen im bolivianischenAltiplano.
Früher konzentrierte sich das Zentrum darauf, Familien in der Region beim Bau billiger, durch Sonnenenergie geheizter Gewéichshciuser zu helfen. Dadurch wurde ihnen der koslengijnstige Anbau von Gemfise und Frflchten in hohen Regionen außerhalb der eigemlichen Erntezeit ermöglicht. [Anmerkung der Redaktion: Im Friihjahr 1991 berichlete One Country über dieses Projekt. Siehe Jahrgang 3,Ausgabe 1.]
Seit einiger Zeit konzentriert sich das Zentrum darauf, die Altiplano-Gemeinden zum Bau kleiner Diimme zu ermutigen, die die geringen Regenmengen sammeln und halten können. Das Projekt greift bereits in einigen Gebieten. Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß die Gefahr durch Trockenzeiten gebannt und daß bis zu einem gewis
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sen Grad wiederaufgeforstet werden kann. Mit dem Wasserschutzprogramm besteht die Möglichkeit, das gesamte Okosystem der Gegend zu dem zurückzuführen, was es einst war und dieses als eine 6kologisch gesunde
meinden der Tapacari-Provinz den Bau von mehr als 2000 kleinen Haltediimmen in den JahIen 1994 und 1995. Zusammen nahmen mehr als 300 Menschen an den Projekten in diesen Gemeinden teil, die ungefeihr 120 Ki Basis Für andere Projekte in der Landwirtschafl und Tierhaltung zu nutzen. Wie konnte dieses Vorhaben erfolgreich sein? Die Grundlage legte ein Lern-Programm Für Erwachsene und Vorschulkinder. In Form von Unterricht wurden den Hochplateaubewohnern neue Technologien theoretisch erklisirt. Initiative
Normalita‘t
ist lingst, daß sich als Berater firmierende Entwicklungshelfer der Optimierung von administrativen, industriellen und Dienstleistungsprozessen widmen. Neben der strukturgllen
Optimierung sind iedoch über; , große MotivationsanStrengun- , gen nötig, um eingefahrene Gliai,w , se zu verlassen. Ein BeriiChtfvon 1
der Modvationsfront :akus-Bolivi lometer westlich von Cochabamba liegen.
Die einfachen Diimme aus Steinen und Fullmaterial, für deren Bau drei Oder vier Menschen wenige Stunden brauchen, verlangsamen denAbfluB des Regenwassers, so daß Wasser in den Boden eindringen kann. Zugleich sammelt sich Humus in Auffangbecken hinter den
zur Selbsthilfe sollte durch en. Informationen angestoBen werden. Doch das allein reichte nicht. Der Unterricht erinnerte deshalb auch an die dem Menschen innewohnende Wiirde und ihren Wert, betonte die wesenhafte Einheit und Gleichheit aller Menschen. Diese Lehren helfen, die allen Menschen innewohnenden Hoffnungen zu wecken und sie zu befühigen, stetig mehr Verantwortung für ihre eigene Entwicklung zu fibemehmen.
William Baker: „In unserem Unterrichl verfechten wir die Idee der Investition fijr das Wohlergehen. Der Gedanke beruht auf grundlegenden Prinzipien der Bewahrung und des Respekts vor der Natur. Er betont auch, daß wir in einer Natur leben und nicht das Recht haben, sie zu zerstören, zumal dieses auch das Recht anderer Menschen ber Lihrt.“
Mit dem im Unterricht gewonnen Wissen organisierten Absolventen aus Vier Ge Seite 11
Déimmen.
Auf diese Weise wird die schwere Erosion kontrolliert, die in den letzten J ahren einen großen Teil der Muttererde fortgeschwemmt hat. Inzwischen sind bereits kleine Baumschulen entstanden, um Setzlinge zurAufforstung der Fléichen hinter den Démmen zu haben, sobald diese einmal mit Humus gefijllt sind.
Obwohl kaum zwei J ahIe alt, beginnt das Projekt bereits Ergebnisse zu zeitigen.
In einer Gemeinde wurden neue Feuchtfleichen erreicht, in einer anderen die Größe der Feuchtfliichen vergrößert. „Alles in a]lem haben wir wahrscheinlich 500 Oder mehr Diimme von den 2000 benötigten, die sich nun mit Erde f Lillen und das Wasser speichem. Wir haben viele neue Biiume angepflanzt. Es haben schon mehrere andere Gemeinden um dieAufnahme in dieses Projekt gebeten,
da sie die Ergebnisse sehen“, ffigte William Baker hinzu. CI
»In unserem Unterricht verfechten wir die ldee der Investition für das Wohlergehen. Der Gedanke beruht aufgrundlegenden Prinzipien der Bewahrung und des Respekts vor der Natur. Er betont auch, daß wir Teil der Natur sind und nicht das Recht haben, sie zu zerstören, zumal dieses auch das Recht anderer Menschen berührt. William Baker, Direktor
des Dorothy-Baker-Zentrums fur Umweltstudien
Obwohl es auf dem Altiplano nur selten Niederschlag gibt, ist er dann so heftig, daß ehemaliges Weideland fortgespfllt wird. Hier in der Gemeinde von Yawri Totora bedroht die Erosion die Dorfschule und die Kirche.
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Acuto, Italien. - Dreiundsiebzig Frauen aus 26 Ländern
folgten der Einladung der EuropeiischenTask Force für Frauen zu einem Seminar nach
Acuto. Italien. Unter anderem
wurde eine von Frauengruppen
getragene gemeinsame européii
Parlament bittet
um Vorlage
Luxemburg. - Auf BitIe des Parlaments von Luxemburg bereitete die Luxemburgische Vereinigung der Bahá’í—Frauen als eine von mehreren Organisationen eine Stellungnahme zu den Rechten der Frau vor. 1n diesem Statement ging es um die Position zu Ausbildung und Beruf, zu wirtschaftlichen und sozialen Über1egungen, Gewalt gegenüber Frauen, Frauen in den Medien und als Entscheidungstrfigerinnen. Ende Januar lud die Parlamenlarische Kommission für Familienangelegenheiten zum Hearing ein. Unter den 40 Teilnehmerinnen waren auch sechs Bahzir. Im M512 fand auf dieser Grundlage eine Parlamentsdebatte start.
MAGAZIN
Frauengruppen fordern Internationale Friedenskonferenz
sche Friedensinitiative entwikkelt. So hatten bereits im Herbst in 18 italienischen Städten Frauengruppen, die sich aus Bahá’í-Frauen und anderen zusammensetzten, eine Reihe von Schulen besucht, um mit den Lehrern und Schülern einen Dialog über die Bedeutung der Friedenserziehung zu führen. Sie mobilisierten die Medien und organisierten Lesungen zu „W0rte des Friedens“ auf den Hauptpliitzen. In tausenden von Briefen an den Generalsekretar der Vereinten Nationen wurde die sofortige Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz a11er Staats- und Regierungsoberhfiupter erbeten.
Feier zum Tag der Menschenrechte in Bukarest
Bukarest. — Am 12. Dezember versammelten sich in der rumiinischen Hauptstadl mehr 2113 300 Menschen, darunter zahlreiche Botschafter und mehr als 20 Mitglieder des Parlaments. zu einer von der Bahá’í—Gemeinde veranstalteten Feier anlfiBIiCh des Tages der Menschenrechte. Die Gedenkansprachen hielten Pierre den Baas, der Vorsitzender der rumeinischen UN—Delegation (am Mikrofon stehend), Irina Zlatescu. die Leiterin des Rumfinischen Instituts für Menschenrechte (links), und Tiberiu Vayda von der Internalionalen Bahá’í—Gemeinde.
UN-Generalversammlung zeigt sich besorgt über die fortdauernden Menschenrechtsverletzungen im Iran
New York. — Ein weiteres Mal brachte die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre Sorge über die Verletzung der Menschenrechte im Iran zum Ausdruck. Kritisierl wurden insbesondere die hohe Zahl
Bahá’í—Frauen gestalten 5. Schweizer Frauenkongren mit
Bern. - Über 2.000 Besucher, meistens Frauen, besuchten vom 19. bis 21. Januar den fünften Schweizer FrauenkongreB in Bern. der unter dem Motto stand „Visionen für unsere Zukunft“. VierThemen standen zur Diskussion: Offene Schweiz und globale Verantworrung. neue Lebens- und Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit im 21. Jahrhundert und eine gewaltfreie Gesellschaft.
Die Schweizer Vereinigung der Bahá’í—Frauen organisierte u.a. einen Workshop mit dem Tile] ,.Auf dem Weg zu einer neuen Friedenskultur“. Hundert J ahre nach dem ersten Kongreß dieser Art wurde eine Bahá’í—Resolution vom Plenum angenom men. Darin wird die Schweizer Regierung aufgefordert. Friedenserziehung auf der Basis der Menschenrechte und des Unterrichts der gewaltfreien Konfliktlfisung in die regulfiren Schulplfine aufzunehmen. Daneben informierte ein Informationsstand über die Wichtigkeit ganzheitlicher Erziehung — insbesondere auch für Mfidchen sowie über die Notwendigkeit. die Einheit der Menschheit als Vorbedingung für deren Wohlfahrt zu betrachten und zu errichten.
Die SchweizerVereinigung der Bahá’í-Frauen wurde vor ffinf Jahren gegründet und ist Mitglied des Bundes schweizerischer Frauenorganisationen.
der Hinrichtungen. das Fehlen ordentlicher Gerichtsverfahren und die diskriminierende Behandlung von religiösen Minderheiten.
Der Beschluß. der mit 78 gegen 27 Stimmen am 22. Dezember 1995 angenommen wurde, war der zehnte dieser Art in elf Jahren. Wie bei den vorangegangenen Stellungnahmen wurde speziell auch die Situation der iranischen Baha'iGemeinde angesprochen, die seit 1979 im Iran systematisch unterdrückt wird. Mit mehr als 300.000 Mitgliedem stellen die Bahá'idie größte religiöse Minderheit im Lande dar.
Die Stellungnahme drfingl die Regierung der Islamischen Republik Iran als Mitunterzeichner der UN-Menschenrechtskonvention, ihren Verpflichtungen nachzukommen und >>sicherzustellen, daß 21] 1e Personen und religiösen Gruppierungen innerhalb ihres Territoriums und im Zusténdigkeitsgebiet ihrer Rechtsprechung in der Weise geschfitzt werden, wie es in der MenschenrechtskonvenIion festgelegt ist<<.
Schweizer Bahá'iGemeinde ver6ffentlicht Titigkeitsbericht '95
Welche Position hat die Schweizer Bahá’í—Gemeinde zur innenpolilischen Abstimmung über denAnIirassismus—Anikel bezogen? Was wurde im Internationalen UNO Jahr der Familie unternommen? ln welcher Form haben sich Schweizer Bahá‘l am UNO—Sozialgipfel beteiligt? Was tun die lokalen Schweizer Bahá’í—Gemeinden, was die Vereinigung der Schweizer Bahá’í—Frauen? Interessante Antworten und zahlreiche Statistiken ffillen den ersten 6ffentlichen Tätigkeitsbericht der Schweizer Bahá’í—Gemeinde. Und auch über die Finanzen der Schweizer Bahá’í—Gemeinde gibt das 24 seitige BrevierAuskunft. Zu beziehen beim Nationalen Geistigen Rat der Baheir der Schweiz, Dufourstrasse 13, 3005 Bern,T.: 0041/ 31 352 10 20.
Richtigstellung
In unsererAusgabe 4/95 >>Gründung eines WCRP—Ausschusses Okumene der Weltreligionen<< ist uns ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Der überkonfessionelle »Raum der Sti11e<< im Brandenburger Tor ist richtig von einem Initialivkreis und spineren Ffirderkreis ins Leben gerufen worden. dessen Vorsilzende Frau Dr. Maria Diefenbach ist und nicht. wie versehentlich berichtet, von der Berliner Ortsgruppe von WCRP.
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Entdeckungsreise zu den Talenten in jedem Menschen
Gesprfich mit dem Kreativitfitsforscher Frederick Mayer
ONE COUNTRYIWaS ist die wichtigste Botschaft, die ein erfahrener Kreativitiitsexpene der Menschheit fur ihre niichsten J ahre mit auf den Weg geben mächte?
FREDERICK MAYER2F6Fdem wir endlich die unvorstellbar großen und wertvollen, aber leider weiteslgehend ungenutzten menschlichen Potentiale!
ONE COUNTRY: W0 sehen Sie solche ungenutzlen Potentiale?
FREDERICK MAYER: Bci den Alten, bei den Kindern, bei den Frauen, bei den Méinnern, bei den Ohnmächtigen...
ONE COUNTRY: Heißt dus in der Summe, bei allen?
FREDERICKMAvenzKennen Sie einen Menschen, bci dem Sie das Gefuhl habcn, er hat wirklich das Beste aus scincn Fahigkeiten gemacht? Selbst wenn wir eine solche Meinung halten, wäre sie völlig falsch. Die spannendste und aufregendste Entdekkungsreise, auf die wir uns machen können, ist die Entdeckungsreise in die Talente eines jeden Menschen.
ONE COUNTRY: Wie kann man die Talente eines Menschen freilegen und fördern?
Frederick Mayer
gilt als einer der renommiertesten Kreativitiitsforscher. Er lebt heute in Wien. In den USA war er Universitfitsprofessor und Sonderberater für das »Center for the Study of Democratic Institutions« in Santa Barbara, Kalifornien. Er ist Autor von über zwanzig Büchern, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Sein Buch »History of Educational Thought« wird von zahlreichen Universitfiten als Lehrbuch genutzt. Es hat - insbesondere in der brasilianischen Übersetzung in einer Buchreihe der bedeutenden Bildungsexperten mit Beitragen von Autoren wie Anna Freud und jean Piaget - die moderne internationale Pfidagogik wesentlich beeinfluflt. Prof. Frederick Mayer ist Triger des Goldenen Ehrenzeichens der Stadt Wien, Fellow der Royal Society of Arts in London und Mitglied des Austrian Chapters des Club of Rome. Er war Ehrenpréisident der Internationalen UNIDO-lACT-Konferenz 1988 in Wien und schrieb das Programm fdr die Zukunft der industriellen Administration. Anfang 1996 entschied sich Frederick Mayer, Mitglied der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zu werden.
FREDERICK MAYERzPeidagogische Experimente haben gezeigt, daß 15- bis 17-jiihrige in der Lage sind, qualifizierte Fuhrungsaufgaben zu bewailtigen. Gebt jedem Kind in der Familie, in der Schule, in Vereinen und in der GesellschaftAufgaben und unterstiitzt sie in der Bewiiltigung dieserAufgaben durch Ermutigung und Anerkennung. Anerkennung ist unvorstellbar wichtig. Regt und leitet sie an, Über eine andere, bessere Lebensform nachzudenken, zu meditieren, abcr nichl im Sinne einer Meditation um der Meditation willen, sondem einzig um einer weltvertréiglicheren und aktiven Lebensweise willen. Jede Lebensphase und jedes Miltel — 0b Bildung Oder 0b Meditation — erhiill ersl seinen Sinn. wenn es auf Aufgaben bezogen ist. Ohne Aufgaben kommt der Psychialer. Was wir heute haben, ist Charakterlosigkeit als Lebensstil. Das ist das Ergebnis eines Lebens ohne Visionen, ohne inspirierendeAufgaben.
ONE COUNTRY: Sie
sprachen auch die Allen an. 1st dort Férde rung in diesem Sinne noch möglich? FREDERICK MAYER: Und wie! Herausfor
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»jede Lebensphase und/edes Mitte/ - ob Bildung oder ob Medita tion - erhé'lt erst seinen Sinn, wenn es auf Aufgaben bezogen ist. Ohne Aufgaben kommt der Psychiater: Was
wir heute haben, ist CharakterIOSngeit als Lebensstil. Das ist das Ergebnis eines L ebens ohne Visionen, ohne inspirierende Auf gaben.
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Prof. Frederick Mayer, Kreativititsforscher, in seinem Wiener Domizil.
» Wir brauchen die Formu/ierung und Einarbeitung eines We/tbtirger-Ethos in die Lehrplzine der Schulen. Der Übergang zur
Un terrich tung Liber Friedenshe/den wé’re ein Einstieg in eine globale Sichtweise und würde einem Weltbtirger-EthosAusdruck ver/eihen. derndeAufgaben annehmen und ihre Bewiiltigung durch Meditation zu férdem ist keine Frage desAlters. Vor eini gen J ahren begegnete ich einer attraktiven Frau eines berijhmten amerikanischenÄrztes. Sie >>hatte alles<<, was man in materialistischen Kulturen so >>alles<< nennt. Sie war standi g betrunken und sprach mit größterVerachlung über ihren Mann und chr alles, worauf sie sonst noch zu sprechen kam. In J apan lernte ich 90jeihrige kennen, die noch immer großc Unternehmen leiten, geislig und kiirperlich fit 8in und fijr die Erfullung ihrer Aufgaben weiterhin léglich meditieren. Der Schlijssel zur Kreativitéit wie zu Gesundheit isl die Verbindung vonAufgaben und Meditation. Dies mijssen wir entdecken Für die Erzichung der Kinder wie fur die Wiederbelebung derAlten. Daß sich viele Alten mit Vorliebe dariibcr verstiindigen, wcr die schlimmsten Krankheiten hat, ist nichl gottgegeben. Es gibt genijgend Kulturen, die zeigten, welchen Stellenwert dieAlten in der Gesellschaft haben können und was sie zu leislen imstande sind. Gebt denAltenAufgaben, und wir alle wcrden staunen!
ONE COUNTRY1WOfind€n wir die Vorbilder für eine solchc alternative Lebensweise?
FREDERICK MAYER: Vor allem imWirkungskreis der Stifter der großcn Religionen, wie zum Beispiel Bahá’u’lláh. Nalijrlich meine ich hier nicht jene, die Religion durch Funda mentalismus und Fanatismus in ihr Gegenteil verkehrt haben, sondern Menschen, die Sich durch die geistige Weitsicht der Religionsstifter zu eigenen großen und positiven Visionen anstiften ließen. Wir sollten solche >>respektablen Verbrecher<< wie Napoleon, der meinte, wenn eine Million Menschen auf seinen Feldziigen stcrben wijrden, bedeute dies nichts, aus unserer geistigenAhnengalerie streichen. Es wäre uberaus verdienstvoll, die Schulbiicher, mit denen unscre Kinder groß werden, daraufhin zu Überarbeiten, die wirklichen Helden — die Friedenshelden sichtbar werden zu lassen.
ONE COUNTRY: Und wie sollen derartige neue Leminhalte in die Schulen kommen?
FREDERICK MAYER: Beim Wcltsozialgipfel in Kopenhagen stellten eine gauze Rcihe von Nicht—chierungsOrganisationen dcnselben Vorschlag zur Diskussion1Wir brauchen dic Formulierung und Einarbcitung eines Weltbijrger—Elhos in die Lchrplane der Schulen. Die Konzentration auf Kriegshelden im Geschichtsuntcrrichl emspricht bier noch der nationalen Perspektive, der chrgang zur Unterrichtung Über Friedenshelden wäre ein Einstieg in eine globale Sichtwcise und war(:16 einem Weltbürger—EthosAusdruck verleihen. Die NGO >>Terra<< geht noch einen Schrm weiter und fordert die Einrichtung eines Schulfaches >>Weltbijrgerkundc<<. Cl
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New Yorker UN-Seminar
Die Rolle einer internationalen Friedenstruppe
ie UNO braucht eine internationale D Friedenstruppe, wenn sie effektiver
gegen Kriege vorgehen 5011. So lauIet eines der Ergebnisse eines Seminars in New York Liber die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen. Die Teilnehmcr, darunter Venreter ausgeweihlter Regierungsdelegationen, NGOS (Nicht—Regierungs—Organisationen) und UN—Sonderorganisationen. stellten weiter fest, daß die Vereinten Nationen insbesonderc die Ursachen der Konflikte - obArmut oderVerletzung der Mcnschenrechte - beseitigen sollten, damiI ein dauerhafterWelIfriede erreicht werde.
Das Seminar mit dem Tile] „Mcnschhcit am Wendepunkt“ fund im Rahmcn der Feierlichkeiten zum 50. Jubiliium dchcrcimcn Nationen stall. Es wurde veranstaltct vom UN—Biiro der Inlernationalcn Bahá’í—Gemeinde und bcschiifligtc sich mit der N01wendigkeil einer UN—Rcform. Dabci konzentrierte es sich aui zwei Grundprobleme: erslens die Friedcmcrlwltung durch eine in temationale Friedenslruppe; und zwcitcns die Kommunikalion mitlcls einerWelthilfsspraChe.
Einig war man sich durfibcr. daß die Umselzung dicser visioniiren Ziele eine starke Partnerschaft zwischen Regierungen und NGOS crfordert. Nur eine solche Partnerschaft wcrde die Menschen wellwcit an der Basis crreichen. Daruber hinaus bediirfe es cincr klaren Zielselzung. ..Wir kéinnen die UNO nichl rctormicrcn, wcnn wir keine Vision haben. wohin der ch fijhren soll“. sagtc Ruth Engo, eine langjiihrigc Verbindungsbcauftragte des UN—Emwicklungsprogramms (UNDP) f Lir Afriku und die am wcnigslen cntwickelten Länder.
Ein neues Zeitalter far die UNO
DieAlmosphiirc dcs Seminars wurde gepriigl durch die Eréffnungsrede von Amata Kabua, dem Priisidenten der Marshall—Inseln.
Das vom UN-Bijro der lnternationalen Bahá'iGemeinde (BIC) veranstaltete Seminar »Wendezeit Für die Nationen« konzentrierte sich auf zwei Kernthemen einer UNOReform: die Schaffung einer internationalen Friedenstruppe und die Festlegung auf eine Welthilfssprache, die dann in allen Schulen der Welt neben der Muttersprache gelehrt werden soll.
Amata Kalua, Prisident der Marshall-lnseln, hielt die Hauptrede des UN-Seminars.
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Am Nachmittag fflhrte Ruth Engo
(Bildmitte) den Vorsitz des
Seminars. Ruth Engo ist eine hohe
Reprisentantin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen
(UNDP) für Afrika und die unterentwickelten Lander.
»A||e Menschen haben das Recht, zur entstehenden Weltgesellschaft und zu ihren Belangen beizutragen. Eine Welthilfssprache bietet allen Menschen die Möglichkeit, ihr Recht auf Kommunikation in der Weltgemeinde wahrzuneh men.jeffry S. Gruber
Das unwandelbare Gesetz der Vereinderung und des Verfalls mache es notwendig, daß die Vereinten Nationen unparteiisch ihre Funktion untersuchen, ihre Ziele revidieren und ihre Strukturen neu bewerten. Dabei sollten sie ehrlich nach praktikablen und langfristigen Lösungen suchen.
„Es gibt keineAltemative. Die gegenwéirtige politische Landschaft unterscheidet sich erheblich von der vor fünfzig J ahren“, so der Politiker. Die Anzahl der Mitgliedsnationen habe sich mehr als verdreifacht. Zudem W0116 sich die Zivilgesellschaft immer mehr selbst fur den VeranderungsprozeB engagieren.
Die Problematik der UN—Reform wurde in mehreren Vorträgen erértert. Virginia StrauB, Direktorin des Bostoner Forschungszpntrums für das 21. J ahrhundert, gab einen Überblick über die gegenwéirtigen Vorschléige zur Weiterentwicklung der Weltorganisation. IhreAusführungen drehten sich um den kijrzlich erschienenen Report „Nachbarn in Einer Welt“ der intemationalen Kommission Für Weltordnungspolitik (Commission on Global Governance).
Bisherige Erfahrungen und Reformvorschlfige für ein kollektives Sicherheitssystem
Bnan Lepard, Professor fur Rechtswissenschaft an der Universitét Nebraska, befaßte sich mit „Aussichten einer ständigen F riedensstreiymacht der Vereinten Nationen“. Er gab einen Überblick über Erfoge und Fehlschléige der friedenserhaltenden UN-Missionen in den letzen 50 Jahren. Lepard meinte, daß die wachsenden wechselseitigenAbhéingigkeiten weltweit zu einem größeren Verstandnis Für die Notwendigkeit einer UNOFriedenstruppe fijhren wijrden — einer
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Friedenstruppe, die schnell und unpaneiisch auf globale Krisen reagieren könne. Lepard sagte: „Keine Friedenstruppe der Vereinten Nationen kann erfolgreich sein, es 361 denn, die 6ffentliche Meinung der Welt steht hinter ihr. Das ist die größte Herausforderung. Wir brauchen eine neue Einstellung: die Einsicht, daß die Welt zusammengewachsen ist geistg und physisch.“
Chancen und Perspektiven einer Welthilfssprache
und das »Recht auf Kommunikation Die Chancen und Perspektiven einer Welthilfssprache untersuchte Jeffery S. Gruber, Professor Für Sprachwissenschaft an der Universitét Quebec. Er diskutierte, welche Auswirkungen eine solche Welthilfssprache unter UN—Schirmherrschaft haben könnte auf die Ursachen von Konflikten und Armut. Gruber legte dar, daß es nicht darum gehe, die verschiedenen Muttersprachen der Völker zu ersetzen. Vielmehr solle eine zweite gemeinsame Sprache an allen Schulen gelehrt werden. Der Sprachwissenschaftler betonte, daß das Recht auf Kommunikation ein grundséitzliches Menschenrecht sei. „Alle leker der Erde haben das Recht, zur entstehenden Weltgesellschaft und zu ihren Belangen beizutragen.“ Eine Welthilfssprache btite allen Menschen die M6g1ichkeit, ihr Recht auf Kommunikation in der Weltgemeinde wahrzunehmen.
Bedenken der Frauen
In einer Diskussion meldeten Teilnehmerinnen Bedenken an gegen eine intemationale Steitmacht. In allen Konflikten der heu
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tigen Welt seien es die Männer, die die Entscheidungen triifen, während die Frauen meist Opfer seien, so Misrak Elial, eine langjeihrige Beraterin des Entwicklungsprogramms fijr Frauen bei UNICEF. Sie fijgte hinzu: „Was eine UN—Friedensstreitmacht erfolgreich und hilfreich machen kénme, wäre das M33, in dem Frauen an Entscheidungen beteiligt werden.“
Eilas vertrat weiter dieAnsicht, daß Konflikte zwischen Nationen in anger Beziehung stehen zu Konflikten in einzelnen Landem und in der Familie. Die wirkliche Lösung müsse sowohl auf der intemationalen als auch auf der énlichen Ebene gesucht werden, und zwar in Form von Erziehung und sozialer Entwicklung. Denn nur dadurch ließen sich Armut und Ungerechtigkeit als Konfliktursachen beseitigen.
UN-Friedensmissionen übernehmen immer mehr staatliche Aufgaben wie die Durchfiihrung von Wahlen
Anders Teilnehmer betonten die praktische Bedeutung einer inlernationalen Friedensstreitmacht. Diese könne einschreiten, wenn Bemühungen um Konfliktldsungen zu scheitern drohten. „Es ist eine TatsaChe, daß einige Nationen - besonders die jiingeren — militfirische Mittel einsetzen, um ihre Probleme zu Ibsen“, sagte Oberstleutnant Birger Hoff, Militiirplaner der UN—AbIeilung fijr friedenserhaltende Maßnahmen. „chn dicse Nationen umdenken sollen, dann braucht die UNO eineAn Muskelkraft, um ihnen zu helfen, sich an ihre Abmachungen zu halten.“
Entscheidend fijr die Effektivitéit einer solchen Friedenstruppe wäre laut Hoff die Schnelligkeit, mit der sie in Krisenregionen geschickt werden könnte. „Gegenw'2irtig erfordert es sechs bis neun Monate, eine Friedenslruppe IraditionellerArt aufzustellen, wcihrend einc stehende Friedensstreitmacht sehr viel schneller reagieren könnte.“ Der Experte slellte fest, daß UNO-Friedensmissionen heule zunehmend die Aufgaben einzelner Staaten wahrniihmen, zum Beispiel die Durchfuhrung von Wahlen Oder die Wahrung der Menschenrechle.
UNO—Sprecher Willard Haas wies darauf hin, daß die Charta der Vereinten Nationen den Einsatz von Gewalt nur „als letzten Ausweg“ vorsehe. Trolzdem gebe es nicht selten nur die zwei Alternativen: entweder nichts zu tun Oder Gewalt anzuwenden. „Wenn eine verbrecherische Handlung vorliegt“, führte er aus, „steht Kapitel 7 (der Charta) zurVerfijgung. Danach soll die Staatengemeinschaft kollektiv gegen das Land
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vorgehen. Denn Diplomatic ohne Bedrohung funktioniert nicht.“
Für die Internationale Bahá’í—Gemeinde gab DianeAlai zu bedenken, daß die meisten Probleme einer UN-Reform die Grundsatzfrage betrafen, welches Gewicht staatliche Souveriinita't gegenüber internationalen Prinzipien habe. „Es gibt gravierende Féille von Menschenrechtsverletzungen, die umer den Teppich gekehrt werden, weil sie als innere Angelegenheiten betrachtet werden“, soAlai.
Der Programmdirektor der Internationalen Liga Für Menschenrechte, Ethen Taubes, sagte, daß eine Welthilfssprache helfen k611ne, nationalistische Gefühle zu Überwinden: „Sie wäre die Grundlage einer internationalen, kosmopolitischen Kultur, die Über provinzielle Interessen hinausginge.“
Rebeque Getahoun von der amerikanischen Bahá’í-Gemeinde rief die NGO-Vertreter auf, sich weiterhin für idealistische Prinzipien und eine neue Vision einzusetzen. „Unsere Verantwortung bestehl darin, eine Vision zu entwickeln, der die Regierungen folgen können - nicht den Visionen zu folgen, die Regierungen geschaffen haben. Als NGO sind wir über—national. Nationale Hoheit gehl uns nichts an. Zusammen können wirjene Bewegung schaffen, die das Bild der Erde verändem wird.“ CI
»Wenn eine verbrecherische Handlung vorliegt, steht Kapitel 7 der UN-Charta zur Verfiigung. Danach 50" die Staatengemeinschaft kollektiv gegen das Land vorgehen. Denn Diplomatie ohne Bedrohung
funktioniert nicht. Willard Haas, UNO-Sprecher
Gillian Sorenson, Vize-Generalsekretfirin der Vereinten Nationen, sprach bei dem UNO-Seminar im Bflro der lnternationaeln Bahá'iGemeinde über die Umstrukturierung der Vereinten Nationen.
Bei der l9. jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Bahá’í-Studien trat auch die Tanzgruppe San Francisco Bay Area Youth Workshop auf.
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San Francisco
Integration der Nationen
ehr als 800 Personen nahmen an der M 19. Jahrestagung der Gesellschaft für
Bahá’í—Studien teil, die im Oktober 1995 in San Francisco der Unterzeichnung der UN—Charta vor 50 Jahren in dieser Stadt am Pazifik gedenken sollte.
Unter dem Motto »V0n derAnarchie zur Weltordnung: Wendezeit für die Nationen<< wurden Themen untersucht wie der Stellenwert der Frau in der Gesellschaft, Menschenrechte, winschaftliche Entwicklung und Wege zur neuen Weltordnung.
»Wir hatten auf diesem Treffen eine Ffille von Themen zu behandeln<<, sagte Christine Zerbinis, die Sekretéirin der nordamerikanischen Gesellschaft für Bahá’í—Studien. >>Sie reichten von konkreten Projekten wie zum Beispiel die Fbrderung der Erziehung von Mfidchen in Guatemala über Menschenrechte bis zu sehr abstrakten Themen wie die Beziehung von Materialismus und Spiritualitam
Entsprechend dem Konferenz—Thema war die Hauptrede auf die Situation der Vereinten Nationen gerichtet. Techeste Ahderom, Leiter des Bfiros der Bahá'l International Community bei den Vereinten Nationen in New York, sprach über die Notwendigkeit, anlfiBlich des 50. Jahrestages der UNO vor allem über Mfiglichkeiten nachzudenken, wie
for Babazi
5tudzes
die Menschheit ihre Zukunft endlich gemeinsam gestalten kann.
Dr. J uan Ricardo Cole, Professor für Geschichte an der Universitfit von Michigan, sprach über >>Gleiche Rechte für alle — Menschenrechte und der Bahá’í—Glaube«. Er sagte, daß die ethischen Prinzipien, die vor mehr als einem Jahrhundert im Bahá’í-Glauben aufgezeigt wurden, alsAusgangspunkt für die Einführung cihnlicher Prinzipien in der Menschenrechtsbewegung nach dem 2. Wellkrieg dienten.
Dr. Susie Clay, eine Spezialistin für die Erziehung von Méidchen und Fortbildung von Frauen an der amerikanischen Agenlur für intemationale Entwicklung, préisentierte ein Thesenpapier über >>Das Einbringen von geistigen Prinzipien in den EntwicklungsprozeB am Beispiel einer Initiative zur Erziehung der Mfidchen in Guatemala<<. Sie sprach über ein Projekt, das 1989 begann und sich darauf konzentrierte, Mütter über ihre Möglichkeiten der Entwicklung ihrer Familien, Gemeinden und Regionen bewußt werden zu lassen.
Mit dem Versuch, globales Denken mit firtlichen Belangen zu verbinden, entstand bei derTagung eine Initiative >>Herausforderungen der lokalen Gemeinden<<, an der sich nunmehr Bürgermeister, Polizeichefs, Schuldirektoren und andere lokale Administratoren beteiligen.
Gestaltet und moderiert von Shiela Banani, der Vorsitzenden derTagung, behandelte ein Forum die verschiedenen Aspekte dieser >>Herausforderungen der lokalen Gemeinden<< wie Obdachlosigkeit, Verminderung der Gewalt, Integration der Rassen und Ethnien, Drogen— und Alkoholmißbrauch und die wirtschaftliche Randstellung von sozialen Gruppierungen. Außerdem erarbeitete dieses Forum eine Lisle mit charakteristischen Merkmalen von stiidlischen und kindlichen Projekten, die von firtlichen BahzifOrganisationen getragen werden.
Insgesamt sprachen mehr als 80 Redner in den verschiedenen Seminaren und Workshops über ethische Entwicklung, Kunst, neue Bildungskonzepte und Weltwirtschaft. Mehr als die Héilfte der Redner waren Frauen. Cl
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VMit Worldmusie fur
Umwelt und Frieden
aden-Baden. Im Mai 1995 begingen
B erstmals in Baden-Baden viele verschiedene Gruppen und Organisatio nen gemeinsam den Tag der Erde. Sie organisierten erstklassige Musiker aus RuBland, Ungarn, England, Persien, Bulgarian, Spanien und Deutschland, die ein Benefiz-Konzen fflr die leidenden Kinder des YugoslawienKrieges gaben. Dieses Jahr soll der Tag der Erde unter dem Motto „Frieden“ stattfinden. Der internationale Tag der Erde emstand 1970 in den USAals spontane Veranstaltung, bei der 600.000 Menschen in Washington ihren Unmut bezijglich der Umweltverschmutzung Luft machten. Erstmals wurde dieser Aklionstag weltweit 1990 von 200 Millionen Menschen in 141 Léindem begangen. In den letzten Jahren gab es auch in mehreren Städten Deutschlands gemeinsame Aktionen der Umweltverbfinde und vieler anderer Gruppen, die diese Idee unterstützen. In Baden—Baden entstand die Idee, an diesem Tag gezielt das Bewußtsein fflr die Schönheit der Erde zu stérken und gleichzeiti g ihre Mannigfaltigkeit zu demonstrieren. Den ausschlaggebenden Impuls hierFür gab M0nika Abrar, Mitglied der dortigen Bahá‘iGemeinde und (165 Forums „Liebe zur Erde“. Aus diesem Anlaß initiierten beide Gruppen gemeinsam dieses bisher einmalige Fest in ihrer Stadt. Es dauerte gar nicht lange, andere Organisationen Für dieses Vorhaben zu gewinnen, und ehe man sich versah, war auch schon ein Benefiz-Konzert aus dem Nichts
geplant. Musiker von den verschiedenslen kulturellen Hintergründen leisteten ihren Beitrag zu einem vierstfindigen MammutKonzert. Die Einheit in derWelfalt zeigte sich nicht nur in engagierten Musikstficken, sondem auch dadurch, daß an die rund 450 Géiste verschiedenste Arten von Blumen verteilt wurden. Damit sollte gezeigt werden, daß, so wie ein Garten an Schönheit durch seine Verschiedenheit gewinnt, dasgleiche auch für die Menschheit gilt. Denn erst wenn die Menschen ihre Verschiedenheit zu achten und schiitzen lemen, werden sie gemeinsam fähig sein, den Problemen unserer Zeit angemessen zu begegnen.
Da diese Veranstaltung sehr großen Anklang fand, ist am 27.Apri1 dieses J ahres ein weiteres Fest geplant, das wie ein offener Basar aufgezogen werden soll. Gruppen wie das Forstamt Baden—Baden, das Mütterzentrum, UNICEF, derTfirkische Schülerverein, Frauen in Europa, die Deutsch-Israelische Gesellschaft, Pro Regenwald, die Russisch-Orthodoxe Kirche, Künstler fijr den Frieden und der Arbeitskreis Dritte Welt werden an diesem Tag ein breitgefiichertes Programm anbieten. Durch Infostcinde und Vortréige zum Thema „Umwelt und Frieden“ sollen die Besucher ausreichend informiert werden. Außerdem soll eine Wanderung stattfinden sowie eine Luftballon— und Malaktion. Ziel der Veranstaltung wird sein, ein positiveres Bewußtsein f Lir die Erde zu schaffen und einen Beitrag flir den Frieden zu leisten. CI
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Bei dem von Monika Abrar (3. v. links) initiierten Benefiz-Konzert im juni 1995 war alles fiuflerst bunt: die Kleider wie die Hautfarben der Teilnehmer, deren Beitréige wie die Blumen, die sie an die Zuhörer verteilten.
Auch in diesem Jahr gibt es am »Tag der Erde« am 27. April in Baden-Baden wieder zahlreiche Programmpunkte von und fur Kinder.
»|n Freiheit leben und arbeiten«, das war der Wunsch aller iranischen Bahá’í bei ihrer Ankunft in der Schweiz. Trotz der nicht vermeidbaren anfeinglichen Sprachschwierigkeiten, der Tatsache des sozialen Abstiegs, der verinderten Wohnqualität oder der - fijr iranische Mentalität - distanzierten und unverbindlichen Beziehungen zu Schweizern, ist heute die Mehrheit mit ihrem Leben und ihrer Arbeit zufrieden.
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Fliichtlinge in der Schweiz
»lch bin eine Weltburgerin und lebe
jetzt in der Schweiz Menschenbilder beeinflussen den Integrationserfolg
m 2. April 1986 landelen 38 iranische Flijchllinge
in ZUrich. Den Betroffenen wurde aus humanitaren Grijnden Asyl in der Schweiz gewéihrl. Sic waren Bahá'l, ein erstes Kontingent. Am Flughafen warteten Mitarbeiter des Roten Kreuzes (SRK) und Vertreter der Schweizer Bahá’í-Gemeinde. Die Unruhen nach der Macht Libemahme Chomeinis in Iran hatten die Bahá’í veranlaßt, nach Pakistan Oder in die Tilrkei zu flUchten. Ihr Leben war wegen ihres Glaubens in Gefahr. Aber in Pakistan wurden diese Menschen nicht als Fliichtlinge anerkannt, und die T'Lirkei transportierte Iraner sogar wieder
Problem »Néihe lmmer neue Fliichtlingswellen rollen auf die Staaten zu, die es geschafft haben, in Frieden zu leben und zu materiellem Wohlstand zu kommen. Daß Fliichtlinge dart nicht mit offenen Armen begrfiBt werden, hat viel mit dem Problem der Nihe zu tun. Bei den von weither angereisten Fliichtlingen ist es schwierig, kulturelle Ahnlichkeiten zu entdecken, was im allgemeinen zu Entfremdung und Ausgrenzung flihrt und zu einem Rattenschwanz von Schwierigkeiten für die Fliichtlinge beherbergenden Gesellschaften. Integration in eine nationale Gesellschaft ist schwierig. Integration in eine global denkende Gesellschaft möglich, wie Schweizer Erfahrungen zeigen.
SIUIZI wurden. 1985 ersuchte der Nationale Geistige Rat der Bahá’í der Schweiz die Schweizer Bundesregierung, 20 Familien und Einzelpersonen aus humanitéiren Gründen aufzunehmen. Dem Gesuch wurde großzijgig stattgegeben und ein Jahr spfiter sogar auf 70 Personen erhéht.
Eine Delegation mit Vertretern des Roten Kreuzes und der Bahá'iGemeinde Schweiz reiste nach Pakistan und in die Tijrkei. In umfangreichen Gesprächen wurden 50 Bahá’í fur das schweizerische Kontingent bestimmt. Die meisten entstammten der Mittelschicht, junge Familien mit Kindern und Einzel in ihr Heimatland zurUck.Aus diesem Grund hatte das Eidgenéssische J ustiz— und Polizeidepartemem (EJPD) schon 1985 dieAufnahme von 50 Bahá’í beschlossen.
Wie es dazu kam
Mil der iranischen Revolution im Jahre 1979 nahmen menschenverachtende Verfolgungcn und Diskriminicrungen der iranischen Bahá’í—Gcmcindc dramatisch zu. Viele Bahzi'l t1UchIeten außer Landes. 1982 waren cs allein 5.000 nach Pakistan, Indien oder in die TUrkei, wo sie durch die dort anséissigen Bahá’í—Gemeinden und das Flijchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) unter personen mit fijr die Schweiz giinstigen Berufen oder Berufserfahrungen. Ziel der Gespriiche: Test ihrer Integrationsfiihigkeit in das mitteleuropaischc Industrieland Schweiz.
Die erste Zeit
Nach derAnkunft verbrachlen die BahzifFlijchtlinge einen Mona! im Bahá’í-Tagungszentrum Landegg im Appenzellerland. Don fandcn sie ein erstes befristeles Zuhause nach J ahren derAngsl und der Entbehrungen. Hicr unterrichtete man sie in drei Landessprachen über Polilik, Wirtschaft und Kultur ihrcs Aufnahmelandes und machte sie mit schweizerischer Eigenart vertraut. Ebenso schlos
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sen sie Bekanntschaft mit then Paten, einem in der Schweiz lebenden Bahá'l, der ihnen in derAnfangsphase zur Seite stehen sollte. Die eigentliche administrative und soziale Fijhrung und Betreuung "Libemahmen Sozialarbeiter des SRK, der Caritas und des christlichen Friedensdienstes.Anschließend siedelten sich die Flfichtlinge in verschiedenen Kleinstaidten an, in denen es ortliche Bahá‘fGemeinden gab.
Die Integrationsphase
Die meisten politischen Flijchtlinge konnen nicht oder nur selten auf ein bestehendes Beziehungsnetz zurückgreifenAnders bei den iranischen Bahá’í. Sie fanden ein vorhandenes Bezugssystem und damit Rijckhalt durch Gemeinschaft. Dies und die Tatsache, daß die Flachtlinge im Iran aus religiosen Gründen verfolgt waren, hatte zur Folge, daß sie sich in der Schweiz besser fühlten als andere Fliichtlingsgruppen und vonAnfang an ein Gefühl der Zugehorigkeit entwickeln könnten. „Das Gefühl zur Bahá’í- Gemeinde zu gehoren“, so eine der Flfichtlinge Jahre nach der Ankunft in der Schweiz, „gibt mir Kraft, man fiihlt sich nicht verloren.“ Und cine andere brachte den Blickwinkel unverbliimt so zum Ausdruck: „Ich bin eine Weltbürgerin und wohne jetzt in der Schweitz.“ Die Bahá'l zeigten also Bereitschaft, ihre neue Lage positiv zu akzeptieren, sich einzugliedem.
Die schweizerische Bahá’í-Gemeinde, in sich selbst ein Abbild der interkulturellen Gesellschaft - hatte es leicht, ihre verfolgten Glaubensbrüder und -schwestem mit offenen Armen zu empfangen. So wurden die Iraner innerhalb der Bahá’í-Gemeinde z.B. nicht als Fl Lichtlinge bezeichnet, sondem als „Pioniere“, die durch ihreAnkunft zumAufbau der lokalen Gemeinden beitrugen. Gemeinsame Weltvorstellungen und Glaubensinhalte, gruppenspezifische und verinnerlichte Welt— und Menschenbilder erleichterten zudem eine Verarbeitung derVergangenheit als Verfolgte und erhohten die Integrationschancen.
Zusammenarbeit mit schweizerischen Institutionen
Nicht zuletzt ist die insgesamt sehr erfolgreiche Integration auf die Einrichtungen des schweizerischenAsylsystems zurückzuführen wie: soziale und finanzielle Betreuung, Ausbildungskurse zur Erreichung der Selbstzindigkeit sowie die gute Zusammenarbeit mit den versohiedenen Hilfswerken. Im Zusammenhang mit diesem Projekt entstand auch ein Handbuch in persischer Sprache fijr
die Betreuung von iranischen Fliichtlingen. Die Übersetzung und die Vorgehensweise bei derAufnahme der Flijchtlinge dienten später zum Teil als Modell für die Betreuung anderer Flfichtlingsgruppen.
Zehn jahre später
„In Freiheit leben und arbeiten“, das war der Wunsch aller iranischen Bahá’í bei ihrer Ankunft in der Schweiz. Trotz der nicht vermeidbaren anfanglichen Sprachschwierigkeiten, derTatsache des sozialenAbstiegs, der veränderten Wohnqualitiit oder der — für iranische Mentalitfit - distanzierten und unverbindlichen Beziehungen zu Schweizern, ist heute — nach durchgeführten Studien - die Mehrheit mit ihrem Leben und ihrer Arbeit zufrieden.
Es ist ihnen gelungen, allgemeine Unsicherheiten abzubauen und ein zufriedenstellendes Wohlbefinden zu erreichen als nijtzliches Mitglied der Gesellschaft, wenn auch teils in neuen Rollen.
Ein Fliichtling war früher selbständig, heute ist er Arbeitnehmer, ein anderer war früherAbteilungsleiter, heute ist er einfacher Arbeiter. Die meisten gewannen durch großen Einsatz einen neuen sozialen Status, neue Freunde in- und außerhalb der Bahá’í—Gemeinde, und etliche haben mit positiver Einstellung und Durchsetzungskraft ihre Lebensumstfinde vorbildlich gemeistert. Wie die Frau, die mit der Bestnote die technische Lehre und das Ingenieurstudium absolvierte, oder die Frau, die als Krankenschwester unter Vielen ausgezeichnet wurde. Schnell eine Arbeit zu finden und unabhaingig zu werden von finanzieller Unterstfitzung war der Wunsch aller Flfichtlinge.
Am einfachsten schafften die Kinder die Integration. Inzwischen sprechen alle eine der
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Das Bild zeigt einen GroßteiI der Flfichtlingsgruppe bei einem Kurs zur Vorbereitung auf das Leben in der Schweiz.
»lch bin eine Weltbürgerin und wohne jetzt in
der Schweiz. Eine Flfichtlingsfrau über ihre Haltung zu ihrer neuen Lebenssituation
»Vorschléige, die auf eine Entwicklung des Planeten abzielen, werden sich nur dann als erfolgreich erweisen, wenn sie den klaren Maßstéiben globaler Gerechtigkeit standhal ten BIC-Statement »Entwicklungsperspektiven für die Menschheit »]eder Mensch (hat) im Prinzip das gleiche Recht, für die Verwirklichung seiner Lebenschancen global zugfingliche Ressourcen in Anspruch zu nehmen, solange die Umwelt
nicht übernutzt wird. Wuppertal-Studie »Zukunftsfahiges Deutschland drei Landessprachen, mehrere haben ein Studium begonnen. Eine Studentin heute: „Ich fühle mich total sicher in der Schweiz. Da die Schweiz über genijgend ausgebildete Leutc verfijgt, gehe ich nach meinem Studienabschluß Für eine Weile irgendwo anders hin, wo ich gebraucht werde.“ Und eine andere bezeichnet sich als „Weltbürgerin“ und findet, daß die Integration von Auslandem wesemlich erleichterl werden könnte, wenn diese das Stimm- und Wahlrecht hätten. Dieser Wunsch ist verstiindlich, denn Bahá’í können Überall aufderWelt sofort und gleichberechtigt in jeder lokalen Bahá’í-Gemeinschaft mitwirken (auch wiihlen und gewéihlt werden), in der sie ihren Wohnsitz nehmen. Ei ONE COUNTRY 9 1/1996
nige Bahá’í—Fliichtlinge haben inzwischen ein Gesuch zur Einburgerung gestellt.
Zur guten Integration beigetragen hat auch, daß Bahzi'l dazu aufgerufen sind, Vorurteile gegenuber der Nation, der Rasse, Klasse Oder Religion abzubauen und zu einer neuen, friedlichen Wellgesellschaft beizutragen, in jedem Land der Erde. Eine solche Einstellung hilft. Doch nicht alle Narben sind verheilt, die Folterungen sind nicht vergessen, die Schrecken der Verfolgung und der Flucht über die Berge nach Pakistan nicht Oder nur teilweise Überwunden. Doch dankbar, daß sie heute in „Freiheit leben und arbeiten“ können, das sind sie allc. Cl
Buchbesprechung
Wie wird Deutschland, wie wird die Welt wieder zukunftsfähig!
Zwei notwendige Beitrfige zur Standort-DeutschlandDiskussion und zur Diskussion einer Wende der Wirtschaft
ie blauiiugig die Grundlagen unserer gegenwiirtigen Form des Winschaftens sind, wird nirgends
erkenntlicher als an der Absurditéit, wie ihr allerheiligster Wert beschrieben wird: das Bruttosozialprodukt. Mit einem nicht zu uberbietenden Materialismus >>zählt<< bis heute als Mehrung dieses Wohlstandsindikators nur, was Geld kostet beziehungsweise bringt neben den Brétchen des Backers und den Pillen des Pharma-Konzems auch die Entziehungskur des gestrandeten J unkies und der internationale Mulltourismus. Andererseits ziihlen einstige Grundpfeiler von Kulturen wie die Qualitiit der (unbezahlten) Erziehungsleistung von MUIIem und Viitem in dieser merkwijrdigen Wirtschaftswertewelt schlicht: nichts.
In unscrcm Begriffdes Bruttosozialprodukts haben wir die Wenfrage ausgerottet Oder auf den Kopf gestellt. Ob Pillen helfen oder schadcn ist — bruttosozialproduktmfifiig gleichgultig, denn beides >>hi1ft<< bei der Hebung des Bruttosozialprodukts. Mehr noch: Das Bruttosozialprodukt gedeiht am besten, wenn Helfen und Schaden sich in einem >>produktiven Gleichgewicht<< halten: Nur wenn die Risiken und Nebenwirkungen der konsumierten Güter groß genug bleiben, bleibt die Gier nach mehr Konsum groß. Welcher Anteil in den Bruttosozialproduktwachstumsmargen der letzlen Jahre wirklich wzichst jener des Helfens Oder jener des Schadens bleibt eine Frage, die nicht materiell beantwortbar isl.
Es ist das Verdienst der beiden hier vorgestellten Veréjffentlichungen, dies klar ausgesprochen und daraus den wesentlichen Kern einer zukunftsfühigen ncuen Wirtschaftsphilosophie abgeleitet zu habcn: Nur ein Genug an immateriel/en GUtem kbnnte den Einsatz materieller Gijter zur Umweltvertraglichkeit und zur Globalvertriiglichkeit für die >>eine Erde« und nicht zuletzt zur Glijcks Scite 22
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vertriiglichkeit Für den einzelnen Menschen wenden.
Die von Misereor und dem BUND gemeinsam beim Wuppertal—Institut fijr Klima, Umwelt und Energie in Auftrag gegebene Studie >>Zukunftsfahiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwick1ung<< kommt zu dem Ergebnis: »Ein gutes Leben ist nicht abhängig von steigendem Bruttosozialprodukt, wachsenden Stoffstrémen und immer höherem Energieverbrauch. Sie zeigt das Mégliche auf,A1ternativen zu Vorwärts in denAbgrund und Zuruck in die Steinzeit... Die Studie zeigt Perspektiven für eine lebenswerte Zukunft und eine globale Partnerschaft auf, für die es sich lohnt, technischen Erfindungsgeist und soziale Kreativita‘t einzusetzen.<<
In dem von der Intemationalen Bahá’iGemeinde (BIC) zum Kopenhagener Sozialgipfel veröffentlichten Statement »Entwicklungsperspektiven für die Menschheit - Ein neues Verstiindnis von g10balemW0h13tand<< heißt es hierzu: »Die gegenwiirtige Entwicklungsplanung ist zumeist von Voraussetzungen geleitet, die vorrangig materialistisch sind... Sofem die Entwicklung der Gesellschaft nicht einen über die b10136 Verbesserung der materiellen Bedingungen hinausgehenden Sinn findet, wird sie selbst dieses Ziel nicht erreichen. Eine zweite Kernthese der notwendigen Wirtschaftswende zur Zukunftsfaihigkeit wird ebenfalls von beiden Texten in derselben Schéirfe erkannt; >>Gerechtigkeit ist die herausragende Macht, die das erwachende Bewußtsein fUr die Einheit der Menschheit in einen gemeinsamen Willen umsetzen kann. Erst durch diesen gemeinsamen Willen können die Für ein globales Zusammenleben notwendigen Strukturen mit Aussicht auf Erfolg errichtet werden. Ein Zeitalter, das Zeuge davon ist, wie die Menschen weltweit immer mehr Zugang zu allen Arten von Information und einer Vielfalt von Ideen erlangen, wird erkennen, daß sich Gerechtigkeit als das vorherrschende Prinzip f Lir eine erfolgreiche Sozialstruktur durchsetzen muß. Vorschlaige, die auf eine Entwicklung des Planeten abzielen, werden sich nur dann als erfolgreich erweisen, wenn sie den klaren Malistéiben globaler Gerechtigkeit standhalten<<, schreibt das erwähnte Statement der Internationalen Bahá’í—Gemeinde.
Die Studie des Wuppertal-Instituts wendet dieses Prinzip konsequent auf die Definition der Zukunftsfahigkeit für die Wirtschaft in Deutschland an: >>Jeder Mensch (hat) im Prinzip das gleiche Recht, Für die VerwirkliChung seiner Lebenschancen global zugéingliche Ressourcen in Anspruch zu nehmen, solange die Umwelt nicht Übernutzt wird. Gerechtigkeit wird hier in zwei Richtungen nicht nur zum Maßstab fur irgendeinen ebenso wiinschenswerten wie weltfremden Wert erhoben, sondern wird als die entscheidende Wegscheide Für die Zukunftsfähigkeit der Menschheit beschrieben: Gerechtigkeit gegenijber der Umwelt in dem Sinne, daß unser Wirtschaften den Erfordernissen der 6kologischen Kreisleiufe gerecht werden muß, und Gerechtigkeit gegenüber allen mensch1.1.chen Nutzern dieser Kreisliiufe. Daß die Überlebensfähigkeit der menschlichen Spezies nicht nur von der Umweltgerechtigkeit, sondem nicht minder von derNord-Siid—Gerechtigkeit abhiingt, ist in der Tat ein wichtiger Lernschritt in deg kollektiven BewuBtwerdung über die Überlebensgesetze eines globalisierten Lebens auf diesem Planeten.
In derAnwendung dieser Definition von Gerechtigkeit formuliert die Studie als Umweltziele fflr Deutschland unter anderem: 30% Reduzierung des Primfirenergieverbrauchs bis 2010 und 50% bis 2050, 80 bis 90% Reduzierung der Nutzung fossiler Brennstoffe im selben Zeitraum, dasselbe bei nicht—erneuerbaren Rohstoffen und beim KohlendioxidAusstoB. In anderen Bereichen sind die Forderungen noch radikaler: bereits bis 2010 die vollständige Aufgabe der Nutzung von Bioziden in der Landwirtschaft sowie von synthetischem Stickstoffdiinger und 90%ige Reduzierungen bei Stickoxiden, Ammoniak, Schwefeldioxiden und bei der Bodenerosion.
Mit solchen handfesten Zahlenwerten macht die Studie anschaulich und realpolitisch diskutierbar, auf welche Eckwerte sich ein Industrieland wie Deutschland einstellen muß, will es sich selbst in einer Welt zukunftsfzihig halten, die nicht länger mit der traditionellen Aufteilung in immer reichere und rücksichtslosere und immer iirmere und chancenlosere Regionen existieren kann. Diese Stiirke der detaillierten Aufarbeitung, was globale Gerechtigkeit und globale Zukunftsfähigkeit fur Deutschland bedeutet, hinterließ jedoch gleichzeitig ein Defizit: Die Ausarbeitung eines Konzepts handlungsfähiger globaler Strukturen, in der zum Beispiel die notwendigen Prinzipien einer globalvertreiglichen Wirtschaftsordnung demokratisch beschlossen und durchgesetzt werden können, kommt zu kurz. Die Hoffnung auf amorphe Einsicht war noch nie ausreichend Für gesellschaftspolitisches Handeln. Einsicht bedarf der Handlungsfähigkeit, und diese ist fur die globalen Herausforderungen mit der heutigen Ordnung nicht gegeben. Hier bietet ein zweites BIC-Statement, »Wendezeit fur die Nationen — Vorschliige zum Thema Global Governance« unverzichtbare Ergéinzungen zum Thema »Standort Erde<<. - Peter
Spiegel CI
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Zukunftsfähiges Deutschland
Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Herausgegeben von BUND und Misereor. 1996. 454 Seiten mit 53 Abbildungen. DM 39,80 (Birkhéiuser Verlag) ISBN 3-7643-5278-7
A
PERSPEKTIVEN EINER GmBALVERrRAGucnuN ENIWJCKLUNG
HORIZONTE VERLAG
Zukunftsfähig
Perspektiven einer globalvertréglichen Entwicklung. Mit den Statements »Entwicklungsperspektiven filr die Menschheit« und »Wendezeit für die Nationen« 1996. 144 Seiten. DM 9,00 (Horizonte Verlag) ISBN 3-89483-044—1
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STANDORT: ERDE
ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN FUR DIE MENSCHHEIT
EIN NEUES VERSTANDNIS VON GLOBALEM WOHLSTAND