[Seite 1]ZEIT ‘**‘ GEIST
BAH/\I’
Gedanken fflr eine bessere W E L T
1996
DIE MACHT DER MUSIK
ERHEBT DEN GEIST DES MENSCHEN
INHALT:
Musik als Sprache;
0 Musik hat keine Grenzen;
0 Musik als Seelennahrung;
0 Musik als eine Leiter zum hüheren Reich...
0 Musik entspringt aus der Macht des Gedankens;
0 Die Musik in den Hochreligionen;
I Orientalische Musik wandert nach Europa;
0 Die Fltite symbolisiert den Menschen;
0 Wie ist die Auswirkung der Musik in der Bahá’í—Welt?
- Das Orchester als Symbol
der Menschheit
Musikalische Begegnung von Orient und Okzident
TOM PRICE
Bahá’í - Musikensemble mit
professionnellen Süngern und
Musikern von internationalem Ruf
BENEFIZ-KONZERT Mittwoch, 27.03.1996, 20 Uhr
im Centre Culturel
Luxemburg-Bonnevoie
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Cover-Zeichnung:
Parvin HATAM,
,,La musique et la spirituaIite"‘
[Seite 2]'//cit fur Geist l3
Bijan Khadem Misagh,
der Autor dicses Artikels, ist Solist und Leiter des Tonkünstlers Kammerorchesteis, Professor am J.M. HauerKonservatorium, l.Konzenmeister des Niederostereichischen Tonkuenstlerorchesters, Gründer und kilnstlerischer Leiter des Intemationalen KammelmusikFestivals Austfia und Initiator der Beethoventage.
Die Macht der Musik erhebt den Geist des Menschen
s war in der Zwischenkriegszeit als in EBerlin der damals sehr junge Yehudi
Menuhin eines der grossen Violinkonzerte der Weltliteratur spielte. Als er am Ende des Konzerts in das Künstlerzimmer trat, sass dort ein alterer Mann mit weissem Haar und dicker Brille, der ihm übers Haar strich und sagte: ,,Mein lieberjunger Freund, heute haben Sie mir das bewiesen, was die Wissenschaft mir bisher nicht beweisen konnte, namlich dass es einen Scliopfer gibt.“ Der Mann war Albert Einstein. Diese wahre Begebenheit verdeutlicht die in der Musik steckende Kraft.
Musik als Sprache
chon .l.S. Bach bezeiclmete die Musik als
Sprache. Eine Sprache dient der Kommunikation zwischen den Menschen, aber auch zwischen der menschlichen und der geistigen Ebene, sowie zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Sie ist der Versuch auszudrücken, was man fiihlt und denkt. Aber taglich stossen wir an ihre Grenzen: selbst in Metaphern kann vieles nur unzureichend ausgedrückt werden, und sogar Vergleiche aus den Bereichen der Natur bedeuten nicht fir alle Menschen dasselbe. Wahrend man in Europa sagt ,,schön wie die Sonne“, hasslich wie die Nacht“, heisst es im Orient ,,schon wie der Mond“ und ,,ein hassliches Gesicht so rund wie die Sonne.“ Hier freut man sich auf die Sonne, dort auf die kühle Nacht. Dieses kleine Beispiel macht klar, warum Ludwig van Beethoven meinte:“Es gibt Momente, wo ich finde, dass die Sprache noch gar nichts ist.“ Aber auch: “Musik ist hühere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.“
Musik kennt keine Grenzen
ie Liberschreitet alle Grenzen denen die
Sprache unterliegt und ihr gelingt es, die Tiefen und das Innere des Menschen zu berühren. So verschieden auch die Sprachen dieser Welt sind, der Zugang zur Sprache ist liberall gleich, denn er ist ,,musikalisch.
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Leonard Bernstein hat bei seiner Vortragsreihe in der Harvard—Universität besonders auf folgende Verbindungen hingewiesen: die Art und Weise, wie ein Kind seine Mutter ruft, ist in allen Kulturkreisen gleich; zwar sind die Worter unterschiedlich, aber das Verhältnis der verwendeten Tonhohen ist das gleiche. So stellt Bernstein die Beziehung der Intervalle und Obertone zu den Sprachen unterschiedlichster Kulturen her und weist auf den gemeinsamen Ursprung aller Sprachen hin. Nach aussen wirkt Sprache als gemeinschaftsbildender Faktor, als Mittel für Erziehung und Entwicklung und dient der Kommunikation. Nach innen fiihrt sie zur Verinnerlichung und Vergeistigung.
ls Joseph Haydn sich auf seine erste Eng landreise vorbereitete, spottelten seine Kollegen, er konne ja kaum englisch und so möchten sie gerne wissen, wie er sich also verstandigen wolle? Seine Antwort: ,,Meine Sprache versteht die ganze Welt!“ Er sollte recht behalten, denn seine Sprache, die Musik, wurde von den Engléindern verstanden, denn Musik kennt keine Grenzen, weder damals noch heute.
ine Kommunikationssprache ist nicht nur
wichtig für den Sprecher, sondern auch für den Zuhorer. In einer griechischen Erzählung wird die Frage gestellt: ,,Warum hat der Mensch zwei Ohren aber nur einen Mund? Die Antwort lautet:,,Zuhören ist doppelt so wichtig wie selber sprechen.“ Das Zuhoren ist eine wesentliche Eigenschaft die erlernt und geübt werden muss. Das innere sowohl als auch das éiussere Ohr müssen geschult werden, denn die Notwendigkeit das von aussen Wahrgenommene in das Innere zu übertragen, ist eine Voraussetzung um die Wirklichkeit der Dinge zu erkennen. So wie Sprache aus Buchstaben, Silben, Wortern und Satzen zusammengesetzt ist, so sind die wesentlichen ,,Bausteine“ der Musik Rythmus, Melodie, Harmonie und Form. So wie sich Sprache erst durch die Schrift weiterentwickelt und zu solcher Vollkommenheit wie bei Shakespeare und Goethe gelangen konnte, so setzte die grosse Entwicklung der Musik auch erst ein, als nach und nach eine ,,Schrift“ entwickelt wurde um sie festzuhalten.
-3 Wahrscheinlich ist das Wort ,,Note“ aus dem arabischen Won ,,Noghteh“ entstanden, wobei das ,,gh“ fur européiische Zungen so unaussprechbar war, dass daraus ,,Note“ wurde. Hier erkennt man wie wichtig interkulturelle Einflüsse für die Weiterentwicklung der Musik waren. Das 20. Jahrhundert hat besonders vie]faltige interkulturelle Beziehungen auf allen Gebieten geschaffen. Moderne Kommunikationsmoglichkeiten bieten der zukünftigen Musikentwicklung eine neue Chance.
Zwei Damen waren zusammen im Konzert. ,,Wie hat das Konzert Ihnen gefallen?“, fragt die eine. Darauf die andere: ,, Ich weiss nicht, ich habe die Kritik darüber noch nicht gelesen.“
Musik als Nahrung der Seele
bdu’l-Baha spricht von der Musik als den
Luftschwingungen die das menschliche Ohr treffen, dann über das Nervensystem den Verstand erreichen um schliesslich das Herz des Menschen zu berühren. Ich mochte hinzufügen, dass das Berühren des Herzens durch die Musik, d.h. die Aufnahme der Musik in der Seele, erst dann moglich ist, wenn wir den Menschen in seiner Ganzheit und nicht nur als kopflastiges Wesen betrachten. Die Musik soil durch den Verstand ungehindert bis zum Herzen durchfliessen konnen. Erst wenn die Musik innerlich wahrgenommen wird kann sie auf die Person wirken und wird so zur Seelennahrung. Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme fir Körper und Seele zeigen Parallelen. Essen braucht Musse, Stille, sonst fehlt die Zeit zum Geniessen. F iir die korperliche Ernührung entstehen in allen Gross-und Kleinstéidten immer mehr Fastfoodrestaurants, wo man auf die Schnelle essen kann. Ahnlich ergeht es der seelischen Emahrung durch Musik. Immer ofters - in Superméirkten, Warenhéiusem oder U-Bahnstationen sind wir einer Dauermusikberieselung ausgesetzt, wo Phasen der Stille kaum vorhanden sind. Gerade die Pausen, die Phasen der Stille, sind bedeutende Teile der Musik, wie auch das Nichtessen - das Fasten - eine bedeutende Phase menschlichen Lebens ist.
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Musik ist eine Leiter auf der sich die Seele zum Reich der Hühen erheben kann,
aber macht sie nicht zu Flügeln der Selbstsucht und der Leidenschaft 2)
ieser Satz von Bahá’u’lláh zeigt, dass ein
Missbrauch der Musik denkbar ist. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts dokumentiert in manchen Fallen diesen Missbrauch, etwa wahrend des Dritten Reiches im Nazideutschland, wo Musik von Ludwig van Beethoven, Franz Liszt bis hin zu Richard Wagner zu Propagandazwecken missbraucht wurde. In Gebieten wo Revolution herrscht, wie z.B. wahrend der islamischen Revolution im Iran, wird Musik genauso eingesetzt und missbraucht, wie bei allen kriegerischen Auseinandersetzungen. Marschmusik und ahnliche Rythmen werden besonders geme eingesetzt um Aggressivitéit und Hassgefiihle zu steigern. Von der Subkultur, die in grossen Stadten blüht, ist bekannt, dass dort Musik dazu benützt wird die menschlichen Triebe anzustacheln. Diese wenigen Negativbeispiele sollen nur zeigen, dass Musik nicht als Ersatzreligion eingesetzt werden kann, sie ist wertneutral und steigert Empfindungen und Gefühle die vorhanden sind. Dementsprechend eignet sie sich gut Fur karitative Zwecke.
Musik entspringt aus der Macht des Gedankens.
Die Quelle fur Handwerk, Kunst und Wissenschaft ist die Macht des Gedankens 3) Nichtausübende Musiker tendieren oft dazu in den Künsten, in unserem Fall in der Musik, eine intuitiv erhaltene Gabe zu sehen die man auch so intuitiv weitergeben kann. Ausübende Musiker — vor allem die, welche im professionnellen Bereich arbeiten und ein bestimmtes Niveau erreicht haben - wissen dies und kennen die Erfahrung, dass solange der Verstand hier nicht bewusst eingesetzt wird, es zu keinem befriedigendem Ergebnis kommt.
Die Frage ist, wie Gedanken erzogen, gefiihrt und entwickelt werden konnen?
Ahnlich wie das Leben zu seiner Entfaltung Sonne und Licht braucht, so braucht die gedankliche Welt eine geistige Sonne. um geistige Fahigkeiten zu entwickeln.
Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhüngig ist. Sie ist der Geist der Wirklichkeit und das Wasser des Lebens. Ihr verdanken alle Dinge ihr Dasein. Sie offenbart sich immer nach der Ffihigkeit und der Art des Spiegels durch den sie wiedergespiegelt wird. Wird z.B. ihr Licht auf den Spiegel des Weisen geworfen, dann bringt es Weisheit zum Ausdruck. Wird es vom Geist des Künstlers wiedergespiegelt, so schafft es neue und schüne Künste... 4)
Das Wort Gottes ist also hier jener Sonne gleichgesetzt, die die Ursache der Entwicklung des menschlichen Gedankens ist. Dieses Wort Gottes ist in den Jahrtausenden der uns bekannten Menschheitsgeschichte immer wieder durch die historisch belegten Stifter der Hochreligionen, wie: Abraham, Moses, Jesus, Zarathustra, Buddha, Krishna, Muhammad, Bab und Bahá’u’lláh, den Menschen geoffenbart worden. Entsprechend der Fassungskraft des Zeitalters in denen sie erschienen, wurde das Mass des Lichtes der Sonne der Wahrheit im Verhaltnis zum Verständnisvermogen der Menschen und dem Bedürfnis der Gesellschaft geoffenbart.
elch grosse Auswirkung die tiefe Glau bigkeit auf kompositorisches Schaffen hatte, beweist die Tatsache, dass von J.S.Bach, über Haydn bis zu Mozart, Beethoven und Brahms, diese tiefe Glaubigkeit in ihrem taglichen Leben bekannt ist. So finden wir z.B. in Partituren von Joseph Haydn - ich habe hier die Symphonie No. 45 vor mir liegen - dass er am Beginn, bevor er zu komponieren anfangt, auf lateinisch schreibt: ,,Im Namen des Herrn“ um mit den Worten: ,,Lob sei Gott“, zu enden.
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Ich zitiere aus einem Brief von Wolfgang Amadeus Mozart: ,,lch lege mich nie zu Bett, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht den anderen Tag nicht mehr sein werde und es wird kein Mensch von allen die mich kennen sagen können, dass ich im Umgang mijrrisch oder traurig ware und diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wijnsche sie von Herzen jedem meiner Mitmenschen.“
Freude ist ein Zustand des Geistes und Gluck mobilisiert die Krafte des Menschen, denn die geistige Ausstrahlung wirkt sich im materiellen Bereich aus und fuhrt so zu grossartigen Ergebnissen.
O Sohn des Menschen! Fülle dein Herz mit
Freude damit du würdig werdest Mir zu begegnen und Meine Schünheit wiederzustrahlen 5)
Die Musik in den Hochreligionen
Die Musik wurde in allen Hochreligionen zum Lobpreis Gottes verwendet, meistens in Form von Gesüngen.Schon im Judentum sind die Psalmen Davids und Salomons bekannt. Die frühe christliche Kultur entwickelte sich auf der altjüdischen Tradition.
Das Christentum selbst ist Dokument fur den Einsatz der Musik im Glaubensbereich. Wohl auch durch diese spezielle Forderung hat Europa einen Reichtum an Musik hervorgebracht, den andere Kontinente nicht vorzuweisen haben. Die Kompositionen, die 3-400 Jahre lang vordergründig dem Lobpreis Gottes dienten, haben einen dauerhaften Impuls fur die Geschichte der Menschheit ausgelost. Im Islam ist die musikalische Betrachtungsweise differenziert. In den ersten Jahrhunderten des frühen Islam, war die Musik sehr stark im Einsatz, so dass ihre Entwicklung und die Weiterentwicklung von Instrumenten, ihre Blütezeit hatte. Dies besonders im mesopotanischem Raum, im Vorderen Orient, im heutigen Syrien, Irak und Iran, sowie in den arabischen Ländern. Weil man jedoch die Aussagen Muhammads, der auf die Gefahr eines Missbrauchs aufmerksam machte, missverstand, wurde die Musik nach und nach minderbewertet oder sogar verachtet. Das fuhrte dazu, dass grosse Musiker aus dieen Regionen des Orients auswanderten.
Orientalische Musik wandert nach Europa
ie ausgewanderten Musiker brachten ihre
Kunst in die entlegenen Gebiete der islamischen Welt, bis nach Spanien, wo bereits um 850 in Cordoba die erste grosse Musikschule auf européiischem Boden entstand. Bekannt ist der Name des bedeutenden Musikers Ziriab, der aus Bagdad kommend in Andalusien die Musikkunst zur neuer Blüte brachte, indem er das ,,fahrende Singen“ der arabischen Musiker dort einfiihrte. So entstanden in Nordspanien und Südfrankreich die Troubadours und danach im deutschsprachigen Raum die Minnesanger, welche diese Kunst fortsetzten. Im l2.Jahrhundert ist Walther von der Vogelweide als einer der ersten deutschsprachigen Minneséinger bekannt.
bwohl das Missverstandnis der Wertigkeit
der Musik im islamischen Raum bestand, ist das Wort Gottes noch bis heute mit Musik verbunden.Verse aus dem Koran werden vorgesungen, rezitiert, in Kunstform gegossen und nicht nur einfach vorgelesen. Im Buddhismus sind die Gesange der Monche bekannt, ebenso die Perkussionen und Gongs, die den Klang des Universums in den buddhistischen Tempeln symbolisieren. Im Hinduismus, der wohl éiltesten überlieferten Religion von deren Ursprüngen wir kaum historisch fundiertes Material haben, ist die Person des Religionsstifters, Krishna, in den bis heute erhaltenen Abbildungen mit einer F lote dargestellt.
Die Flüte symbolisiert den Menschen
ie F lote ist ein mystisches Instrument, ein
Symbol fur den Menschen selbst. In allen Kulturen hat die Flote eine besondere Bedeutung, da sie die mogliche geistige Transformation des Menschen und seine Verbindung zum Gottlichen symbolisiert. Einerseits ist die aus Bambus hergestellte Flote etwas rein Materielles. Wenn aus Bambusrohr ein Instrument entstehen soll, so wird es in eine entsprechende Léinge geschnitten, das Rohr wird innen ausgehohlt und es wird das entfernt was so wesentlich erscheint, nämlich das Mark. Zuséitzliche Locher im Holzkorpus ermöglichen einen hoheren Tonreichtum. Dann blast der Meister ihr seinen Odem ein - und sie lebt.
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iese Symbolik gleicht dem Schopfungsakt
des Menschen im alten Testament, wo der Schöpfer dem Menschen den Odem des Lebens einhaucht und ihn aus einer toten Materie, dem Lehm, zu einem lebendigen Wesen werden lasst. Vergleicht man die Flote mit dem Menschen, so entspricht die Befreiung vom Ego dem ausgehohlten Inneren des Bambusrohres. Was dem Bambusrohr als wesentlich erschien, namlich sein Mark, muss Raum schaffen für den später durchfliessenden Atem (Odem). Was dem Menschen scheinbar so wichtig erscheint, seine sogenannte Personlichkeit, ist in diesem Fall ein Hindernis für das Durchfliessen des göttlichen Odems und Willens. Das Wort Personlichkeit stammt Von dem lateinischen ,,personare“ was soviel bedeutet wie durchtonen, durchklingen. Die wahre Bedeutung einer Personlichkeit ist demnach die Befreiung von überkommenem Gedankengut, von Einbildungen, Von einem Scheinsein das auf Titeln , Macht, Ruhm, Position ufcihnl. beruht und als Hindernis auf dem Wege der selbstandigen Suche nach dem Ewigen steht. Das Rohr der Flote kann nur ganz wenige Tone erklingen lassen, solange noch nicht genügend Offnungen in den Korpus eingebrannt oder geschnitzt worden sind. Dieser wohl schmerzhafte Vorgang entspricht in etwa den Prüfungen und Schwierigkeiten, die zwar quéilend, aber zugleich eine Bereicherung des menschlichen Lebens sind.
O Sohn des Menschen!
Meine Prüfung ist Meine Vorsehung. Kusserlich ist sie Feuer und Züchtigung, doch in Wirklichkeit ist sie lauter Licht und Gnade. Eile ihr entgegen, damit du ein ewiges Licht und ein unsterblicher Geist werdest... 6)
obald die ausgehohlte und mit genügend
Möglichkeiten der Tonfindung versehene Flote durch des Meisters Atem erklingt, ist die Transformation dieses Holzstückes von der materiellen zur geistigen Welt gelungen. Schwingungen der Luft, die letztlich zu Musik werden, treffen unser Ohr, dringen über Nervensystem und Gehim zu Herz und Seele vor und werden zur Nahrung der Seele, die uns befahigt uns zur geistigen Welt zu erheben.
eniger ichhaft geworden mit Hilfe Von Prüfungen und Schwierigkeiten, ist der Mensch nun soweit, dass er durch den Odem des Schöpfers - das Wort Gottes - eine Transformation erfahrt und sich vom tierischen zum geistigen Bereich entwickelt, um letztlich zum Inbegriff eines Gebetes Von Abdu’l-Baha zu werden, das die Symbolik der Flote sehr gut charakterisiert: O Gott, mache mich zu einem ausgehühlten Rohr, das vom Mark des Selbstes befreit zum reinen Kanal wird, durch den Deine Liebe zu Anderen fliessen kann. (Freie Ubersetzung)
Wie ist die Auswirkung der Musik in der Bahá’í-Welt?
Zunéichst muss festgehalten werden, dass wir noch nicht Von Bahá’í-Kultur, Musik oder Kunst im allgemeinen sprechen konnen, da sie als Frucht eines geistigen Wachstums erst im Reifealter sichtbar sind - so ahnlich wie die Früchte nicht im Frühling sondern erst im Herbst reifen - so kann man bei der erst über 150 Jahre jungen Bahá’í-Religion noch nicht von einer Bahá’í-Kultur sprechen. In einigen Jahrhunderten wird moglicherweise die heute begonnene Entwicklung Ergebnisse haben, Von denen wir heute kaum eine Vorstellung haben. Aber in den authentischen Bahá’í—Schriften gibt es eine Reihe bedeutungsvoller Aussagen über Musik, Künste, Wissenschaften und Handwerk, die in der Religionsgeschichte einzigartig sind. Dies hat zur Folge, dass die Musik im Alltagsund Gemeindeleben eine grosse Bedeutung fir die menschliche Entwicklung hat, die bereits in der Schwangerschaft anfangt und fir das ganze weitere Leben mitpréigend ist. Heute ist moglich durch Ultraschall das wachsende Baby zu beobachten und genauso wie diese Schallwellen zum Kind vordringen, tut es auch die Musik. Da die Empfindungen und Gefjhle der Mutter auf den seelischen Zustand des Ungeborenen wirken, beeinflusst sie durch Musikhoren und Singen sein geistiges Wachstum. Verbindet sie dieses Singen mit der Zuwendung zum Schöpfer, so verstärkt sich die Kraft welche die geistige Entwicklung des werdenden Menschen beeinflusst. Nach der Geburt soll sie mit dem Kind singen, besonders vor dem Zubettgehen.
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ieder sind sehr wichtig. Auch hier liegt die
Steigerungsform in der Vertonung Von Gebeten und geistigen Texten, oft in einfacher Sprache, aber mit Melodien, die zu Herzen gehen. Kinder neigen zu Musik. Alle Eltern wissen, class Kleinkinder sich gerne zum Rythmus der Musik wiegen, und daraus folgern wir als Musiker, dass jedes Kind - in gewissem Masse- musikalisch und niemals völlig unbegabt ist. Die Frage ist nur, wie weit diese Begabung gefordert oder wie weit sie spater verkümmern wird. In der Schule ist das Singen ein wesentlicher Bestandteil des Erziehungsprozesses. Bedenkt man als Erwachsener, was man heute noch auswendig weiss, so erinnert man sich fast ausschliesslich an jene Texte, die man als Kind durch Lieder gelernt hat. So entsteht die Beziehung zur Musik nicht nur auf der Gefühls— sondern auch auf der intellektuellen Ebene. Im Bahá’í-Gemeindeleben werden zu Festen und Zusammenkunften Gebete gesungen, denn Musik fordert den Gemeinschaftsgeist.
Bahá’í-Haus der Andacht in Indien
aha’u’llah empfiehlt allen, auch den Kin dern, in den Héiusern der Andacht * die Verse Gottes mit melodioser Stimme zu singen, denn in diesen Andachtsstatten erklingt vor allem die menschliche Stimme, denn sie ist das Instrument welches Gott jedem Menschen geschenkt hat. Auch werden hier Texte aus allen Hochreligionen rezitiert, vorgelesen oder gesungen. Man verzichtet auf das gewohnliche Menschenwort und auf alle trennende, menschengeschaffene Symbolik und konzentriert sich auf das Verbindende. Alle Menschen, egal welcher sozialer, ethnischer oder religiöser Herkunft, sind hier willkommen.
-7
Das Orchester als Symbol der Menschheit
ie Vielfalt der menschlichen Kulturen und
Fähigkeiten dienen der Menschheit, so wie in einem Orchester die Vielfalt des Musizierens der Musik dient. Verschiedene Menschen spielen eine Instrumentenvielfalt unterschiedlicher Klangwelten, nach ganz verschiedenen Noten und dennoch wird das Ganze, nach den notwendigen Proben, zu einer grossartigen Symphonie verschmelzen.Voraussetzung ist ein gemeinsames Rythmusempfinden, das Beherrschen des eigenen Instrumentes und das Bewusstsein, dass jeder eine andere Aufgabe hat. Die Fahigkeit des Notenlesens erlaubt das Vordringen zur Partitur, der authentischen Quelle eines Werkes, um ihm so am besten gerecht zu werden. Die Verwirklichung eines musikalischen Werkes durch Nachahmen ist unmöglich. Leonardo da Vinci sagt: “Wer zur Quelle gehen kann, der trinke nicht aus dem Wasserkrug.“ Das léisst sich auch — im ubertragenen Sinne auf die Quellen der Hochreligionen anwenden. Wo der Text der heiligen Schriften, quasi die Partitur, vorhanden ist, da ist kein Nachahmen menschlicher Auslegungen, sondern ein direktes Schopfen aus der ursprünglichen Quelle angebracht. Dies bewirkt, dass der Mensch seine Beziehung zum Schöpfer und zu den Mitmenschen erkennt und starkt und so zu einem Wesen wird, das innerhalb eines grossen Orchesters seinen Platz einnimmt und mit dazu beitragt, dass die grosse Symphonie der Menschheit zu einem Wohlklang wird.
Bijan Khadem-Missagh
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Quellennachweis:
I) Bahá’u’lláh: Verborgene Worte, 44 arab.
2) Bahá’u’lláh: Aqdas
3) Bahá’u’lláh: Worte des Paradieses
4) Bahá’u’lláh: ,,Worte der Weisheit“ in ,,Verborgene
Worte“, Ausgaben 1957 + 1973
5) Bahá’u’lláh: Verborgene Wort, 36 arab.
6) Bahá’u’lláh: Verborgenen Worte 51, arab.
7) Abdu’l-Baha: ,,O God, make me a hollow reed from which the pitch of self has been blown so that I may become a clear channel through which Thy love may flow unto others.“
- Aufjedem Kontinent steht ein Bahá’í-Haus der Andacht.
Das Europaische Haus der Andacht steht im Taunus in Langenhain
[Seite 8]ZEIT für KULTUR
ORIENT UND OKZIDEN T BE GEGNEN SICH M USIKALISCH IN LUXEMB UR G
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TOM PRICE Bahá’í-Musikensemble mit professionnellen Süngern und Musikern von internationalem Ruf
Mittwoch, den 27.03.1996 um 20 Uhr CENTRE CULTUREL LUXEMBURG—BONNEVOIE
2, rue des Ardennes
BENEFIZ-KONZERT zugunsten des Schulprojektes von UNITY FOUNDATION (ONG): ,,Raoul Pavon Mejia Escuela“, in Ottavalo, Ecuador (Co-Finanzierung: EU)
Eintritt: Erwachsene: 400,- Studenten u.Kinder: 200, Einige berühmte Mitwirkende:
- DASH CROFTS, von ,,Seals & Crofts“ (USA):
Bei Insidern sehr beliebt, einige Gold und Platinplatten (Warner Brothers). Auftritte im Deutschen Fernsehen.
- PAUL SEAFORTH (USA): Jazz, Classic+Popular
Sehr bekannt durch seine Live-Auftritte mit Dizzie Gillespie, Russell Garcia, Vic Damone...
- AGHILI (Iran): weltberühmt durch seinen
einmaligen persischen Gesangsstil.
- ADRIENNE EWING und VAN GILMER
(Afrika):Berühmte Afro-Amerikanische Gospel-Singers
- TOM PRICE: Bestbekannter amerikanischer
Dirigent, Komponist und Produzent für Film und Fernsehen. Er leitet das renommierte Ensemble.
ORGANISA TOR: BAHA I-Gemeinde, Luxemburg
ZEIT für LITERATUR
IMPRESSUM:
Die Zeitung ZEIT für GEIST erscheint alle 2-3 Monate und ist aus chlorfrei gebleichtem Papier. Jede Nummer befasst sich mit einem aktuellen Thema.
Herausgeben“ Bahá’í-Arbeitsgruppe Gedanken für eine bessere Welt“, a.s.b.I
Druckerei: Imprimerie Print-Service, Lux-Ville
Ziele der Zeitung:
Völkerverständigung; Brücken bauen zu andern Glaubens- und Denkrichtungen; Impulse geben zu friedlicher Zusammenarbeit mit allen andern Gruppen deren Interessen in die gleiche Richtung gehen; informieren über Vorstellungen, Ziele, Plane und Früchte der Bahá’í-Religion, hier und in der Welt, über andere Religionen und den Wert der Religion schlechthin; Dialog- und Begegnungsmoglichkeiten schaffen. Für die veroffentlichten Artikel sind die Autoren und für die Text- und Artikelauswahl ist die Redaktion verantwortlich.
DAS WORT AN DIE LESER: Wir danken unseren Lesern, dass sie den Beitrag zur Völkerverständigung der Bahá’í-Arbeitsgruppe Gedanken für eine bessere Welt - die ,,Geschenkaktion / Jahresabonnement“ aufdiese Zei tung - so gut aufgenommen haben. Sollten Sie den Wunsch haben,
noch weitere Freunde mit dieser Zeitung bekannt zu machen, so senden Sie uns bitte die Adressen. Bitte sagen Sie uns auch, wenn Sie diese Zeitung nicht haben möchten. Wir werden in beiden Fallen Ihren Wunsch erfüllen.
Wir freuen uns sehr über ihre Zuschriften und danken im voraus.
Redaktion fur Silden und Zentrum: Anita und Bob Bontemps 30-32, Bd..J.F.Kennedy L-4170 Esch/Alzette Tel. und Fax: 54 33 37
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