[Seite 1]Gedanken fflr eine
bessere W E L T
1 994
Die Erde - das uns anvertrauteGut
‘§€XhOUv\ 5- ‘ - 52
Wir danken der Erde,
die uns ernéi .
Wir danken den Flüssen und Büchen, die uns ihr Wasser geben.
Wir danken den Kräutern, die uns ihre heilenden Kräfte schemken.
Wir danken dem Mais und seinen Geschwistern, der Bohne und dem Kürbis, die uns am Leben erhalten. Wir danken den Bfischen und Bäumen, die uns ihre Früchte spenden.
Wir danken dem Wind, der die Luft bewegt und Krankheiten vertreibt.
Wir danken dem Mond und den Stemen, die uns mit ihrem Licht leuchten, wenn die Sonne untergegangen ist.... Vor allem aber danken wir dem Grossen Geist, der alle Güte iI1 sich vereint und alles zum Wohl seiner Kinder 1enkt.*
- Ausschnitt aus „Gebet der Irokesen", aus „Weisst du, dass die Bäume reden", Weisheit der Indianer,S.51, Herder-Verlag
[Seite 2]UMWELTBEWUSSTSEIN
IN DER SACKGASSE
von Peter SPIE GEL
Der kleinen, vcranlwonlich denkenden und
pctsonlich engagiertcn Minderheit, die wirklich glaubwürdig sich etwas aus dem Schicksal der Umwell macht_,_ drohl inzwischen der Motivationskollaps durch Ubetinformation. Denn je mehr man über die Umweltlage weiss, desto unrettbarer muss sie einem erscheinen.
Die Umweltbcwegung steckt tief in einer
Sinnkrisc und der innere Kampf der bisher Engagienen zwischen Resignation und Durchhaltewillen de7imjert täglich die einst so hoffnungsvoll grosse und brcile Umwellfronl. „Umwcllsicherung„ fie] in nur einem Jahr in der Hitparade der Wohlslandssorgen aus unterschiedlichen Gründen Von Plat} 1 auf Platz 5 bis 10 zurück.
Für das inzwischen etwa 2—Milliardenheer
armer und éinnster Menschen (auch im reichen Norden werden es immer mehr) erseheint „mehr Umweltbewusstsein„ schlichl als Bedrohung und letzIlich gar todlicher Angriff auf ihre Existenzgrundlagen. Warum lassen wir diesen inzwischen zum wichtigsten und geféihrlichsten Ursachenfaktor der globalen Umweltvernichtung aufgestiegenen Teufclskreis der progressiven Massenverelendung in Lmscren Diskussionen noch immer weilgehend ausser Acht? Wer nichts zu essen und nichls zum Heizcn hat, muss auch die letzte Erdkrumc auslaugen und den letzten Baurnstamm ins Feuer werfen. Umweltschutz durch Uberwindung der extremen Kluft zwischen Arm und Superreich ist noch immer nicht auf der Agenda der Weltpolitik.
Der wichtigste Grund fijr die Schéidlichkeit
von „mehr Umweltbewusstsein„ in der augenblicklichen Lage ist jedoch seine nebelbildende Wirkung gegcnüber den Kerndefiziten dieses Zeitalters, von denen die Umweltzerstorung nur eine der Hauptfolgen ist. Bahá’u’lláh, der Slifter der Bahá’í-Religion, markien das Kerndefizit der Mcnschheit an ihrem Mange] an Bewusstsein über das Wesen der Einheit. Er schreibt:
„So machtvoll ist das Licht der Einheit, dass es die gauze Erde erleuchten kann .... ..Bem iiht euch, dass ihr diese überragende, diese hüchst erhabene Stufe erreicht, die Smfe, welche der ganzen Menschheit die Gewtihr fir Schulz und Sicherheit bieten kann. Dieses Ziel überragtjedes andere Ziel, dieses Streben ist der F first allen Strebens. „ 1’
Er sprichl dabei nicht nur die melaphysische "Einheit allen Scins„ an, sondem auch die sehr handfeste Ebene der Einheit der Menschheit und deren konkrete, sinnfallige und glaubwürdige politische, wirtschaftliche und kulturelle Umsetzung.
DER HUNGER NACH SINN
Rein technische Lösungen der Umwelt probleme — so wichtig und sinnvoll sie im einzelnen sind — greifen grundséitzlich zu kurz, solange immer mehr Menschen an Sinnhunger leiden. Die Entwicklungshilfeexpenin Brigitte Erler sagte einmal, der schlimmste Hunger, den sie auf ihren Reisen kennengelernt habe sei der Hunger aus unerfülltem Lebenssinn im sogenannten néirdlichen Wohlstandsgünel der Erde, denn dieser habe die letztlich alleszerstörende Eigenschaft, dass er grundsfitzlich nicht durch noch so rasantes Wachstum materieller Güter zu stillen sei. Da aber unsere materialistische Gesellschaft an fortschreitender Sinnentleerung leidet, setzte sich ein Teufelskreis in Gang, der sein Heil immer mehr und immer ausschliesslicher im Konsum sucht.
Alle Religionen sehen dieses Leben als
Vorbereitung auf ein weiteres, nachfolgendes, transzendentes Leben. Abdu]-Bahá zog den plastischen Vergleich mit dem Embryo im Mutterleib, das Organe entwickelt, die ihre Volle Sinnhaftigkeit erst in ihrem Vorbereitungscharakter auf ein transzendentes Leben jenseits des Endes des embryonalen Lebens finden. Auf unser Verhältnis zu unserem transzendenten Weiterleben, heisst dies, dass wir Sinn letztlich allein in der Fortentwicklungs unserer seelischgeistigen Fühigkeiten suchen und finden.
Es bedeutet also ein radikal anderes Ver hältnis zu der materiellen Seite dieses Lebens, wenn man um seine Stellung in einer grüsseren, dieses Leben transzendierenden Einheit des menschlichen Seins weiss. Wenn dieses Leben selbst die Erfüllung allen Lebens sein soll, dann kann man gnmdséitzlich nie genug davon bekommen. Alles andere als Konsum wird sinnlos. Aber Konsum ist nicht sinnerfüllend, wodurch der Teufelskreis der "Oko„-kalypse in seinem Wesen, beschrieben sein dürfte. Okokrise ist ihrem Wesen nach also Sinnkrise.
Das hat nichts mit einer asketischen Le benshaltung zu tun, wie sie einige als Antwort auf die globale Umweltzelstérung fordern. Bahá’u’lláh hat die Askese ausdrücklich verwor fen, denn was wir brauchen, ist keine neue Materiefeindlichkeit. Ganz im Gegenteil lehrt
Bahá’u’lláh die gesamte Schöpfung als unendlich mannigfaltige und lehrreiche „Zeichen Gottes„.
[Seite 3]„ Betrachte die
gesamte Schüpfung
als unendlich
mannigfaltige
und lehrreiche
„Zeichen Gottes „.
"Betrachte die Welt und denke eine Weile
darüber nach.
Sie entschleiert
das Buch ihres eigenen Selbstes
vor deinen Augen
und offenbart,
was die F eder deines Herm, des Gestalters, des Allwissenden, hineingeschrieben hat.
Sie will dich mit allem verlraut machen, was in ihr und auf ihr ist und dir klare Darlegungen geben... „ 2’
In diesem Bewusstsein wandelt sich un ser Leben von unstillbarer Konsumgier zu unvorstellbaren geistigen Entdeckungsreisen, weil wir wissen, dass uns die materielle Welt letztlich von den dahinterstehenden geistigen Welten erzählen will.
Achtung vor der Würde der Schopfung
und Leben innerhalb ihrer Grenzen bmucht dann nicht herbeigeredet zu werden, sondem sie ist die einzige Lebenshaltung, die man als sinnerfüllend empfindet, die einen weiterreisen léisst auf den Bahnen seelisch-geistiger Weiterentwicklung. Das Gleichgewicht der materiellen Welt wird so gleichbedeutend Init dem Gleichgewicht der umgreifenden geistigen Welt. Solange Umweltbewusstsein nicht zu dieser Urbotschaft aller Religionen yviederfindet, wird es sein Ziel nicht etreichen. Okologie ist so nicht linger eine l_*_3rfahrung der Konsumbeeintréichtigung, Okologie wird zur Erfahrung der Logik und Einheit der materiellen und der geistigen Okosysteme.
DIE EINHEIT DER MENSCHHEIT
Es muss so deutlich gesagt werden:Der
Gedanke der Einheit der Menschheit ist so einfach und in sich so selbstverständlich, dass künftige Generationen mit dem Staunen nicht fertig werden, warum sich unsere Generationen so schwer damit getan haben. Lieber finden wir uns mit der realen Gefahr des Endes der menschlichen Geschichte ab, als dass wir eine im Grunde so primitive Einsicht annehmen,dass die Erde eine Einheit ist, ebenso wie die Menschheit auf ihr.
Umso unverständlicher wird dies, da sich
heute schon jedes Schulkind über zahlreiche grundlegende globale Zusammenhänge im klaren ist: es gibt nur eine Ozonschicht,
nur einen Treibhauseffekt,
nur einen Aitenschwund und
nur eine Strahlenvetseuchung. Aber viele andere globalen Zusammenhänge verdréingen wir noch, z.B. :
— dass die Kluft zwischen arm und reich in der Welt immer grosser wird und dass dieser von uns massgeblich mitverursachte Teufelskreis der Massenverelendung inzwischen zur Hauptutsache globaler Umweltzerstorung geworden ist — gegen diese Hauptquelle globaler Umweltvernichtung gibt es bis heute nur wenige Aktionen und Plüne;
— dass die Erde den verschwenderischen Lebensstil des reichsten Fünftels der Menschheit keine 50 Jahre mehr aushält, dass sich aber das schlechte Vorbild dieser Lebensweise wie ein Lauffeuer über die ganze Erde verbreitet als das Wunschmodell fast aller Menschen — was den Selbstzerstérungsprozess der Menschheit weiterhin potentiell anheizt;
— dass der Jahresgewinn der intemationalen Drogemnafia vor einigen Jahren bereits den addierten Jahresgewinn der 100 grossten Weltkonzerne übertraf und uns die ungebremste Dynamik djeses Prozesses binnen weniger Jahre in die Hände der skrupellosesten Gangster ausliefeit - müssen wir selbst diese Spielart einer Welt(un)ordnung noch durchleben?;
— dass sich völlig neue Arten von Kriegsgefah-ren zusalmnenbrauen - vom Tourimus der Kemwaffenspezialisten zusammenbrechender Weltméichte in die Laboratotien der ambitionierstesten Gewaltheirscher dieser Erde bis zur Gefahr eines Weltbürgerkrieges aller Frustrierten
und Fanatiker gegeneinander und gegen den Rest der Menschheit.
[Seite 4]GLOBAL UND LOKAL
DENKEN UND HANDELN
Weit entfernt, die Diskussion um bessere
Müllvermeidungskonzepte oder „grüne Punkte„ geringzuachten, so dürfen wir doch nicht auf dieser Ebene Init dem Denken und Handeln aufhoren, während gleichzeitig solche globalen Zusammenhünge alles kaputtmachen. „ Global denken- lokal handeln„ reicht heute nicht mehr aus. Das neue Motto muss lauten: „ Global und lokal denken lokal und global handeln.„ Nur unter dieser Préimisse macht lokales Handeln überhaupt noch Sinn.
Die Probleme, Zusammenhänge und
Wechselwirkungen scheren sich schon lange nicht mehr um unsere antiquierten nationalen Grenzen und nationalen politischen Ordnungen. Sie organisierten sich léingst mit ungeheurer Dynamik auf globaler Ebene. Wir haben praktisch überhaupt keine Lobbyisten oder Politiker des Planeten Erde oder der Menschheit in ihrer Ganzheit.Dieses Leck zwischen Problemebene und Ordnungsebene schuf das Vakuum, in dem sich alle sozialen Krebsgeschwüre auf der grosstmöglichen, nämlich der globalen Ebene fast völlig ungehindert ausbreiten könnten.
Heute ist der Nicht—Glaube an die Einheit
der Menschheit und ihre zivilisierte Organisation die grosste und verhangsnisvollste Illusion. Und die sogenannten Realpolitiker, die einfach nicht an die Organisationsfahigkeit der Menschheit jenseits der nationalen Egoismen glauben wollen — Wissenschaft und Wirtschaft tun es ja auch, und für ihre Bereiche mit Erfolg — sind dementsprechend die grossten lllusionisten. Das Festhalten an nationaler Souveréinitfit ist heute nichts anderes als die Preisgabe der Souveréinitat der Menschheit, ihr unteilbar ganzheitliches Schicksal noch selbst bestimmen zu konnen.
Dabei bréiuchten wir nur einige unserer
gewachsenen Erfahmngen mit unseren nationalen Demokratien auf die globale Ebene zu übertragen, und schon könnten wir ein gewaltiges Stück politischer Steuerbarkeit wieder zurückerlangen. Bahá’u’llahs Modell für eine Ordnung der globalen Belange ist in vieler Hinsicht nahe bei den besten Errungenschaften der Demokratie angesiedelt - nur auf die globale Ebene hochgedacht. Was macht uns also Angst vor einer solchen Weltordnung, wo z.B. in den meisten nationalen Demokratien ohnehin schon léingst eine hochdifferenzierte ethnische, religiose oder
kulturelle Vielfalt normale Alltagsrealität geworden ist? Die Behauptung ihrer Unmöglich keit widerspricht also handfester historischer Erfahrung.
Bahá’u’lláh fordert für die Ordnung der
Welt ein dreigliedriges System einer Weltlegislative, Weltexekutive und Weltjurisprudenz.
Er fordert :
— die Einrichtung eines Weltsclliedsgerichtshofes, vor den alle Streitpunkte zwischen Völkern und Nationen gebracht werden und der diese verbindlich schlichtet und entscheidet;
— ein System kollektiver Sicherheit, das durch den Pakt aller Nationen etabliert wird und kei nerlei gewaltsame Konfliktaustragung mehr duldet;
- das gemeinsame Aussuchen und Einführen einer Welthilfssprache, die der beste Garant für gleichen Zugang zum Weltwissen ist; .
- die Gleichstellung des weiblischen Elements in der Weltgesellschaft — als besten Garant für einen sanften Umgang untereinander, wie auch mit der Natur, usw.
— und stellt vor ein System globaler Vorsorge
für den Umgang mit den Rohstoffen der Erde.
Was ist daran so utopistisch? Was so angsteinflossend? Wann wird endlich globale Vernunft zur aktuellen Real-und Tagespolitik?
UMWELTKRISE= WELTORDNUNGSKRISE
Ein weiteres Element der Weltordnung
Bahá’u’llahs ist die Neuorientierung aller Entscheidungsfragen nach dem Grundsatz : Problemebene = Entscheidungsebene.
Abdul—Bahá erléiutert dies an einem Dorfmodell, wonach die ortliche Ebene ihre eigenen Belange zunéichs_t_ und vor allem auch selbst§ndig regelt. Nur Ubetschüsse und nicht ortlich ausgleichbare Defizite werden durch übero'rtliche Strukturen aufgefangen und ausgeglichen. Die Schaffung Von lebensfähigen und lebenswerten lokalen Entitfiten wire an sich schon eine ungeheure Umweltentlastung.
[Seite 5]Ein umweltvertréigliches Weltgemeinwesen
ist nur denkbar in Verbindung mit dem
§chritt zum Bewusstsein der Einheit des
Okosystems Erde und der Einheit des
Humansystems Menschheit .
was wir heute haben, ist eine seltsame
Mischform Von Weltdiktatur und Weltanarchie, denn eine kleine Gruppe Von Menschen lebt rücksichtslos auf Kosten Von Milliarden Menschen, die man im schlimmsten aller Zustände leben léisst, dem Zustand vülliger Hoffnungslosigkeit.
Bahá’u’lláh verglich seine Weltordnung
mit dem menschlichen Organismus: Alle Zellen und Organe sind zunächst auf ihrer Ebene soweit wie möglich selbstregulierende Systeme. Sie organisieren sich über mehrere Stufen zu einem Gesamtorganismus von unvorstellbaren Potentialen. Die Erde war schon immer eine Einheit, ein Gesamtorganismus. Wann erkennt ihr féihjgster Bewohner, dass auch er Teil eines ganzheitlichen Organismus ist mit Namen Menschheit? Erst die Erkenntnis und ganzheitliche Gestaltung dieses Gesamtorganismus Menschheit bringt ihr die Steuerbarkeit wieder zurück — eine Steuerbarkeit mit Potentialen, die wir uns heute noch nicht im geringsten vorzustellen vermögen.*
Quellennac-hwei_s:
1) Bahá’u’lláh, Ahrenlese, Bahá’í—Verlag 1980, 3.rev.Aufl. Kap. 132:3—4
2) Bahá’u’lláh, Bolschafien aus Akka, Bahá’í-Verlag 1982, Kap.9:13
7\
WERTE FUR
DIE UMWELT von Claudia GOLLMER
In ihrer Gesamtheit ist die Natur dem
Willen Gottes entsprungen und wird durch ihn in Bewegung gehalten. Alles Werden in ihr bedarf der göttlichen Kraft, die die ganze Natur durchdtingt. Ehrfurcht und Andacht gegenüber diesem göttlich gewollten, vielfailtigen Organismus, der Natur, sind ein Grundmotiv das sich den Bahá’í'—Schriften entnehmen Iüsst. Zurückhaltung, Vorsicht bei jedem Eingriff in dieses komplexe Gefüge sind eine naheliegende Konsequenz aus dieser Haltung. Sie erinnert an die heilige Scheu der Naturvélker, das G1eichgewicht der Natur zu stüren. Demgegenüber scheinbar diametral entgegengesetzt — finden sich andere Stellen, die den technischen Fortschritt und die daraus resultierende Naturbeherrschung freudig willkommen heissen, ja in ihm geradezu eine notwendige Voraussetzung für den nächsten Schritt in der Entwicklung der Menschheit sehen. Die Gestaltung und Nutzung der Natur dutch den Menschen wird bejaht, der Mensch als Herr der Natur gesehen. Er ist ihr prinzipiell übergeordnet und nicht Teil von ihr, auch wenn er ihr körperlich angehürt und ihren Gesetzen unterworfen ist. Die Natur insgesamt erfaihrt Sinn in ihrer Zuordnung zum Menschen. Dieses „Der Mensch mache sich die Erde mitertan " des Alten Testaments, das manch umwe]tbewusster Zeitgenosse als urséichlich sieht für das heutige Umweltdesaster, findet sich auch bei Abdu'1—Baha, der den Menschen als der Natur "1'ibergeordnet„ einstuft.
Zur Zeit des "A1ten Testaments„ hiess
„sich die Erde unterran machen„, der Natur einen Lebensraum abtrotzen, um Nahrung, Kleidung, Schutz vor Kéilte und Hitze, vor wilden Tieren und vor Unwettern zu finden. Es konnte nicht heissen, die Natur in ihrer Gesamtheit zu beherrschen. Erst heute ger'2it die Erde als Ganzes in den Blick. Immer weniger steht der Mensch einer allgewaltigen Natur gegenüber, der er das Lebensnotwendige entreisst, ohne sie als Ganzes wirklich zu tangieren; Vielmehr ist die Natur in ihrer Gesamtheit immer mehr dutch den Menschen manipulierbar. Vielfalt und Gleichgewicht der Natur sind durch den Menschen bedroht. Wenn daher der Mensch heute erneut, diesmal durch die Bahá’í'—Schriften aufgefordert wird, Herrschcr der Natur zu sein, so enthält diese Aufforderung eine ncue Dimension und Qualität.
Mil der 1‘:-eundlichen Erlauhnis des Aumrs Peter Spiegel. emlzllle die Rcdaklion rinen Zusimmeuschnitl. seines gleichnamigen Artikels crschienen in den "Bahá’í-Brie|en" . Nr. 61
[Seite 6]VERANTWORTUNG FUR EIN
ANVERTRAUTES GUT
Der Mensch ist zu Orten vorgestossen,
wie der Tiefsee, dem Himmel und dem Weltraum, die ihm früher unzugéinglich waren; er hat Bereiche entdeckt, wie die Elektrizitéit, die Radiowellen und die Atomkraft Von deren Existenz er nichts ahnte; und gerade durch diesen Vorstoss wurde die Interdependenz innerhalb der Natur immer deutlicher. Mit dem Vermügen des Menschen, in das Gesamtgeffige der Natur einzugreifen, hat er prinzipiel1— nicht aber faktisch —Verantwolt.ung für die Natur als Ganzes iibemommen.
Ein Zurück ins Land der Unschuld ist
weder müglich noch wünschenwert. Die Entwicklung entspricht der gottgewollten Dynamik der menschlichen Geschichte. Das für die heutige Zeit proklamiette Ziel der Einheit der Menschheit bedarf des technischen Fortschritts, und damit auch einer weitreichenden Naturbeherrschung, aber nicht léinger als partieller Sieg im Kampf gegen die Naturgewalten, sondern
weit eher als Verantwortung für ein anvertrautes Gut.
Die eingangs erwähnte Achtung vor der
Natur, das Staunen vor dem schüpferischen Wirken Gottes in ihr sind Teil dieser Verantwortung. Das Verhältnis Mensch/Natur gleicht dem der Erziehung. In seiner Liebe und Achtung gegenüber der Natur entdeckt und entwickelt der Mensch das in ihr liegende Potential und führt sie dadurch ihrer eigentlichen Bestimmung zu. Vorsicht und Zurückhaltung ist dabei geboten. Die Bahá’í-Schriften warnen Vor einem Ubermass an Zivilisation und rufen immer wieder auf zur
MZSSSIGUNG IN ALLEN DINGEN
Schutz und Pflege der Natur sind notwendige Voraussetzungen für die Entfaltung des in ihr ruhenden Potentials.Es bedarf einer Haltung, die das Produzieren unter die Vorherrschaft des Hegens stellt, einer Haltung, die weniger Vom jeweiligen Nutzen des Menschen ausgeht als vom Gesamtgefüge der Natur. D.h. es bedarf des Denkens in den Rythmen der Natur, in ihren Zeitrüumen und des immer gründlicheren Wissens um ihre Gesetze und ihre Vielfalt, um diesen Schutz zu leisten.
Und es bedarf der Geduld, der Ausdauer,
auch dann, wenn sehr lange keine Ergebnisse messbar werden, auch Bereitschaft zur blossen Pflege, die scheinbar gar keine ErgebI1isse zeitigt. Es bedarf des spaisam planenden Haushaltens, der Fürsorge und vielleicht eines intuitiven Wissens darüber, was heilsam und was destruktiv wirkt.
VERLANGT s1N1)_ WEIBLICHE QUALI'I‘ATEN
Die Werte und die entsprechenden Féihig keiten, die das Verhältnis Mensch/Natur heute kennzeichnen müssen, sind andere als vor dem Eintritt des entscheidenden Wandels in diesem Verhältnis. Es sind die, welche traditionell als eher weibliche Qualitäten empfunden werden. Ich denke, sie sind nicht mythisch oder genetisch an das weibliche Geschlecht gebunden, vielmehr sind es jene Fähigkeiten, die Frauen sich über die Jahrhunderte hin erworben haben in der Sorge für ihre Kinder und Farnilien, in der Erziehung und im Haushalt. Es gilt heute diese Qualitäten in die Gesellschaft einzublingen, sie über den Rahmen der Familie hinaus wirksam werden zu lassen.
Die aktive Beteiligung der Frau am ge sellschaftlichen Leben ist daher ein Lösungsansatz, den die Bahá’í'—Schriften für die Umweltproblematik bieten. Es handelt sich hier um das Konzept einer Teilnahme, die — andets als das héiufig geschieht — nicht als Gegensatz zu den traditionellen weiblichen Aufgaben, sondern als deren konsequente Fortführung verstanden wird.
Jene seit altersher im héiuslichen Bereich
entwickelten Féihjgkeiten müssen heute, gepaart mit Sachkompetenz und Wissen, gese11schaftsfaihig werden. Ein gesamtgesellschaftliches Klima, in dem diese Werte ganz allgemein fur Méinner wie Frauen, ein stürkeres Gewicht haben, ist eine notwendige Voraussetzung, um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur neu zu gestalten. **
- Mi! der fmundlichen Gcnchmigung der Auzoriu Claudia Gollmcr bat die Rednluiou ihxeu glcichuamigcu, in den "Bahá’í-Briefeu" No 61 crschienmeu Anikcl, ctwas gcldirn libemouuneu.
[Seite 7]DIE WICHTIGKEIT DER
LAN DWIRTS CHAFT
Bahá’u’lláh erklärt:
„Besondere Beachtung muss der Landwirtschaft geschenkt werdenf" Er bezeichnet sie als eine Betätigung, die„ den Fortschritt der Menschheit und den Aufbau der Welt bewirkt". 2’
Abdu1—’]-Bahá bestätigt:„Die Grundlage der Gemeinschaft ist die Landwirtschaft, der Ackerbau...„ Er beschreibt die Landwirtschaft als „eine edle Wissenschaft„ 4’ deren Aus iibung "Gottesdienst" 5’ ist, und errnutigt Frauen wie Méinner, sich mit „landwirtschaftlichen Wissenschaften„ 6’ zu beschäftigen. Wenn ein Mensch "auf diesem Gebiet bewandert wird,
trägt er zum Wohl unzähliger Menschen bei„.„
Bezfiglich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Völker betont das Universale Haus der Gerechtigkeit die Wichtigkeit der „LandWirtschaft und die Wahrung des 6kologischen Gleichgewichts in der Welt ".‘„
Quellennach weis:
1) Bahá’u’lláh: Botschaflen aus Akk::i 7:23
2) a.a.O., 7:18
3) Abdu’l—Bah2i zitien in Star of the West, Band 4. Nr.6 (24.6.l9l 3), S.l03
4) Abdu'l-Bahá aus einem aus dem Persischen übersetzten Sendschreiben
5) Abdu I-Bahzi, Briefe und Botschaften 126:1
6) Abdu’l—Bahzi, The Promulgation of Universal Peace, S. 283
7) Abdu’l—Bahzi_ aus einem aus dem Persischen übersctzten Sendschrciben.
8) Das Universale Haus der Gerechtigkeit, Sekretariatsabteilung. aus einem Brief vom 31.3.1985 an die Gesellschaft für Bahá’í—Studien
AKTIVITATS—KALENDER AUF LANDESEBENE
Dfidelingen: Mgtliage L(LLQ.9:4nn_1 2.9 im Lycée technique Nic.Biever, 28 rue du Parc, Konferenz im Rahmen des Jahres der Familie mit Fari Khabirpour, Dipl.-Psychologe und Psychotherapeut, über das Thema:
„Eltern und Kinder,
Freunde oder Feinde? „ Org. Bahá’í—Dfidelingen
Differdingen:
l?r.eit.ag.._ .2.1._1.0..94 1_1m.2.Q
im Centre Noppeney, Konferenz in franz6sischer Sprache mit Roland KABER über das Thema: „Egoisme, altruisme et
comportements pro-sociauX„ 00000000OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO OOOOO
F,1‘_eit£1.g.,_‘},-_1__1_.-,9_fr,,,,11,I11,_.2Q_IJ:11I
im Centre Noppeney, Konferenz in franzfisicher
Sprache mit A.BAKI, über das Thema: „Tranformation interne et
résolution des conflits„ OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
Donnerstag. 24.1 1.94 um. 20 in Centre Noppeney, Konferenz in ]uxemburgischer Sprache rnit Martine C ASTAGNA, Dipl.Pfidagogin, über das Thema:
„D’Liewen an der Famill
a mat de Kanner„ Org. Bahá’í—Differdingen
Petingen:
Unter der Schirmherschaft der Gemeinde Petingen und im Rahmen des J ahres der Familie, findet am 1)_i»e_r1_sVtgg,.i8. 10.9,4g2Q IQ im Lycée technique Mathias Adam, eine Konferenz statt über das Thema:
„ Gewalt in Familie, Schule und Gesellschaft„ Referenten:
- Dr. Seligmann ( ALUPSE);
- Eine Vertreterin der„Femmes en détresse„; - Georges Pfeiffenschneider (Association des
Etudes Bahá’ies);
Moderation: Roger KLEIN, Bürgermeister. Org. Bahá’í'-Petingen
Alle Konferenzen sind Eintrittfrei
Ettelbrück: . Die monatliche Gesprächsrunde über aktuelle Themen startet am 14.10.94 um 20 Uhr.
Interessenten können sich ab sofort anmelden über Telefon 81 90 80.
DAS BESONDERE BUCH ZUM THEMA:
Richard
St. Barbe Baker Der Mann
der Büume
I_._asst uns Uberleben
pflanzen.
H0rizonte—Ver|ag
0 3926] 16-24-2
„Dcr Oko—Gandhi„, wie ihn der Club of Rome nannte, wird hier als der grossc Umweltphilosoph und crfolgreichste (5ko—Aktivist dicscs Jahrhunderts vorgestellt. Als Gründer der Bewegung „Men of the Trees„ beschrieb er wie kein anderer die SchIüsselfunktion der Bäume — und pflanztc mehr als 100 Millionen davon in allen fünf Kontinenlen. Auch wamte er bereits in den zwanzigcr Jahren vor der Regenwaldzerstorungz "Rettet die Wfilder, denn sie sind die Haut der Erde, ohne die sie nicht überleben kann.„
Seine Schriften zeugen Von beispielhaftem Wellbürgerbewusstsein und sein „Waldbild„ ist nicht einseitig okologisch, okonomisch oder philosophisch. Seine Multi-Wahmehmung ermüglicht die ganzheilliche Sichl, welche für eine verantwonliche Gestaltung der Erde so dringend gebraucht wird.
Schon in jungcn Jahren lemte der Fotstwinschaftler St.Barbe Baker den Bahá’í—Glauben kennen. Er hatle keine Schwierigkeiten ihn anzunehmen, denn die Einheit der Schüpfung, ihrer Menschheit, ihrer Religionen, Rassen und Nationen war ihm selbstverständliches lxbensgesetz und damit Wille Gottes, der endlich Wirklichkeit werden müsse. Noch im Alter von 80 Jahren ritt Baker quer durch Neuseeland, um den Menschen die Vision einer heilen Erde und einer neuen göttlichen Offenbarung einzupflanzen.
Heute wird St.Barbe Baker wiederentdeckt nicht als Mann der Vergangenheit, sondern als Musterbeispiel eines Weltbürgers mit einem Bewusstsein, das der Reife der Menschheit als Einheit
würdig ist. Peter Spiegel
LEIBIBLIOTIIEK
Centre Bahá’í
17, Allée Léopold Goebel,
Lux—Ville
Geöffnet 10-16 Uhr MONTAG - FREITAG
IMPRESSUM:
Die Zeitung „Zeit für Geist„ crscheint alle 2-3 Monate und ist aus chlorfrei gcblcichlem Papier. Jcde Nummer befasst sich mil einem aktucllcn Thema. Herausgeber : Bahá’í’-Arbeitsgruppc
"Gedanken für eine bcssere Well" c.V. Druckerei: lmpnmcric Prim—Scrvice, Luxcmburg
ZIELE DER ZEITUNG:
Völkerverständigung ;
Brücken bauen zu andern Glaubens-und Denkrichtungen; Impulse geben zu friedlicher Zusammenarbeit mit allen andern Gruppen deren Interessen in die gleiche Richtung gehen; informieren über Vorstellungen, Ziele, Pläne und Früchte der Bahá’í-Religion, hier und in der Welt, über andere Religionen und den Wert der Religion schlechthin;
Dialog—und Begegnungsmüglichkeiten schaffen.
Für die verüffentlichten Artikel sind die Autoren und für die Text-und Artikelauswahl ist die Redaktion verantwortlich.
DAS WORT AN DIE LESER:
Wir danken unsem Lesem, dass sie den Beitrag /ur Volkervcrstandigung der Bahá’í'— Arbeitsgruppe „Gedankcn für eine bcssere Wel1„— die Gcschenkaktion "Jahresabonnement" auf diese Zeitung — so gut aufgenommcn haben.
Sollten Sie den Wunsch haben, noch weitere Freunde mit dieser Zeitung bekannt zu machen, so senden Sie uns bitte die Adressen. Bitte sagen Sie uns auch, wenn Sie diese Zeitung nicht haben müchten, wir werden in beiden Féillen ihren Wunsch erfüllen. Wir
freuen uns sehr über ihre Zuschriften und bedanken uns im voraus.
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