Zeit für Geist/Nummer 17/Text

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Gedanken fflr eine bessere VV E L T

No. I 7 Europdisches Jahr gegen Rassismus 1997

GLOBALES ZUSAMMENLEBEN Neue Konzepte für Gesellschaft, Politik und Religion

Nicht nur der Wunsch, sondern die Not verlangt nach neuen menschlichen Lebensformen; (Robert Jungk)

Wir müssen hellwache Possibilisten sein; (Ervin Laszlo)

Aktiv einfordern: konstruktive Vorschl§ige für globalvertrügliche Konzepte in Gesellschaft, Politik, Kultur und Religion; Neue Globalitfit des Zusammenlebens g1_{g_Herausforderung heute!

Die Religion verlor den Kampf mit Wissenschaft und Politik;

Warum hat der angedeutete Paradigmenwechsel sich bisher nicht fléichenartig zu einer breiten Bewegung formiert? Unverzichtbar: die Regeneration des Sektors Ethik/Religion;

Heute werden neue und positive Perspektiven für die ganze Menschheit erkannt.

l2. Dezember 1997 um 20.30 Uhr, Centre Culturel Luxemburg-Bonnevoie: Konferenz mit der Unterstützung von I 997-Europdisches Jahr gegen Rassismus asbl.

HAUPITHEMA: EINHEI T IN DER VIELFAL T es wdchst zusammen... um vielfiltiger 214 werden

Referat von Dr. Franz ALT, . . . . . 4 fl Fernsehjournalist und Bestsellerautor: seine B iir< “ Haben wir den inneren Rassismus , , ,

. . .. “ Balm u [I wtrkltch schon uberwunden?

Referat von Peter SPIEGEL, Vorsilzender von TERRA, Mitglied des Club of Budapest: ,,Die Minderheiten sind der Schatz der Mehrheit - vom kreativen Umgang mit den Minderheiten. “

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Peter S giegel:

Neue Chancen für eine Global Governance

Die veranderte Interessenlage der Wirtschaft und ihre F olgewirkungen

Peter Spiegel Vorsitzender von TERRA,

Mitglied des Club of Budapest, Autor und Verleger

Gegenwmig bereitet sich im Gebéilk der Weltgesellsehaft ein dynamisches Ereignis V01‘. lch verwende bewusst den neutralen Begfiff dynamisches Ereignis und nicht die an solcher Stelle Viel héiufiger benutzte Vokabel ,,Katastrophe“. Denn wohin führen Katastrophen? Manchmal zu riesigen Zusammenb1'['1Chen Verbunden mit neuen Aufbruchen — siehe den Zweiten Weltkfieg und den Neubeginn mit gestarkten Demokratien und mit zumindest etwas gestärkten Vereinten Nationen — und manchmal zu riesigen Aufbrijchen mit teilweisen Zusammenbrfichen - siehe die Perestroika mit ihren neuen Chancen und neuen Risiken. Zusammenbrüche und Aufbrüche haben weit mehr miteinander zu tun als gemeinhjn wahrgenommen. Wieviel und mit welchen Ergebnissen, das bestimmen weitgehend die Akteure, also wir.

Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt wurden diese WOlt€ geschtiebenz “Die Zeit ist gekommen, dass die Dogmenprediger des Materialismus - im Osten wie im Westen, im Kapitalismus wie im Sozialismus - Reclzensclmft ablegen müssen über die moralische F iihrung, die auszuüben sie sich anmassen. W0 ist die van diesen Ideologien verheissene neue Welt? W0 ist der intemationale Friede, für dessen Ideale sie ihre Ergebenheit bekumlen? Warum versinkt in unse rer Welt ein Grossteil der V(')Iker immer tiefer in Hunger und Eleml... ?“ "

Der alltagliche Wahnsinn unserer real existierenden Form Von Weltwirtscllaft ist es nicht einmal mehr wert, Eingang in ,,Tagesschauen“ und ,.heL1te-Journals“ zu finden. Der Wahnsinn ist der Normalzustand, der keine Nachricht mehr wert ist. Welche Katastrophe könnte schlimmer sein als jene, an die man sich bereits gewéihnt hat?

In einem Beitrag für die Zeitschrift ,,One Counuy“ Verfasste Franz Alt eine realistische ,,Tagesschau“ der alltaglicllen Katastrophenz

,,AucIz heute haben sich die Wüsten wieder um 20000 Hektar ausgedelmt, wurden wieder 86000 T ormen Erdreich abgeschwemmt, 56000 Hektar T ropenwald abgeholzt, und 100 Millionen Tonnen


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T reibhausgase in die Luft geblasen. Deshalb sind auch heute wieder mehrere Dutzend Tier - und Pflanzenarten ausgestorben und 80000 Menschen verh ungert. “ 2’

Trotz dieser und Vieler weiterer weltbedrohender Aspekte der - zumindest auf globaler Ebene - hochst asozialen Weltmarktwirtschaft lohnt es sich, auf die Chancen-Seite in diesem Zusarnrnenbruch zu sehen, auf die sehr reale Chance einer zweiten Perestroika, einer erstmals wirklich globalen Revolution. 3’

Nicht nur der Wunsch,

sondem die Not

verlangt nach neuen

menschlichen Lebensformen Robert J ungk

In jeder Not steckt eine Perestroika. Aber wieviel Not, oder wieviel Katastrophe braucht der Mensch 4’ bevor er Vom ,,Weiter-so“ plus Krisenmanagement zum tiefen Nachdenken plus konsequentem Handeln fiir eine unteilbare Erde und Menschheit übergeht? Wie Sloterdijk zurecht feststellt, sind Katastrophen kopflos.' Selbst Wenn wir erst durch Katastrophen lemen wollen, sind es immer noch unsere Kopfe, die dann bestimmen, Wie es danach weitergehen so11. Allerdings konnen wir immer weniger sicher sein, Wie lange es noch ein Danach gibt. Das dynamische Ereignis, dessen halbwacher Zeuge wir derzeit sind, wird nach meiner festen Uberzeugung die Koordinaten des Weltgeschehens weit mehr Verandem als der Zusarnmenbruch des Sozialismus und die damit verbundene erste Perestroika.

Die Hoffnungen, die man mit dem dynamischen Ereignis der ersten Perestroika verband, waren gross: Auflosung des Ost-West-Gegensatzes, globale Abrustung und selbstbestimmte Entwicklung der Völker, um nur einige zu nennen. Deren reale Ergebnisse sind, jedenfalls zurn gegenwéirtigen Zeitpunkt, für viele enttéiuschend und emfichtemd. Nicht wenige notorische Pessimisten, die schon immer besserwussten, dass die menschliche Natur unverbesserlich sei, nutzen dies, um neue Feindbilder und neue kampferische Strukturen in die Welt zu tragen. Was ist schiefgelaufen an der ersten Perestroika, und was steht zu erwarten, sollte sich tatsachlich eine zweite,

ich mochte ihr den Vorléiufigen Namen globale Perestroika geben, ereignen? Soviel nur vorab zu diesen beiden Fragestellungenz

Die zweite, die globale Perestroika ist unVenneidlich. Sie wird allein schon dadurch kommen, weil die Alternative das Ende der Menschheit wäre.Wir mussen uns auf diese zweite Perestroika besser Vorbereiten als auf die erste. Sowohl die Optimisten als auch die Pessimisten sind herausgefordert, ihre bewéihrten Denkschienen zu überdenken. Weder Blauaugigkeit noch ein Realismus, der sich allein aus den Erfahrungen der Vergangenheit néihren will, waren imstande, die Chancen der ersten Perestroika, vemünftig zu gestalten, und werden noch weniger imstande sein, es mit den Herausforderungen der zweiten Perestroika aufzunehmen.

Am klarsten ist diese Einsicht den Handelnden im Management der Wirtschaft: Wer hier nicht die neuen Chancen in jeder Situation erkennt - gleichgfiltig ob Krise oder offensichtliche Chance - ist sehr schnell weg Vom Fenster. Die grosste Gefahr geht hier geradezu Vom Nichterkennen der Chancen aus. In der Wirtschaft gilt: Wer zu spéit kommt, den bestraft der Markt!

Wir müssen hellwache Possibilisten sein Ervin Laszlo

Die Menschheit insgesamt ist heute existentiell auf die Erkenntnis und Gestaltung der Chancen angewiesen: Wenn wir in der gegenwartigen Weltkrise nicht die darin versteckten Chancen auf Frieden, auf soziale Gerechtigkeit, auf okologische Umgestaltung der Wirtschaft mit höchster Aufmerksamkeit entdecken und grosster Konzentration umsetzen, besteht die sehr reale Gefahr, dass uns eine globale Gewaltexplosion, ein sozialer Zusammenbruch oder der okologische Kollaps alle miteinander umbringt.

Die Haltungen Von allzu undifferenziertem Optimismus Wie auch jene des skeptischen Realismus werden beide den Anforderungen der heutigen komplexen und dynamischen Entvvicklung nicht mehr gerecht, sondem sind schlicht überlebensbedrohlich. Ervin Laszlo fasste die neue erforderliche Grundhaltung in dem Begriff zusarnmen: Wir müssen hell wache Possibilisten sein.’ 5) (Vom englischen possible die Möglichkeiten erkennen und gestalten)

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Wenn ich nachfolgend Von neuen Entwicklungschancen spreche, so meine ich damit keine technischen Revolutionen. Auf dem Gebiet der Technik sind wir fast alle langst Possibilisten, d.h. wir halten grundséitzlich kühne Visionen für rnachbar. Auf den Gebieten Gesellschafi, Kultur, Politik und Ethik sind wir hingegen irn allgemeinen sehr weit vom Geisteszustand eines Possibilisten entfernt. Wir konnen dafür zweifelsohne hinlanglich Viele triftige Grfmde und historische Erfahrungen anfijhren. Das éindert aber nichts an der Tatsache, dass die meisten Menschheitsprobleme ihrer Natur nach nicht technisch, sondern eben sozial, kulturell, politisch und ethisch sind und somit Antworten auf diesen Ebenen erfordern. Der Versuch, den Unfrieden zwischen den Nationen technisch zu losen, fiihrte in den Rüstungswahn. Der Versuch, den technisch möglichen Wohlstand galoppieren zu lassen ohne globale okologische und ohne globale soziale Konzepte, fiihrte den Planeten an den Rand des okologischen und die Menschheit an den Rand des sozialen Kollaps. Der Versuch, die langst globalisierten Wechselbeziehungen in allen Bereichen der Weltgesellschaft aus der Perspektive nationaler Egoismen steuern zu wollen, fiihrte in die heutige schiere Nichtrnehrsteuerbarkeit selbst der drangendsten Menschheitsprobleme.

Wir sollten unmissverstündlich und überall ernsthafte Gesprüche über globale Chancen und konstruktive Vorschlüge für globalvertrügliche Konzepte auf den Gebieten Gesellschaft, Politik,

Kultur und Religion

aktiv einfordern.

Kritik hat nichts mit der Untugend zu tun, alles schlechtzureden, sondem meint vom Wortsinn her die Fähigkeit zu unterscheiden - zwischen einer ne , gativeren und einer positiveren Option. Wer nicht

die Fahigkeit zur Entwicklung Von positiveren Optionen besitzt, ist somit nicht kritikfahig.

Doch nun zu den konkreten Chancen für eine zweite, diesmal noch viel weitreichendere Perestroika, bei der es um nichts Geringeres geht als den Einstieg in:

0 ein globales okologisches Wirtschaften, einen echten Nord-Süd-Ausgleich und eine gerechte

Weltvvirtschaftsordnung,

0 ein globales okologisches Wirtschaften, einen echten Nord-Süd-Ausgleich und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung,

0 eine handlungsfahige Weltorganisation der Vereinten Nationen,

0 ein kollektives globales Sicherheitssystem, und 0 ein Weltethos.

Und da alle diese Zukunftspeilungen wechselseitig voneinander abhängig sind, konnen und werden sie in relativer zeitlicher Nahe zueinander angegangen werden. Bis vor kurzem war die Wirtschaft in der Tat weder an Okologie noch am Schicksal der Annsten dieses Planeten sonderlich interessiert.

Schuld an dieser Situation ist aber keineswegs die Wirtschaft allein, zumindest nicht so einseitig, wie es meist grob vereinfacht dargestellt wird. Die Verantwortung dafür verteilt sich recht gleichméissig auf die Zentralbereiche der Gesellschafi, wie Huschmand

Sabet in seinem Buch Der Ubergang herausgearbeitet hat.

Neue Globalitüt des menschlischen Zusammenlebens DIE Herausforderung heute!

Die Herausforderung dieses Zeitalters war und ist die Einrichtung auf die neue Globalitat des menschlichen Zusarnmenlebens. Während die Wirtschaft sich als erstes global einrichtete, versagten insbesondere die Politik und die ,,Welt“-Religionen vor dieser Herausforderung. Sie blieben national und konfessionell und könnten daher ihre Aufgaben im magischen Viereck jeder intakten Gesellschaft — Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Religion/Ethik - nicht mehr wahrnehmen.

,,Die Probleme, die aus der Diskrepanz zwischen einer global organisierten Wirtschaft und einer national gestalteten Politik erwachsen, nehmen stündig zu und bedrohen nun auch zunehmend die Stabilitdt der reichen Ldnder. Die globale Wirtschaft bewegte sich in einem weitgehend rechts- und politikfreien Raum, weil sie immer an den Ort des geringsten Widerstamls ausweichen konnte. Die Ebene, die diesem global-iikonomicchen Wildwuchs hcitte Einhalt gebieten künnen und müssen, die Ebene einer Weltpolitik, die diesen Namen verdient, blieb vakant. Man versuchte ungebrochen, mit national-egoistischer


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Politik globale Probleme zu losen, was dazuführte, dass die Probleme sich zu einer fast unlüsbaren Komplexitüt entwickelten.6) Das grundlegende Gleichgewicht der vier tragenden Saulen jeder Gesellschaft - Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Religion/Ethik verwandelte sich (durch die verschiedenen Geschwindigkeiten in der Einrichtung auf die neue Globalitüt des Lebens) in einen Kampf gegeneinander mit folgenreichen Niederlagen und Pyrrh us-Siegen... “

Die Religion verlor den Kampf mit Wissenschaft und Politik...

,,...Die Religion hat dabei den Kampf mit der Wissenschaft verloren mit dem Resultat, dass die Religion im wesentlichen zu einer Privatangelegenheit des Einzelnen geworden ist. Die Religion hat den Kampf mit der Politik verloren mit dem Resultat derfortschreitenden Erosion einer gesellschaftlichen Ethik. Die Wissenschaft wollte und konnte keine Wertesystemefür die Menschheit schaffen, zog sich auf ihre Wertfreiheit zurück und wurde unversehens zur Dienerin der Macht. Die Politik blieb im wesentlichen im Rahmen des national-staatlichen, egoistischen Verhaltensmusters stecken und verlor so weitestgehend ihre Souveranita't an eine sich mehr und mehr global einrichtende Wirtschaft. “ 7’

Die eigentliche Herausfordenmg dieses Zeitalters ist somit, dass Wirtschafi, Politik, Religion/Ethik und Wissenschaft gleicherrnassen überzeugende Antworten auf die Globalität des menschlichen Lebens finden und dadurch auf dieser neuen Ebene zu einem neuen sinnvollen Gleichgewicht finden konnen.

Eine komplette européiische Wirtschafisbranche entwickelte und promotet derzeit das Konzept zur Einfijhrung einer festen zweiprozentigen Nord-S1'id-Abgabe auf ihre Produkte. Mit den Geldem aus dieser Abgabe namens Care & Fair sollen Schulen gebaut, Ausbildungsstatten geschaffen, Einrichtungen zurmedizinischen Grundversorgung bereitgestellt, kurz: eine soziale Infrastruktur in den bedtlrftigen Regionen aufgebaut werden. Um ihrer Forderung nach Einfiihrung dieser Abgabe durch die Européiische Union Nachdruck zu Verleihen, installierte diese Branche bereits eine 1% Abgabe durch rechtsverbindliche Zeichnung einer Selbstverpflichtung ihrer Mitglieder. Hier trieb wohl

erstmals in der Wirtschaftsgeschichte eine Wirtschafisbranche Lobbyismus für die Einfiihrung einer neuen Abgabe, deren Erlos noch dazu Menschen an weit entfemten Orten zugute kommen soll.

Die Grundidee der oben erwähnten Care-&-F air Abgabe léisst sich auf andere Wirtschaftsbereiche und

auf die gesamten globalen Handelsstrome ausweiten, wie die ersten Erfahrungen mit dem T erra-Prinzip belegen. Als Care & Fair im Bereich des Teppichhandels umgesetzt, erbringt es pro J ahr rund 65 Mio. DM, womit sich laut einer Berechnung eines führenden Wirtschaftsinstituts 500.000 Schul-und Ausbildungsplatze in Indien schaffen und dauerhaft finanzieren lassen. _

Der fortgesetzte Preisverfall der Rohstoffe und handwerklichen Produkte des Südens untergréibt auch die wirtschaflliche Basis des Handels im Norden, der mit diesen Waren des Südens sein Geschaft betreibt. Das Beispiel des Teppichhandels steht hier ste11Vertretend fijr andere Branchen. Der Verfall der Wéihrungen und der Terms of Trade von Knüpfléindern wie Indien oder Pakistan zettelte einen gnadenlosen Wettbewerb der Anbieterléinder an mit abenteuerlichen Preisschi'1ben nach unten. Der Preiskampf wurde in beide Richtungen weitergereicht: zu den Herstellem der Teppiche Vor Ort und zu den Héindlem in Europa. Wahrend hier die Gewinnmargen sanken und die Pleiten zunahmen, purzelten dort die Lohne der Knüpfer so sehr, bis Kinderarbeit verstärkt Einzug in die Produktion nahm. Alle wurden zu Verlierern ausser den Kunden, die ihre Teppiche immer günstiger erstehen könnten. Vor diesem Hintergrund macht es für den Handler in Europa unmittelbaren Sinn, eine freiwillige Abgabe einzuführen, um durch diese in den Knüpfregionen Schulen zu finanzieren. Durch die Schulen und Ausbildungsstatten sollen die Kinder wieder aus dem Produktionsprozess herausgeholt werden, denn nur so kann sich das Lohnund Preisniveau wieder auf einen fairen und gleichzeitig wirtschaftlich rechenbaren Stand zubewegen.

Warum hat

der angedeutete Paradigmenwechsel sich aber bisher

noch nicht fliichenartig

zu einer breiten Bewegung formiert?

Einer der Gründe ist, dass wir alle im Verstandnis und in der Umsetzung dieses Paradigmenwechsels Von gewohnten Denkrastem Abschied nehmen und


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neue Denkweisen erlemen müssen. Und dies geht bekanntlich nicht Von heute auf morgen und nicht bei allen gleich schnell.

Fur eine globale Weltordnung sind wir keineswegs auf Experimente angewiesen, sondem konnen bewéihrte und relativ erfolgreiche Konzepte nationaler Staatsordnungen auf die Weltebene übertragen, z.B.: die Gewaltenteilung, eine einklagbare Weltverfassung, die Ubertragung der einzig verbindlichen Streitschlichtung auf globale Gerichtshofe, oder die Schaffung eines kollektiven,' globalen Sicherheitssystems. Die heute schon fast weltzerstorerischen Reibungsverluste Von der Entscheidungsfindung bis zur Entscheidungsdurchsetzung bei globalen Problemen könnten so wirklich demokratisch anstatt bijrokratisch und machtpolitisch angegangen und gezéihmt werden. Der Religionsstifter Bahá’u’lláh schlug der Menschheit eine derartige lebendige und demokratische Weltordnung bereits vor mehr als 100 J ahren vor. Der Club of Rome legte eben jetzt einen Bericht Vor, der nachweist, dass die Menschheit anders als global nicht mehr regierbar ist. 7’

T erra legte anléisslich des 50. Jahrestages der Grundung der Vereinten Nationen ein Papier Vor, das einen realistischen Weg zum Einstieg in eine wirklich globale, demokratische und handlungsfahige Weltordnung aufzeigt. 9’

Unverzichtbar: die Regeneration

des Sektors Ethik

Auf dem Weg ihrer inneren Léiuterung und Weiterentwicklung zu einem neuen Weltethos werden scheinbar überholte Werte aus dem Schatz der Weltreligionen wiederentdeckt. Dies reicht jedoch nicht aus. Ein Weltethos, und Ethik überhaupt, sind heute nur glaubhaft und wirkungsvoll, wenn sie:

0 die Religionen versohnen,

- 0 die zwei méichtigsten Erkenntniswege der

Religion und der Wissenschaft miteinander

versohnen,

0 die Menschen der Erde über alle ihre

Unterschiede hinweg versohnen.

Dieses Weltethos muss die Einheit der Erde und die Einheit der Menschheit in ihrer Vielfalt in den Mittelpunkt rücken, als oberste Handlungsmaxime und wertvollsten Gestaltungsauftrag. Dieses neue Weltethos ist dam in uns lebendig, wenn wir die


reiche Vielfalt der Schöpfung und der Menschheit geniessen. Dieser Genuss ist nur zum sehr geringen Teil ein materieller Genuss.

Trotz aller materiellen Möglichkeiten, die uns die technische Entwicklung wohl noch bescheren wird, brauchen wir dringend diese andere, die geistige Dimension Von Reichtum, damit wir den materiellen Reichtum der Erde so schonend und so bewusst wie moglich nutzen.

Heute werden neue und positive Perspektiven für die ganze Menschheit erkannt

Wir haben heute die einmalige Chance zu erkennen, dass die Vor uns stehende Perestroika, die ich hier in nur wenigen Zijgen zu skizzieren suchte, nicht rlur unverrneidlich und moglich, sondem unvorstellbar positive neue Perspektiven für die ganze Menschheit eröffnet. Es gilt der Satz Bahá1’u’lléhs, der negativ gelesen eine Wamung und positiv verstanden eine Verheissung und eine Aufforderung ist, die Chancen zu gestalten:

,, Die Wohlfahrt der Menschheit, ihr F riede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn und ehe nicht ihre Einheit fest begründet is . “ '°’

_ Quellennachweis:

1) Weltfriede ist nicht nur möglich, sondem unausweichlich. Eine Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an die Vülker der Welt, 1990 S.28 2) Franz Alt, Das Soziale ist das Okologische, in One C ountty. Heft 1/95. S.8 3) Club of Rome, Die erste globale Revolution. F rankfurt/M.1992 4) Peter Sloterdij k, Panische Kultur. Oder: Wieviel Katastrophe braucht der Mensch?, Frankfurt/M. 1989 5) Ervin Laszlo, Die inneren Grenzen der Menschheit,

Rosenheim 1986 6) Huschmand Sabet, Der Ubergang. Vom Global Crash zur Weltidentitüt, Stuttgart 1994, S.7l 7) Huschmand Sabet, in Schaup/Sabet, Welcher Ring ist der echte?, Stuttgart 1994, S.42f. 8) Yehezkel Dror, Ist die Erde noch regierbar? Ein Bericht an den Club of Rome, München 1995 9) Peter Spiegel, Das Terra-Projekt. Initiative für einen grossen Schritt zu einer demokratischen, handlungsft'1'higen und gerechteren

Weltordnimg, Stuttgart 1995 10) Bahá’u’lláh,Ahrenlese 131:2, Hofheimffs. 1985

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PETER SPIEGEL

Das . Terra-Prlnzlp

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Das Ende der Ohnmacht in Sicht: Wirtschaftlrrr werden Revolutionüre



Vorwort von Ervin Laszlo Prisident des Club of Budapest






Peter Spiegel:

Das Terra-Prinzip

Das Ende der Ohnmacht in Sicht: Wirtschaftler werden Revolutionüre Vorwort von Ervin Laslo.

1996. 260 Seiten. Broschur DM 25,Horizonte-Verlag ISBN 3-89483-045-X

Dieses Buch wurde im Rahmen der Stuttganer Buch wochen unter der Moderation van Dr. Franz Alt

der Offentlichkeit prtisentiert







Das Terra-Prinzip als Abschied Von der Ohnmacht

as Terra-Prinzip ist eines jener seltenen Bücher, das ein genuines Versta.ndnis der Probleme, denen sich die Menschen und Gesellschaften der Gegenwart gegenübersehen, mit konkreten Vorschléigen verknüpft, wie diese angepackt und bewéiltigt werden konnen. Es über windet die tiefe Kluft, die of: die Analyse des Theoretikers vom Rat des T

Praktikers trennt. Dieses Buch sollte Von jedem Mann und jeder Frau gelesen werden, die sich betroffen fühlen Von den Problemen, die einen langen Schatten auf unsere Gegenwart und Zukunft werfen, und die bereit sind, ihren Teil der Verantwortung zu iibemehmen, um etwas Konstruktives zu tun, das die Schatten aufhellt.

Es gibt eine Menge zu tun, und vieles karm jit getan werden. Peter Spiegel zeigt, dass jene Uberlegungen, die bisher ein positives Handeln blockierten - dass man entweder nicht die Macht hat, effektiv zu handeln, oder, wenn man die Macht dazu hat, dass ein solches Handeln unrealistisch oder nicht mehrheitsfahig sei — keine unbedingte Gültigkeit mehr besitzen. Das Terra-Prinzip hebt derartige Ausfliichte eindeutig auf, wie die leuchtenden Beispiele von Care&F air, Two Wings

‘ Network und anderen in diesem Buch beschriebenen Projekte belegen.

Spiegels Analyse der gegenwartigen Situation des Menschen auf diesem Planeten basiert auf einer ebenso fundieiten wie zutreffenden Einschatzlmg der Probleme. Doch bedürfen korrekte Wahrnehmungen nicht notwendigerweise komplexer Statistiken und raffinierter Interaktionsschemata. Dieses Buch ist ein Beispiel dafür, dass und wie für jeden Menschen ein gltes Gesamtverständnis vermittelbar und erreichbar ist: die Verbesserung der eigenen Wahmehmung verlangt nicht mehr, als Zeit darauf zu investieren, die Kapitel dieses Buches nachdenklich zu lesen.

Die Analyse trifft die Sache zu einhundertprozent auf den Punkt, sie ist in jedem Aspekt stichhaltig und provoziert zum Nachdenken. Darüber hinaus markiert das Buch exakt das Schlüsselthema, von dem letztlich unsere Fähigkeit abhängt, ob wir mit den Problemen dieser Zeitenwende fertig werden oder nicht: die Fähigkeit, den nächsten Evolutionsschritt in unserem Denken wie in unserem Fühlen zu vollziehen. Dies ist, was Spiegel als ,,Weltb1'irgerbewusstsein“ bezeichnet und der Club of Budapest und ich als ,,planetansches Bewusstsein.“

Wir konnen Peter Spiegel dankbar sein für die Führtmg, die er uns gibt bei der Bewaltigung unserer Herausforderungen und Verantwortlichkeiten als Weltbürger. Wenn wir es zum rechtzeitigen und effek tiven Handeln kommen lassen, ist die Richtung, die er anzeigt, klar und überzeugend.

Profi Ervin Laszlo, Prdsident des Club of Budapest

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Zeit für Geist veranstaltet zum Jahr gegen Rassismus und zum Internationalen Tag der Menschenrechte, mit der Unterstützung von ,,1997, Année Européenne contre le Racisme“ eine interessante Konferenz mit zwei fibrenden Visionüren und Vordenkern aus dem deutschsprachigen Teil Europas.

Hauptthema der Konferenz:

. EINHEIT IN DER VIELFALT

Es wüchst zusammen um vielfiltiger zu werden

Referat von Dr. Franz ALT F ernsehjournalist und Bestsellerautor: ,,HABEN WIR DEN INNEREN RASSISMUS

WIRKLICH SCHON UBERWUNDEN?“

Referat von Peter SPIEGEL, Vorsitzender von Terra, Mitglied des Club of Budapest, Verleger und Autor: ,,DIE MINDERHEITEN SIND

DER SCHATZ DER MEHRHEIT vom kreativen Umgang mit Minderheiten“

Am 12. Dezember 1997 um 20.30 Uhr im Centre Culturel - Lux. Bonnevoie

Eintrittspreise: Erwachsene: 150,- FLUX Jugendliche: 100,- FLUX

Weitere lnformationen: Tel.: 54 33 37 / 81 90 80


ZEIT WDFLITERATURF,

IMPRESSUM:

Die Zeitung ZEIT für GEIST erscheint alle 2-3 Monate und ist aus chlorfrei gebleichtem Papier. Jede Nummer befasst sich mit einem aktuellen Thema.

Herausgeberz“ Bahá’í-Arbeitsgruppe Gedanken für eine bessere Welt“, a.s.b.l

Druckerei: Imprimerie Print-Service, Lux-Ville

Ziele der Zeitung: Völkerverständigung und Weltbürgerethos; Brijcken bauen zu andern G1aubens— und Denkrichtungen; Impulse geben zu friedlicher Zusammenarbeit mit allen andern Gruppen deren Interessen in die gleiche Richtung gehen; informieren über Vorstellungen, Ziele, Plüne und Frijchte der Bahá’í-Religion, hier und in der Welt, über andere Religionen und den Wert der Religion schlechthin;

Dialog- und Begegnungsmöglichkeiten schaffen. Fur die ver6ffentlichten Artikel sind die Autoren und fur die Text- und Artikelauswahl ist die Redaktion verantwortlich.

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Wir danken unseren Lesem, dass sie den Beitrag zur Völkerverständigung der Bahá’í-Arbeitsgruppe Gedanken für eine besserc Welt - die .,Geschenkaktion / Jahresabonnement“ auf diese Zeitung - so gut aufgenommen haben. Sollten Sie den Wunsch haben, noch weitere Freunde mit dieser Zeitung bekannt zu machen, so senden Sie uns bitte die Adressen. Bitte sagen Sie uns auch, wenn Sie diese Zeitung nicht haben müchten. Wir werden in beiden Féillen lhren Wunsch erfüllen.

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