Religion/Text

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Seite 1 pdf . Seite I BAHÁ’Í – STUDIENTEXTE RELIGION Zusammengestellte Worte von BAHÁ’U’LLÁH und ‘ABDU’L-BAHÁ

Seite 2 pdf . Seite II UEBERSICHT Religion als lebendiger Ausdruck der Göttlichen Wirklichkeit (Seite 1-3)

Religion, der äußere Ausdruck der Göttlichen Wirklichkeit. Da das Göttliche Leben fortgesetzt in Entwickelung ist, muß auch sie sich in ständigem Fortschritt befinden. Zwei Aufgaben der Religion:

a) Befreiung von Unwissenheit, b) Sicherung der Ruhe und des Friedens der Menschheit.

Das Wesen. a) Anerkennung dessen, was Gott offenbarte b) Befolgung Seiner Verordnungen Zwei Seiten der Religion: a) Die geistige, unveränderliche, die die wichtigere ist b) Die praktische, nach den Zeitbedürfnissen veränderte materielle Seite, die äußere Formen, Bräuche und gewisse Strafen betrifft. Religiöse Vorurteile und Aberglauben (Seite 3-5) Die Welt ist in selbsterdachten Aberglauben und äußere Formen versunken, die die wahre Religion fesseln und Streitigkeiten hervorrufen. Jede Religion glaubt, die einzige Hüterin der Wahrheit zu sein, währen die übrigen im Irrtum seien. Wir müssen uns von den äußeren Formen und Gebräuchen, die nur Gewänder sind, lösen und die überlieferten Vorurteile aufgeben, um das wahre Wesen der Religion zu erkennen. Seite 3 pdf . Seite III Die Religion muß vernünftig sein (Seite 5-8) Religion soll nicht im Wiederspruch zur Vernunft und zur Wissenschaft sein, da sie sonst zu bloßer Ueberlieferung und Aberglauben wird. Religion und Wissenschaft vielmehr die zwei Flügel, mittels derer die menschliche Seele Fortschritte macht. Religion muß zu Liebe und Eintracht zwischen allen Menschen führen (Seite 8-10) Religion sollte die Herzen vereinigen und Kriege und Streitigkeiten zum Verschwinden bringen. Wenn die Religion zur Ursache von Abneigung, Haß und Spaltungen wird, wäre es besser, ohne sie zu sein. Religion sollte sich nicht mit Politik befassen (Seite 11-13) Die Religion dient der Besserung der Sitten und dem geistigen Fortschritt der Menschheit, während sich die Politik mit den Dingen dieser Welt befasst. Die Religion befruchtet die geistige Haltung, die in der Handlungsweise der Staatsoberhäupter, Beamten und Untertanen zum Ausdruck kommt, aber mit politischen Fragen soll die Geistlichkeit nichts zu tun haben. (Quellennachweis siehe am Schluss) Seite 4 pdf . Seite 1 Religion als lebendiger Ausdruck der Göttlichen Wirklichkeit Religion ist der äußere Ausdruck der Göttlichen Wirklichkeit. Sie soll darum lebendig, kraftvoll, beweglich und fortschrittlich sein. Ermangelt ihr die Bewegung und der Fortschritt, so fehlt ihr das Göttliche Leben und sie ist tot. Da die Göttlichen Gesetze fortgesetzt wirksam und in der Entwickelung begriffen sind, muß sich auch ihre Offenbarung in ständigem Fortschritt befinden. 1) Jeder Prophet, den der allmächtige und unvergleichliche Schöpfer zu den Völkern der Erde zu senden gesetzt hat, wurde mit einer Botschaft betraut und beauftragt, so zu handeln, wie es am besten den Erfordernissen der Zeit, in der sie erschienen, entspräche. Zweifach ist Gottes Absicht in der Sendung Seiner Propheten an die Menschen: einmal, die Menschenkinder aus der Nacht der Unwissenheit zu befreien und sie zum Licht des wahren Verstehens zu leiten, zum andern, den Frieden und die Ruhe der Menschheit zu sichern und alle Mittel, die zu ihrer Erreichung dienen, zu geben. 2) Wenn das Gebäude der Religion erzittert und schwankt, so folgen Aufruhr und Chaos, und die Ordnung der Dinge wird völlig umgestürzt. Denn in der Welt der Menschheit gibt es zwei Wächter, die den Menschen vor Unrechttun bewahren: der eine ist das GESETZ, das den Seite 5 pdf . Seite 2 Verbrecher bestraft, aber das Gesetz verhindert nur OFFENSICHTLICHES Verbrechen, nicht jedoch GEHEIME Sünden, während der ideale Wächter, nämlich die RELIGION Gottes, BEIDES, das offensichtliche sowohl als auch das geheime Verbrechen verhütet, den Menschen erzieht, die Sittlichkeit entwickelt, die Aneignung von Tugenden erzwingt und die allumfassende Macht ist, die das Glück der Menschenwelt gewährleitstet. 3) Das Wesen der Religion ist, das anzuerkennen, was der Herr offenbarte, und zu befolgen, was Er in Seinem mächtigen Buch verordnet hat. 4) Religion hat zwei wesentliche Seiten: die GEISTIGE und die PRAKTISCHE. Die GEISTIGE Seite ändert sich nie. Alle Manifestationen Gottes und Seine Propheten haben die gleiche Wahrheit vermittelt und das nämliche geistige Gesetz gegeben. Sie alle lehren das eine Buch der Gesittung. Es gibt keine Spaltung in der Wahrheit. Die Sonne hat viele Strahlen herabgesandt, um den menschlichen Geist zu erleuchten, aber das Licht ist immer das gleiche. Die PRAKTISCHE Seite der Religion befasst sich mit äußeren Formen und Bräuchen und mit der Art der Bestrafung gewisser Vergehen. Dies ist die materielle Seite des Gesetzes und sie regelt die Gewohnheiten und Sitten des Volkes. Zu Mose Zeit wurden zehn Verbrechen mit dem Tode bestraft. Mit dem Kommen Christi wurde dies geändert, der alte Grundsatz „Auge um Auge und Zahn um Zahn” durch „liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen” ersetzt und damit das strenge Seit 6 pdf . Seite 3 alte Gesetz in eines der Liebe, Barmherzigkeit und Nachsicht verwandelt. Früher wurde Dieben als Strafe die rechte Hand abgehschlagen, heute ließe sich dieses Gesetz nicht mehr anwenden. Heute läßt man jemanden, der seinen Vater verflucht, leben, während man ihn früher getötet hätte. Es ist darum klar, daß, im Gegensatz zum unveränderlichen geistigen Gesetz, die praktischen Regeln ihre Anwendungsweise entsprechend den Zeitbedürfnissen ändern müssen. Die geistige Seite der Religion ist die größere, die wichtigere von beiden. Sie ist die gleiche für alle Zeiten und verändert sich niemals. Sie ist die nämliche gestern, heute und immer. „Wie im Anfang so auch heute und ewig.” 5) Religiöse Vorurteile und Aberglauben Schaut um euch und seht, wie die Menschen heute in Aberglauben und äußere Formen versunken sind. Manche verehren das Erzeugnis ihrer eigenen Einbildung, machen sich einen eingebildeten Gott und beten ihn an, obgleich das, was ihr endlicher Geist erschafft, nicht der unendliche, mächtige Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge sein kann. Andere beten die Sonne an und wieder andere Bäume oder gar Steine, und in vergangenen Zeiten gab es Menschen, die das Meer, die Wolken und selbst den Staub anbeteten. Heute sind die Menschen derartig in solche ihnen lieb gewordene Fesseln äußerer Formeln und Gebräuche hineingewachsen, daß sie über die Gebräuche oder einzelne Uebungen der Religion streiten und man von Seite 7 pdf . Seite 4 allen Seiten von mühsam zusammengetragenen Beweisen und vieler Unruhe hören kann. Es gibt Leute, die einen schwachen Verstand haben und deren Vernunftskräfte nicht entwickelt sind, doch dürfen wir deshalb, weil diese Leute dolche Dinge nicht zu verstehen vermögen, nicht auch die Kraft und Macht der Religion bezweifeln. Ein kleines Kind kann die Gesetze, die die Natur beherrschen, nicht verstehen, was aber nur dem unentwickelten Verstand des Kindes zuzuschreiben ist. Ist es einmal erwachsen und gut erzogen, so wird es auch die ewige Wahrheit der Naturgesetze begreifen. So kann ein Kind auch nicht die Tatsache der Drehung der Sonne um die Erde fassen, ist aber sein Geist geweckt, wird ihm die Tatsache einleuchten und klar sein. 6) Alle Religionen wurden allmählich durch Ueberlieferungen und Glaubenssätze eigeengt, jede Religion betrachtet sich als die einzige Hüterin der Wahrheit und glaubt, daß alle anderen Religionen aus Irrtümern zusammengesetzt, sie allein im Recht und alle übrigen im Unrecht seien. Die Juden vermeinen, allein die Wahrheit zu besitzen und verwerfen deshalb alle anderen Religionen, die Christen behaupten ihre Religion als die einzig wahre und alle anderen als falsch, das gleiche glauben Buddhisten und Muhammedaner von ihren Religionen: alle begrenzen sich selber. Wenn alle einander verdammen, wo sollen wir dann die Wahrheit suchen? Alle widersprechen einander, alle können nicht wahr sein. Wenn die Angehörigen jeder Religion glauben, daß ihre Religion die einzig wahre sei, so verschleiern sie ihre Augen gegenüber der Wahrheit, die in anderen Religionen enthalten ist. Wenn Seite 8 pdf . Seite 5 sich z.B. ein Jude auf die äußere Ausübung seiner Religion festlegt, so gibt er nicht zu, daß die Wahrheit auch in irgend einer anderen Religion vorhanden sein kann, glaubt er doch, daß alles in seiner eigenen Religion enthalten sei. Wir sollten uns daher von den äußeren Formen und Gebräuchen der Religion lösen, denn wir müssen bedenken, daß diese Formen und Gebräuche, so schön sie auch sein mögen, doch nur GEWÄNDER sind, die das warme Herz und die lebendigen Glieder der Göttlichen Wahrheit bekleiden. Wenn wir die Wahrheit aus dem Kern aller Religionen herausfinden wollen, so müssen wir alle überlieferten Vorurteile aufgeben. 7) Die Religion muß vernünftig sein ‘Ali, der Schwiegersohn Muhammads, sagte: „Was in Uebereinstimmung mit der Wissenschaft ist, ist auch in Uebereinstimmung mit der Religion. Was die Intelligenz des Menschen nicht verstehen kann, sollte in die Religion nicht aufgenommen werden. Religion und Wissenschaft gehen Hand in Hand, und eine Religion, die der Wissenschaft widerspricht, ist nicht die wahre Religion.” 8) Das Gegenteil von Wissen ist Unwissenheit. Wie kann ein Mensch etwas für Tatsache halten, was die Wissenschaft als Unmöglichkeit bewiesen hat? Wenn er derartiges trotz seiner Vernunft glaubt, so ist dies eher Aberglauben denn Glaube … Wenn die Religion der logischen Vernunft entgegen wäre, so würde sie aufhören, Religion zu sein, sie wäre dann nichts als Ueberlieferung. Religion und Wissenschaft sind die beiden Seite 9 pdf . Seite 6 Flügel, mit denen sich die Intelligenz des Menschen in die höchsten Höhen emporschwingen kann, sie sind das Flügelpaar, durch das die Seele Fortschritte macht. Man kann nicht mit nur einem Flügel fliegen. Sollte ein Mensch versuchen, nur mit dem Flügel der Religion zu fliegen, so würde er bald in den Sumpf des Aberglaubens fallen, während er anderseits mit dem Flügel der Wissenschaft allein auch keine Fortschritte machen könnte, sondern in den Tümpel des Materiealismusses geraten würde. Alle Religionen der Gegenwart sind in abergläubische Gebräuche verfallen, die ebensowenig den wahren Prinzipien der von ihnen vertretenen Lehren wie den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ihrer Zeit entsprechen. Viele religiöse Führer sind dahin gekommen, zu glauben, der wichtigste Teil der Religion bestehe hauptsächlich darin, gewissen Glaubenssätzen anzuhängen und bestimmte Bräuche und Zeremonien einzuhalten. Jene Menschen, deren Seelen sie erretten zu wollen vorgeben, werden gelehrt, das gleiche zu glauben, und diese klammern sich dann beharrlich an die ÄUßEREN Formen, die ihnen die INNERE WAHRHEIT verbergen. Formen und Gebräuche aber weichen in den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften stark von einander ab, ja, sie widersprechen sich sogar und geben Anlaß zu Mißklang, Haß und Uneinigkeit. Die Frucht aller dieser Zwistigkeiten ist, daß so viele Gebildete glauben, Religion und Wissenschaft seien einander widersprechende Begriffe und daß Religion und Wissenschaft schon dadurch, daß die Reli­ Seite 10 pdf . Seite 7 gion keinerlei Ueberlegungskräfte erfordere und in keiner Weise durch die Wissenschaft reguliert werden solle, notwendigerweise im gegenseitigen Widerspruch stehen müßten. Die unglückselige Folge davon ist, daß die Wissenschaft der Religion entfremdet und Religion zu einem mehr oder weniger gedankenlosen Befolgen der Vorschriften gewisser Religionslehrer wurde, die auf Annahme ihrer Lieblingsdogmen bestanden, selbst dann, wenn sie der Wissenschaft entgegen waren. Dies ist Torheit, verbreitet doch die Wissenschaft offensichtlich Licht, und wenn dem so ist, so wird sich auch die Religion, die mit Recht gleichfalls Licht genannt wird, nicht dem Wissen widersetzen. „Licht und Finsternis”, „Religion und Wissenschaft” sind uns vertraute Aussprüche, geht aber die Religion nicht Hand in Hand mit der Wissenschaft, so befindet sie sich selbst in der Finsternis des Aberglaubens und der Unwissenheit. Durch diese menschengeschaffenen Widersprüche wurde viel Disharmonie und Uneinigkeit in der Welt verursacht. Wenn die Religion mit der Wissenschaft in Harmonie wäre, und mit ihr zusammenginge, so würde viel vom Haß und der Bitterkeit, die jetzt der menschlichen Rasse so viel Elend bringen, aus der Welt geschafft werden. Bedenkt, was den Menschen von den übrigen Geschöpfen unterscheidet und ihn zu einem besonderen Geschöpf macht. Ist es nicht seine Verstandeskraft, die Intelligenz? Soll er von ihr beim Studium der Religion keinen Gebrauch machen? Ich sage euch: wäget alles, was euch als Religion geboten wird, sorgfältig mit der Wage der Vernunft und der Wissenschaft. Besteht es die Prüfung, so nehmt es an, denn dann ist es die Wahrheit, Seite 11 pdf . Seite 8 wenn nicht, so weist es, weil es die Unwissenheit ist, von euch … Die Religion kann unmöglich Die Religion kann unmöglich im Widerspruch zur Wissenschaft sein, selbst dann nicht, wenn der Verstand mancher Menschen zu schwach oder zu unreif ist, um die Wahrheit zu begreifen. Gott hat uns Religion und Wissenschaft so gegeben, wie sie unserem Verstand angemessen sind. Achtet darauf, eine so wunderbare Kraft nicht zu vernachlässigen, wäget alles mit dieser Wage! Dem, der Fassungskraft besitzt, ist die Religion wie ein offenes Buch. Wie könnte es da einem Menschen, der ohne Vernunft und Fassungskraft ist, möglich sein, die ewigen Wirklichkeiten Gottes zu verstehen? Bringt euern ganzen Glauben in Harmonie mit der Wissenschaft: es kann keinen Widerspruch zwischen beiden geben, denn es gibt nur EINE Wahrheit. Wenn die Religion von ihrem Aberglauben, ihren Ueberlieferungen und unverständlichen Glaubenssätzen gesäubert ist und ihre Uebereinstimmung mit der Wissenschaft dartut, wird es eine große Vereinigung geben, es wird dadurch eine Reinigungskraft in der Welt entstehen, die alle Kriege, alle Mißhelligkeiten, alle Uneinigkeiten und alle Kämpfe hinwegfegen und die Menschheit in der Macht der Liebe Gottes einigen wird. 9) Religion muß zu Liebe und Eintracht zwischen allen Menschen führen Alle Religionen lehren, daß wir einander lieben und unsere eigene Fehler- Seite 12 pdf . Seite 9 haftigkeit einsehen sollen, ehe wir wagen, die Fehler anderer zu verurteilen und uns über unsere Nebenmenschen zu erheben. Um nicht gedemütigt zu werden, müssen wir sehr bedacht sein, daß wir uns nicht zu hoch einschätzen. Wer sind WIR, dass wir uns unterstehen, andere zu richten? Wie können WIR wissen, wer in den Augen Gottes der Aufrichtigste ist? Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Wie viele Menschen, die von ihren Freunden wie Heilige angesehen wurden, sind in die größte Erniedrigung geraten. Denkt an Judas Ischariot: er hatte gut begonnen, aber wie traurig war sein Ende! Erinnert euch anderseits an den Apostel Paulus: erst eine Zeit lang ein Feind Jesu Christi, hernach sein treuester Diener. Wie können wir da uns selbst schmeicheln und andere verachten? Laßt uns darum demütig sein und das Gute an anderen vorurteilslos vorurteilslos dem eigenen Guten vorziehen. Laßt uns nie sagen: „Ich bin ein Gläubiger, aber jener ist ein Ungläubiger, ich bin Gott nahe, während er ein Ausgestoßener ist.” Wir können nie wissen, wie Gottes Endurteil über ihn sein wird. Laßt uns deshalb allen helfen, die irgendwie der Hilfe bedürfen, laßt uns die Unwissenden belehren und auf die Kinder achten, bis sie erwachsen sind. Wenn wir einen Menschen finden, der in die Tiefen des Elends oder der Sünde gefallen ist, so müssen wir freundlich zu ihm sein, ihn bei der Hand nehmen und ihm helfen, daß er wieder Halt und Kraft erlangt. Wir müssen ihn sorgsam und liebevoll führen und ihn wie einen Freund, nicht gleich einem Feind, behandeln. Wir haben kein Recht, irgendeinen unserer Nebenmenschen al böse anzusehen. 10) Seite 13 pdf . Seite10 Die Religion soll alle Herzen vereinen und verursachen, daß Kriege und alle Streitigkeiten von der Erde verschwinden, sie soll die Geburt der Geistigkeit verursachen und Licht und Leben in jedes Herz tragen. Wenn Religion zur Ursache der Abneigung, des Hasses und der Spaltungen wird, dann wäre es besser, ohne sie zu sein und in der Tat eine religiöse Handlung, sich von einer solchen Religion zurückzuziehen, denn es ist klar, daß der Zweck eines Heilmittels ist, zu heilen. Wenn aber eine Arznei die Krankheit nur verschlimmert, so ist es besser, sie fortzulassen. Eine Religion, die nicht zur Ursache der Liebe und Einigkeit wird, ist keine Religion. Alles Propheten waren gleichsam Aerzte für die Seelen: sie gaben Verordnungen zur Heilung der Menschheit. Ein Heilmittel aber, das Krankheit hervorruft, kommt nicht vom Größten Arzte. 11) All die Spaltungen, die wir auf allen Seiten sehen, alle Streitigkeiten und Widersprüche rühren daher, daß sich die Menschen an Sitten und äußerliche Bräuche klammern und dabei die schlichte Wahrheit vergessen, die jeder Religion innewohnt. Es ist die äußere Ausübung der Religion, die so verschieden ist, und sie ist es, die Streit und Feindschaft weckt, während die Wirklichkeit stets eine und die selbe bleibt. Die Wirklichkeit ist die Wahrheit, und die Wahrheit kann nicht vielfach sein. Die Wahrheit ist Gottes Führung, sie ist das Licht der Welt, ist Liebe und Barmherzigkeit. Die Eigenschaften der Wahrheit sind zugleich auch mensch- Seite 14 pdf . Seite 11 liche Tugenden, die vom Heiligen Geist ausgehen. So laßt uns nun alle an der Wahrheit festhalten, dann werden wir in der Tat frei werden. Der Tag ist gekommen, an dem sich alle Religionen der Welt vereinigen werden, denn im Grunde sind sie bereits einig. Es liegt kein Bedürfnis für Spaltungen vor, denn wir sehen, daß es nur die äußeren Formen sind, die sie trennen. 12) Religion sollte sich nicht mit Politik befassen Die Religion befasst sich mit Dingen des Geistes, die Politik mit weltlichen Dingen. Religion hat es mit dem Unsichtbaren zu tun, während sich das Feld der Politik über die Welt der äußeren Gegebenheiten erstreckt. Aufgabe der Geistlichkeit ist es, das Volk zu erziehen, zu unterrichten, ihm gute Lehren und Anweisungen zu geben und damit den geistigen Fortschritt herbeizuführen. Mit politischen Fragen hat sie nichts zu tun. 13) Der Mensch wird in seinem Tun von zwei Hauptbeweggründen beeinflußt: von der Hoffnung auf Belohnung und der Furcht vor Bestrafung. Diesen Beweggründen muß daher von Beamten, Führenden und Regierenden Rechnung getragen werden. Ihre Angelegenheit ist es, Gesetze durchzuberaten und für eine gerechte Verwaltung Sorge zu tragen. Das Gebäude der Weltordnung ist auf den beiden Pfeilern der Belohnung und Bestrafung er- Seite 15 pdf . Seite 12 richtet. Bei Regierungen, die von gewissenlosen Mänern ohne Gottesfurcht geleitet werden, ist die Handhabung der Gesetze vielfach tyrannisch und ungerecht. Es gibt kein besseres Mittel, Ungerechtigkeit zu verhüten, als die zwei Gefühle der Hoffnung und der Furcht. Sie haben sowohl politische als auch geistige Auswirkungen. Wenn die Handhaber des Rechts die geistigen Folgen ihrer Entscheidungen in Erwägung ziehen und der Führung der Religion folgen, so würden sie „Göttliche Sachwalter in der Welt der Tat, die Statthalter Gottes für die, die auf Erden sind, sein und um der Liebe Gottes Willen die Belange Seiner Diener wie ihre eigenen verfechten.” Wenn sich ein Regent oder Richter der Verantwortung bewußt ist und davor zurückschreckt, dem Göttlichen Gesetz zu trotzen, so wird sein Urteil gerecht sein. Und wenn er glaubt, daß ihm die Folgen seines Handelns auch über das irdische Leben hinaus nachgehen und daß er das, was er sät, auch ernten muß, dann wird er sicherlich Ungerechtigkeit und Tyrannei vermeiden. Glaubt aber andererseits ein Beamter, daß alle Verantwortung für sein Tun mit dem irdischen Leben aufhört und weiß er nichts von Göttlicher Güte und einem Geistigen Reich der Freude und glaubt er nicht daran, so wird ihm der Anlaß zu gerechtem Handeln und der Antrieb, Unterdrückung und Ungerechtigkeit auszurotten, fehlen. Weiß ein Herrscher, daß seine Entscheidungen in der Wage des Göttlichen Richters abgewogen werden und daß er, wenn sie nicht als zu leicht be- Seite 16 pdf . Seite 13 funden wurden, in das himmlische Königreich eingehen wird, wo das Licht der himmlischen Belohnung über ihm leuchtet, so wird er sicherlich gerecht und unparteiisch handeln. Seht, wie wichtig es ist, daß Staatsbeamte durch die Religion erleuchtet werden! Mit politischen Fragen hat jedoch die Geistlichkeit nichts zu tun. Religiöse Dinge sollten im gegenwärtigen Zustand der Welt nicht mit der Politik vermengt werden, weil sich ihre Belange nicht decken. 14) Quellenachweis: 1) ‘Abdu’l-Bahá, Bahá’í Magazine 24, 12 2) Bahá’u’lláh, in „Talks by ‘Abdu’l-Bahá ”, London 1936, S.V. 3) ‘Abdu’l-Bahá, Sendschreiben an den Haag 4) Bahá’u’lláh, Worte der Weisheit 5) ‘Abdu’l-Bahá, Anspr. i. Paris, Kap 43 6) desgl 7) desgl, Kap. 41 8) desgl, Kap. 40 IV 9) desgl, Kap. 43 10) desgl, Kap. 44 11) desgl, Kap. 40 III 12) desgl, Kap. 39 13) desgl, Kap. 40 IX 14) desgl, Kap. 48.