Jahrgang 2, Heft 3, Jamal (Schönheit)
'Wirklichkeit'
Herausgegeben v. d. Bahai-Arbeitsgemeinschaft, Esslingen
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Kabel – Telegramm aus Haifa
aufgenommen in Berlin am 9. April 1921.
Bahai – Kongress, c/Konsul Schwarz, Stuttgart
Congress blessed with heavenly confirmation loving greetings
abbas
zu deutsch:
Kongress gesegnet mit himmlischen Bestätigungen
Liebende Grüsse
abbas.
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'S t r e i k s.
Antwort Abdul-Bahas auf die Frage betr. Streiks u.s.w. aus der neuen Ausgabe von Mme. Dreyfus – Barneys „Some answered Questions“
Star of the West vom 21.März 1919.
Du hast mich über Streiks gefragt.
Diese Frage ist und wird für eine lange Zeit der Gegenstand grosser Schwirigkeiten sein. Streiks sind zweierlei Ursachen zuzuschreiben. Die eine besteht in der ausserordentlichen Härte und Raubgier/Gewinnsucht der Kapitalisten und Fabrikanten/Produzenten; die andere liegt in der Begier und in der Missgunst der Arbeiter. Es ist daher notwendig, diese zwei Ursachen zu beseitigen.
Die Hauptursache von all diesen Schwierigkeiten liegt aber in dem Gesetz der gegenwärtigen/derzeitigen Zivilisation; denn diese verhelfen s einer kleinen Anzahl von Menschen zur Anhäufung grosser Reichtümer, die weit über ihre Bedürfnisse hinausgehen, während die Mehrzahl von Menschen des Notwendigsten beraubt in kümmerlichen Verhältnissen und oft in grösstem Eelend verbleibt/leben.
Dies ist der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und der Billigkeit entgegen, es ist die Höhe der Ungerechtigkeit, das Gegenteil von dem, was göttliche Befriedigung/Wohlgefallen verursacht.
Dieser Gegensatz ist aber nur unter/bei der Menschheit zu finden, denn nahezu in der ganzen Tierwelt gibt es eine /gerechte/Art von Gerechtigkeit und Gleichheit. Diese sind zu finden in einer Schafherde, bei einem Rudel Rotwild, sowie unter den Vögeln im Walde, auf den Ebenen/Wiesen und auf den Bergen; nahezu alle Tiere empfangen einen gerechten Teil an Gleichheit.
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Unter ihnen ist kein solcher Unterschied in den Existenzmitteln zu finden und deshalb leben sie in so vollkommenen Frieden und Freuden.
Ganz anders ist es unter den Menschen, welche im grössten Irrtum und absoluter Ungerechtigkeit verharren. Man betrachte seinen Menschen, der sich durch das Kolonisieren eines Landes Schätze gesammelt hat. Er kam zu einem unvergleichlichem Vermögen und sicherte sich ein Einkommen, das fliesst wie ein Fluss, während daneben hunderttausende unglückliche, schwache und machtlose Menschen oft den nötigsten Bissen Brot entbehren. In solchen Zuständen ist weder Gleichkeit noch Brüderlichkeit zu finden. Du kannst sehen, dass der allgemeine Frieden und die Freude unter solchen Umständen nicht aufkommen können. Die Wohlfahrt der Menschheit ist teilweise vernichtet und das gesellschaftliche Leben fruchtlos geworden. In der Tat, das Wohlergehen , das Ansehen, der Handel und die Industrie liegen in den Händen von einigen wenigen, während andere Leute einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten und grenzenlosen Mühsalen unterworfen sind ; sie haben weder Gelegenheit zum Vorwärtskommen, noch Nutzen, noch Bequemlichkeit, noch Frieden.
Daher müssen Verordnungen und Gesetze geschaffen werden, durch welche die übermässigen Besitztümer gewisser Leute ausgeglichen und das Eelend der Millionen von Armen begrenzt und aufgehoben wird. Auf diese Weise würde dann eine geisse Mässigung zustande kommen.
Eine absolute Gleichheit herzustellen ist aber geradezu unmöglich; denn eine vollständige Vermögensgleichheit, Gleichheit im Ansehen, im Handel , in der Industrie und in der Landwirtshaft würde die nötige Ermutigung ausschliessen und in Entmutigung, Zerrüttung der Existenzmittel, sowie in einer allgemeinen Enttäuschung endigen.
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Die Ordnung der menschlichen Gesellschaft würde gänzlich vernichtet werden. Daher liegt eine grosse Weisheit in der Tatsache, dass Gleichheit nicht durch ein Gesetz auferlegt (oder durchgeführt) werden kann. Es ist deshalb vorzuziehen, einen gewissen Ausgleich durch Mässigung der Reichtümer herbeizuführen. Das Hauptaugenmerkmal ist daher darauf zu richten, die Anhäufung unmässiger Reichtümer gewisser Leute durch gesetzliche Mittel zu verhindern und die Lebensbedürfnisse der Massen zu schützen. Z.B. die Fabrikanten sammeln sich täglich gewisse Schätze und die armen Arbeiter bekommen kaum ihren nötigen Lebensunterhalt; das ist die Höhe von Ungerechtigkeit und kein gerechter Mensch kann solches gutheissen. Deshalb sollten Gesetze gemacht werden, nach denen den Arbeitern, je nach dem Stand der Fabrik, neben einem gewissen Lohn der Vierte oder fünfte Teile des Gewinns zukommt. Oder dies Arbeiter und Fabrikanten sollten den Gewinn in gleiche Teile teilen, denn die Direktion und Verwaltung geht von dem Fabrikbesitzer aus und die Arbeit kommt von den Arbeitern.
Mit anderen Worten: die Arbeiter sollten eine Bezahlung empfangen, die ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt sichert, und wenn sie hilflos und schwach werden, sollten sie von dem Fabrikbesitzer eine genügende Pension erhalten. Die Entlohnung sollte hoch genug sein, um den Lebensunterhalt damit bestreiten zu können, so dass es ihnen ermöglicht würde, von dem übrigen Einkommen etwas für Zeiten der Not und der Hilflosigkeit zurückzulegen.
Wenn die Angelegenheiten in dieser Weise festgesetzt würden, dann wäre es den Fabrikanten nicht mehr möglich, sich täglich Schätze anzusammeln, die sie gar nicht nötig haben. Dabei ist noch in Betracht zu ziehen,
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dass ein Kapitalist , der ein unverhältnismässig grosses Vermögen besitzt, schware Bürden zu tragen hat und häufig in grosse Schwierigkeiten gerät ; denn die Verwaltung eines übermässig grossen Vermögens ist sehr schwierig und erschöpft des Menschen natürliche Kraft. Andererseits werden die Arbeiter künftig nicht mehr unter dem grössten Elend und Mangen zu leiden haben. Sie werden am Ende ihres Lebens nicht mehr den schlimmsten Entberhungen ausgesetzt sein.
Dass es eine Unbilligkeit und Ungerechtigkeit ist, wenn übermässige Reichtümer auf eine Minderheit verteilt sind, während die Massen in Elend leben, ist klar. In gleicher Weise würde aber eine absolute Gleichheit ein Hindernis fürs Leben, für die Wohlfahrt, für die Ordnung der Welt und für den Frieden der Menschheit sein. In dieser Frage ist ein gerechter Mittelweg vorzuziehen.
Es liegt an den Kapitalisten an der Erwerbung ihres Gewinns, Mässigkeit walten zulassen, und die Wohlfahrt der Armen und Bedürftigen ins Auge zu fassen d.h. der Arbeiter sollte neben einem festen Lohn einen Teil des allgemeinen Gewinns, den die Fabrik abwirft, empfangen.
Mit Rücksicht auf die sozialen Rechte der Fabrikanten und der Arbeiter wäre es gut, wenn Gesezte gemacht würden, welche den Fabrikanten einen mässigen Gewinn und den Arbeitern die nötigen Existenzmittel und eine Sicherheit für die Zukunft gewährleisten. Es muss für sie gesorgt sein, wenn sie alt und schwach werden, und wenn sie minderjährige Kinder hinterlassen, so muss Vorsorge getroffen werden, dass diese nicht in Armut unterkommen. Die Arbeiter sind berechtigt einen Teil ihrer Existenzmittel von dem Einkommen der Fabrik abzuleiten.
Andererseits sollten aber die Arbeiter nicht mehr länger rebellieren und revoltieren, noch Fordernngen stellen, die über ihre Rechte hinaus-
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gehen. Sie sollten nicht mehr streiken, sonder gehorsam und ergeben sein und keine ungebührlichen Lohnforderungen stellen. Die gegenseitigen Rechte beider Parteien werden durch gerechte und unparteiliche Gesetzte festgelegt und gewahrt werden. Im Fall eine der beiden Parteien diese Gesetze übertritt, haben die Gerichthöfe der Gerechtigkeit ihr Urteil zu fällen und solche Uebertretungen durch wirksame Geldstrafen zu ahnden. Auf diese Weise wird Ordnung hergestellt und die Schwierigkeiten werden beseitigt.
Wenn sich Schwierigkeiten erheben zwischen den Fabrikanten und Arbeitern so hat der Gerichtshof der Gerechtigkeit, zusammen mit der Regierung gesetzmässig einzugreifen und die Angelegenheit zu ordnen, denn der Rechtsgrund der Arbeiter und der Fabrikanten ist ein anderer als der von Privatpersonen , an deren gewöhnlichen Angelegenheiten die Oeffentlichkeit kein Interesse hat und mit denen sich die Regierung nicht beschäftigen sollte. Obwohl es den Anschein haben könnte, als seien die Schwierigkeiten zwischen den Fabrikanten und den Arbeitern auch Privatangelegenheiten, so liegen die Dinge in Wirklichkeit doch anders; denn Handel, Industrie und Landwirtschaft sind aufs engste miteinander verbunden, und wenn eines von Ihnen unter einem Fehlgriff leidet, so wirkt dies schädlich auf die Massen. Ausdiesem Grunde werden Schwierigkeiten, welche zwischen den Arbeitern und den Fabrikanten entstehen, zum Schaden für die Allgemeinheit.
Der Gerichtshof der Gerechtigkeit hat daher das Recht einzuschreiten. Wenn sich irgend eine Streitfrage in Bezug auf Privatrechte zwischen zwei Menschen erhebt, so ist ein dritter nötig, um die Frage beizulegen. Dieder Dritte ist der Richter. Um wieviel nötiger ist es alsdann, die Streitfrage, welche oft mit grossen Unruhen der Arbeiter verbunden ist, und die Habgier der Fabrikanten aufstachelt, beizulegen. Wie könnte eine
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solche wichtige Frage vernachlässigt werden?
Guter Gott ! Ist für einen Menschen möglich, in Ruhe und in Bequemlichkeit in seiner luxuriösen Villa zu leben, wenn er einen seiner Nebenmenschen in bitterer Not und von allem entblösst sieht? Kann sich der welcher einen andern im grössten Elend sieht, seines Reichtums erfreuen? Deshalb ist in der Religion Gottes (gegeben von Baha’o’llah) vorgeschrieben, dass die Reichen jedes Jahr einen gewissen Teil ihres Vermögens zur Unterstützung der Armen und Unglücklichen geben sollen. Dies ist die Grundlage der Religion Gottes und eines der Hauptgebote.
Wenn sich nun eine Mensch jezt, wo es noch nicht von der Regierung dazu gezwungen noch verpflichtet ist, aus eigenem Antrieb seines guten Herzens und im wahren geistigen Sinn herbeilässt, diese Ausgabe für die Armen zu machen, so ist dies sehr lobenswert und erfreulich.
Dies ist die Bedeutung der guten Werke, von denen in den göttlichen Büchern und in den Tabletten die Rede ist.
Aus dem Englischen übersetzt von W.Herrigel.
Star of the West, 10.Asma 1.75.1/August 1919 Nr.9.
'Das Bündnis Gottes ist wie ein unermesslicher & unergründlicher Ozean'
Tablett an Howard Macnutt.
An Seine Ehrwürden mr. Moward Macnutt , Brooklyn , New – York
Auf ihm sein Baha’o’llah - El - Abha!
E r i s t G o t t:
O du alter Freund!
Vor einem Monat wurde der begünstigten Dienerin, Mrs. Macnutt ge-
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geschrieben & jetzt habe Ich zwei Briefe vom 18. & 21.Februar 1919von dir erhalten. Ihr Inhalt zeigt Festigkeit & Beharrlichkeit im Königreich des erhabenen Herrn.
Heute ist jede weise , wachsame und vorsichtige Person erwacht & ihr sind die Geheimnisse der Zukunft unverhüllt, sie weiss, dass nichts ausser der Macht des Bündnisses fähig ist, das Herz der Menschheit zu erregen & zu bewegen. Als das Neue und Alte Testament durch alle Teile der Sache Seiner Heiligkeit Christi vorgetragen war, wurde diese Sache die pulsierende Macht im Körper der menschlichen Welt. Ein Baum, dessen Wurzeln Frucht bringen sollen, ist nichts, wenn er leer ist, wie hoch & hart er auch sein mag und wird verdorren, umkommen & wie ein Scheit fürs Feuer verwendet.
Das Bündnis Gottes ist wie ein unermesslicher & Unergründlicher Ozean. Eine Woge soll sich aus ihm erheben und steigen und soll ans Ufer geworfen werden, es bedeckend mit Schaum.
Kurz, Gott sei Lob, dass der höchste Wunsch gehegt wird von aufmerksamen Seelen, er ist die Erhebung der Welt Gottes und die Verbreitung der göttlichen Düfte. Dies ist wahrlich die sichere und feste Grundlage.
Jetzt haben wie am Morgen die Luchter der Wahrheitssonne ringsum gestrahlt. Es müssen Anstrengung gemacht werden, dass die schlummernden Seelen erwachen, die unahctsamen achtsam werden, dass die göttlichen Anweisungen, welche den Geist dieses Zeitalters bilden, die Ohren der Menschen der Welt erreichen. Sie können in Zeitungen verbreitet und n Zusammenkünften erklärt werden mit der grössten Pracht und Beredtsamkeit. Eine Führung muss sein, wie die Führung durch Paulus und ein Glaube soll sein, wie der von Petrus. Der Moschusduft soll durchduften die Nüstern des Volkes der Welt und dieser Geist soll die Toten wiederbeleben.
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Der beleidigende Geruch der Verletzung hat eine zeitlang die Vorwärtsbewegung der Sache gehemmt, die göttlichen Lehren wurden sogleich wie die Strahlen der Sonne verbreitet und strahlten durch alle Regionen.
Die Reden von Abdul Baha hast du gesammelt und du beabsichtigst sie zu drucken und zu veröffentlichen, was sehr rätlich ist. Dieser Dienst wird verursachen, dass du dir ein glänzendes Angesicht im Abha–Königreich erwirbst. Du wirst dafür der Gegenstand des Lobes und Dankes für die Freunde im Osten und Westen. Doch musst du sehr sorgfältig sein, so dass der genaue Text wiedergegeben wird und alle verübten Abweichungen und Ungenauigkeiten ausgeschlossen werden durch vorläufige Uebersetzer.
Uebermittle die äusserste Güte und Ehererbietung von Mir der geehrten Dienerin Gottes, Mrs. Macnutt.
Auf die sei Baha – el – Abha!
Uebersetzt durch Shoghi Rabbani, 13.April 1919, im Hause Abdul Bahas, Haifa, Palästina.