ONE ma COUNTRY
A_usgabe 1/1994 Nachrichtenmagazin der Bahá’í International Community
 
 
INHALT
In Italien eréiffnen gezielte Férderprogramme und soziale Angebote neue Horizontc für junge Menschen.
In Singapur zeigt eine »Gr(ine Hausfram, was eine Einzelpcrson zum Schutz der Umwelt tun kann.
In Hofhcim/Ts. startetc die neuc Veranstaltungsreihe »Forum Langcnhain<< erfolgreich.
In Swfiziland geht eine Maschinenfabrik neue che zu einer angepaßten Technologie.
Rezension:Tschingis Aitmatows >>Liebeserld'2irung an den blaucn Planetem — Ringen um eine planetare Ethik.
 
»Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine B117
er. « — Bahá’u’lláh
    
Bahá’í—Proj ekt zur Férderung der Frauen findet großen Anklang
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Anders als die meisten Entwicklungsprojekte für Frauen hat das Projekt »Traditionelle Medien als Werkzeug zur Verénderunggzum Ziel, auch Ménner mit einzubeziehen. Sowohl Männer wie Frauen nahmen an Ubungstreffen in Nandounge, Kamerun, teil.
 
Durch die Einbindung von Ménnem in frauenspezifische Probleme und die Nutzung traditioneller Medien zurVerbreitung der Ergebnjsse werdenVeriinderungen an der Basis erreicht
BADAN, Ostprovinz Kameruns — Die Stücke, die hier aufdemDorbeatz von den Bcwohncm diescs klcinen westafrikanischen Dorfes am Markttag im MonatJuli aufgcfiihrt wurdcn, warcn recht schlichter Natur.
Die einflqchc Handlung des kurzcn Theaterstficks, das von den Dorfbewohncrn sclbst geschrieben wordcn war, war folgende: Nach dem Verkauf seiner Emte verbirgt der ErdnuBfarmcr das Geld vor seiner Frau und geht in eine Bar, wo er alle seine Freunde cinlidt und anschließend den Rest für eine Frau ausgibt. Als cr nach Hausa kommt, zankt ihn seine Frau wegen seiner Ausschwcifungen aus. Sodann befällt seinen Sohn eine tédliche Krankhcit, jcdoch — es ist kein Geld Für Medizin mehr da. Glücklicherwcise spendct ein mitleidigcr Arzt die benötigten Medikamcnte. Am Ende erkennt der Farmer sein Fchlvcrhalten und faBt den Vorsatz, zukfinftig mit seiner Frau zu beratcn, bcvor er ihre gcmeinsamen Gcwinnc ausgibt.
Trotz der Einfachheit der Story, der unprofessionellcn Schauspieler und dcs Fehlens von Kostfimcn Oder Bfihnenbild war dieses Stfick und vergleichbare andere ein großcr Erfolg in dieser abgelegencn und untcrentwickclten Prpvinz. Als eines der Ergebnisse eincs zwcijiihrigen, drei Linder cinbeziehenden Pilotprojekts des Fonds der Vereintcn Nationen zur Férderung von Frauen (United Nations Development Fund for Women, UNIFEM) und der Intemationalen Bahá’í~Gemeindc spicgeln dicsc Theaterstficke Situationcn wider, die den Minnem und Frauen hier vertraut sind und finden damit großen Anklang. (Fortsetzung auf Seite 4)
ONE COUNTRY.
wird vierteljéhrlich herausgegeben von der »Bahá’í International Community«, die als Nicht—Regierungs—Organisation bei den Vereinten Nationen die weltweite Bahá'iGemeinde repréisentiert.
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© 1994 by Bahá’í International Community
ISSN 0945-7062
Gedruckt auf RecyclingPapier.
 
 
ONE COUNTRY Ausgabc 1/1994
 
Männer und Frauen 2113 Partner
Unser zentraler Bcficht in dicscr Ausgabe befiBt sich mit einem innovativen Entwicklungsprojckt mit der Ziclsctzung, soziales und wirtschaftliches Wohlcrgehen durch die Aufwertung des Status der Frauen zu fdrdcm.
Das Projekt unter dem Titcl >>Traditionellc Mcdien als Werkzeug zur Verinderung<< zielt daraufab, die Gleichwcrtigkeit der Frauen in léndlichen Gebieten durch den Einsatz traditionellcr Lieder, Tinzc und Theater zu fdrdem.
Die Nutzung solcher sogenannter waditioneller Mc dicm als Mittel _zuerrbrc-itung ERSPEKTNE neuer ldecn bei
Bevölkerungsschichten, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind, ist nicht ncu. Viele Projekte haben versucht, unter andercm bessere Gcsundheits— und Emiihrungskonzepte durch volksmhc Mcdien zu fdrdem.
Dcsweiteren ist auch die Konzentration auf die Belange der Frauen keinc neue Entwicklungsidee. In vergangcnen Jahren sind sich Entwicklungsgremien weltwcit in zunchmendcm Mch bewußt geworden, daß Frauen nicht nut in der Erhaltung der Familie, sondcm auch in der Landwirtschaft und der Winschaft im allgemeinen eine bedeutsame R0116 spielcn.
Somjt liegt derinnovétive Ansatz von >>Traditionellc Medien als Werkzeug zur Vcrfindemng<< in der neuartigen Konchtion dieser beiden Ansiitze — und das allcin rechtfertigt die detailliertc Untersuchung dicscs Projekts aufdiesen Seiten,
Die augcnfhlligste Neuerung disses Ansatzes ist jedoch die Bemiihung, Männer als Partner in einen dynamischen Prozeß einzubcziehen, der die Einstellung gegenüber Frauen verandert und damit der gesamten Gemeinschaft Auftricb gibt.
Wie Ennvicklungsberaterin Pamela Brooke formuliene: »Vielc Frauenprojektc bcziehen nur Frauen ein. Die Bahá’í hatten jedoch das Gefühl, daß Verinderungcn durch einenProzeß derBeratung ZWiSChCH Frauen und Minnem besser gefdrdert werden können. Wenn das Ergebnis niimlich ist, daß wfitende Frauen in einer Ecke sitzen, wird das nichts vcrindcm. Im Vorfeld der Vicrtcn Wcltkonferenz zur Lagc der Frau, die im September 1995 unter der Schirmhenschaft der Vereintcn Nationen in Peking stattfinden wird, birgt dicse
einfiqche Einsicht ein wirkungsvolles Konzept für eine Verinderung der Behandlung von Frauen.
Es wird tatsiichlich in zunchmendcm Maße ancrkannt, daß das Therm der Partnerschaft der nichstc logische Schritt für die Frauenhewegung weltwcit ist — und auch für die knospende Minncrbcwegung, denn die Verbesserung des Status der Frau ist kein Fraucnthema — es ist ein gcschlechtsunspczifischcs, alle Menschen betreffendes Them.
In der industrialisierten Welt haben Viele Feministinnen erkannt, daß sie die Genzen dessen erreicht haben, was für eine Steigcrung des Bewußtseins der Frauen getan werden konmc, und daß weitcre Fortschätte nicht erzielt werden können, ohne auch die Einstellung der Männer zu verindem.
In den Entwicklungslindem, in dencn Statistiken zeigcn, daß Frauen noch größercn Bclastungen ausgesetzt sind in Bezug auf Arbcit, Armut, Analphabctcntum, unzureichende Gesundheitsvorsorge und Ausschluß von Entscheidungsprozessen, ist die Notwendigkeit einer Veränderung der Einstellung aller noch ofiemichtlicher.
Der Schliissel zu echter Veranderung Iiegt nicht
nur in der intellektuellen Akzeptanz der Gleichberechtigung von Frau und Mann als einer modernen
und, progressiven ldee, sondern vielmehr in der Erkenntnis, daß es sich tatsächlichum ein geistiges Prinzip handelt, um eines, das Linser Zeitalter bestimmt.
 
Obwohl vicle in der heutigen Welt zu der intellcktucllcn Erkennmis gekommen sind, daß Frauen gleiche Rechte zustehen, rmchen die harten Fakten dessen, wie Frauen im täglichen Lebcn von Minnem behandelt werden — sei es zuhause, in der Gemeinschaft oder bei der Arbeit ~ klar, daß dieses Prinzip in den mcistcn Hcrzen noch keinen festcn Platz ge funden hat. Dies hat weltweitc Gfiltigkeit und es stimmt für die aufgcklfiirtesten Kreise.
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Das Projekt »Traditionelle Medien als Werkzeug zur Verinderung<< bictet ein detailliertes Modell dafür an, wie die Hcrzen der Menschen — und insbesonderc die der Minncr — erreicht werdcn kénncn.
Wie unsete Geschichte andeutet, ist das Projekt auf einen 3—Stufen—Plan zur Veränderung der dérflichen Gemeinschaft angelcgt:
1) die Férderung von Aktivitiiten, die eine Basisanalysc der Situation zwischen Frauen und Minnem zum Ziel habcn,
2) die Nutzung des Bahá’í-Konzepts der Beratung und ein vcrtieftes Vcrstiindnis der Gleichberechtigung der Frau als moralischcs Prinzip, um die Analyse zu vertiefcn und zu konzentrieren,
3) die Schaflixng von nicht anklagcnden Medienprfisenmtionen, um die Ergebnisse darzustellen.
Diese drei Schritte bieten eine allgemeine Leitlinie, der fast überall gefolgt werden kann — selbst in stidtischen und/oder hochentwickelten Gesellschaften.
Es ist jedoch wichtig zu bctonen, daß der Schliissel zu cincr echten Veränderung nicht nut in der intellektuellen Akchtanz der Gleichberechtigung von Frau und Mann als ciner modemcn und progressiven Ides liegt, sondem vielmchr in der Erkenntnis, daß es sich tatsichlich um ein geistiges Pnnzip handelt, um eincs der Themen, die unset Zcimlter besrimmen.
Vor mehr als lOOJahrcn sagte Bahá’u’lláh, der Stifter der Bahá’í—Religion: »Allc sollen wisscn und in diesem Zusammcnhang den Glanz der Sonnc der Gcwißheit crla-ngcn und von ihr crlcuchtet werden: Frauen und Männer sind vonjehcr im Angcsicht Gottes gleich gcwescn und werden es immer sein. Seite 3
Die geistige Bedcutung eincr solchen Aussagc für die Wandlung von Einstellungen kann nicht überschiitzt werdcn. Durch diese und andere Verkiindigungcn wurde die Bahá’í—Religion zur etsten unabhingigcn Weltreligion, die explizit die Gleichheit von Frauen in ihrcn heiligcn Schfiften verkiindct6.
Folglich haben sich die Bahá’í scit langem bcmiiht, dieses Prinzip zu verwirklichen und sie habcn scit langem erkannt, daß nicht crwartet wcrden kann, daß Gleichheit der Frauen in einer Atmosphire des Konflikts zwischen den Geschlechtcm entstcht. Sic kann vielmchr crst durch eine Partnerschaft zwischen Frau und Mann erreicht werden.
Eine solche Panncrschaft crfordert neue Einstcllungcn und Verantwortlichkeiten auf bciden Seiten. Wihrend sich die Frauen bemühen müssen, ihre Fihigkeitcn zu entwickeln und verstiirkt eine aktive Rolls in allen Bereichen dcs Lebens zu spielen, mfisen die Minncr Ermutigung und Untetstiitzung leistcn.
Dies muß geschehen, indem sie den Beitrag von Frauen schitzcn lernen und in den Institutionen der Gesellschaft Raum für sie schaffen. Eine solche Neubewertung und Vcriinderung alter Einstellungen und Verhaltensmuster ist schwierig und kann nicht nut durch Gesetzgcbung, Konferenzen Oder ideologischc Gebote erreicht weden. N otwendig ist eine wahrhaftc Bewußtseinsentwicklung. Das bedeutet, daß wir die geistigc Dimension dieser Partnerschaft vcrstchen müssen. Denn es ist die geistige Dimension (163 Lebens, die uns dazu bcwcgt, in uns selbst das zu suchen, was wahr und richtig ist und was uns folglich motiviert, die aufrichtige und echte Verandarung herbeizuführen. D
 
Während sich die Frauen bemfihen müssen, ihre FE-ihigkeiten zu entwickeln und verstérkt eine aktive Rolle in allen Bereichen des Lebens zu spielen, müssen die Méinner Ermutigung und Unterstiitzung leisten. Dies muß geschehen, indem sie den Beitrag der Frauen schätzen lernen und in den Institutionen der Gesellschaft Raum für sie schaffen.
In Uganda nahmen Bahá'l an einer Parade im Distrikt Mubende zur Feier des Internationalen Frauentages am 8. März 1993 teiL
 
 
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tn Badan, Kamerun, setzten die
Teilnehmer des Projektes das,
was sie über die Gleichberechtigung von Mann und Frau
gelernt hatten, in traditibnelle
Lieder und Ténze um.
»Bahnbrechend bei diesem Projekt ist, daß es die Mfinner mit einbezieht. Viele Frauenprojekte beziehen nur Frauen ein, aber wenn das Ergebnis nämlich ist, daß wfitende Frauen in einer Ecke sitzen, wird das überhaupt
nichts veréndern.Pamela Brooke,
Beraterin für Entwicklungskommunikation
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Das Geheimnis für erfolgriche Entwicklung: Férderung der Frauen
 
Die Projektzicle sind darauf ausgcrichtet, cine bessere gesellschaftlichc und Wirtschaftliche Entwicklung in der gesamtcn dérflichen
>>Bahnbrcchend bei diesém Projekt ist, daß es die Minncr mit einbeziehm, meinte Pamela Brooke, eine unabhiingige Bcraterin für
Gemeinschaft zu fordcm, indem zuerst der .Entwicklungskommunikation, diecngagiert
Status der Frauen untcr Einsatz und mit Mittcln der traditioncllen Medicn der Dorfbcwohner - Theater, Lieder und Tinze — angehoben wird.
»Mit diescm einfachen Konzept vermitteln wirviele Botschaftem, sagt Mona Grieser, die intcmationalc tcchnische Projektlciterin. »Es sind Botschaftcn über die Verantwortljchkeit der Vatcrschaft, die Wichtigkeic der Gcldvcrwaltung und der Partnelschaft inncrhalb der Familien. Aber das wichtigstc war der hohe Anteil an Minnem untcr den Zuhdrem. Und cs sind in crstcr Linie die Minnet, die wir zu erreichen hoflen.<<
Das Ziel dens UN I FEM/ Bahá’í—Experiments untcr demnTitel >>Traditionelle Mcdien als Mittel zur Anderung<< ist die Vcrbindung allgcmein anerkanntcr Vorstellungen zur Entwicklungszusammenarbeit mit der Férderung der Gleichbcrcchtigung der Frauen. Doch sein kcnnzeichnendstes Mcrkmal ist das Ausmaß, in dem es versucht, sowohl Frauen als auch Männer in den Prozeß mit einzubcziehen.
wurde, um bei dem Proj ekt in Malaysia technische Unterstiitzung zu leisten.
»Vielc Frauenprojekte bczichen nur Frauen ein. Die Bahá’í hattenjedoch das Gcfiihl, daß Veränderungcn durch einen Prozeß der Beratung zwischen Frauen und Minnem bcsscr gefdrdert wcrden können<<, sagte Frau Brooke. >>chn das Ergcbnis nimlich ist, daß wiitcnde Frauen danach wfitcnd in einer Eckc sitzen, wird das überhaupt nichts vcrindem, Dieses Projekt wird mit Mitteln der UNIFEM gleichzeitig in Kamerun, Bolivien und Malaysia durchgcfiihrt, wo etabliertc nationale und 6rtliche Bahá’í—Gemeindcn praktische Mittel und cin Netz motivierter frciwilliger Helfer zur Verfiigung stellcn.
I Zeichen des Etfolgs
Das Proj ckt strebt in erster Linie an, Verhalten zu indem. chn auch Vcrhaltcnsvcrindemngen — im Gegensatz zu Bemfihungcn um die Bcrcitstcllung konkreter Produkte für die Landwirtschaft Oder für Impfungcn kaum quantimtiv zu fissen sind, so gibt es
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dennoch becindruckende Erfolgshinweisc sowohl in Form von Einzelberichten als auch durch Statistiken.
Nach Untersuchungcn und Bcrichtcn von AuBcnstchenden, die die sieben D&Srfer in der Ostprovinz Kameruns besucht haben, in der das Projekt durchgefiihrt wird, haben die Männer hier angefimgcn, den Frauen aufden Feldcm zu helfen. Sic beratcn mit ihnen gemeinsam über die Familicnfinanzcn und sic riumen ihnen eine größere Beteiligung beim Entschcidungsprozefi der Gemeindc cin.
»Es finder eine Veriinderung statt<<, sagtc Madeline Eyidi, ranghöchste Programmassistentin imBiiro des Entwicklungsprogramms derVereinten Nationen (UNDP) inYaoundc, Kamcrun. Frau Eyidi, die im Sommer des letztcn Jahrcs eine Woche im Projcktgebiet vcrbrachte, meinte anschließend: >>Die Fraucn haben sich traditionell um die Farmarbeit gekümmert, aber ich sah, wic die Miinner anfingen, sich zu bctciligen. Sic helfen den Frauen. Ich denkc, das Projekt ist wunderbar. Nach Tiati 2‘1 Zock, dern nationalen Koordinator des Projektes in Kamerun, ergab eine Untersuchung, die Anflmg 1992 in 45 Familien in allen siebcn Dérfem durchgefijhrt wurde, (138 die Minncr praktisch alle finanzicllen Entscheidungen allcine getroflen haben. Eine Nachuntetsuchung imJahre 1993 erbrachte, daß über 80 Prozent der Familien jetzt diesc Entscheidungen in Beratung zwischen Mann und Frau treffen.
Eine weitcre eindrucksvolle Statistik: In Badan ist die Anzahl der Miidchen, die in die Dorfschulc gcschickt werden, seit Projcktbeginn um 82 Prozent gestiegen.
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In Bolivien wird das Projckt derzcit in acht Dérfem der Provinz Chuquisaca im mittleren Siidcn des Landes durchgefiihrt. Im Dorf Poqonchi, in dem das Projckt am lingsten läuft, wugden bei Diskussionen in den Zielgruppcn Äußerungen gemacht, die erkennen lassen, daß Frauen sichj etzt mehr an den Entscheidungen in der Gemeinde betciligcn und Cher bereit sind, ihren Wunsch nach Fortbildung zu duch sowic von den Minnem mehr Hilfe bei der tfiglichen Hausarbeit erhaltcn.
Außerdcm wurde kiierich eine Frau in den Poqonchi Sindicato gcwihlt, eincr Art politischen Gemeinderat. Sic ist die erste Frau, die
dortjc in den Sindicato gewiihlt wurde, und
kurz nach ihrcr Wahl wurde eine Resolution vcrfaBt, die eine größere Beachtung der Frauenbclange forden.
In Malaysia, wo das Projekt in zwci Dérfcrn und einer stidtischen Gemeinde durchgcfiihrt wird, sind die Frauen jetzt ebenflills mehr in die Gemeinde—Entscheidungen einbczogen. (Die Anzahl der Frauen, die in die 6rtlichen Bahá’í—Verwaltungsrite gcwihlt wurden, ist seit Projcktbeginn angesticgcn.)
Die schwcrwiegcndsten Anderungen sind in Kampong Remun zu verzeichnen, einem kleinen entfemten Dorf in Sarawak, wo das Projekt eine Vielzahl von Begleitcrscheinungen hervorgebracht hat. Die Dorfbewohner haben die Projektmcthoden eingesetzt, um die Gemeindcprobleme zu identifizieren, haben einen Gemiisegarten angelcgt, neue Toiletten gebaut und Alphabetisicrungsklassen fiir Erwachsene eingenchtct, die hauptséichlich Für Frauen gedacht sind, an denen sich abet auch Männer beteiligen können.
 
Lander, in denen das UNIFEM / Bahá’í-Projekt durchgeführt wird:
 
     
SUDAMERIKA
In Kampong Remun, Malaysia, entstand durch das Projekt eine Vielzahl an Aktivitéten. Nach der Analyse der 6rt|ichen Probleme haben Gemeindemitglieder einen Gemusegarten angelegt, neue Toiletten gebaut und Alphabetisierungsklassen eingerichtet, die vorzugsweise von Frauen genutzt werden sqllen.
 
 
Während der Projektsitzungen wurden die Teilnehmer in allen drei L’éndern gebeten, die verschiedenen Aufgaben genau aufzulisten, die von Frauen beziehungsweise von Ménnern ausgeführt werden. In fast allen F'éllen war die Liste der Frauenaufgaben lénger - was fUr die Ménner oft peinliche Momente bot und sie stark beeindruckte. Rechts sieht man eine solche Liste,- die w'éhrend einer Projektsitzung in Kamerun erstellt wurde.
»Schauspie|er, Téinzer, Puppenspieler, Ringmeister, Singer die Botschaft, die sie überbringen, wird von der Gemeinde sehr ernst genommen, und deshalb konnte die Botschaft den Status der Frauen heben und wird eine Gelegenheit sein, einen Dialog mit der ganzen Gemeinde aufzunehmen - aber auf eine Art und Weise, die die Männer nicht als
bedrohlich erleben. Marjorie Thorpe, Vizedirektorin, UNIFEM
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Diese drei Projekte sind Iaut J00 Jong Kung, dem nationalcn Projekt—Koordinator fiir Malaysia, 3116 aus einem beratenden Pro268 entstanden, bei dem Männer und Frauen beteiligt warcn.
>>In derDorfgemeinde werden Sie die Männer selten dazu bringcn, daß sie sich mit den Frauen zusammcnsctzen und mit ihnen beraten, aber das Projekt gab den Frauen eine Chance, die Problems anzuschncidcn, denen sie gegenüberstehen<<, sagte Frau Kung,
Inzwischen wird weltweit die Bcdeutung dcs Konchts ancrkannt, Frauen in jede Entwicklungsbemfihung mit einzubeziehen. Zahlreiche Studien und statistischc Indikatoten zcigcn, daß Frauen weitaus sensibler und lemwilligcr aufGesundhcits—, Bildungs— oder sonstige Projekte privaten Engagements ansprechen, wodurch das Wohlergehen der gesamtcn Familie und der Dorfgemcinschaft gezielt gefdrdert wird.
»Wir Sind fibcrzeugt, wenn Frauen gleichberechtigt in das Feld der Entwicklungsarbeit eintreten, wird dies ambcsten den Wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt sichcm<<, sagte Marjorie Thorpe, Vizedirektorin von UNIFEM. >>Wir werden dann nicht nur die Lebensqualitiit der Frauen verbessem, sondem die Lebensqualitlcit der Männer, Frauen, Kinder, die Lebensqualitit allen„
I Die Mcrkmale dicses Ansatzes
Das Projekt hat einen flacettenreichen Ansatz zur Eneichung dieses Zicles. Wenn auch verschiedene Elemente diescs Projcktcs, wie z.B. der Einsatz traditioneller Medien zur Kommunikation neuer Ideen, bereits in der Vergangenheit angewandt worden sind, so
 
unterscheidet sich diesés Projekt durch die Integration von Vorstellungen, die aus einer Vielzahl von Quellen — damnter auch die Bahá’í—Lehren — stammen.
Im Kern basicrt disses Projekt auf den folgenden Komponenten:
0 Es istbestrebt, die Menschen vor Ort unmittclbar in die Analyse ihrcr Probleme zu integricrcn, indem sie zunichst im Einsatz modemcr Analysetechnikcn wie z.B. gezielte Befragungen und allgemcine Gemeindeerhcbungen wie apch in der Bahá’í—Beratung geschult werden.
0 Durch die Einbringung eincs cthischen Prinzips bzw. Zielcs erhalten die Analyscergebnissc eine Richtung, in dicscm Falls die Gleichbcrechtigung von Frauen und Minnem.
O Schließlich wird die angestrebte Veranderung in der Gemeinde über den Einsatz von in den Kulturen gewachsencn und den Menschen vertrauten Median wie Theater, Lied und Tanz kornmunizicrt.
Obwohl das Untemchmen durch BahiiGcmeindcn in den einzclnen Regionen organisiert wird, ist immer die gesamte Bevölkerung einbezogcn. »Eincr der Vorteile in der Zusammenarbeit mit den Bahá’ís ist ihre starke Verbindung mit der Basis«, sagte Marjorie Thorpe als Erklärung, warurnUNIFEM dieses Proj ck: finanziert. »Sie sind nicht elitirA Sic haben Mitglieder und cigene lokalc Strukturen an zahlrcichen Orten der Welt und sind deshalb besonders als Partner für Entwicklungsprojektc geeignet. Die Erfahrungen zcigten, daß ein Anteil von ein bis zchn Prozent Bahá’í an der Bevél
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kerung ausreichtc, um mit den artlichen Bahá’í crfolgreiche Projektc durchzufiihrcn. l Der Projcktverlauf
Das Projekt begann in jedcm Land mit eincr Schulung auf Landcsebenc, bei der die ortsansissigen Bahá’í auf ihren Erfahrungen in dchahé'i—Gcmcindearbeit aufbaucnkönnten.
Zuerst gab es einen Aufliischungskuts zu den Bahá’í—Bcratungsprinzipien, einer Mcthode der komultativcn Entscheidungsfindung, die von den Bahá’í—Gcmeindcn auf allen Ebenen angewendct wird.
»Eine Schulung in Bahá’í—Beratung hilft, Respckt für die Meinung anderer zu lemen, und das ist für Frauen sehr wichtig<<, sagtc Lee Lee Ludher, ein Entwicklungsbcratcr in Malaysia, >>denn vielc Frauen meinen, daß ihre Meinung nicht wichtig sei. Die Proj cktteilnchmer wurden in modernen Datenerfassungstechniken unterrichtct, in der systematischen Feststellung der Gcmeindcbedfirfi’lisse, in der Zusammenarbcit mic ausgewihlten Zielgruppcn, in der Bcrichtcrstattung sowic allgemein in Organisanon.
Die frisch trainierten Teilnehmer der Schulung auf Landesebenc wurden dam in ihre Gemeinden zurückgeschickt, um don Eihnliche Kurse auf firtlichcr Ebcnc durchzuführen.
Das Ergcbnis war die Gründung einer Kemgruppevon Projektfreiwilligen in jedcmDorf. Dicsc bildetc sich in der Praxis meist aus Mitglicdcm dcs firtlichen Bahá’í—Rates. Diese sogcnannten >>Gcistigcn Rite« sind die gcwihlten lokalen Entscheidungsgremien der Bahá’í—Gemeinden. Zu ihrcn Aufgaben zihlt ohnehin die Analyse der 6rtlichen Bediirfnisse und die Erarbeitung von Aktionspliinen zur Fdrderung der Wohlfhhrt am On.
Nach den 6nlichen Schulungen besuchtcn die Projektfreiwilligcn die Dorfbcwohner, um si¢ nach ihren Belangen zu fragen. In einigen Fallen wurdcn in diescr Datenerfassungsphase Video— und Polaroid—Kamcras _eingesetzt, da nicht alle Freiwilligcn schrcibkundig waren.
Die Analyse konzentriertc sich in allen Lindem darauf, wie sich die Gleichbcrcchtigung der- Frauen bzw. der Mange] daran auf die Probleme vor Ort auswirkt.
Dies stellte man in der Regel mittels Listen fest, in der Männer und Frauen die Arbciten und Aufgaben auflistetcn, die sie zum Gemeindeleben beistcuerten. »Der Unterschicd in der Arbeitsbelastung war stets sehr verblfiflend. Den Minnem war es in der Tat oft sehr pcinlich, weil in keinem Fall ihre Listc
auch nur halb so Lang war wie die der Frauem, sagte Dr. Richard Griescr, einer der ersten Ausbilder in Kamerun.
Nachdcm die lokalen Probleme identifizicrt watcn, wurde die Gcmeindc gebctcn, die Ergebnisse in kultureigene Medien umzusetzcn wie z.B. Lieder, Tinzc, Geschichtcn und Theaterstiicke. Einheimischc Kiinstler und Schauspieler wurdcn zur Teilnahme ermutigt. Dicsc Geschichten, Theatersnicke, Lieder und Tinze wurden dann der gesamten Gemeindc bei Fasten und andercn Zusammcnkiinftcn vorgefiihrt.
I Weltwcit die gleichen Problcmc
Die Tcilnehmer identifiziencn bereits zu Beginn des Projcktcs an allen drei Orten die glcichen grundlcgcnden Problemc. Die Projckttcilnchmernannten mchBeratungcnhierüber folgcnde Pnorititen an Problemen, die zur Lösung anstanden: 1) Analphabctentum der Frauen, 2) Mißwirtschaft des Familieneinkommens durch die Männer und 3) die ungerechte Arbeitsbelastung der Frauen.
»Die Dorfbewohncr stellen bcrcits in der Problerrfldentifizicrungsphasc von sich aus fest, daß Frauen glciche Rechte habcn müssen und daß sie Wichtiges für die Gemein
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Bei der Identifizierung der Gemeindeprobleme wurden an allen drei Projektorten auch Polaroid-Kameras eingesetzt, um die unterschiedlichen Sichtweisen der Frauen und Ménner »sichtbar« zu machen. In allen Orten wurden zwei nach Geschlecht aufgeteilte Gruppen gebeten, Fotos über aus ihrer Sicht besondere Aspekte des Gemeindelebens anzufertigen. Bild unten: Eine Bolivianerin, die an diesem Projekt teilnahm. Sie tr'égt Wasser - eine mfihsame Arbeit, die von den Frauen des Dorfes jeden Tag ausgefiihrt wird.
 
 
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schaft anzubieten habem, meinte der Kamcruncr Tiati :1 Zock. »Viele Männer erkenncn
jetzt, daß die Frau die Fihigkeit besitzt, Geld zu vcrwalten, und zwar vicl bcsscr als vielc Männer, die oft zuvicl fijr Alkohol ausgeben. Und so ist cincs der Ergebnissc diescs Proj ektcs, daß in den mcistcn bctciligtcn Familien jetzt die Frau das Geld vcrwaltet — Oder daß sic zumindest gemeinsam darüber beraten, wie das Geld ausgcgeben wird. In Malaysia wurden ihnliche Probleme festgcstcllt: »Eines der großen Problcmc in Malaysia ist die mangelnde Erziehung und sind die geringcn Chancen für Midchen und Frauem, meinte Lee Lee Ludher vonMalaysia. »Aber nachdem die Probleme aufdicse sanftc, unaufdringliche Weise angcgangen wurdcn,
lm Dorf Poqonchi, Bolivian, haben einheimische Musiker Lieder über die Notwendigkeit geschrieben, den Status der Frauen zu heben. Aussagen von Dorfbewohnern lassen erkennen, daß Frauen sich jetzt mehr an den Entscheidungen in der Gemeinde beteiligen, eher bereit sind, ihren Wunsch nach Fortbildung zu äußern und von den Ménnern mehr Hilfe bei der tfiglichen Hausarbeit erhalten.
   
 
 
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
sind sich die Menschen nun einig, daß diese gclést werden müssen. Auch in Bolivicn wurden die Ungleichheit der Erziehung und Arbeitsvertcilung als die Hauptprobleme crkannt.
I Die nichstc Phase
Die Idee für diescs Proj ekt ist aufcin Statement der Intematiomlen Bahá’í—Gemeinde bei der 32. Sitzung der Kommission der Vereintcn Nationen über den Status der Frauen zurückzuführen. Diescs Statement befaßte sich mit der Notwendigkeit, Verhaltensweiscn zu indcm, die dem Akchtiercn der Gleichberechtigung der Frauen cntgcgenstehen, und stellte fest, daß »ein Hauptzicl bei Entwicklungsprojekten für Frauen sehr wohl die Minuet scin k6nncn. Frau Margaret Snyder, die seinerzeitige Dircktorin der UNIFEM, war von dieser Vorstellung beeindruckt und wandtc sich wegen der Durchfiihrung eincs gemeinsamen Projektes an die Internationale Bahá'iGemeinde. Im Oktober 1991 wurde das Pro jekt nach etwa dreiJahrcn Vorbereitungszcit
in Angriffgenommen. Die erste Phase wurde im September 1993 abgeschlossen.
Der UNIFEM—ZuschuB an die Internationale Bahá’í—Gemeinde betrug für diese erstc Projektphase insgesamt 205.000,— US—Dollat, cin relativ gcringer Bctrag im Vcrgleich zu anderenEnmzicklungsprojektcnund wenn man berücksichtigt, dAB dieses Proj ckt in drei Lindem durchgefiihrt wurde und über einen Zeitraum von zwcijahren lief.
Die Bahá’í—Gemeindc hofli nicht nur, das Proj ekt fonzusetzen, sondem auch aufandere Orte ausdehnen zu kénncn.
»Es wurde von beteiligten Bahá’í—Gemeinden bcreits Interesse bekundet, das Proj ekt in die nichste Phase zu fiihrem, sagte Mary Power, Direktorin des Biiros der Intemationalcn Bahá’í—Gcmcinde für die Férderung von Frauen, das das Proj ekt aufintcmationaler Ebcne abwickelt. »Diese Gemeindcn habcnjetzt einen Führungsstab von geschulten Bahá’í-Beratem, auf den man in den Zielliindem zurückgrcifen kann und der auch für technische Hilfc für andere Linder eingesetzt werdcn kann. Die Bahá’í—Gcmcinden in N igeria undBrasilien haben in Zusammemrbeit mic der von der UNIFEM finanziettcn Aktion ihrc eigenen Pilotprojekte >>Traditionelle Medien als Mittel zur Anderung<< ins Lebcn gerufen. Außerdem haben {inliche Bahá’í—Gemeinden in Malaysia, nachdemsie den Erfolg ihrcr N achbam geschen haben, kürzlich ihre eigenen mediengcstiitzten Proj ekte zur Fijrderung der Frauen gestartct. Cl
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Stimmen von Projektteilnehmern In Kamerun:
Das Projekt hat mich betroffen gemacht. Mir war nicht bewußt, daß Ménner den Frauen bei der Arbeit im Haus helfen können. Ich bin glücklich, daß ich dank UNIFEM elernt habe, nun meiner Frau mehr zu elfen. Unser Zusammenleben hat sich verbeSsert. Ich berate mich mit meiner Frau, bevor ich Geld ausgebe. Zuvortat ich dies vornehmlich fflr Alkohol. Auch habe ich aufgehört, meine Frau zu schlagen: Niemand mehr im Dorf schlé t seine Frau, seit wir das UNIFEM-Proje gemacht haben. - Aoudou Jean, 31, ein Grundschullehrer in Badan.
Das Projekt ist gut, denn mein Mann hilft mir nun z.B. bei der Brennholzsuché.‘ Ich werdejetzt von meinem Mann respektiert. Wenn ich etwas sage, hört er mir jetzt zu und achtet bei seinen Handlungen darauf, meine Meinung zu berücksichtigen. lm Rahmen des Projektes gab es ein Theaterstfick über die Erziehung von Médchen und eines darüber,wie man mit Geld umgeht. Beides gab uns neue Ideen für unser Zusammenleben. - Gbane Odette, 42, Béuerin und Mutter von sieben Kindem im Dorf Yoko-Sire.
Am Anfang bedeutete mir das Projekt überhaupt nichts. Spéter erst entdeckte ich dessen Vorteile. Jetzt sehe ich, daß mein Mann, der mir vor dem, Projekt nicht half. sich nun ge‘éndert hat. Wir arbeiten zuhause und auf dem Feld zusammen. ~Mein Mann hilft mir jetzt mehr bei der
 
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Hausarbeit, von der er frflher dachte, daß sie die alleinige Aufgabe der Frau sei. Er trägt das Baby, spfilt das Geschirr und wfischt Wésche. Ich Iernte auch die Wichtigkeit der Kindererziehung und versuche etzt, mich besser um sie zu kfimmem. Ich
ekam diese Ideen durch Lieder, die wir bei dem Projekt gemeinsam gesungen haben, weil ich über die Lieder sehr gut zuhörte, was gesagt wurde. - Zongayina Delphine, 36, Bé'uerin und Mutter von sechs Kindern im Dorf Ndokayo.
Hier im Dorf waren die M'énner und Frauen nicht gewohnt zusammenzuarbeiten, aber durch das Projekt war ich Überrascht zu sehen, daß sie Hand in Hand arbeiten können. Ich habe die Verénderung in meinem eigenen Leben erlebt. Was die Gleichberechtigung von Mann und Erau anbelangt, so sehe ich, daß es eine Anderung im Verhalten der Ménner gibt. Jetzt beraten sie sich mit ihren Frauen. Und ich tue dasauch. Vor dem Projekt hatten wir große Vorurteile, was Frauen mit Geld machen würden, jetzt beraten wir gemeinsam. Ich helfe ihr beim Saubermachen im Haus usw. - Dinge, die
ich nie zuvor getan habe. - Dimessi Denis, 42, Bauer im Don Ndokayo.
Mein Mann berét sich jetzt mit mir, bevor er Geld ausgibt. Er hilft mir nun bei der Arbeit im Hause, 2.8. beim Zerstampfen von foufou und beim Sammeln von Brennholz. Ich kannjetzt in der Offentlich keit vor der Menschenmenge reden und sugar in einem Theaterstijck auftreten! Nandiba Marguerite, 34, Bé‘uerin und Mutter in Badan. CI .
Studien auf der ganzen Welt haben gezeigt, daß von Frauen die Übernahme von weit mehr Aufgaben erwartet wird als von Ménnern. Nicht nur, daß von ihr immer héufiger erwartet wird, auf dem Feld oder in der Fabrik zu arbeiten, sie so|| daneben weiterhin kochen, saubermachen und sich um die Kinder kfimmern. Links ein Teilnehmer am UNIFEM-Projekt in Kamerun.
 
 
In den armen Gegenden von Portici, Italien, sind die Wohnungen Uben‘fillt und deshalb spielt sich ein Großteil des täglichen Lebens auf der Straße ab. Eine Bahá’í-Musikgruppe singt den Anwohnern Lieder von Einheit und Frieden.
Die italienische Bahá’í—Gemeinde war betroffen darüber, wie wenig die tieferliegenden Grfinde für das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des AusgestoBenseins vieler Menschen in Portici angesprochen wurden.
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Férderprogramme und geistige Unterstfitzung affnen jungen Menschen in Italien neue Horizonte
PORTICI, Italien. — Zwischen Vulkan und Mittelmeer liegt eine kleine ncapolitanjsche Stadt, die bcrühmt ist für ihren herrlichen Botanischen Gartcn, der einst ein Teil dcs königlichen Sommerpalastes war. Portici, acht Kilomctcr siidlich von Neapel, hat immer noch seinen Teil an reichen und blaubliitigen Einwohnem, die auf der Anhéhe über der Stadt wohnen und den herrlichen Ausblick auf den Golfvon Neapel genieBen.
Doch neben dicsem aflstokmtischen Touch hat Portici auch das Privilcg, die Stadt mit der höchsten Bcvélkerungsdichtc in Europa zu sein. Rund140.000 Einwohner dringen sich auf ein Gebiet von nur vier Quadratkilometern.
Dicse hohc Bevölkerungsdichte blcibt nicht ohne Konscquenzcn. Wihrcnd die Reichen aufder Anhéhc leben, wohnt in den Niederungen der Stadt in vollgcstopften Siedlungen eine der Eirmsten Bevölkerungsgruppen des industrialisicnen Europa.
Die Armut bcglciten dieselbcn sozialen Probleme, wie sie wcltwcit in stidtischen Ghettos zu findcn sind: Arbcitslosigkeit, mangclnde Bildeng, Drogcnmißbrauch, Schwan gerschaftcn Mindexjiihriger und Alkoholismus.
Obwohl Italian eine umfangrciche Palette sozialer Programme anbietct, die diese Problemc aufgreifcn, war die italicnjsche Bahá'iGemeindc trotzdembesorgt, daß nicht genug gcmn wfirdc, um die dicscn Erscheinungen zugrundelicgcnde Hoffixungslosigkeit und das Gefühl des AusgcstoBenseins zu bckfiimpfen, die von vielcn Einwohnern Porticis empfunden wcrden.
Deshalb hat die Bahá’í—Gcmeindc cin sozio6konomischcs Entwicklungs—Pilotprojekt in Ponici gestartet, das eineg vielseitigen Weg cinschligt, um bei den Armsten der Stadt individuclle Menschenwürde und Sclbstwertgefiihl zu fdrdcm.
>>Obwohl der Staat bemüht ist, ein ganzes Netzwcrk von Dicnstleistungen für die Armcn anzubictcn, so gibt es doch vicle Lfickcn und es ist ihm nicht möglich, psychologischc und spintuelle Hilfc zu 1eisten<<, sagt Franco Ceccherini, der Sekrctiir dcs Nationalcn Geistigen Rates der Bahá’í in Italien, dem natio nalen Verwaltungsgremium der italienischen Bahá’í—Gemeinde.
 
 
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Das lokale Bahá’í—chtrum bildet den Mittelpunkt der Aktivititcn in Portici. Seit 1992 offericrt das Zentrum freien Lese— und Rechtschrcib-Férderunterricht, sowie Moral— und Ethik—Unterricht für Kinder und bietet als Treffpunkt für geflihrdetejugcndliChe eine Atmosphiire an, in der cs keinen Zwang gibt, Drogen zu nehmen, Alkohol zu trinken oder scxuelle Erfihrungen zu sammeln.
Disses Angebot hat einer Zahl vonjugcndlichen geholfcn, ncuc Horizonte zu entdckken. Gianluca Bufl'o, ein siebzehnjfihfiger Stahlarbeitcr, der wegen seines schlechten Benehmens die Schule verlasscn mußte, hat cine Ausbildung als Sozialarbeiter begonnen, scit er den Férderuntcrficht im Bahá’í-chtrum bcsucht. Er sagte, daß der Férderunterricht im Zentrum ihn nicht nur motiviert habe, seinen Gymnasialabschlufl nachzuholen. Die Atmosphlirc dort habe ihm auch gcholfcn, seine Einstellung gegenfibcr andercn zu verindem.
»Ich bin jctzt vertraucnsvoller und rcspektierc andere mehr«, sagtc Gianluca Buffo und crkliirte, daß er, bevor er zum Zentrum kam, oft Alkohol getrunkcn habe und aggressiv gewesen sci.
»Das Bahá’í—Programm hat mich eine Scite an mir entdcckcn lasscn, die andercn helfen will«, sagtc er. »Ich hätte vorher nic gcdacht, daß ich diese Fihigkeit habe. Ich kann das nicht gut erkliiren, abcr ich bin der Meinung, daß ich meincm Leben etwas Wert geben muß. Gianluca Buffo erziihlt, daß Viele seiner chcmaligen Frcunde immer noch alkohol oder drogenabhingig sind und daß sie ihm leid tun. »Sie arbciten allc in schr cinfichen Berufem, sagt er, »sind Zimmermann oder Verkiufer im Obst— und Gcmiisehandel. Sic haben kcine Zukunfi. Aber für mich bcdeutct die Zukunftjctzt, daß ich Sozialarbciter werdcn méchtc, damit ich den Menschen helfcn kann zu lemcn und sich zu entwickcln. Die Bahá’í—Gemcinde glaubt, daß das gréfitc Hindemis für den Fortschritt in Portici ein Mangel an Sclbstachtung und Wiirdc ist. »Die Leute hier leben in einer modemen Gescllschafw, sagt Franco Ceccherini. »Sic haben Radio und Femschen. Deshalb sehen sie dic Möglichkeiten, die das chen zu bicten hat. Wit haben ihnen geholfcn zu vcrstehen, daß sie ihr Verhalten [atsichlich indcm und einen menschenwürdigen Antcil am Leben erwerben können. Auch Eva Sangermano hat einen neuen Weg eingeschlagen, zum Tcil dank der Untetstiitzung des Bahá’í—Zentrums. Obwohl schr aufgcweckt, so waren die Aussichten der 21—jihrigen Frau doch durch die Tatsachc eingeschriinkt, daß sie verwitwct und Mutter einer siebenjiihrigcn Tochter ist. Wie viele anderc Jugendlichc in Portici sah sie ihr Leben dahindriften und hatte kcine Hoffnung für die Zukunft.
Wihrend der letzten eineinhalb jahrc jedoch hat sie Férderklassen im Bahá’í—chtrumbasucht mjt der Hoflhung, ihren Gymnasialabschluß zu machen. Bcvor sie den Unterricht dort bcgann, sagtc sic, »fiihltc ich mich ziellos. Ich war ma] hier, mal dort. Jetzt habe ich cin Zicl, und das bfingt mehr Ruhe
in mcin Lebcrm
 
Das 6rt|iche Bahá'iZentrum bildet den Brennpunkt Für die Aktivitéten. Seit 1992 werden dart Rechtschreibprogramme, Ethikunterricht und Programme für die entwurzelte Jugend angeboten, damit sie sich dart in einer Atmosphfire ohne sozialen Druck in Richtung Alkoho|-, Drogen- oder Sexkonsum treffen kann.
Den Mittelpunkt der Projektaktivitéten in P_ortici bildete das Bahá’í—Zentrum. Das nebenstehende Foto zeigt die Einweihungsfeier des Zentrums, die am 14. September 1991 stattfand, und bei der auch Dr. Luisa Barbin, die 2. BOrgermeisterin von Portici, sowie Mitglieder des Nationalen Geistigen Rates der Bahá'l in Italien anwesend waren.
Thelma Khelghati, stehend, war eine von etwa dreiBig Bahá'iRednern bzw. -Rednerinnen im Rahmen des Parlaments der Weltreligionen. Sie sprach zum Thema »Auf der Suche nach Spiritualitét: geistige Flfigel und praktische Füße«.
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»Ohne diesc Hilfe wire mcin Leben ein Chaos. Ich könntc keinen Abschluß machen. Es wire unmöglich, denn das Umfeld hicr ist nicht gut. Die Außenwelt ist ein cinziges Chaos. Außenstehende meinen, daß die Bahá'iGemeinde auf dem richtigen ch ist, die Probleme inPortici anzugehen. Dr. Margherita Dini Ciacci, Prisidentin dcs italjenischen Regionalcn Komitecs für die UNICEF, ist die Arbeit der Bahá’í—Gemcindc bekannt. »Der Erfolg cincr Gruppe wird an der Teilnahme der Leute an ihrcn Programmen ge
mcsscm, sagt Dr. Ciacci. »Dic Tatsache, daß
die Bahá’í den richtigen Weg gehen, wird
durch die steigendc Nachfrage der Bevölkerung von Portici nach diesen Programmen
demonstricrm
»Freiwillige und rcligiése Organisationen leisten in diesem Gebiet, das arm an kulturellcn, sozialcn und Freizeit—Angcboten ist, nützlichc Arbcim, sctzt sie hinzu. »Speziell dadurch, daß die Bahá’í aufder Scitc der Kinder stehen, hclfen sie mit, durch Solidaritiit und Licbc Fricden zu stiftcn.« CI
 
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Parlament der Weltreligionen bringt 7000 Gläubige aller Religionen zusammen
CHICAGO. — Mchr 315 7.000 Tcilnehmer aus 56 Lindem und praktischjeder Weltreligion vcmmmcltcn sich für das Parlamcnt der Weltreligionen vom 28. August bis 5. September 1993 in Chicago.
Im chenken an den 100. Jahrestag dcs Weltparlaments derReligioncn imJahre 1893 war das Zicl des Treffens, eine neue Ebene des interreligiösenDialogs derWeltreligionen zu finden. Bahá’í, Buddhistcn, Christen, Hindus, Jains, Juden, Moslems, Sikhs und Zoroastricr wie auch Repriscntantcn vieler Naturrcligioncn kamen zum 1993er Treflcn. Am Endc der Konfercnz trafsich ein besondeter »Rat der Religionen und geistigen Führer<<, -um eine »Erklärung zur globalen Ethik« zu untcrzeichnen, ein 5.000—WoneDokument, das dicj enigen moralischen Prinzipien, die von allen Religioncn gctcilt wer den, auffiihrt und dicsc als Basis für eine tmgfihige Wcltordnung anbictct.
Die Erkllqrung sagt aus, daß die Menschheit in cnger Wechselbeziehung steht, und übersetzt die alten religiösen Grundsiitze in modemc Termini wie Gewaltfreiheit, Achtung gcgcnüber der Umwglt, Solidaritit und die Verurteilung von geschlechdicher Diskriminicrung und Ausbeutung. Die Bahá’í mhmen engagicrt an dieser Veranstaltung teil und hielten etwa 30 Workshops und Refcratc, angefangen mit dem Eréffnungsplenum bis hin zur Diskussion der Ethik-Erklirung.
»Wenn Kricg und Streit um der Religion willen gefiihrt werdcn, dann ist es ofi'ensichtlich, daß dies den Geist und die Gmndlagen allcr Religionen vcrletzt«, sagte die Repriscntantin der Bahá’í lntemational Community, Dr. Wilma Ellis, in ihren Beitriigen. D
 
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Bahá’í sammeln 40'Tonnen Lebensmittel
fiir notleidende Bevé')
DORMAGEN. — Es war cin spontanes J3, geboren aus dem Wunsch zu helfen: Als die Bahá’í in Bcrgisch—Gladbach, Bonn und Dormagen von einer bundeswciten Sammelaktion für Bosnien hörten, boten sie kurzcntschlossen ihre Hilfe an. Sic iibcmahmcn die firtliche Organisation in ihren Stiidtcn — und trugen in wcnigen Tagcn über 40 Tonnen Lebensmittel zusammen.
Ffinf große Organisationcn hatten zu der Aktion mit dem Namen »Brückc der Hoffnung<< aufgerufen, damntcr das DeutschIslamische Hilfswerk, die Gescllschaft für be drohtc Völker und Merhamct—Bonn. »Das war cndlich eine Gelegenheit, konkrct zu hclfem, erinnert sich Fiona Missaghian (21) aus Dorrmgen. Ihr Vomchlag, auch in der 70. OOO—Einwohner-Stadt am Niederrhein zu sammeln, find hier sofort vicle Frcundc, vor allem am »Runden Tisch«, einer drtlichen Initiative gcgcn Ausllinderfeindlichkeit.
Der »Runde Tisch<< brachte Hilfe von vielen Seiten: Die Stadtverwaltung richtete in jedem Dormagcner Ortsteil eine Sammelstelle cin,jeweils an einer großen Schule. Dazu ließ sie 15.000 Flugblfitter drucken. Ein katholischcr Gemeindercfcrent warb zwcimal von der Kanzel für dic »Brücke der Hoflhungm Und einige Religionslchrer ließen sogar im Unterricht die Schüler Pakete packen.
»Es macht fichtig SpaB, so einLebensmittelpaket zusarnmenzustellen<<, sagt Fiona Mis lkerung in Bosnien
saghian. »Besonders wenn man daran dcnkt, daß es bald eine Familic in Bosnien in den Hindcn halten wird. Gerade die ilteren Leute, die selbst cinmal gchungert haben, wollten aufdiese Weise helfen. Und wenn ihncn das Packen zu schwcr war, dann habcn viele von ihnen 50 Mark gespendet — also gcnau den Gegenwcrt eincs Paketcs. So wurden an zwei Tagen allein in Dormagcn 600 vollc Kanons unq 2.500 Mark gesammelt. Danach warcn 01 in Blechdosen und Bananenkistcn Mangclware in der Stadt. Auch in Bergisch—Gladbach kamcn 500 Pakete zusammen. Und in Bonn, wo eine 26jihrige Bahá’í die Aktion £15: allcine auf die Beine gestellt hatte, gab die Bevölkerung rund 3.000 Kanons und 35.000 Mark.
Die hiufigstc Frage der Spender war natürlich, ob und wie die Hilfigiiter ihr Zicl erreichen. Wihrend vor Ort gepackt wurde, habcn die fibcrrcgionalcn Organisationcn, die hinter der »Brücke der Hoflhung<< stchen, den Transport vorbereitet, das heißt: Lastwagen gemictet, UNO—Schutzsichergestelltund die Grenzformalititen geregelt.
Noch imjanuar soll der Konvoi losfahrcn — scin Ziel sind Sarajevo und andere belagcrtc Stiidtc. Don kann ein einzelnes Pakct eine fiinflcépfigc Familie eine Woche lang cmihren. Der bosnische Winter aber ist 12mg. Die AktiOn »Brücke der Hoffnung<< wird wpiter gebraucht. CI
 
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Den Muskelkater am nachsten Tag nahmen Fiona Missaghian (rechts) und Ulrike Rogge gerne in Kauf: Sie trugen nicht nur die Idee der Sammelaktion nach Dormagen, sondern auch die Pakete vom Lastwagen in ein Zwischenlager.
»Es macht richtig SpaB, so ein Lebensmittelpaket zusammenzustellen,
besonders wenn man daran denkt, daß es
bald eine Familie in
Bosnien in den HE-inden halten wird. Gerade die älteren Leute, die selbst einmal
gehungert haben,
wollten auf diese
Weise helfen.
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Fatime Traazil mit ihrem Markenzeichen, der StoffEinkaufstasche. Als Hausfrau in Singapur, wo ein Umweltbewußtsein gerade erst entsteht,‘ ergriff sie selbst die Initiative.
Erst Iangsam erkennt die Bev6lkerung, welche Bedeutung die täglichen kleinen Mühen für die Umwelt haben - ein BewußtseinsprozeB, zu dem Mrs. Traazil beigetragen hat.
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Schutz der Umwelt beginnt beim E
      
2r
inkaufen:
»Grüne Hausfrau<< istVorbild für Millionen
 
SINGAPUR: — Was hat die Hausfrau Fatima Traazil mit McDonald's gemein? Weit mehr als Kochrezepte: Wenn sie und die Manager des Big Sunday Royal sich zusammen an cinen Tisch setzen, dann plancn sie ein sauberes, gesundes Singapur. Als Nationals: Umwclttat unterstützen sie die Regicrung in Sachen Umwcltschutz. Unter den hohcn Beamten und Geschiftsleutcn hat Fatima Traazil eine einmalige Position: Sic ist das cinzige Mitgljed von der Verbrauchcrbasis.
In der Millioncnstadt ist Fatima Traazil keinc Unbekanntc mchr. »Singaporc Television« bcrichtctc über ihre Art einzukaufen: Wenn sie zum Markt gcht, hat sie stets ein Sortiment von wiederverwendbarcn Plastikund Metallbehiiltcm dabci. Scit Jahrcn bcnutzt sie dieselben Stofftaschen. Und dic siebzehn Treppen von ihrer Wohnung hinunter zur Straße liiuft sie mcistens zu Fuß, um den Strom für den Fahrstuhl zu sparen. Selbstvetstiindlichkeiten, könnte man meinen.
Doch der asiatischc Inselstaat hat Nachholbedarf in Sachem Umweltschutz. Erst langsam erkennt die Bevélkcrung, welche Bedeutung die täglichen klcincn Mfihen für die Umwclt haben — cin BewuBtscinsprozeB, zu der Mrs. Traazil beigetragen hat. 1990 entwarf und druckte sie aus cigener Initiative 100.000 Flugblitter zum Therm »Ozon, die Umwcltvcrschmutzung und Sie«, geschfieben auf Englisch und Chinesisch — und natürlich auf Recycling—Papicr.
Noch im selbcn jahr kaufte sie tausende vonbiologisch abbaubaren Plastiktiiten. Die se wurden zwar in Singapur produzicn, abet nicht dort vertrieben, und so waren sie für die Handler nicht erhiltlich. »Ich verkaufte sie an die Ladenbcsitzer und machtc bcijedem 500a Paket ein paar Dollar Vcrlust«, crzihlt sic. »Doch für die Kaufleute kosteten sie damn ganauso viel wie die normalen Tfiten. Es ist die Liebe zu ihrcn Kindem gewescn, die sie veranlaßt habc, sich auf diesc private Kampagne einzubssen. »Ich wollte den Schlamassel wieder bcscitigen, zu dem ich selbst bcigetragen habe<<, sagt Fatima Traazil. Ihr sci klar gewordcn, daß die Menschheit all die Umweltproblcme, die sie heute verursachc, weitervererbcn wcrde. Kurz vorher war sic Bahá’í geworden. In ihrem Engagement für die Umwelt erkannte sie einen Weg, der Menschheit zu dicnen. »Bahá’í zu scin, vermittclt eine klarcrc Vision derDingc. Ich sehe meine Beziehung zur Umwelt 313 Teil mciner Bczichung zu Gott und seiner Erdc. Ihrc >>Graswurzel—Kampagne«, das hciBt: ihr Einsatz direkt an der Basis, beschcrte Fatima Traazil nicht nut alle möglichen Namen: von »Grüner Hausfrau<< bis »Anwiiltin der grünen Bcwegung<<. 1992 bckam sie auch den »Green Leawaard<<, eine Auszcichnung dcs Umweltministeriums. Dann wurde sie in den nationalcn Umweltrat berufen. Unter den Herrcn in Nadelstreifen ist sie sich ihrer Aufgabe bcwuBt: »Da die anderen Mitglieder von cincm kornmerzicllen Standpunkt an die Dinge hcrangchen, aber auch, weil die Hauptverbraucher Frauen sind, glaube ich, einen bcsondercn Bcitrag Icisten zu k6nncn.« Cl
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»Forum Langenhaim: Gedanken für Cine bessere Welt
 
Resfimee der neuenVeranstaltungsreihe am ersten euro 1'}
paiischen Baha 1—Haus der Andacht in Hofheim/Taunus
HOFHEIM/Ts. — Es gibt nut gauze sicben auf der Welt. Gemeint sind die Hauser der Andacht der Bahá’í in Indien, Australian, Panama, Uganda, USA, Samoa und Deutschland: Das erste und bishng einzigc Haus der Andacht Europas stcht unwcit der Mctropole Frankfurt am Main mitten in Wildem und Wiesenbci Hofhcimim Taunus.
Charakteristisch ist die Rundbauweisc mit krénender Kuppcl, symbolisch die neun Einginge rundum: Sic stehcn allen Menschen offen, ungeachtet allcr Unterschiede der Weltanschauung, Nationalitlait, Hautfirbe oder Muttersprache. Ein Ort stiller Meditation.
Das Land Hessen nahm das Bahá’í—Haus der Andacht 1992 in den Krcis der Kulturdenkmiler auf. So zicht es seine Bcsucher in den Hofheimer Stadtteil Langenhain, seien es Ausfliigler, die zuffillig vorbeikommen, oder Menschen, die herausfinden wollen, was es mit dem ungewöhnlichen Bauwerk auf sich hat, das 1964 nach einem Entwurfdes Frankfurter Architektcn Teuto Rocholl fertiggestellt wurdc.
So manche nehmen gcme an der Andacht teil, die Sonntag nachmittags im Auditorium stattfindet. Ohne jede Auslegung wird aus den heiligen Tcxten aller Wcltreligioncn gelesen und gcsungen. Es gibt wcder Berufsgeistliche noch Ritcn Oder festgesetzte Formen.
I Neues Veranstaltungsprogramm
Das Angebot rund um das Haus der Andacht wurde nun erweitert. Im Nationalen Vcrwaltungszcntrum der deutschen Baha'iGemeindc, das in unmittclbarer Nihe liegt, findet seit Mirz vcrgangencn Jahres jcden letzten Sonntag eines Monats im Anschluß an die Andacht cin zusiitzliches Program statt: FORUM LANGENHAIN — eine neu eingerichtete öffentliche Vcranstaltungsreihe ist als Plattform der Beschiiftigung mit brenncnden aktuellen sowie zeitloscn Themen gedacht, ein Forum für Gedankcnaustausch und —anregung.
N eben Vortriigen und Podiumsdiskussionen von Referenten aus demIn— und Ausland werdcn auch Konzertc und sonstige künstlerische Beitriigc angebotcn. Wesentlichcs Ele
ment: die anschließcnde Diskussionsrunde
darfals Ergiinzung zum Gehörtcn bzw. Dargebotenen nicht fehlen.
Das Konzept kommt gut an. Es entspricht dem wachsenden Bediirfnis nach vertieften Gesprächen und der Erértcrungvon Lösungsansiitzen für die Problcmc, dcnen sich die Gqsellschaft und der Einzelne hcute gegenüberschen.
V I Beginn mit Tschingis Aitmatow
Ein Höhepunkt des bisherigen ForumPrograrmns war zweifelsohne der Besuch dcs in Kirgisien geborcnen Schriftstellcrs Tschingis Aitmatow Ende Mai 1993. Aitmatow, hcute Botschafter RuBlands in Luxemburg, gilt als einer der bedcutcndstcn russischen Literaten der Gegenwart.
Vor zahlreichen Glisten vermitteltc er seine »Gedanken für eine bessere Welt«, glcichsam das übergreifende Motto allcr Veranstaltungen im FORUM LANGENHAIN. Dabci befaßte er sich vor allcm mit dem Gedanken der Einhcit der Menschhcit in der Vielfillt ihrer Kulturen, was auch cin zentraler Grundsatz der Bahá’í—Lehren ist.
 
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Das nationale Bahá’í—Zentrum der deutschen Bahá’í—Gemeinde neben diesem ersten europäischen Bahá’í—Haus der Andacht in Hofheim/Ts. ist Ort der neuen Veranstaltungsreihe »Forum Langenhain«.
 
»Was mich an derBahá'i—Religion am meisten interessiert, betriflt die Moral, die Ethik und die menschHchenThgenden.Ehe wir nicht erkennen, daß diese Begriffe vonn6ten sind, brauchen wir über eine bessere Welt nicht
nachzudenken.Tschingis Aitmatow
Der kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow spricht im Rahmen des »Forums Langenhain« über seine »Gedanken zu einer besseren We|t«.
Auf dem Weg zu eincr besseren Welt, an deren Entstehung die Krific von Generationcn zur Mitarbcit aufgerufen seicn, so Aitmatow, müßten die verschiedenen nationalen Kulturen erst miteimnder verbunden werden. Er ging aufdic Vielfalt der Sprachen ein und stellte fest, daß jede nationalc Kultur einen bcsonderen Reichmm darstellc, der Grundlage jcder intemationalen Kultur sci. Das Problem dabei sci, daß manch eine von ihnen sich 313 die bessere vexstche. Aufdiese Weise gehe die Orientierung auf das, was allen Menschen gcmein ist, vcrloren.
Das Erlcmen vcrschicdencr Sprachen hilt Aitmatow für ein wichtiges Element, um Zugang zu andercn Kulturen zu findcn, sie zu erfissen und zu respektieren.
I Die Aufgabc der Religion
Religion und Kultur hittcn eine gemeinsame Aufgabe, wobei aber Religion dic Hauptkomponente bildc. »Was mich an der Bahá'iReligion am meisten interessiém, sagte Tschingis Aitmatow, »betrifli die Moral, die Ethik und die mcnschlichen Tugcndcn. Ehc wir nicht erkennen, daß diese BegriflE vonnéten sind, brauchen wir über eine besserc Welt nicht nachzudenken. Das Psychologen— und Autoren—Ehepaar Antonia und Theo Schocnaker stellte in ihrem Forum—Beitrag,»Ermutigung - eine religibsc Haltung<< ein Menschenbild vor, das cine Fülle crmutigcnder Gesichtspunkrc über
den Wert des Menschen und seine soziale.
Bedeutung als Weltbiirgcr enthilt.
Die Thematik »Kérpcrlichc und seelische Gcsundheim teilten sich Dr. med. Dieter Spengler, der neueste Erkennmissc der Im ONE COUNTRY 9 Ausgabe 1/1994
munforschung bcziiglich kérpcrlichcr sowie inncrer Einfliisse auf unset natürliches Abwchrsystem bchandelte, und Efik Blumenthal, Psychotherapeut, Lchranalytikcr und Buchautor, der sich Aspekte der seelisch—geistigen Gesundheit vomahm.
I Von Grenz— zu Grundwerten
Daß BcwuBtsein und Verhalten des Einzelmen in cngem Zusammenhang mit den großen ges cflschafllichen Hcrausforderungen unserer Zeit zu schen sind, brachtc eine Podiumsdiskussion zum Therm »Umwelt und Inwclt — von Grenzwcrten zu Grundwertcm zumge.
Lingst geht es nicht nur um Grenzwerte, sondem nebcn einer Reihe tcchnischcr und politischer Lösungen vor allcm auch um cinen grundlegendcn Wandel der innercn Einstellungen, um Grundwette also. Umweltexpcrte, Pidagogin, Wirtschafismanager, Chemie—Ingenieur und Physiker erértcrten gemeinsam und ohnc Schlagabtausch die Notwendigkeit cincr 6k010gischen chdc. Fazit: Solch eine Neugestaltung ist erst dann möglich, wenn die Menschheit defverankerte Konfliktstrukturen und kurzsichtiges Eigeninteressc aufgibt, urn sich zu einer weltweiten Zusammcnarbeit auf der Basis der Gleichwertigkeit zu bekcnnen.
Aus globalcr Perspcktive fiihrte auch Christopher Sprung, Rechtsanwalt mit lanihrigcr Erfahrung im Bereich der internationalen Menschenrechtsarbeit, in das Thema »Menschenrcchte zszchen Universalismus und kulmreller Bedingtheim cin.
Nezih Acbas Vortmg zur psychosozialen Lage der »Auslinder in Deutschland<< gewann
 
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im Juni bcdrückende Aktualitiit. Acba, der sich als Gründer dcs crfolgreichen Hanaucr »Instituts für Einheit in Viclflalw sowohl wissenschaftlich als auch in der bemfljchen Praxis eingehcnd mit der Problematik beschäftigt hat, gelang eine fichlich kompetcnte Darstellung, gccignct, einige gingigc Vorurteilc mit einem dickcn Fragczeichen zu verschen.
Einblicke in »Das mcssianische Erwartungsklima im Persian des 19. Jahrhunderts<< und die Friihgeschichte des Bahá’í—Glaubens gcwiihrte der Orientalist und Historiker Dr. Kamran Ekbal.
I Kiinstlcr im Forum
Der Sommer 1993 stand im Zeichen der Musik: Die kanadische Singcrin Judy Rafat, der Saxophonist Thomas Gebhard und der Pianist Frank Wunsch bcgeistertcn mit einer jazzigen Mischung ausgewählter Songs mit sozialem Kontext — brillanter Sound gepaart mit Engagement und neuem Dcnken.
Auch Monika Schwanengcl, Folksiingcrin, wußte ihre zweieinhalb Okmvcn Stimmumfing gekonnt einzusetzen. Ihre Lieder und Texts zur Zeit zogen die Zuhörer in ihren Bann. I
I Die Fortsetzung
FORUM LANGENHAIN wird aufgrund der positiven Resonanz auch dicsesjahr fortgefiihrt. Die Veranstalter hoflen, daß sich die
 
 
 
 
 
 
Rcihe mehr und mehr etabliert und somit Impulse für die Main—Taunus-Region und darüber hinaus setzen kann. Erste kleine Ergcbnisse lassen sich bereits jetzt feststclien: Seit kurzem gibt es cin »Forum Stuttgarm und ein »Forum Ziirich<<. Cl
OOOOOOOOOO0.0.0...OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
.Sonntag, 30. Januar, 16 Uhr
- Konzert und Lesung
 
. Einheit In der Vielfalt
. Kamal Mazloumi, Santur
o Eine meditative Reise durch die Klang. welten verschiedenster Kulturen. Dazu . wird aus den heiligen Texten ailer
0 Offenbarungsreligionen rezitiert.
Kamal Mazloumi lebt In Gelsenkirchen und ist bekannt als Multi Instrumentalist und -Solist.
Sonntag, 27. Februar, 16 Uhr Vortrag und Diskussion
' Die sieben Téiler
° Sinngebung fur Partnerschaft und Ehe
- Referent: Gunter Hubner
 
I Einmal ein véliig anderer Zugang zum
‘ Thema Partnerschaft In der Ehe: Ent . lang des mystischen Werkes »Die sie 0 ben Taier« von Bahá'u liéh zeigt Gunter
' Hubner dié tiefe Innere Verbundenheit
0.0.0....
Programm FORUM LANGENHAIN Januar - Mfirz '94 _
der materiellen und geistigen Ebene. Gunter HLibner ist Diplom-Sozialpédagoge und Familientherapeut in Wiesbaden.
Sonntag, 27. M312, 16 Uhr Vortrag und Diskussion
Mann und Frau...
auf dem Weg zur Gleichberechtigung Referentinnen: An elika Thie/s und Yasmin Mellingho
Die beiden Referentinnen behandeln das komplexe Thema Gleichberechtigun aus unterschiedlichen, sich erganzen en Blickwinkeln, zum einen aus Sicht der gegenwartigen Herausforderung, zum anderen In Bezug auf ihre Bedeutung Für eine kiinftige Weltkultur Angelika Thiels ist Vorsitzende des Ausschusses fI'I'r Frauenangelegenheiten im Stadtparlament Wiesbaden.
Yasmin Mellinghoff ist Juristin und lebt mit ihrer Familie bei Munchen.
 
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Die Jazzséngerin Judy Rafat beim Konzert in Hofheim/Ts.. Judy Rafat organisierte u.a. 1991 zusammen mit ihrem Mann eine »One—World«-Tour des legendéren Jazztrompeters Dizzy Gillespie durch Berlin, Moskau und Prag.
Crispin Pemberton-Pigott, der Direktor von »New Dawn Engineering« in Swaziland, steht neben einer Reihe gerade produzierter Zaunmaschinen. »New Dawn« ist spezialisiert auf die Entwicklung und Produktion von handbetriebenen Ger‘éten für Kleinunternehmer in Afrika.
»Naéh meiner Überzeugung f6rdert eine angepaßte Technologie dann am besten die Wohlfahrt in einem Land, wenn sie die dort vorhandenen Ressourcen nutzt. Wir leben hier in einem Land, in dem ein ÜberschuB an Arbeitskräften besteht. Wenn man also die ArbeitskrSfte nicht extensiv einsetzt, verschwendet man seine Ressourcen. Crispin Pemberton-Pigott
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Was erfindet ein Erfinder in Swaziland?
MANZINI, Swaziland. — Wic cin typischer Erfinder trigt Crispin Pemberton—Pigott scinen Taschenrcchner bei sich, während er Giste durch seine Fabrik in dicser kleinen Nation im Süden Afrikas fiihrt.
Obwohl er den Taschenrcchner fachkundig zur Berechnung der Stärke eines Stahltrigers oder der maximalen Bclastungsflihigkeit eines Tonziegels einsetzt, kann Crispin Pemberton—Pigott genauso professionell die potentiellcn Einkiinfte durch die klcinindustriellcn Produktionsmaschincn einschützen, die »New Dawn Engineering<< produziert.
Er zeigt auf eine Kochélpresse, die »New Dawn« herstellt. Die Maschine — in ihrer Funktion einer riesigen Knoblauchpresse ihnlich — ermöglicht mit einem einzigen Arbeiter, cin qualitativ hochwcrtiges Kochél aus billigen Sonnenblumenkcmcn Oder anderen Kemen kostengijnstig herzustellen.
Er drückt einige Tastcn aufseinem kleinen Gcriit. »Nehmen wir an, Sic beschließen, Sonnenblumenkeme zu verwendcm, sagt der 42—jiihrigc Kanadier. »Sie kosten pro Tonne im Anbau 200 siidafnkanische Rand. Aus
jeder Tonne Keme kann ich mjt dieser Ma schine ungefiihr 420 Flaschen O] gewinnen.»Nun«, fihrt er fort, wiihrcnd er weitere Zahlcn eingibt und anmerkt, daß ungefl'ihr drei Rand einem Dollar cntsprechen, »die 420 Flaschen sind jeweils rund 2,75 Rand wcrt. Zushfiitzlich crhiilt man Hiihnerfutter im Wart von 280 bis 600 Rand — das ist der Wert der ausgepchtcn Kemreste, die am Ende übrigbleiben. »Das crgibt cin Mindesteinkommen von 1.435 Rand in zehn Tagen, so daß sich die
Kosten der Maschinc innerhalb von nur einem Monat erwirtschaften, Wirtschaftliche Berechnungen diescr Art sind die Grundlage dcs Erfolgs von »New Dawn Engineering<<, einer Firrm, die in der Region immer bckannter wird für ihrc innovative Technologie, die aufdie Bediirfnisse der Menschen vor Ort und die Anforderungen der Umwelt eingeht. Die Fimla stellt ctwa ein Dutzend relativ preisgfinstiger und vomehmlich arbeitsintensiver Produktionsmaschinen her, die in kleinen Betrieben zur Produktion von Kochéjl, Drahtziuncn und Tonziegeln benutzt werden können.
Im vcrgangenenjahr wurde sie als eine von vier Firmen mit dem »Grecn Environment Award« ausgezeichnet.
»ImVergleich zu andercn Kandidaten fiihne ihrc Vorgehenswcise zu einer sehr innovativen, cinfiihlsamen und angemcssenen Form von chhnologic, die somit potentiell in vielen Bereichen der Kleinindustrie, in Familien— oder Kleinbctrieben anwendbar warm, so ProfessorBrain Huntley, Exekutivdirektor dcs Nationalen Botanischen Instituts von Siidafi'ika, der zu den Juroren im GreenTrust—Wettbcwcto gehörte. »Diese Firma stellt Maschincn her, die die Menschen ohne große Investitionen erwerben können, und genau das brauchen wir in diesem Teil der Welt. Für den Erfinder, der mjt seiner Frau Margaret »New Dawn« leitct, ist gcnau dies das Zicl: nimlich qualitativ hochwertige Maschinen hcrzustellen, die Arbeitskriifie die gréBtc Ressourcc Afiikas — in Anspruch nchmen und dabei umweltvertriiglich sind.
 
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»Nach meiner chrzeugung fördert eine angepaßte Technologie dann am besten die Wohlfihrt in einemLand, wcnn sie die dort vorhandencn Ressourcen nutzp. Wirleben hier in einem Land, in dem ein chrschuB an Arbeitskriften besteht. Wenn man also die Arbeitskriifte nicht cxtcnsiv einsctzt, verschwendet man seine Ressourcen. Die Pemberton-Pigotts griindctcn »New Dawn« imjahre 1984, 2113 sie in der Transkei lcbten. 1985 zogen sie nach Swaziland. Schon zuvor batten sie bereits an der Einrichtung eines Bewisserungssystems rnjtgearbeitct.
Bis Juli 1993 hatte die Firma bcreits mehr 2113 1.500 Maschincn vcrkauft. Das populimte Gcriit ist die Zaunmaschine, die ungcflihr drei Vierte] dcs Umsatzes von »New Dawn« erwirtschafict. Es handclt sich dabei um cin Gcrit zur handbetriebencn Produktion von verschiedencn Drahtgitterziunen. Auch cinigc hundert Ziegclmaschinen und etwa 100 Kochélprcssen flanden Abnehmer. Die Kunden berichten, daß sie mit den Geriten sehr zufi'ieden seien.
»Wir baucn derzcit einen Hfihnerstall und tun dies mit schr geringem Kapitaleinsatz, d3 wir eine von Crispins Zicgclmaschinen benutzcn«, sagt Ame Utcrmark, Dircktor der christlichen Blindenmission, die das Ekululameni-Rehabilitatiomwcrk in Mzimpofu in Swaziland betreibt. »Es funktioniert wunderbar. Man braucht lcdiglich einfiche Erde und etwas Zement, und das reduzicrt die Kosten erhcblich. Arne Utermark stellt fest, daß seine Blindenmission, die sich hauptsiichlich um die Ausbildung blinder Erwachsener bemüht, damit sich diese sclbst versorgcn können, auch die Zaunmaschinen von »New Dawn
einsetzt: Nichtvicl mchrals cin Montagegcstell
ist erforderlich, um das herum man Draht
biegen kann. »Unscre blindanuszubildcnden
kénncn diesc Gerite ganz einfach bedicnen
und verdienen so selbstindig Geld«, sagt Ame
Utermark. Er erklirt, daß das Zentrum zwci
solchc Maschinen zu Ausbildungszwecken
besitzt. Dann wird den Blindcn dabci geholfen, sich selbst solche Gerite anzuschafl‘en
und ihr Untcmehmen zu créffnen. »Ich schitzc, daß bereits 10 bis 15 Leutc ihre cigenen
Untemchmen gegründet haben.
Auch qunesse Searll, Exekutivdircktorin
des ingohannesburg ansiissigcn »Trecs for
Afi'ica rejects, ist von den bei »New Dawnerworbcnen Maschinen begeistert.
»Die Zaunmaschine ist sehr nützlich, denn unset aktuelles Projekt, bci dem wir dicsc cinsetzen, ist in einer stark verschmutzten Gcgend angesiedelt. Man braucht don Ziiune, um das Vieh von den neu angcpflanzten Bäumen femzuhaltem, fiihn Jeunesse Scarll aus. »Aber darüber hinaus ist die Maschine ein bemerkenswertcs Gerit, d3 sie auf einfachc Art und Weise einer Gruppe von Menschen in einer von Armut geplagten Region die M&Sglichkeit gegeben hat, sich durch etwas Niitzliches und Praktsichcs den L64 bensuntcrhalt zu vcrdicnen. Die Pcmberton—Pigotts sind beide Bahá’í und sagen, daß ihr Glaube dig: hinter »New Dawn« stchende Philosophie stark beeinflußt hat. »Es gibt eine Stelle in den Bahá’í—Schriften, in den: es — mit meinen cigenen Worten — heißt, daß es keine größerc Untemehmung geben kann, als sich für Proj ekte und Aktivitfitcn zu cngagicrcn, die viclcn Menschen dabei helfen, wirtschaftlich selbstindig zu werdem, sagt Crispin Pembetton—Pigott. Cl
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Detaildarstellung des Kompressionsraums einer der NewDawn-Olpressen, die pro Tonne Sonnenblumenkerne ca. 300 Liter OI produzieren und nur von Hand betriebén werden. Wenn der mitlere Kolben durch einen Iangen, handbetriebenen ' Hebel nach unten gedrflckt wird, dringt OI aus den Schlitzen in der Kammer, während das zusammengepreBte Fruchtfleisch der Kerne aus einem Loch im Boden der Presse herausgequetscht wird.
Die Zaunmaschine von »New Dawn« basiert auf einfachsten Prinzipien. Sie kostet rund 1 Prozent von einer industriellen Zaunmaschine, produziert aber
. 11 Prozent von deren Output etwa 150 Meter fertigen Zaun in einer Stunde. Auf dem Bild ist Makario Kamenyu Manuel zu sehen, ein Maschinenbauer von »New Dawn«.
 
 
Diese Ressourcen werden nur in dem Maße freigesetzt, wie die V6Iker der Erde ein tiefes Verantwortungsgeffihl Für das Schicksal des Planeten und das Wohl. ergehen der gesamten menschlichen Familie entwickeln.
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Weltbürgertum: Eine globale Ethik fiir eine nachhaltige Entwicklung
 
Überarbeitete Version eines von der Internationalen Bahá’í-Gemeinde vorbereiteten Statements fijr die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung
Die größte Herausforderung, der die Weltgemeinschaft bci der Mobilisierung zur Durchfiihrung der Agenda 21 gcgcnübersteht, ist die Freigabc enormcr finanzicller, technischer, menschlichcr und moralischer Ressourcen, die für eine mchhaltige Entwicklung erforderlich sind. Diesc Ressourcen werden nut in dem Mch freigcsetzt, wie die Völker der Erde ein tiefes Verantwortungsgefiihl für das Schicksal des Planetcn und das Wohlergehen der gesamtcn menschlichen Familie entwickeln.
Disses Verantwortungsgcfiihl kann nur aufkommen, wenn man die Einheit derMenschhcit ancrkcnnt, und wird nur durch eine cinheitstiftende Vision eincr friedlichen, crfolgreichen Weltgesellschaft bestehen. Ohne eine solchc globale Ethik können die Menschen keinc aktivcn, konstruktiven Teilnehmet an einem weltweiten Prozeß nachhaltiger Enrwicklung werden.
Wenn die Agenda 21 auch cin unverzichtbares Rahmenwerk wissenschaftlicher Kenmnis und technischen Know—hows für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung bietet, so bewirkt sie dennoch keine persönliche Vetpflichtung zu einer globalen Ethik. Dies bedeutet nicht, daß ethische Werte im Verlauf der Konferenz der Vereinten Nationcn über Umwclt und Entwicklung (UNCED) ignoriert wurdcn. Der Ruf nach integrativen Werten war wih rend der gesamten Konferenz von Staatsoberhiiuptem über UN—Vertreter bis zu den Vertretcm von Nicht—Regierungsorganisatibnen (NGO'S) und von einzelnen Bfirgem zu hören.
Insbesondere die Konzepte >>unserer gemeinsamen Mcnschheim, >>Weltbfirgertum<< und der »Einheit in der Vielfiilw wurdcn als ethische Unterstfitzung für die Agenda 21 und die Erklirung von Rio herangezogen.
Die Weltgemcinschgft ist somit bereits zu einer grundlcgcnden Übercinstimmung hinsichtlich der Notwendigkeit eincr globalen Ethik zur Belebung der Agenda 21 gekommen. Wir schlagen vor, den BcgrifI »Weltbürgertum<< zu verwenden, wenn eine Konstellation von Prinzipicn, Werten und Verhaltenswcisen beschfieben wcrden sol], die die sich die Völker der Welt zu eiggn machen
muß, um eine nachhaltige Entwicklung verwirklichen zu können.
Weltbürgertum beginnt mit der Einheit dchenschheitsfimilic und der gcgenseitigen Verbundenheit der Nationen der Erde, unsercr Heimat. Wihrend dadurch einerseits ein gesunder und legitimer Patriotismus gefdrdert wird, wird andererscits eine wcitreichendere Loyalitiit, eine Liebe zur Menschhcit als Ganzes gefordert. Dies bcdcutet weder die Aufgabe legitimer Loyalititen, Unterdriikkung kulturcllcr Vielfiilt Oder die Aufgabe nationaler Autonomic, noch das Aufcrlegen einer Gleichmacherei. Scin Kcnnzeichen ist »Einheit in der Viclfhlt<<.
Weltbürgertum beginnt mit der Einheit der Menschheitsfamilie und der gegenseitigen Verbundenheit der Nationen der Erde, unserer Heimat. Wfihrend dadurch einer seits ein gesunder und legitimer Patriotismus geffirdert wird, wird andererseits eine weitreichendere Loyalitfit, eine Liebe zur Menschheit als Ganzes gefordert.
 
Wcltbürgertum umfaßt die Prinzipien gcscllschaftlichcr und wirtschaftlichér Gerechtigkeit, sowohl in als auch zwischen den Nationen, konsultative Entscheidungsfindung aufallen Ebcncn der Gesellschaft, Gleichbcrcchtigung der Gcschlcchter; rassische, ethische, nationale und réligiése Harmonie sowie die Bcrcitschaft zu Opfem zum Wohle der Gemcinschaft. Anderc Sciten des Weltbürgertums fdrdcm die Ehre und Wiirde des Menschen, Verstfiindnjs, Freundschaft, Kooperation, Vertrauenswürdigkeit, Mitgefiihl und den Wunsch zu dienen.
 
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Die Férderung des Wcltbürgertums ist eine praktische Strategic zur Unterstiitzung nachhaltigcr Entwicklung. Solange Uneinigkeit, Antagonismus und Provinzialismus die gcscllschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungcn zwischen und untcr den Nationen charaktefisieren, kann kein globales nachhaltiges Entwicklungskonzept begründet werden. Vor über einem Jahrhundert wamte Bahá’u’lláh: >>Das Wohlergchen der Menschhcit, ihr Friedc und ihre Sicherheit sind uncrreichbar, wenn und ehe nicht ihrc Einhcit fest begrijndet ist.« Eine nachhaltige globale Gcsellschaft kann erst nach der Begriindung von echtcr Einheit, Harmonie und Vetstiindnis unter den cinzelnen Völkern und Nationen der Welt errichtet werden.
Wir empfehlen daher, daß Weltbürgertum in jeder Schule gelehrt wird
und daß jede Nation fortwährend für die Einheit der Menschheit einsteht.
 
Wir empfehlcn daher, (1:18 Weltbfirgcrtum in jeder Schule gelehrt wird und daß jcde Nation fortwiihrend für die Einheit der Menschheit — dem der Weltbfirgerschaft zugrundeliegenden Prinzip - einsteht.
Das Konzept ist nicht neu. Es ist sowohl implizit als auch explizit in einer Vielzahl von UN—Dokumenten, Erklärungcn und Ventigen enthalten, einschließlich der Erb'flhungsworte der UN—Charta sclbst: >>Wir, die Völker der Vcrcintcn Nationen...« Es wird bereits durch diverse N GO's, Akademiker, Biirgergruppen, Kiinstler, Medien und Erziehungsprogrammc auf der ganzen Welt kulturcnübergrcifend gefördert. Dicse Bemühungen mijssen noch erheblich verstiirkt werden. Es muß eine alle Scktoren der Gesellschaft umfassende, sorgfiltig geplante und inszenierte langfnstigc Kampagne zur Férderung des Weltbfirgertums in Gang gesetzt werdcn - auflokaler, nationaler und intemationaler Ebene.
Erziehung z.B. — formcll oderinformell — ist zweifelsohnc der wirksamstc Wag, Wcrte, Vcrhaltensweiscn und Fihigkeiten zu formen, die die Völker der Welt rfisten, langfiistigim Intercsse dcs Planeten und derMenschheit als Ganzes zu handcln. Die Vcreinten Nationen, Regierungcn und Erziehungscin richmngcn sollten danach strcbcn, das Prinzip des Weltbiirgettums zu einem Bestandteil der Grundausbildung eines jeden Kindes zu machen.
Die Details der Erziehungsprogramme und Aktivititen, die aufdiesem Prinzip basicrcn, werden innerhalb und unter den einzclnen N ationen erheblich voneinander abweichen. Wenn Weltbfirgertumjedoch als universales Prinzip zu verstehen ist, müssen alle Programme gewisse gemeinsame Aspekte aufweisen. Nachdem sie auf dem Prinzip der Einhcit der Menschheit bcruhcn, sollten sic Toleranz und Brfiderschaft pflegen, eine Wertschiitzung für den Reichtum und die Wichtigkeit der unterschiedlichen kulturcllen, religiösen und gesellschaftlichen Systeme der Welt hegen und jcne Traditioncn stärken, die zu einem nachhaltigen Weltbürgertum bcitragen.
Sic sollten das Prinzip der >>Einheit in der Viclfalw als Schliissel zur Stärke und zum Wohlstand lchren, sowohl Für die Nationen als auch für die Weltgemcinschaft. Sic sollten cine Ethik des Dienstes am Gcmcinwohl Fdrdem und ein Vemtlindnis für Rechte und Pflichtcn des Weltbürgertums vermitteln.
Sic sollten durch die Férderung eine; globalen Zusammenarbeit und eincs globalen Verstiindnisses die Bedeutung der Vereintcn Nationen hervorheben; ihre universalen Zielc, Pline und Programme; ihre unmittelbarc Bcdeumng für die Völker und Nationen der Welt; und die R0116, die sie in unsercr immer kleiner wcrdcndcn Welt annehmen müssen.
Sie sollten das Prinzip der »Einheit in der Vielfaltals Schllissel zur Stärke und zum Wohlstand leh ren, sowohl Für die Nationen als auch für die Weltgemeinschaft... und eine Ethik des Dienstes am Gemeinwohl f6rdern.
 
Es könnten Kampagnen gestartet werden, um das éffcntliche Bewußtsein für die Herausforderungcn zu stirkcn, die das Weltbfirgcrtum mit sich bringt. Sie sollten sich des gcsamtcn Spektrums an Mcdien und Künsten bedicncn, cinschließlich Femsehen, Film, Rundfunk, elektronischer Netzwerke, Bijcher, Zeitschriftcn, Poster, Flugbliitter, Theater und Musik. Cl
 
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Solange Uneinigkeit, Antagonismus und Provinzialismus die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Nationen charakteri sieren, kann kein
globales nachhaltiges Entwicklungskonzept begründet werden.
 
»We|tre|igionen in Berlin«, Eréffnungsveranstaltung am
5. November 1993 mit Frau Barbara John, die Ausl'énderbeauftragte des Berliner Senats (Mitte), und die Bahá'l Joyce Nii-Adoly und Tamara Scheffel.
Die umfangreiche Dokumentation »Einheit in der Vielfalt Weltreligionen in Berlin«, herausgegeben von der Auslénderbeauftragten, war innerhalb kfirzester Zeit vergriffen. Jetzt erschien eine 2weite revidierte Auflage dieser Veröffentlichung von Gabriele Yonan.
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»Einheit in der Vielfalt Weltreligionen in Berlin Menschen aus über 160 Nationen leben in Berlin. Die Weltstadt mit dem multikulturellcn Flair ist aber auch rcich an rcligiéser Vielfalt. So wurde vergangcncn N ovember in der Wcrkstatt der Kukuren in Berlin—Ncukélln cine Ausstellung zum Thema »Weltreligionen in Berlin« eréfihet, die noch bis EndeJanuar 1994 zu sehen ist. Die Ausstellung, im Auftrag der Auslinderbcauftragten dcs Berliner Senats, Frau Barbara John, konzipim, zeigt Fotos, Kunstobjekte und heilige Schriften. Parallel dazu stellen und stellten sich Berliner Religionsgemeinschaften in Rahmenveranstaltungen vor. Das Projekt ist Berlins Beitrag zum »]ahr der interreligiösen Verstiindigung und Zusamrnenarbeit<<, das 1993 bcgangen wurde, nachdem genau hundertjahre zuvor das erste Weltparlament der Religionen in Chicago tagte.
Im Rahmen der Ausstellung bcgingcn die Berliner Bahá’í den Jahrestag der Geburt Bahá’u’lláhs (1817—1892) am 12. November in cincr öffentlichen Fcicr gemcinsam mit zahlreichen Gisten. Schon seit 1915 gibt es in Berlin eine Bahá’í-Gemeinde. Sic setzt sich mittlerweile aus Menschen verschiedener rassischer, nationaler, kultureller und sozialer Hcrkunft zusammen. A15 J fingste Weltreligion wurde die Bahá’í—Religion bci der Ausstellungscréffnung Anfang November offiziell von zwei Frauen, cincr Ghanesin und einer Dcutschen, repriscntiert. IhrBeitrag zumEréffixungsprograrmn bcstand aus zwci Gcbeten, die den Aspekt der Einhcit und des Friedens bctontcn. Die Auslfinderbcauftragtc Frau Barbarajohn bctontc in ihrcr Ansprache die
Wichtigkeit religiöscr Toleranz und hob die Tradition Bcrlins in diesem Zusammenhang hervor.
Die Anstrcngungen des Senats von Berlin, die Verstindigung und den Dialog der Religionen zu fdrdem und somit zum Abbau von Vorurteilcn bgizutragen, müssen als vorbildlich bctrachtet warden. Bcreits im Frühjahr 1993 war eine urnfangrcichc Dokumentation »Einheit in der Vielfilt — Wcltreligionen in Berlin«, herausgegeben von der Auslinderbeauftragten, inncrhalb kiirzester Zeit vergriffen. Jetzt erschien eine zweite revidierte Auflagc dieser Vcréfl'endichung von Gabriele Yonan. Sic ist über die Berliner Senatsverwaltung für Soziales zu bezichen.
UNESCO-Report verweist auf Bahá'l als Beispiel multikulturellen Zusammenlebens
In einer umfasscnden Studie, die von der UNESCO in Auftrag gcgeben wurde, untersuchten mehr als 20 Kulturwissenschaftler aus allen Kontincnten den Stand der gegenseitigen Becinflussung der Weltkulturen. Der Bericht >>Thc Multicultural Planew (dcutsch: »Rettct die Weltkulturem) kommt zu dem Ergebnis, daß alle Kulturen der Welt akut gcfi’ihrdet sind, von einem alles vcrschlingcndcn Materialismus in ihrem Kern unwiederbringlich zerstört zu wcrden. Vonnéten sei dringend cine globale Ethik, die imstande ist, der Menschhcit in ihrcr Gesamtheit wiedet eine verbindende Zielrichtung zu gcben, ab er auch die Vielfalt der großen alten Kulruren zu schiitzen und zu erhalten.
Der Beficht nimmt konkret aufzwei Bcispicle solcher Haltung bezug und schreibt u.a.: »Die Realitit dieser Fsihigkeit wird demonstricrt durch den Bahá’í—Glauben, einer rasch wachsendcn intematiomlen religiösen Gemeinschaft, die heute über fiinf Millioncn Mitglieder in über 170 Lindem ziihlm
Adressen
Informationen über die Themen dieser Ausgabe von ONE COUNTRY oder ail emein zur Bahá'itReligion erhalten Sie in sterreich und der Schweiz über folgende Adressen;
I Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Osterreich, Thimi asser12, A-1180 Wien, Te1.(01)4 79115 ,Fax 479 89 58.
l Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in der Schweiz, Dufourstr. 13, CH-3005 Bern, Tel. (031) 4410 20. Fax 44 4716.
 
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Tschingis Aitmatow: Liebcserkliirung an den
blauen Planeten
(Fortsetzung van Seite 24)
wic auch immer geartetcn ideologisch—dogmatischen Zwangswahmehmungen definiercn. Einc Religiositiit, die glaubwürdigc und fiir eine aufgeklirte Mens chheit konsensfiihige ethische Normcn findcn will, rnuB beides leisten: def dramatisch gewachsenen Souverinitit des Individuums gerecht wcrden und der Menschheit trotzdem gcstaltungsfl’ihige Leitlinicn Für eine vielfhch potcnzierte Komplexitiit des mcnschlichen und zwischenmenschlichen Zusammcnlebens auf diescm Planeten anbictcn. Ein Rückzug auf cwige Wertc rcicht ganz oflcmichtlich heute nicht aus, auch nur die einfachsten und dringendstcn Fragen befi'iedigend zu lösen.
Vor diesemErfordel-nis undDilemma fokussierte sich Aitmatows Intercssc an der religi6scn Dimension sehr schncll nicht nur aufdie alten großcn rcligiésen Traditionen, sondem richtete sich insbesondere auf die, mit religionshistorischer Elle gemessen, noch sehr jungc Bahá’í—Religion. Seine Aufincrksamkeit wurde gewcckt, wie Korkin in seinem Essay dokumenticrt, durch Sitze wie diese:
»Keine Wahrhcit kann einer anderen Wahrheit widersprechen. Das Licht ist gut, in welchcr Lampc es auch brennen mag, eine Rose ist schön, in welchcm Garten sie auch blühen mag. Ein Stem hat den glcichen Glanz, 0b er aus dem Osten oder aus dem Wcsten scheint. Seid vorurteilsfrei, so werdct ihr die Sonnc der Wahrheit lieben, an welchem Punktc des Horizontes sie auch aufgeht!« (Abdu'l-Bahzi, zit. nach: >>Licbcscrklirung...«, S. 130). Die Spaltung der Religion in verschiedcnc Religionen und Konfessionen sowie die Spaltung zwischen Religion und Wissenschaft findet in den Bahá'j—Lehren cine überzeugcnde Antwort find chrwindung durch die Lchre, daß es immer nur einen Gott und eine Religion gab, die sich abet durch die zyklischc Abfolge von neuen Offenbarem (den Stiftcrgestaltcn derverschicdencn Religionen) immer wieder emcuerte und in ihrcn Inhalten fortentwickelte.
Noch mehr schign Aitmatow überrascht und angczogen, als er in einem Briefscines Licblingsschriftstellcrs Leo Tolstoi an Firdun Khan Badalbekow las, daß d-ieser kurz vor scinem Lebensende in demelben »Quelle der Inspiratiom die >>höchste und reinste Form religiöscr Lehfe<< und »den Schliisscl zum
 
Geheimnis dcs Universums<< cntdeckt zu haben glaybte.
Die Überraschung in der Begcgnung mit der Bahá’í—Religion, so zeigt sein Gesprich mit Fcizollah Namdar, bezog sich aber nicht nur aufein in der Tat erfijischend neues Bild von dem, was Religion — befreit von den Schlacken jahrhundertealter Verkrustungen - sein kann. Daß ausgcrcchnet seitens einer Religion solch vorausschauende und kreative Beitrigc zu einer tiefgreifenden globalen politischen Neuordnung kommen, ist sicher weit jenseits des heute vorhcrrschendcn Erwartungshorizonts an eine Religion. Die klare Sicht auf die Menschheit als einen h6chst differenziertcn, aber trotzdem in scinem Kern ganzheitlichen Organismus vcrblcibt in den Vorstellungcn der Bahá’í—Religion nicht in einer allgcmcinen, philosophischen Dimension, sondem nimmt konkrete Gestalt an in einer »neucn Weltordnung<<jenseitsjeglicher national—egoistischer Denkkatcgoricn.
Bahá’u’lláh sah eine globale Ordnung voraus und bcschricb deren Eckpfeiler, in der Politik wieder don wirksam wird, we die jeweiligen Problems und Herausforderungen angcsiedelt sind. In dieser neuen politischen Ordnung sind dahcr für die zahlreichen globalen Probleme wirkungsvolle globale Einfichtungcn vorgesehen, andererscits wird abcr gleichzeitig auch die lokale und regionale Ebene deutlich gestärkt. Globalisierung und Regionalisierungsind in ihr kein Gegensatz, sondem komplementfiire Prozesse. Das in derBahii—Weltgemeinde ptaktizicrte »neue M0dell<< der Politik enthiflt fcmer vielfiiltigstc Impulse zur Weiterentwicklung unserer heutigen Vorstcllungen von Dcmokratic.
Aitmagows jfingstes Buch fiigt sich trotz seiner Überraschungen nahtlos in sein Gesamtwerk und fiihrt diescs konscqucnt fort. Es ist ein gclungcner Aufruf zu einem
neucn Dialog mit den Religionen. CI
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Tschingis Aitmatow (Mitte) mit seinem Biographen Wladimir Korkin (rechts) und Farzin Dustdar (links), durch den Aitmatow erstmals von der Bahá’í—Religion gehbrt hat, im Chateau de Beggen, dem Amtssitz des Russischen Botschafters in Luxemburg
 
 
Tschingis Aitmatow
 
Liebeserklärung an den blauen Planeten
 
Essays und Gespré‘che 1993. 143 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag DM 24, Stuttgart 1993
Horizonte Ver/ag ISBN 3-89483-002-6
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Tschingis Aitmatow Ringen um eine planetare Ethik
 
In seinem neuesten Buch ,»Liebeserkléirung an den blauen Planeten<<°setzt sich der Autor der >>schönsten Liebesgeschichte der Welt<< (Louis Aragon) mit der Bahá’í—Religion auseinander
 
Leo Tolstoi definierte einmal die Aufgabe der Kunst so, daß sie »das verstiindlich und zuginglich machen muß, was in Form von Betmchtungen unverstindlich und unzugfingIich wire. Meistens emcheint es demjcnigcn, der einen wahren künstlerischen Eindruck erhiilt, daß er das allcs schon früher wuBtc, abet nicht ausdrückcn konnte.« ‘
Die Rczcnscnten von Aitmatows Werken hebcn immer wieder die besondere Fihigkeit disses Autors hcrvor, selbst in den einfichsten, alltiglichsten Geschehnisscn rnit weni I"
 
 
gen Worten deren epische Tiefenschichten freizulegen. Alles chen gerit unter der cher Aitmatows wie von selbst, aus einem Scheinbar unwiderstehlichen umatiirlichen Drang heraus, zu einer tiefen Anfrage des Menschen " anWirken undWalten dcs Universums. So nimmt es nicht wunder, wcnn seine Erzählungen vom chen der Bauem und Kleinbcamten in seiner kirgisischen Heimat den Leser an Ilias und Odysseus erinnem und eine einfache Liebesgeschichte als >>die schönstc der Wclm (Louis Aragon über <<Dschami1ja<<) empfunden wird.
Und so kann es auch nicht crstaunen, daß Aitmatow, mchdem mit dem Zusammcnbruch dcs Kommunismus alle Fesseln der Idcologie abgcfallen sind, konkretcr wird in seiner Nachfrage: >>Vieles aus jencm Leben, wclches ich und meine Generation gclebt haben — das alles wurde plötzlich glatt weggcworfen, wie Abfhll, wie Gerfimpcl... Ich be , ginne zu vetstehcn, daß es irgendwelche
cwigcn GesetzmfiBigkeiten gibt, Wahrheiten, Werte. Daß alles andere verginglich ist Politik eingeschlossen, wic mächtig sie auch sein mag, wer immer sich als Hcrrscher auf Ewigkeit auch proklamicrt haben mag Oder proklamiert wurde. In dieser neuenAitmatowschen Schaffcnsperiods crschien zunfichst ein Werk zusammen mit dcmjapanischen Buddhisten, Philosophen und Schriftsteller Daisaku Ikeda. In seinem jfingsten Werk >>Liebeserk12irung an den blauen Planctem steht cin Gespiich mit dem russis ch—pcrsischen Bahá’í Feizollah Namdar über »Die Quellen der Inspiration und die Einheit des Lebens<< im Mittelpunkt. In einem Essay seines Biographen Wladimir Korkin, das Aitmatow in denselben Band aufhahm, bringt diescr die Fragc auf den
Punkt: >>Ist Tschingis Aitmatow g1éiubig? Nach den Erfahrungcn der Religiomgcschichtc und den Einsichten der Aufldiirung kann sich Gldubigkeit nicht mehr seriés in (Fortsetzung auf Seite 23)
 
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