Bahai Studienblätter/Nr 2/Text

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[Seite 1]Studien-Blätter Nr. 2

Bahä ’-Lehre und Christentum (Fortsetzung)

Heute besteht zwischen den Religionen Feindschaft und Kampf wegen bloßer Worte. Es ist eine erwiesene Tatsache, daß die An- hänger aller Religionen an eine Wirklichkeit glauben, deren Wohl- laten allgemein sind und die ein Mittler dwischen Gott und dem Menschen ist. Die Juden nannten die Wahrheit Moses, die Christen Christus, die Mohammedaner Mohammed, die Buddhisten Buddha und die Zaroasirier Zaroaster. Nun merke wohl, daß keiner der heutigen Religionsanhänger die Stifter je gesehen hat, sie haben nur deren Namen gehört. Könnten sie die Namen übersehen, so würden sie einstimmig feststellen, daß alle au eine vollkommene Wahrheit glauben, die zwischen dem Allmächtigen und den Geschöpien ver- mittelt.

Würdet ihr zu einem Juden über das Mittel oder den Kanal zwischen Gott und dem Menschen sprechen, ohne auf dessen beson- deren Namen oder Person Bezug zu nehmen, so würde ‚er sagen: ‚Ja, das ist recht, aber ich sage, der Name [dieses Vermittlers ist Moses.‘ Wenn ihr die Erklärung dieser göttlichen Philosophie den Anhängern in ihrer Religion gebt, so werden sie mit 'euch im [Wesen einig sein, aber sie werden den Namen ihres eigenen Propheten an- hängen und Streit erheben und wegen des Namens widerstreben. Der Jude glaubt an Christus, doch weiß er es nicht :und spielt zu sehr mit dem Meer der Namen. .

Darum haben viele tausend Jahre hindurch Kriege und Kriegs- geschrei unter den Völkern geherrscht, viel unschuldiges Blut ist vergossen worden, viele König- und Kaiserreiche sind verwüstet worden. Ist das nicht genug?

Die Religion soll das Mittel für gute Gemeinschaft und Liebe sein. Sie muß die Fahne der Harmonie und Gemeinschaft erheben. Wenn Religion Haß und F'eindschaft verursacht, so schadet ihr Da- sein dem Wohl der Gemeinschaft.

Seine Heiligkeit Christus opierte sein Leben nicht, damit das Volk an den Lehrsatz, daß er das Wort Gottes |sei, glauben solle, nein, er will vielmehr zum Bewußtsein des ununterbrochenen Seins führen. Das ist es, weshalb er sagt:. „Jesus, der Menschensohn, ist gekommen, der Welt Leben zu geben.“

Sein Bestreben ist vollständig ausgelöscht und dafür künstlich der Lehrsatz vom Vater, Sohn und Heiligen Geist geschaffen worden. Christus sagt: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange ‚schlägt, so halte ihm die andere auch hin.‘“ Besteht zwischen diesem Gesetz und den blutigen Ausbrüchen der heutigen Nationen eine Beziehung?

Die religiöse Zwietracht zwischen den Katholiken und Pro- testanten hat eine Sintflut von Blut hervorgerufen. War dies auch . in der Darlegung Christi enthalten, wenn er zu Petrus sagt: „Stecke dein Schwert in die Scheide!“ Wenn wir an der Grundlage der Reli- gionen festhalten, werden die Unterschiede schwinden.

Pastor Monnier: Ist es !hre Absicht, eine neue Religion zu gründen?

'Abdul-Bahä: Unsere Absicht ist, die Grundlage der Reli- gion von den moosüberwucherten Dogmen zu befreien, den dunkeln undurchdringlichen Nebel um den Glauben zu zerstreuen, damit die Religionen erleuchtet und gereinigt werden mögen. Mögen diese [Seite 2]2

trüben Wolken nie wieder zurückkommen, mögen die Strahlen der ewigen Sonne alle Länder umfangen, denn wahrlich, die ‚glänzende Sonne der Wirklichkeit scheint von Zeitalter zu Zeitalter. GAbeır l- Bahä erhebt sich.)

Pastor Monnier: Unsere Hoffnung besteht gleichfalls in der Ausbreitung dieser Ideale der Einheit, des Friedenst und der Eintracht. Wir hoffen, ihre Helfer und Mitarbeiter auf diesem Gebiete zu sein.

'Abdu’l-Bahá: Möge jene Gemeinschaft zwischen uns herge- stellt werden, die niemals durch Trennung ein Ende erlährt. (’Abdu’l- Bahä ging darauf in die Bibliothek, in der einige Geistliche und Lehrer. seine Bekanntschaft suchten.) Einer von ihnen sagte: „Ich möchte im Namen der Anwesenden den tiefsten Dank und unsere Freude ausdrücken. Was Sie gesagt haben, ist in der Tat unser Be- streben, das die Errichtung des allgemeinen Friedens und der Bruder- schaft ist.“

’Abdu/l-Bahä: Preis sei Gott, daß unser Hoffen und Stne- ben eins ist, aber wir müssen bemüht sein, diese Absicht zu ver- wirklichen.

Ein Professor: Der internationale Religionskongreß wird während des Monats Juli in Paris tagen. Wir laden Sie ein, an den Sitzungen des Kongresses teilzunehmen.

Abdwl-Bahä: Es ist annähernd zwei Jahre her, seit ich von Haifa *) fort bin. Ich muß zurück. Nach vierzigjähriger Gefangen- schaft und zweijähriger andauernder Reise sind meine Kräfte er- schöpft.

Professor: Wir werden Ihnen die Einladung zum Kongreß schicken und hoffen, daß Sie uns eine Botschaft schreiben, die auf der Tagung vorgelesen werden wird.

'Abdul-Bahä: Gott gebe es.

(Divine Philosophy, S. 147 ff. deutsch von A. B.)

  • Haifa in Syrien war der Wohnsitz ’Abdu’l-Bahá’s.

Aus dem Schatz der Erinnerugen an Abbas Effendi, “Abdu’l-Baha. Haifa 1906—11 Dreizehnter Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart

Die Stellung der Propheten zur Kulturseligkeit und zur modernen Technik (betreffs Prophetie im allgemeinen und im besonderen).

Miß Stevens: Die gelehrten Geschichtsforscher, die Altertumskundigen, die Sprach-, Volks- und Religionsforscher des Westens rühmen dem Propheten Bäb nach, daß er der erste Perser gewesen sei, welcher Kulturfreudigkeit predigte, westliche Reformen (wie Handels- und Industriebanken, Fahr- straßen, Verkehrsverbesserungen usw.) empfahl, das weibliche Geschlecht neben das männliche heben wollte, kurzum als ein moderner Prophet zu nennen ist, welcher seinem Zeitalter weit voraneilte. Von dem Schöpfer der Bahä’i-Lehre heißt es ähnlich und doch soll die Gesegnete Manifestation vor den großen Fortschritten der Technik gewarnt haben und es sollen Prophezeiungen aus der allerhöchsten Feder vorliegen, welche der Entwicklung des Maschinenzeitalters nichts Gutes voraus- sagt. Dürfen wir, verehrter Meister, Deine weise Zunge dafür bemühen? [Seite 3]3

Der Meister: OÖ, meine Tochter, in deinen Aussagen, so widersprechend sie auch erscheinen mögen, liegt nichts Gegensätzliches! Wohl aber muß man die Tiefen und Höhen der prophetischen Erkenntnis nachdenkend durchwandern, um eine klare Anschauung über die Stellung des Menschen und des Menschengeschlechtes zur Technik zu erhalten.

Schon seine Heiligkeit der Bäb und noch 'mehr die Geseg- nete Volikommenheit Bahä’u’läh haben gelehrt, daß die Gott- heit den Menschen befähigt hat, die Naturgesetze zu erkennen, zu erforschen und in seinen Dienst zu stellen. Wer mir dient, ist aber mein Diener und nicht mein Herr! Der \kurzsichtige Mensch oder sagen wir besser der gotiferne oder gottentfrem- dete ist jedoch immer geneigt, die Naturgesetze anzubeten und über sich herrschen zu lassen. Ein abendländischer Dich- ter (es ist wohl der deutsche Goethe im Zauberlehrling ge- meint) hat einmal darüber gesagt: „Die Geister, die ich rief, die werd’ ich nimmer los.“ Wir sehen das schon an unserem Körperbau und Körperleben: gerade der moderne Abendländer kennt den Bau !und die Gesetze der Leiblichkeit, beherrscht er somit seinen Leib mit seinem geistigen Denkvermögen? © nein, von Ausnahmen abgesehen ist er, der Mensch, der ge- fällige Diener, ja der Sklave seines irdischen Gefäßes! Gott will und alle Propheten lehren es, daß wir, um die Natur zu mei- stern, darüber hinauswachsen müssen. Wir sollen nicht weder, wie die armen Heiden, die Natur blind und abergläubisch fürchten und in sklavischer Angst anbeten, einen Fetisch aus ihr machen, noch sollen wir kulturselig uns unter die Natur so beugen, daß wir genießerisch und weichlich ihr dienen und damit ihre Gesetze entweder mißachten und mißbrauchen oder uns durch ihre Räder zermalmen lassen. Siehe, der Mensch ist durch die Art seiner Gehwerkzeuge als auf der Erde gehendes Geschöpf geschaffen, aber er erbaut Schiffe, legt Tunnels unter der Erde, durch das Wasser (Neuyork), fährt in Eisenbahnen unter Städten und Dörfern hinweg, der deutsche Graf (Zeppe- lin) — mit dem schwierigen Namen — erfindet gar Luftschiffe, ja der Mensch versteht selbst in die Untiefen des Meeres zu tauchen (Unterseeboote). Du wirst sagen, meine Tochter, ge- rade hier liegen die tatsächlichen Beweise, daß der Mensch die Natur meistert, sie unterwirit, sie bannt und beherrscht, Ich will dir jedoch die Schattenseite dieser scheinbar restlosen Beherrschung zeigen. Ein arabisches Sprichwort sagt: „Die Eile ist vom Teufel“, und ein bengalisches (indisches) lehrt: „Der Mensch, der Gutes tun will, hat immer Zeit und niemals Eile, aber alles Böse hat Flügel!“ Beides besagt dasselbe. Je mehr der Mensch die Verkehrsgeschwindigkeit steigern konnte, um so mehr wird er zum Sklaven der Zeit, er hat für nichts mehr Zeit — nicht für seinen Körper, noch weniger für Seele und Geist, nicht für sich, nicht für seine Nächsten, er steht mehr und mehr unter der sausenden Peitsche des Zeitgottes. Nicht umsonst sagt der Deutsche: ‚Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“, schon jagt der Amerikaner an ihm vorbei und schreit: „Zeit ist Geld und Geld ist alles.“ Die Gesegnete Voll- kommenheit Bahä’ulläh hat bereits mit prophetischen Augen [Seite 4]4

in die Zeitenwende hinein und darüber hinaus in das neue Zeit- alter der Maschinentechnik hineingeschaut. Seine propheti- schen Worte waren: „Amerika wird die Alte Welt besiegen, nicht mit den Waffen des Krieges oder mit dem Schwert des Geistes, sondern mit seinem iIndustrialismus, seinem tech- nischen Großbetrieb und mit der Aufblähung (Hypertrophie) des technischen Lebensraumes. Die Maschine wird die Zeit auffressen, nüchterne Zahlen und Formeln, eisige Tabellen und Meßapparate werden die Seele aufsaugeni Die mechanische Kraft mit ihren Symbolen und Ausdrücken wird die Menschen regieren, nein unterjochen und ausbeuten und zuletzt wird die Maschine den Menschen ganz aus dem Leben und der Arbeit verdrängen, worauf das Ende der Zeit für unsern Planeten heranrückt, denn man kann wohl Städte weitgehend mechani- sieren, aber bei den Menschen gibt es eine Grenze.

Langes Schweigen, der Meister scheint, in tiefe Gedanken versunken, innerlich rückwärts und vorwärts schauend. Nach langer Zeit — der Meister scheint die Anwesenden vergessen zu haben — wendet sich Miß Stevens nochmals an den Mei- ster: „Dürfen wir fragen: Was lehrt der Prophet Bahä’u’liäh betreffs des Endes aller Zeiten?“

Der Meister: „Das Ende aller Dinge?“ frägst du, meine Tochter! Die Welt, d.h. das Universum ist ewig, die Erde ist nur ein Planet, auf dem das Naturleben Millionen und Mil- lionen von Jahren alt ist. Das Leben auf der Erdeist nicht von Anfang an und auf einmal dageewsen, sondern es hat sich in Stufen und Graden entwickeit. Die Atome der Elemente sind zu ihrem naturgesetzlich erfolgenden Aufbau und ihrer Zu- sammensetzung prädisponiert (veranlagt),. der kosmische Geist, der göttliche Urwille wırkt und schafft in dieser Art. Im Ele- ment, im Uratom wirkt der göttliche Urwille als Attraktion und Repulsion (Anziehung und Abstoßung), auf der nächst- höhern Stufe als organisches Leben, alsdann als animalisch- vegetierendes und endlich als geistiges Leben, das ins über- geistige aufzusteigen bestimmt ist. Was sich entwickelt, ist nicht etwa das körperliche Substrat (Unterlage), das vielmehr von Anfang an in seinen verschiedenen Spezies (Arten) vor- liegt, die sich nur je innerhalb der eigenen Art zu höherer Volikommenheit entwickeln, sondern der kosmische Geist, der göttliche Urwille entfaltet sich im Geschöpf, wie sich eine Blütenknospe immer völliger, immer reiner, immer schöner ' auseinanderlegt, um schließlich im vollkommen erlösten, ganz geläuterten Menschen in die Gottheit zurückzukehren, in der Gottheit unterzutauchen und zu verschmelzen. Der Mensch aber, welcher sich der Maschine ganz unterworfen hat, oder gar ihr geopfert wurde, kann nicht zu Lebzeiten über die niedern Stufen des menschlichen Bewußtseins sich hinaus entwickeln, seine geknechtete Seele, in den Banden von Zeit und Raum fixiert, kann nur unvollkommen vom kosmischen “ Geist belichtet werden, er wird nach seinem leiblichen Tode in der jenseitigen Welt weiter existieren und Gelegenheit zur

Zu beziehen durch Fortsetzung folgt. Verlag des Deutschen Bahä’’-Bundes, Stuttgart, Alexanderstraße 3 �