Zeit für Geist/Nummer 29/Text

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Nummer 29 Avril 2004


Gedanken bessereg» VV.9.I$-2}

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Das Verhüngnis

unserer K ultur ist,

dass sie sich materiel] viel stürker entwickelt hat als geistig.

Albert Schweitzer

Die «Goldene Regelaller Religionen lautet: Was Du nicht willst,

das man dir tu,

dasfiig auch

keinem andern zu.

Aber mit der gleichen Berechtigung kann man sagen:

Was du andern antust, das tust du dir auch selber an. Erich Fromm

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Die edeutung Von Geistigkeit in der modernen


Der Hauptgrundfür die Ubelstümle, welche derzeit in der Gesellschaft überhandnehmen,

ist der Mangel an Geistigkeit Shoghi Effendi

Was ist Geistigkeit? Es ist ein Prozess der zur Vollen, angemessenen, richtigen und harmonischen Entwicklung der geistigen Fähigkeiten des einzelnen und der Gesellschaft führt. Dieser Prozess heisst, nach der Bahá’í-Auffassung, « geistiges Wachstum » oder einfach << Vergeistigung >>.

Ein sichtbarer Mangel an Geistigkeit ist das Wiederaufleben des religiosen Fanatismus, das fast überall auf der Welt zwischen Menschen der Verschiedensten Religionen stattfindet. Dies ist ein globales Phéinomen, das überall zutiefst storend wirkt, denn es gebéirt Hass und Gewalt. Seinen bosartigen Einfluss findet man fast immer an den Wurzeln aller Konflikte, die den Frieden storen. Das Gleiche gilt auch für den Terrorismus, der das normale Leben der globalen Gesellschaft bereits teilweise lahmlegt. Wir brauchen nicht weit zu suchen, dazu gibt es genug aktuelle Beispiele.

Religioser Fanatismus ist eine Entartung und die damit Verbundenen Gewaltanwendungen bezeugen seine geistige Leere. Er zerstort die Grundlagen der menschlichen Solidarität und zerteilt die Welt in sich bekämpfende Parteien, Von denen jede glaubt, die alleinige Wahrheit zu besitzen und deshalb überlegen zu sein. Solches Betragen und solche Taten verneinen das echte Ziel der Religion und stehen in krassem Gegensatz zu den Lehren der Begründer der grossen Weltreligionen, die den Menschen die «Goldene Rege1>> gebracht haben.

Der aktuelle Ausbruch religiosen Fanatismus untergréibt einerseits die geistigen und zur Welteinheit führenden Werte, andererseits unterhohlt er die besonderen Verdienste der Religion, der zu dienen er vorgibt. Der bemerkenswerte Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft, welche die Lehren der grossen Religionen geleistet haben, wird so nach und nach Vernebelt durch die Abscheulichkeiten, die im Namen der gleichen Religionen getan werden. Auch wenn der Fanatismus einige Zeit auf der internationalen Szene im Vordergrund stehen wird, so ist sein schmachvoller Untergang doch Vorprogrammiert. Er wird zugrunde gehen, sobald die Volker der Welt die Vereinigenden Wahrheiten, die in den Weltreligionen so klar dargelegt sind, Wieder entdeckt und anerkannt haben. In andern Worten: wenn die Menschheit geistiger geworden ist und in einer Umgebung leben wird, die gepréigt ist Von Bescheidenheit, Mitgefühl und leidenschaftlicher Suche nach Wahrheit. Wir Bahá’í glauben, dass alle Menschen guten Willens dazu beitragen konnen, das Ende des religiosen Fanatismus zu beschleunigen. Sie konnen dies tun, indem sie zuerst mutig zu den hohen Idealen Von Liebe, Einheit und Toleranz stehen, die sich im Herzen ihrer eigenen Religion befinden

Ausserdem muss noch jeder lernen den Glauben des andern echt zu respektieren und nicht bloss zu tolerieren.

Als ihren Beitrag zur Beseitigung aller Formen Von Fanatismus, bieten die Bahá’iGemeinden weltweit Programme an, um die Geistigkeit zu entwickeln. Sie setzen damit

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einen Prozess der Einheit und des Friedens zwischen den Vijlkern aller Religionen und Glaubensrichtungen in Gang. << Sie werden ihre Bemühungen solangefortsetzen, bis das Feuer des Fanatismus und des Hasses einfür allemal gelöscht sein wird. “ "

Die gesellschaftliche Dimension der Geistigkeit

Das persénliche geistige Wachstum kann nicht in einem Vakuum stattfinden. Es steht im Zusammenhang mit einer gegebenen Gesellschaft, die auf den einzelnen in seinem Streben nach Geistigkeit auf jeden Fall einen tiefgreifenden Einfluss ausfibt. Die Bahá’í-Schriften unterstreichen das grundlegende Recht des einzelnen auf geistige Entwicklung, aber auch seine Abhéingigkeit von der Mithilfe der Gesellschaft, deren geistige Aufgabe darin besteht, das bestmöglichste Umfeld für diesen Wachstumsprozess zu bieten und zu garantieren. Letztlich wird ihr das selbst zugute kommen, denn ein wichtiger Zug des Vergeistigten Menschen besteht in seinem hochentwickelten sozialen Bewusstsein. Auf dieser Stufe wird er sich bewusst, dass er in Vielen Bereichen Von der Gesellschaft abhéingig ist, und so wird sein Gefühl für soziale Verpflichtungen geschéirft. Bahá’u’lláh sagt, dass der Mensch bei allem Trachten nach Geistigkeit ein waches Interesse für die Bedürfnisse der Gesellschaft, in der er lebt, haben sollte und ,,dass alle Menschen erschaffen (wurden), eine ständig fortschreitende Kultur voranzutragen. “ 2’

Allgemein gesagt lehrt Bahá’u’lláh, dass die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen die Zusammenarbeit und Einheit unterstützen und den geistigen Wachstumsprozess fördern, während alles was aufKonkurrenz, Streit, Machtstreben und Herrschaftswillen beruht, die Entwicklung des Menschen untergréibt. Nach seinen Aussagen hat jeder Offenbarungsvorgang allgemein zum geistigen Bewusstsein der Menschheit beigetragen, indem er jene geistigen Wahrheiten neu dargelegt und herausgearbeitet hat, die die eigentliche Grundlage der menschlichen Existenz sind. Er bringt seine Offenbarung in Verbindung mit dem Ubergang der Menschheit Von der Jugendzeit zum Erwachsenenalter im Gemeinschaftsleben der Menschheit, und stellt fest, dass die Sozialgeschichte der Menschheit seit ihrem primitiven Beginn mit der Bildung kleiner sozialen Gruppen bis zum heutigen Tag den Stufen der Unmündigkeit, der Kindheit und Jugendzeit der Menschheit entspricht. Die globale Gesellschaft steht nun an der Schwelle zu ihrer Reife, und der gegenwéirtige Aufruhr und Streit in der Welt entsprechen dem Aufruhr der allerletzten Vorstufe des Erwachsenseins im Leben des Einzelmenschen.

Die geistigen Anlagen des Menschen

Alle angeborenen physischen und geistigen Fähigkeiten sind gut und potentiell hilfreich für den geistigen Wachstumsprozess. Es besteht da jedoch eine gewisse Spannung zwischen den leiblichen Bedürfnissen und dem metaphysischen Verlangen der Seele. Um wirkungsvoll zum geistigen Entwicklungsprozess beitragen zu künnen, müssen die natürlichen Triebe und Wünsche zwar diszipliniert, aber nicht unterdrückt werden. Das Anrecht des Körpers auf Nahrung, Unterkunft, Gesellschaft, Schutz vor Bedrohung, usw., muss befriedigt werden. Aber auch die menschliche Seele hat ihre ureigensten Bedürfnisse. Diese sind metaphysischer Natur und nicht mit den körperlichen Sinnen erfassbar. Sie bringen den Menschen dazu, den Sinn und den Zweck des Lebens zu suchen und ein ausgewogenes Verhältnis zu seinem Schéipfer, zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen herzustellen. Obwohl dieses ausgewogene Verhältnis mit physischen Mitteln ausgedrückt werden kann und muss, ist es jedoch seinem Wesen nach geistig. Dazu gehüren : das Eingeständnis, Von einer höheren Macht abhéingig zu sein, Selbsterkenntnis, sowie das Bewusstsein unserer Begrenzungen, aber auch unserer besonderer Talente und Fähigkeiten. Es erfordert ausserdem die Anerkennung und die Rücksichtnahme auf die Rechte anderer. All das muss entwickelt werden und in unserem Leben zum Tragen kommen.

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Die gewühnliche Uberbeschizftigung des modernen Menschen in allen Gesellschaftskreisen hat zur F olge, dass das Geistige

in ihm verkümmert.

Albert Schweitzer

Der Mensch ist seiner Wirklichkeit nach ein geistiges Wesen, und nur wenn er im Geiste lebt, ist er tatsdchlich glücklich.

Abdu‘l-Bahá

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Welche geistigen Fühigkeiten gilt es zu entwickeln?

Unter den zu entwickelnden geistigen Fähigkeiten sind die Verstehens - oder Erkenntnisfähigkeit, die Herzens — oder Gefühlsfahigkeit und die Willens - oder Handlungsfähigkeit.

' Ziel der Erkenntnisfähigkeit ist die Wahrheitsfindung, d.h. das zu finden, was im Einklang mit der Wirklichkeit steht.

° Ziel der Herzensfähigkeit ist die Liebe. Sie steht für die benötigte Energie um geistige Entwicklung zu erlangen. Sie wird erlebt als Hingezogensein und Bindung an den Schöpfer und an die Von ihm festgesetzten Verhaltensnormen und Prinzipien, aber auch als Anziehungspunkt fur das geistige Potential der anderen Menschen.

Der Mensch hat auch geistige Solche Liebe erzeugt in uns den Wunsch, zum Instrument des Wachstumsprozesses Krcifie: die Vbrstellungsgabe, anderer zu Werden. die sich Dinge vorstellt; 0 Die Willensfähigkeit zum Handeln wird entwickelt durch den Dienst am Schöpfer, die Denkkrafi, die über an andern Menschen und an sich selbst. Dies zeigt sich in den guten Absichten die Wirklichkeiten nachsinnt; zu guten Taten werden. das Begriflsvermügen, das

Wirklichkeiten erkennt; Fur die überwiegende Mehrheit der Weltbevolkerung ist der Gedanke, daß der

das Geddchmis, dasfesthdlt, Mensch eine geistige Dimension hat, ja daI3 sein eigentliches Wesen geistig ist, eine was der Mensch sich vorstellt, Wahrheit, die keiner Darlegung bedarf. 3’ Doch unser Zustand im irdischen Leben denkt undbegreifl. bietet Viel Zugang zur materiellen, aber nur einen indirekten Zugang zur geistigen Abdu’l-Baht! Wirklichkeit. Man kommt daher zum richtigen Verhaltnis zum Schöpfer, indem man

seine Manifestationen, wie: Krishna, Abraham, Moses, Buddha, Zarathustra, Christus,

Muhammad, Bab und Bahá’u’lláh, erkennt und akzeptiert. Gott sandte sie, um die

Menschheit nach seinen Anleitungen zu erziehen. Diese Gesandten anzuerkennen und

ihre Anweisungen zu befolgen, ist die wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen

Durchführung des geistigen Wachstumsprozesses. Die Menschheit ist eine organische

Einheit und der Einzelmensch ist ihr Grundbestandteil, daher unterliegt sie einer

kollektiven geistigen Evolution die dem geistigen Wachstum des einzelnen ähnlich ist.

Das periodische Erscheinen einer Manifestation Gottes ist die Triebkraft die den sozialen Entwicklungsprozess in Gang setzt. Augenblicklich befindet sich die menschliche Gesellschaft in einer Ubergangsphase Von der Jugendzeit zu ihrer zukünftigen Reife, die ihren Ausdruck in einer geeinten, Vorurteilsfreien und friedlichen Weltgesellschaft, in der Gerechtigkeit und Harmonie unter den Nationen und Volker der Welt errichtet ist, finden Wird.

Was kann man tun um Geistigkeit zu erlangen?

Das Verständnis des geistigen Wachstumsprozesses und seiner Dynamik ist noch keine Garantie fur ein erfolgreiches Streben nach Geistigkeit. Wir benötigen praktisch anwendbares Handwerkszeug, das uns bei jeder Gelegenheit hilft und das in den Bahá’í—Schriften klar beschrieben ist. Genannt werden im besonderen: das Gebet, das Meditieren über die Schriften der Manifestationen, sowie der aktive Dienst an der Menschheit, der darin besteht, dass der einzelne seine bereits entwickelten geistigen Kräfte und Fahigkeiten, freiwillig und aus innerem Bestreben heraus einsetzt, um den Intereressen des gesamten Planeten zu dienen.

,,Tatscichlich ist der Hauptgrundfür die Ubelstdnde, welche derzeit in der Gesellschaft überhandnehmen, der Mange] an Geistigkeit. Die materialistische Zivilisation unserer Zeit beansprucht die Energie und das Interesse der Menschen so sehr, dass die Leute im allgemeinen nicht mehr die Notwendigkeit sehen, sich über die Mdchte und Bedingungen ihres alltdglichen, materiellen Daseins zu erheben... “ (Shoghi Effendi zitiert in «Uber die Macht des Gebetes» S.23f.)

Die Ursachen der weltumspannenden Krise, unter der die Menschheit leidet, sind daher rein geistiger Natur. Der Kern religiosen Glaubens ist ein mystisches Empfinden, das den Menschen mit seinem Schöpfer vereint. Die Bahai-Religion ist, Wie alle andern

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göttlichen Religionen auch, im Grunde mystisch angelegt und ihr Hauptziel ist die Entwicklung des einzelnen und der Gesellschaft, durch den Erwerb geistiger Tugenden und Kräfte. 4’

Das Gebet

Warum beten? Die Weisheit des Gebetes besteht darin, daß es eine Verbindung zwischen dem Schöpfer und dem Geschopf schafft, denn im Gebet wendet der Mensch sein Antlitz mit ganzem Herzen seinem Schöpfer zu. Die Seele des Menschen, muss zuerst geistig ernahrt werden und das geschieht am besten durch das Gebet. 5’

Wesentlich für die Betrachtung des Gebetes ist die Frage nach seinen Wirkungen, die geistiger Natur sind. Weil wir nicht gelernt haben, mit dem Geistigen zu leben, wollen wir die Notwendigkeit des Betens nicht einsehen. Unsere Sinne nehmen geistige Vorgéinge nicht anschaulich wahr, und wir verlassen uns auf unsere Sinne; daher sind wir geneigt, an den Wirkungen unserer Gebete zu zweifeln. Wir Menschen tragen unsere Wünsche und Gedanken in den Raum des Gebetes hinein, aber die Krafte die vom Gebet ausgehen, sind geistige Kräfte. Unsere Gedanken sind begrenzt und unsere Wilnsche hängen von unseren Lebensbedingungen ab, aber die Kräfte des Gebetes sind umfassend und grenzenlos. Während wir beten, verändern sich unmerklich unsere Wtinsche und Gedanken. Alle Dinge geraten gleichsam unter den Mafistab göttlicher Betrachtungsweise. Was uns bedrtickte, verliert an Gewicht. Was wir erhofften, erkennen wir in seinem Wert und seiner Zutréiglichkeit für uns. Wichtiger als die Frage, ob unsere Gebete erhort werden, ist die Einsicht, dass ihre Kraft den Dienst an der Menschheit erleichtert, allen Menschen zuganglich ist und dem Wohle aller dient.

Meditation und das offenbarte Wort Gottes

Meditation ist der Schhissel zu den Toren der Geheimnisse. In diesem Zustand lost sich der Mensch von sich selbst und zieht sich zurück Von allen Dingen der Aussenwelt. In dieser subjektiven Verfassung taucht er ein in das Meer geistigen Lebens und kann die Geheimnüsse der Dinge an sich enthüllen. Um dies zu Veranschaulichen, denke man sich den Menschen mit zweierlei Sehvermogen ausgestattet: Wenn die innere Sehkraft angewendet wird, sieht das aussere Auge nicht, und umgekehrt.

Nach den Bahá’í—Schriften gehort die Meditation zur geistigen Grundausstattung eines jeden Menschen. Sie ist kein Vorrecht hochbegabter, frommer oder gar auserwahlter Menschen. Jeder kann meditieren, diese Veranlagung entwickeln und ihre Kraft in seinem Leben entfalten. Auch hat sie keine feste Form. So steht es dem einzelnen frei, in der Art zu meditieren, die ihm am nützlichsten erscheint. Wir sollten uns daran erinnern, dass die geistige Welt eine reale Welt ist, damit wir nicht Opfer unserer eigenen Einbildungen werden.Wir müssen aus der Welt unserer eigenen Gefühle und Gedanken hinaus — und in die Weite geistigen Seins hinübergehen. Der erste Schritt in diesem Ubergang wird nicht immer leicht sein, und manche verzagen schon, bevor sie ihn gewagt haben. Abdu’l-Bahá vergleicht die Kraft der Meditation mit einem Spiegel. Stellt man diesen vor irdische Dinge, so wird er diese widerspiegeln. Wenn der menschliche Geist also über Irdisches nachsinnt, wird er darüber Kenntnisse erhalten. Wendet man aber den Spiegel seines Geistes den Schriften der Gottesoffenbarer zu, so wird man die darin enthaltene, geistige Wirklichkeit erkennen.

Um diesen Ubergang verstfindlich zu machen hilft uns das Gleichnis der Resonanz.: Wenn wir eine Stimmgabel, die auf einen bestimmten Ton gestimmt ist, anschlagen, dann wird sie in diesem Ton erklingen. Sie kann aber auch auf andere Weise zum Klingen gebracht werden, indem wir sie so aufstellen, dass sie frei schwingen kann. Wenn wir nun gerade diesen Ton auf einem Instrument anschlagen, dann wird die Stimmgabel zuerst ganz leise und dann immer Starker mitklingen. So wird es unserem Herzen ergehen, wenn wir die Worte Gottes erklingen lassen.

Nach dem Gleichnis der Resonanz dtirfen wir sagen, dassjeder Mensch eine Stimmgabel in seinem Herzen hat, die auf den Klang der göttlichen Sprache eingestimmt ist.

Das Reden mit Gott ist unvergleichlich wichtiger als das Reden über Gott.

Hans Asmussen

Uber vieles, was uns bewegt, künnen wir uns nie ganz verstündlich machen... Darüber kann ich

nur mit Gott reden.

Johann Wolfgang Von Goethe

Beten ist, wenn der Mensch mit Gott spricht.

Meditation ist, wenn Gott mit dem Menschen spricht. Yogananda

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Oft wissen wir nicht, wo wir sie finden konnen. Dann sollten wir die Verse Gottes anstimmen und stille sein, bis die Resonanz in unserem Herzen erklingt. So werden wir uns der Kraft der Meditation bewusst und konnen sie mehr und mehr entfalten.

Urn das Gesagte unter Beweis zu stellen, bieten Wir jetzt eine praktische

Es ist mein ernstes Gebet, Meditationsübung an. Wir lesen dazu in vollkommener innerer Stille eine Textstelle Von da/3 die Geistigkeitfortgesetzt Bahá’u’lláh. Diese Stille sollte in unserem Körper, unserer Seele und unserem Geiste wachsen und immer mehr Vollkommen ausgebreitet sein. Auch die Krüfte unserer Sinne und die Aufmerksamkeit

in der Welt zunehmen möge, unserer Umweltsorientierung sollten zur Ruhe gekommen sein. Es gibt mancherlei damit die Sitten erleuchtet Meditationsmethoden und es hangt ganz Von der Beschaffenheit des einzelnen ab, und Friede und Eintracht welche Methode ihm geméiss ist. Wichtig ist es, einen hohen Grad an Konzentration aufgerichtet werden. zu erreichen, damit wir ruhig, gelassen und stetig den Text auf uns einwirken lassen

Abdu’l-Bahá konnen. So werden Wir am besten die Resonanz in unserem Herzen spüren.

° Sei freigebig im Glück und dankbar im Unglück;

° Sei des Vertrauens deines Nachsten würdig und schaue hellen und freundlichen Auges auf ihn;

° Sei ein Schatz dem Armen, ein Mahner dem Reichen, eine Antwort auf den Schrei des Bedrückten und halte dein Versprechen heilig;

' Sei gerecht in deinem Urteil und behutsam in deiner Rede;

° Sei zu keinem Menschen unbillig, sondern erweise allen Sanftmut;

° Sei wie eine Lampe für die, so im Dunkeln gehn, eine Freude den Betrübten, ein Meer für die Dfirstenden, ein schützender Hafen für die Bedrangten, Stütze und Verteidiger für das Opfer der Unterdrückung;

° Lass Sauberkeit und Redlichkeit all dein Handeln auszeichnen; .

' Sei eine Heimat dem Fremdling, ein Balsam dem Leidenden, dem Flfichtling ein Starker Turrn;

° Sei dern Blinden Auge und ein Licht der Rechtleitung für den Fuss des Irrenden. . ...;

° Dich vor der Glut der Eifersucht und vor der Kalte des Hasses zu schützen, darum bitten Wir Gott.

Er, wahrlich, ist nahe, bereit zur Antwort.

Zur Meditation braucht es ( Bahá’u’lláh, Ahrenlese 130) Nachdenken und Stille. . .

Man kann nicht gleichzeitig Sp;-echen undmeditieren_ Natürlich werden die Empfindungen, die dieses Worte in uns wachrufen, sehr

Abdu]_Bah2'1 verschieden sein, so verschieden wie Wir Menschen nun einmal sind. Aber einige allgemeine Aussagen konnen Wir an dieser Stelle machen: Die Empfindungen müssen ursprünglich und uns ganz personlich zu eigen sein. Wir dürfen sie nicht erwarten oder wollen. Sie sind ein Widerhall der gelesenen Worte, sie spiegeln die Bedeutung der einzelnen Verse und Sätze und sie entzünden sich endlich an der geistigen Kraft dieser Ausserungen derart, dass sie unser ganzes Wesen in Schwingungen Versetzen. Die Bedeutung der einzelnen Satze ist leicht fassbar, Wir wissen, was es heisst, dern Fremdling eine Heimat und dem Leidenden Balsam zu sein. Uber die einzelnen Sütze hinaus gibt es in diesem Text auffallige Wiederholungen, sowohl im Satzbau als auch in der Führung der Gedanken, so dass die Bedeutung auf eigentfimliche Weise Verdichtet wird und der Vortrag dieser Worte einen schwingenden Rhythmus erzeugt, der unser ganzes Wesen erfasst. Diese Schwingungen sind Liebe, und Liebe ist das erkennende Auge des Geistes. Vor dem Spiegel unseres Geistes entsteht das ,,Meer“ der göttlichen Worte, dessen Wogen über unsere Seele branden, sie in Schwingungen versetzen, zu Liebe, ja Begeisterung hinreissen, und als Frucht eine Sehnsucht hervorbringt, mehr zu lieben und Grosseres zu schauen in der Welt des Geistes. 6’ Auf dieser geistigen Ebene entstehen dann auch Wissenschaften und Künste, wie beispielsweise die Musik, auf die wir hier nur kurz eingehen wollen.

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,Abdu‘1—Bahá spricht Von der Musik als den Luftschwingungen die das menschliche Ohr treffen, dann über das Nervensystem den Verstand erreichen um schliesslich das Herz des Menschen zu berühren. Das Berühren des Herzens durch die Musik, d.h. die Aufnahme der Musik in der Seele, ist erst dann moglich, wenn wir den Menschen in seiner Ganzheit und nicht nur als kopflastiges Wesen betrachten. Die Musik soll durch den Verstand ungehindert bis zum Herzen durchfliessen konnen. Erst Wenn sie innerlich wahrgenommen wird, kann sie auf die Person wirken und wird so zur Seelennahrung. 7’

Die Bahá’í-Lehren betrachten Kunst, Wissenschaft und Handwerk als Gottesdienst, sofern sie im Geiste des Dienstes an Gott und den Menschen entstanden sind.

Aufbau einer Gesellschaft, die Vergeistigung ermüglicht

Weil Bahá’u’lláh seinen Hauptauftrag in der Verwirklichung der Welteinheit sieht, enthalten seine Lehren eingehende Vorschléige zur Errichtung Von Institutionen und gesellschaftlichen Formen, die diesem Endzweck dienen. Die Errichtung eines Weltparlamentes, einer Weltlegislative und eines Weltgerichtshofes, der bei allen Streitigkeiten zwischen den Nationen die letzte Gerichtsbarkeit innehat, befürwortete Bahá’u’lláh schon vor 130 Jahren. Alle religiosen Führer der Welt ruft er auf, sich zusammen mit den politischen Führern ,,für die Neugestaltung dieses Zeitalters und die Wiederherstellung seiner Wohlfahrt“ 3) zu erheben. Ja, er fasst eine gemeinsame Beratung beider Gruppen ins Auge, geradezu ein interreligios-politisches Friedenskonzil. 9) Auch schléigt er die Annahme einer universalen Hilfssprache vor, eine universale Erziehungs - und Bildungspflicht für alle, das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter und ein wirtschaftliches System, das die Extreme von Armut und Reichtum beseitigt. Alle seine Vorschléige sind wesentlich für den Aufbau einer Gesellschaft, die das volle geistige Wachstum ihrer Mitglieder begfinstigt.

Geht man davon aus, dass Einheit die nötige soziale Basis f1"1r geistiges Wachstum ist, so folgt daraus, dass wir jetzt in einer Gesellschaft leben, die dem geistigen Wachstum grosstenteils gleichgültig gegenübersteht und ihm auf vielerlei Art schadet.

Die Lehren Bahá’u’lláhs künden eine neue Weltordnung an. Sie vermitteln nicht nur die Vision einer hoffnungsvollen Zukunft, sondern begründen auch eine lebendige Gemeinde, aufgebaut auf den geistigen Prinzipien von Einheit und Gerechtigkeit. Ihr Ausmass ist zwar noch embryonür, aber sie hat durchaus Modellcharakter für die zukünftige Weltgesellschaft. Einzelpersonen, die zu dieser Gemeinde stossen und in ihr mitwirken, entwickeln ihre geistigen Fähigkeiten auch dann, wenn die sie umgebende Gesellschaft in ihrer Gesamtheit diesem Wachstumsprozess gleichgfiltig gegenübersteht. Die so geschaffene ,,Einheit in der Mannigfaltigkeit“ ist keine Uniformitéit. Sie beruht auf der Qualität der geistigen Beziehungen zwischen Gruppen und einzelnen. Durch starke Berücksichtigung der besonderen Talente und Qualitäten der Mitarbeiter wird in der Bahá’í-Gemeinde ein Klima der Zusammenarbeit erreicht, das den Beitrag des einzelnen zur Einheit des Ganzen ermoglicht. Es gibt dort kein Priesteramt, keine Geistlichkeit oder kirchliche Hierarchie. Geistiges Wachstum ist ein eigenverantwortlicher Prozess, und das Mitwirken in der Gemeinde, — das keinesfalls

passiv ist - , vermindert nicht die Verantwortung des einzelnen für seine persönliche Entwicklung

Wir Bahá’í glauben, dass die Errichtung dieser neuen Weltordnung im Grunde die Antwort auf das Suchen nach geistigem Wachstum ist. Denn solange die Stabilität, die Harmonie und der fortschreitend moralische Charakter der menschlichen Gesellschaft nicht gesichert sind, wird das Ziel des Menschen, sich geistig zu entwickeln vereitelt, und sein Hauptlebenszweck dadurch untergraben.

Neuorientierung der Erziehung hin zur Geistigkeit In unserer Zeit féillt der Erziehung eine wichtige Aufgabe zu, sie soll Konflikt-potentiale

Musik, gesungen oder gespielt, ist geistige Nahrung

fiir Herz und Seele . . .

sie gehürt zu den K iinsten,

die höchstes Lob verdienen. Abdu’l-Bahá

Wenn sich die grossen Religionen trotz ihres

F riedensschatzes, den sie alle bewahren,nicht konkreter, praktischer umlpolitischer als bisher am F riedenskampf beteiligen, machen sie

sich der unterlassenen moralischen Hilfeleistung schuldig.

Franz Alt

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Die dienende Liebe ist eine ungeheure Kraft. Sie ist die allergrbjite Kraft, und ihresgleichen gibt es nicht. Fjodor M. Dostojewski

Der Mensch kann eben

in seinem kurzen und gefahrenreichen Leben einen Sinn nurfinden, wenn er sich dem Dienst an der Gesellschaft widmet. Albert Einstein

Der Mensch hatte von allem Anfang an diese vollkommene Form und Zusammensetzung,

er hatte die F iihigkeit und Begabung, materielle und geistige Vbllkommenheiten zu erwerben, und war die Ojfenbarung der Worte: «La/ft uns den Menschen schaflen nach unserem Bild und Gleichnis.,Abdu‘l-Bahá

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abbauen und Fundamente legen für die Achtung der Würde aller Menschen und f1"1r ein globales Zusammenleben aller Véilker und Nationen in Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Toleranz.

Erziehung - in ihren verschiedenartigen Formen - ist zweifellos der wirksamste Weg um die Werte, Einstellungen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten herauszubilden, die die Völker der Welt dazu befähigen werden, langfristig im Intereresse des Planeten und der Menschheit zu handeln. ‘°’ Diesem ,,Dzenst an der Menschheit“ fühlen die Bahá’í sich weltweit Verpflichtet.

Wäre es nicht dringend notwendig, den Lehrplan der Schulen durch das Fach ,,WeItbürgerkunde“ zu erweitern? So könnten die Probleme einer interdependenten Welt, die unaufhaltsam fortschreitende Globalisierung und die ethischen Implikationen dieses Prozesses behandelt und das Bewusstsein einer Schicksalsgemeinschaft aller Menschen Vermittelt werden. Dies könnte dazu beitragen, dass Vorurteile abgebaut und unterschiedliche Kulturen und Religionen als ein Reichtum begriffen werden."’

Selbst wenn ein solches Fach in den einzelnen Ländern Verschieden wäre, so mfissten doch bestimmte Aspekte allen Programmen gemeinsam sein, wenn die <<Weltb1‘irgerkunde», - als universales Prinzip - ,Tei1 der Grundausstattung eines j eden Kindes werden sollte. Aufder Grundlage der Einheit der Menschheit würden diese Programme zu Toleranz und Brüderlichkeit erziehen, die Anerkennung der Reichhaltigkeit und der Bedeutung der Verschiedenen kulturellen, religiösen und sozialen Systeme der Welt pflegen, und jene Traditionen stärken, die zu einer fortschreitenden Weltkultur beitragen. Sie würden das Prinzip der <<Einheit in der Vielfalt» als den Schlfisselbegriff fflr das Wohlergehen der Nationen und der Weltgemeinschaft allgemein lehren, auch die Ethik des Dienstes am Gemeinwohl pflegen und ein Verständnis für die Rechte und Pflichten, die sich daraus ergeben, bewusst machen. ‘„

Abschliessend kann man festhaltenz Geistigkeit kann nur erreicht werden durch eigene, unablässige und geduldige Bemi'1hungen.Aber die Tatsache, dass das Ziel wirklich erreichbar ist, macht das Leben zu einem geistigen Abenteuer, hundertmal erregender, als ein physisches oder romantisches Abenteuer es je sein ktinnte.

Quellennachweis:

1) Siehe Statement BIC, Geneve, 43.Sitzung der Kommission der Vereinten Nationen (Menschenrechte);

2) Siehe Bahá’u’lláh,Ahrenlese 109:2, Bahá’í-Verlag, Dtschld; 3) BIC, 1995, Das Wohlergehen der Menschheit)

4) Vergl. W.S.Hatcher, «Der Prozess der Vergeistigimg», Bahá’í-Verlag Dtschld. (Vergl auch einige Ideen dieses Artikels mit diesem Buch;

5) Vergl. Sh. Effendi zit. In Uber die Macht des Gebetes, S.23fi

6)Vergl. H. Randell, Bahá’í-Briefe, Dtschld, S.960;

7) siehe ZfG Nr.13, Die Macht der Musik erhebt den Geist des Menschen, Von Bijan Khadem Missagh;

8+9) Ulrich Gollrner, «und Friede aufErden>>, Bahá’í—B1iefe, S.214;

10) Vergl. Agenda 21, Kap. 36.3;

11)vergl. Dr.Udo Schaefer, Was ist der Mensch? S.83, Bahá’í—Verlag, Dtschld; 12)vergl.Vorschlag der Internationalen Bahá’í—Gemeinde zur Agenda 21: «Weltbürgerethos, eine globale Ethik für nachhaltige Entwicklung».

Cover-design: Karin Koob

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Die Internationale Bahá’í-Gemeinde unterbreitet folgenden Vorschlag im Geiste der Agenda 21, die ein «dynamisches Programm» sein soll, dazu bestimmt,» sich im Laufe der Zeit geméiss sich wandelnder Bedürfnisse und Umstünde zu entwickeln. « 1’

Um die Vülker der Welt dazu anzuregen, für eine nachhaltige Entwicklung einzutreten, sollten die in der Agenda 21 geforderten Erziehungsprogramme und Bewusstmachungskampagnen das Konzept des Weltbürger-Ethos fürdern und pflegen.



Die grösste Herausforderung, vor der sich die Weltgemeinschaft in der Ausführung der Agenda 21 befindet, besteht in der Freisetzung enormer finanzieller, technischer, menschlicher und moralischer Ressourcen, die für eine nachhaltige Entwicklung erforderlich sind. Diese Ressourcen werden nur im dem Masse freigesetzt werden ktinnen, wie die Vtilker der Welt ein tiefes Verantwortungsgefühl für das Schicksal des Planeten und für das Wohlergehen der ganzen menschlichen Familie entwickeln.

Dieses Verantwortungsgefühl kann sich nur aus der Anerkennung der Einheit der Menschheit ergeben und wird einzig durch die vereinende Vision einer friedlichen, blühenden Weltgesellschaft aufrecht gehalten werden. Ohne eine solche globale Ethik werden die Menschen sich nicht aktiv und konstruktiv an dem weltweiten Prozess der nachhaltigen Entwicklung beteiligen können. 2’

Die Internationale Bahá’í—Gemeinde schlügt vor, dass der Begriff WeltbürgerEthos angenommen wird, um die Gesamtheit der Prinzipien, Werte, Einste11ungen und Verhaltensmuster zu umfassen, die die Völker der Welt sich aneignen müssen, wenn eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden soll. WeltbürgerEthos beginnt mit der Einsicht in die Einheit der menschlichen Familie und in die gegenseitige Verbundenheit der Völker «der Erde unserer Heimat» 3)

Sie ermutigt zu einem gesundenPatriotismus, besteht aber gleichzeitig auf einer weiteren Loyalitat, der Liebe zur Menschheit. Das bedeutet jedoch nicht, dass berechtigte Loyalitaten aufgegeben, kulturelle Vielfalt unterdrückt, nationale Autonomic abgeschafft oder Einheitlichkeit aufgezwungen werden. Ihr Kennzeichen ist «Einheit in der Vielfalt». Zum Weltbürger-Ethos gehéiren die Prinzipien sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit sowohl innerhalb der Nationen wie auch zwischen ihnen; konfliktfreie Entscheidungsfindung auf allen Ebenen der Gesellschaft; gleiche Rechte der Geschlechter; rassische, ethnische, nationale und religiöse Harmonie; Bereitwilligkeit Zum Wohl des Ganzen Opfer zu bringen. Andere Aspekte des Weltbürger-Ethos — alle Von ihnen betonen Menschenwürde, Verstandigung, Einvernehmen, Zusammenarbeit, Vertrauensw1'irdigkeit, Mitgefühl und das Bedürfnis, dienstbar zu sein — kéinnen hiervon abgeleitet werden. Einige dieser Prinzipien 4’ sind in der Agenda 21 genannt, die meisten offenbar aber nicht. Darüber hinaus bietet sie keinen Begriffsrahmen, der diese Prinzipien umfassen könnte.

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Weltbürgerethos beginnt mit der Einsicht in die Einheit der menschlichen Familie und in die gegenseitige Verbundenheit der Vülker «der Erde unserer Heimat Das Wohlergehen der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn nicht und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist.

Bahá’u’lláh

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10 2004

Mügliche Themen für Werbe-Kampagnen:

— Wir, die Vdlker der Vereinten Nationen, feiern die Einheit in der Vielfalt;

- Ein Planet, eine Nation; - Bei aller Vielfalt sind wir doch eine

menschliche Familie;

- Unsere gemeinsame Zukunft: Einheit in der Vielfalt.

Literaturnachweis: 1) Agenda 21, Kapitel 1.6

2) Eine der meistzitierten Thesen der Agenda 21 ist die Bedeutung der «breiten öffentlichen Mitwirkung an der Entscheidungsfindung», «die eigene Beteiligung aller gesellschaftlichen Krafte», «wirkliche gesellschaftliche Partnerschaft» und «neue Ebenen der Zusammenarbeit zwischen den Staaten und Schlüsselbereichen der

Gesellschaft und Volker».

3) Rio Deklaration über Umwelt und Entwicklung, Préiambel

4) Ebenda Kap. 1,2,3,23,24 und 36 5) Vergl. Agenda 21, Kap.36.3

  • Das Dokument, herausgegeben vom

Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland, ist hier teilweise wiedergegeben.

Die Forderung des Weltbürger—Ethos ist eine praktische Strategie, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Solange Uneinigkeit, Feindseligkeit und Provinzialismus das soziale, politische und Wirtschaftliche Verhältnis innerhalb und zwischen den Nationen bestimmen, karm eine globale und nachhaltige Form der Entwicklung nicht errichtet werden. Vor mehr als einem Jahrhundert warnte Bahá’u’lláh, <<das Wohlergehen der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, Wenn nicht und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist».

Nur auf der Grundlage einer echten Einheit, Harmonie und Verstandigung zwischen den Verschiedenen Volkern und Nationen der Welt kann eine Weltgesellschaft dauerhaft errichtet werden. Wir empfehlen daher, dass in allen Schulen Weltbfirger—Ethos gelehrt Werde und dass der Einheit der Menschheit — das dem Weltb1'irger—Ethos zugrunde liegende Prinzip — in allen Nationen Geltung Verschafft werden moge.

Cffentliches Bewusstsein

Die Menschen müssen Von sich selbst als Weltbürger denken und sich ihrer persönlichen Verantwortung zur Forderung einer nachhaltigen Entwicklung bewusst werden. 5) Kampagnen, die die Herausforderungen des Weltb1‘irgerEthos in das öffentliche Bewusstsein heben Wollen, müssen die gesamte Bandbreite der Medien und der Kunst nutzen, dazu gehoren Fernsehen, Videos, Filme, Radio, elektronische Netze, Bücher, Zeitschriften, Poster, Flugblatter, Theater und Musik. Hierzu einige Beispiele:

— Nationale und internationale Beratungsgremien könnten die verschiedenen Medien ermutigen, sich die Richtlinien für das Weltbürger—Ethos zu eigen zu machen. Die Medien haben schon viel geleistet, indem sie unsere gegenseitige, weltweite Abhangigkeit und die vor der Weltgemeinschaft stehenden ungeheuren Herausforderungen der Offentlichkeit zum Bewusstsein brachten. Sie haben auch die scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten, die uns trennen, hervorgehoben.

— Die Medien haben die Verantwortung, den Menschen Verständlich zu machen, dass Vielfalt nicht zu Konflikten fijhren muss. Vielfalt kann und muss Vielmehr als ein Mittel für nachhaltige Entwicklung dienen. Die Medien konnen das erreichen, indem sie auf die konstruktiven, einigenden und kooperativen Unternehmungen hinweisen, die beweisen, dass die Menschheit die Fahigkeit zur Zusammenarbeit besitzt, um die vor uns liegenden ungeheuren Herausforderungen zu bestehen.

— Wenn die Vereinten Nationen eine «gute Zusammenarbeit mit den Medien(36.10.e) anstreben, so sollten sie viel mehr mutiger über sich selbst und ihre verheissungsvolle Rolle für die Weltgemeinschaft sprechen. Die Vereinten Nationen wurden auf der Grundlage hoher Ideale und der Vision einer friedvollen, fortschrittlichen Welt errichtet. Indem sie einen Rahmen für Kommunikation und Zusammenarbeit Verffigbar machten und zahllose konstruktive Projekte initüerten, haben sie in bedeutendem Masse zur Verstandigung, Hoffnung und zum Good—Wi11 in der Welt beigetragen. Ihre hervorragenden Leistungen sind jedoch der Allgemeinheit kaum bekannt.

— Indem die Vereinten Nationen die Idee des Weltbürger-Ethos als umfassendes Thema nutzen, sollten sie ihre Ideale, Tätigkeiten und Ziele Veroffentlichen, damit die Menschen einsehen, welche einzigartige und lebenswichtige Rolle die Vereinten Nationen in der Welt, und damit auch in ihrem eigenen Leben, spielen.

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La Communauté bahaie du Luxembourg vous invite 51 un cycle de soirées dinformations sur la Foi bah:iie, toujours les mardi, a 20.15h, au Centre bah2’1’i, 17, allée Léopold Goebel a Luxembourg-Ville

08.06.04 Quest-ce qui arrive 51 notre monde? (une perspective bahaie) 06.07.04 Méditations et priéres ( discussion informelle)

Info: Tél: 44 22 20 E-Mail: bahailuX@pt.lu www. bahai.lu

Vortrag im Norden über das Thema:

GLUCK, WIE KANN MAN ES FINDEN?

mit Dr. Farah Dustdar, Politikwissenschaftlerin

Dienstag, 25.05.04 um 20 Uhr im Café FLEBOUR in Baschleiden

Info: Tel. 021 163 687/ 269 170 58 (Gilles Molitor)

Einladung zu einem Wohltätigkeits-Solotanzprogramm :

Frau ohne Schleier

Wandlungen des Frauenbildes im Orient Von und mit

Sahareh

Samstag, 19.06.04 um 20.00 Uhr im «Centre Culturel Bonnevoie In Ihrem Solotanzprogramm interpretiert SAHAREH orientalische Tanzkunst. Ihr Soloprogramm hatte 1996 in Baden—Baden eine begeisternde Premier und kam schon in vielen Stadten Deutschlands und in Osterreich zur Aufführung. Im Jahr 2000 luden Verschiedene Kulturamter SAHAREH zur ihrer dritten Griechenlandtournee ein, die sie bis nach Zypern führte.

Tanzerisch entfaltet SAHAREH Frauenbilder aus dem Orient. Sie dreht ein Kaleidoskop Von phantasievollen und originellen Tanzen: Von der Priesterin aus matriarchalischen Zeiten und der Amazone bis zur Tanzerin am persischen Hof, Von der Zigeunerin zur Landfrau in Agypten und Persien. Zwischen den Tanzen werden Texte gelesen, die den dramaturgischen Ablauf der Aufführung unterstützen.

Die Frau im Orient, die doch noch stark unterdrückt wird, ist auch ein Thema für uns Frauen im Okzident. Unvergesslich sind Frauen, wie Qurraltu’1—Ayn (Tahirih), deren Ruf als Vorkampferin für Gleichberechtigung im 19.J h. bis nach Europa drang. In einem Land wie Persien, hatte diese grosse Dichterin den Mut, unverschleiert aufzutreten und ihre progressiven Ansichten zu Verteidigen. Das kostete sie ihr Leben.

Qurraltu’l—Ayn ist eine herausragende Gestalt in der Geschichte der Bahá’í—Religion und ein Tanz dieses Abends ist dieser einzigartigen Frau und all den Frauen

gewidmet, die den Schleier der Vergangenheit abgelegt haben oder gerade dabei sind, dies zu tun.

2004



Wisse, dass es zweierlei

Arten von Glück gibt:

geistiges und materielles. Geistiges Glück ist der wahre Grundstein des Menschen—lebens. Das Leben ist zum Glücklichsein

geschaffen, nicht zum Trauern.

F réhlichkeit ist Leben, Gram ist Tod.

Abdu’l-Baha

Der Erl0's des Abends, der organisiert ist von der

«Union Luxembourgeoise des Femmes Bahá’ies»,

ergeht an die luxemburgische Hifisorganisation

«UNITY FOUNDATION [Seite 12]Zeitfiir Geist 29

Was sagen die Religionen über Meditation?

Grofi ist der Lohn für Meditation. Wer immer die Kunst der Meditation pflegt, wird Vordringen ins Herz der

Wahrheit und grofie geistige Reiehtfimer auftun. Buddhismus

Meditation ist der Schlfissel zu den Toren der Geheimnisse. In diesem Zustand lost sich der Mensch Von sich selbst; er zieht sich in diesem Zustand zurück Von allen Dingen der Aussenwelt. In dieser subjektiven Verfassung taucht er ein in das Meer geistigen Lebens

und kann die Geheimnisse der Dinge an sich enthüller. Bahá’í

Meditation fijhrt zu Verstehen. Du sollst allezeit über Gott und Seine Grosse meditieren. Dies bereitet Freude und fiihrt zu grosstem Frieden und Glück. Der Gläubigen Pflicht ist es, über die Gesetze des Herrn zu meditieren. Judentum

Das Buch dieses Gesetzes sei allezeit auf deinen Lippen; sinne darüber Tag und Nacht, dass du darauf achtest, nach allem zu handeln, was darin geschrieben ist. Dann hast du Glück in deinem Unternehmen, dann wird es dir gelingen. Christentum

Halte dir Gottes Plan und Seine Absichten immer Vor Augen. Meditiere darüber Tag und Nacht. Dann erlangst du klares Verstandnis.

Zoroastrische Religion

Meide schlechte und fible Gedanken. Denke allezeit das, was gut ist. Sorgsame Erwagung des Endes sowie auch des Anfangs und der Mitte bewahrt dich Vor sehr Viel Mfihsal.

Konfuzianismus

Meditiere über Gott, und du wirst Frieden finden. Meditiere demütig und unablässig; nur so erlangst du den wahren Lohn der Meditation.

Islam

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bitte eine E-Mail an anitabontemps@yaho0.de

12 2004

I M P R E S S U M

ZEIT für GEIST erscheint mehrmals im J ahr und ist aus

chlorfrei gebleichtem Papier. Jede Nummer befasst sich mit den verschiedenen Facetten eines aktuellen Themas.

Herausgeber: Bahá’í—Arbeitsgruppe, Gedanken für eine bessere Welt“, a.s.b.1

Druckerei: Imprimerie La Frontiere Rémy Quintus, Esch/ Alzette

Ziele der Zeitung: Völkerverständigung und Weltbfirgerethos; Brücken bauen zu andern Glaubens- und Denlctichtungen; Impulse geben zu fiiedlicher Zusammenarbeit mit allen andern Gruppen deren Interessen ir1 die gleiche Richtung gehen; informieren über Vorstellungen, Ziele, Plane und Früchte der Bahá’í —Religion, hier und in der Welt, über andere Religionen und den Wert der Religion schlechthin; Dialog— und Begegriungsmoglichkeiten schaffen. Verantwortlich für die verolfentlichten Artikel: die Autoren. Ffir Text- und Artikelauswahl : die Redaktion. Das Wort an die Leser :

Wir danken unseren Lesern, dass sie den Beitrag zur Völkerverständigung der Bahá’í-Arbeitsgiuppe Gedanken für eine bessere Welt - die kostenlose GeschenkaktionJahresabonnement auf diese Zeitung — so gut aufgenommen haben. Sollten Sie den Wunsch haben, noch weitere Freunde mit dieser Zeitung bekannt zu maehen, so senden Sie uns bitte die Adressen, ihre Freunde bekommen dann die Zeitung kostenlos per Post zugeschickt. Bitte sagen Sie uns auch, wenn Sie diese Zeitung nicht haben möchten. Wir werden in beiden Fallen lhren Wunsch erfüllen. Wir freuen uns sehr über ihre Zuschrifien und bedanken uns

im voraus. Kontakt: anitabontemps@yahoo.de

Redaktion für Süden und Zentrum: Anita und Bob Bontemps

30-32, Bd..J.F.Kennedy

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Tel. und Fax: 54 33 37

E—M ail:

am itabontem 3s(u),yalloo.dc

Redaktion für Norden, Osten und Westen, sowie

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b.p. 220 L—9003 Ettelbrück Te].8190 80 Fax: 81 62 66 E-Mail: Dustdar(LDCompuSerVe.com Cover+Layout: Claude Wlltgen Alle Mitarbeiter dieser Zeitung sind ehrenamtliche Helfer

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